L 11 R 4119/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 3166/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4119/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 30.06.2010 aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 08.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2008 insoweit aufgehoben, als Beiträge und Umlagen für die Beigeladene zu 1) nachgefordert werden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig festgesetzt auf 5.124,30 EUR.

Tatbestand:

Streitig ist die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen, insbesondere die Beitragspflicht einer Aufwandsentschädigung.

Die Klägerin ist eine katholische Kirchengemeinde und beschäftigt seit 01.04.2003 die Beigeladene zu 1) als nebenamtliche Kirchenpflegerin. Die Beigeladene zu 1) erhielt als Aufwandsentschädigung einen Betrag in Höhe von monatlich 600 EUR, der dem Grunde und der Höhe nach im Haushaltsplan der Klägerin ausgewiesen war. Der Betrag von 600 EUR wurde in Höhe von 400 EUR als sog Kirchenpflegervergütung und in Höhe weiterer 200 EUR steuer- und sozialversicherungsfrei als Aufwandsentschädigung ieS gezahlt. Die Beigeladene zu 1) wurde von der Klägerin als geringfügig Beschäftigte geführt.

Die Beklagte nahm für den Prüfzeitraum 01.01.2004 bis 31.12.2007 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung vor und hörte die Klägerin im Rahmen der Schlussbesprechung am 17.04.2008 zur beabsichtigen Nachforderung von Pflichtbeiträgen an. Mit Bescheid vom 08.06.2008 forderte sie Beiträge und Umlagen in Höhe von insgesamt 5.589,82 EUR nach, da die versicherungsrechtliche Beurteilung diverser Aushilfen und die Höhe der Beitragsfreiheit der an die Beigeladene zu 1) gezahlten Aufwandsentschädigung unzutreffend seien. Aufwandsentschädigungen, die von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft gezahlt würden, seien nur dann steuerfrei, wenn der Kreis der Anspruchsberechtigten und der Betrag oder zumindest der Höchstbetrag der Aufwandsentschädigung durch Gesetz oder Verordnung bestimmt worden sei. Mangels Bestimmung durch Gesetz oder Verordnung könnten vorliegend nur 154 EUR monatlich als steuer- und beitragsfrei angesehen werden. Wegen Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze sei bei der Beigeladenen zu 1) Versicherungspflicht eingetreten.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2008 zurück. Sie führte zur Begründung aus, die von der Diözese R.-S. erlassene Kirchenpflegerbesoldungsordnung, wonach ein Drittel der Vergütung der nebenamtlichen Kirchenpfleger als steuer- und somit beitragsfreie Aufwandsentschädigung zu gewähren sei, stelle nur eine kircheninterne Regelung dar, die einer Rechtsverordnung nicht gleichzustellen sei. Kirchliche Einrichtungen hätten keine Ermächtigung, Rechtsverordnungen zu erlassen. Hinsichtlich der gezahlten Aufwandsentschädigung sei daher nur der Übungsleiterfreibetrag (154 EUR) anzusetzen.

Am 03.11.2008 hat die Klägerin zum Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben, mit der sie sich ausdrücklich allein gegen die Beitragsnachforderung betreffend die Beigeladene zu 1) wendet. Sie verweist darauf, das Finanzamt S.-Körperschaften habe mit Schreiben vom 08.10.1990 festgestellt, dass die an nebenberufliche Kirchenpfleger gewährte Aufwandsentschädigung iSv § 3 Nr 12 Einkommenssteuergesetz (EStG) in Höhe von einem Drittel als steuerfrei angesehen werden könne. Da die Beurteilung des beitragspflichtigen Entgelts im Grundsatz dem Steuerrecht folge, könne dies nur Beitragsfreiheit der beanstandeten Bezüge bedeuten.

Mit Urteil vom 30.06.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, streitig sei allein die Höhe des sozialversicherungspflichtigen Anteils der Zahlungen der Klägerin an die Beigeladene zu 1). Die Beklagte habe zu Recht wegen Überschreitens der Geringfügigkeitsgrenze ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis angenommen, denn die gewährte Aufwandsentschädigung sei über einen Betrag von 154 EUR hinaus als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt anzusehen. Arbeitsentgelt seien nach § 14 Abs 1 Satz 1 und 3 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) alle Einnahmen aus einer Beschäftigung; steuerfreie Aufwandsentschädigungen und die in § 3 Nr 26 und Nr 26a EStG genannten steuerfreien Einnahmen gälten nicht als Arbeitsentgelt. Bei der Beigeladenen zu 1) sei beitragspflichtig der zu versteuernde Teil der Aufwandsentschädigung. Gemäß § 3 Nr 12 EStG seien die aus einer Bundeskasse oder Landeskasse gezahlten Bezüge, die ua in einem Bundesgesetz oder Landesgesetz oder auf bundesgesetzlicher oder landesgesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmungen als Aufwandsentschädigung festgesetzt sind und als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan ausgewiesen werden, steuerfrei. Das gleiche gelte nach § 3 Nr 12 Satz 2 EStG für andere Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. Zur Erleichterung der (finanzbehördlichen) Feststellung, inwieweit es sich in den Fällen des hier allein in Betracht kommenden § 3 Nr 12 Satz 2 EStG um steuerfreie Aufwandsentschädigungen handele, habe die Finanzverwaltung in R 13 Abs 3 Lohnsteuerrichtlinie (LStR) festgelegt, dass bei ehrenamtlich tätigen Personen eine Steuerfreiheit von 1/3 der gewährten Aufwandsentschädigung, mindestens 154 EUR in Betracht komme, wenn die Anspruchsberechtigten und der Betrag oder Höchstbetrag der aus einer öffentlichen Kasse zu gewährenden Aufwandsentschädigung durch Gesetz oder Rechtsverordnung bestimmt sei. Seien Anspruchsberechtigte oder Betrag bzw Höchstbetrag nicht durch Gesetz oder Rechtsverordnung bestimmt, könne ohne weiteren Nachweis ein steuerlich anzuerkennender Aufwand von 154 EUR monatlich angenommen werden. Vorliegend sei die klagende Kirchengemeinde zwar als öffentliche Kasse iSv § 3 Nr 12 Satz 2 EStG anzusehen, die Beigeladene zu 1) habe auch öffentliche Dienste iS der Vorschrift geleistet. Ausgehend von einer Aufwandsentschädigung von insgesamt 600 EUR im Monat beliefen sich die steuerfrei gezahlten 200 EUR zwar auf ein Drittel, es greife aber gleichwohl nicht R 13 Abs 3 Satz 2 LStR 2004 ein, da der Betrag der Aufwandsentschädigung nicht durch Gesetz oder Rechtsverordnung bestimmt worden sei. Die Ordnung über die Kirchenpfleger der Diözese R.-S. (Kirchenpflegerbesoldungsordnung vom 18.03.1987 mit Änderungen vom 24.09.1997 und 09.07.2009, KABl 2009, 204; 2006, 187; 1997, 539; 1988, 386) stelle weder ein Gesetz noch eine Rechtsverordnung dar. Die öffentlichen Religionsgemeinschaften nähmen, wenn sie Körperschaften des öffentlichen Rechts seien, Aufgaben der mittelbaren Staatsverwaltung wahr und könnten als Selbstverwaltungskörperschaften nur Satzungen für ihren Rechtsbereich erlassen. Die Kirchenpflegerbesoldungsordnung könnte entgegen dem Urteil des SG Reutlingen (09.02.2010, S 11 R 1260/05) nicht als (weitere) Pauschalierungsgrundlage für die Steuerfreiheit herangezogen werden. Dies sei bereits aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht möglich, da andere Satzungsregelungen von Selbstverwaltungskörperschaften ebenfalls nicht zur Begründung einer Steuerfreiheit herangezogen werden könnten. Bei den Zahlungen an die Beigeladene zu 1) habe daher nur ein Betrag von 154 EUR als steuerfrei berücksichtigt werden können, weshalb der übrige Teil von 446 EUR monatlich als Arbeitsentgelt iSv § 14 SGB IV zu qualifizieren sei, für das die Klägerin Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen zu leisten habe.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 06.08.2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 01.09.2010 eingelegte Berufung der Klägerin. Das SG verkenne, dass der Begriff der Aufwandsentschädigung als solcher unscharf sei, weshalb er in § 3 Nr 12 EStG und R 13 LStR präzisiert werde. Hiernach sei zwischen einem weiteren und einem engeren Begriff zu unterscheiden, wobei der erstere auch Leistungen umfasse, die für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt würden, während der engere allein auf Beträge beschränkt sei, die Aufwendungen abgelten sollten, die steuerlich als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar wären. Soweit in der Verdienstbescheinigung für die ehrenamtlichen Kirchenpfleger zwischen Aufwandsentschädigung und Kirchenpflegervergütung unterschieden werde, mache der als Aufwandsentschädigung gewährte Betrag genau 1/3 des Gesamtbetrags aus. Die Kirchenpflegervergütung lege schon vom Begriff her nahe, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gezahlt werde, so dass mit leicht abgewandelten Begrifflichkeiten eigentlich genau die Regelung des § 3 Nr 12 Satz 2 EStG, R 13 Abs 2 und 3 LStR nachvollzogen werden sollte. Dies werde bestätigt durch Abschnitt 2.2 der Kirchenpflegerbesoldungsordnung, wonach für nebenamtliche Kirchenpfleger ausschließlich Aufwandsentschädigungen zu zahlen seien, Vergütungen seien nicht vorgesehen. Soweit das SG ausführe, die Beigeladene zu 1) habe ihre tatsächlichen Werbungskosten weder dargetan noch nachgewiesen, verkenne es Sinn und Zweck von R 13 Abs 3 Satz 2 Nr 2 LStR. Nach R 13 Abs 2 Satz 3 LStR habe das Finanzamt zu prüfen, ob die als Aufwandsentschädigung gezahlten Beträge tatsächlich zur Bestreitung eines abziehbaren Aufwands erforderlich seien, es werde nicht gefordert, dass der Steuerpflichtige alle seine dienstlichen Ausgaben bis ins Kleinste nachweise. Nebenamtliche Kirchenpfleger müssten ihre Tätigkeit in aller Regel zuhause erledigen, weshalb sie dort einen eigenen Arbeitsplatz vorhalten müssten mit Heizung und Licht, in aller Regel mit PC und Schreibmaterialien unter Nutzung des privaten Fernmeldeanschlusses. Die 1/3-Regelung von R 13 Abs 3 Satz 2 Nr 2 LStR erscheine als einzig sachgerechte Lösung, weil sie von Erfahrungswerten ausgehe. Aus der Regelung des Abschnitts 2.2 der Kirchenpflegerbesoldungsordnung ergebe sich auch der Betrag bzw Höchstbetrag der aus einer öffentlichen Kasse zu gewährenden Aufwandsentschädigung für nebenamtliche Kirchenpfleger. Die an die ehrenamtliche Kirchenpflegerin gezahlten Aufwandsentschädigungen seien im Haushaltsplan der Klägerin dem Grunde und der Höhe nach ausgewiesen. Nach § 2 Abs 1 Nr 5 der Haushalts- und Kassenanordnung für die ortskirchlichen Rechtspersonen und Dekanate in der Diözese R.-S. (HKO) bestehe der Haushaltsplan der Kirchengemeinden ua aus dem Stellenplan und der Personalkostenübersicht. Nach § 4 Abs 4 HKO habe der Stellenplan alle für die Kirchengemeinde eingerichteten Personalstellen für haupt- und nebenberuflich Bedienstete und die tatsächliche Besetzung im Haushaltsjahr auszuweisen. Die nebenberuflichen Kirchenpfleger seien als Ehrenbeamte auf Zeit (§ 62 der Ordnung für die Kirchengemeinden und ortskirchlichen Stiftungen in der Diözese R.-S. (KGO)) nebenberufliche Bedienstete iSv § 4 Abs 4 HKO. Aus diesen Gründen wende die Finanzverwaltung zu Recht ständig und völlig zweifelsfrei die Regelungen von R 13 Abs 3 LStR auf die den Kirchenpflegern gewährten Aufwandsentschädigungen an. Das SG gelange zu einem verfehlten Ergebnis hinsichtlich der Frage der Gleichwertigkeit der Kirchenpflegerbesoldungsordnung mit staatlichen Gesetzen oder Verordnungen als Tatbestandsvoraussetzung von R 13 Abs 3 Satz 2 LStR. Die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften nähmen mitnichten Aufgaben der mittelbaren Staatsverwaltung wahr, sie seien vom Staat anerkannt als Institutionen, die unabhängig von ihm sind und ihre Gewalt nicht von ihm herleiten. Die zusammenfassende Kennzeichnung der Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts bedeute keine Gleichstellung mit anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sondern nur die Zuerkennung eines Status, der sie aber keiner gesteigerten Staatsaufsicht unterwerfe. Es handele sich um Körperschaften des öffentlichen Rechts sui generis, die sich von Selbstverwaltungskörperschaften wesentlich unterschieden, weshalb sich die Ausführungen des SG als fehlerhaft erwiesen. Das SG habe insoweit auch die Rechtsnatur kirchlicher Rechtsetzung gründlich verkannt. Aus dem Körperschaftsstatus in seiner konkreten Ausgestaltung durch die Verfassung folge die Befugnis, im Rahmen der Religionsfreiheit und der durch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht eröffneten Freiräume eine an den kirchlichen Bedürfnissen orientierte, spezifische Rechtsordnung zu schaffen. Dabei handele es sich lediglich um eine der äußeren Form nach vom Staat abgeleitete Rechtsetzungsbefugnis, nicht aber um eine gegenständlich bestimmte oder beschränkte. Die Beschränkung der Rechtsetzung auf den eigenen Rechtsbereich sei dabei kein Zeichen für eine abgeleitete Rechtsetzungsbefugnis, sondern jeglicher Rechtsetzungsbefugnis immanent. Ihrem Charakter nach entspreche die kirchliche Rechtsetzung daher eher der staatlichen Gesetzgebung als der Satzungsautonomie der Selbstverwaltungskörperschaften. Sie genüge daher ganz offensichtlich dem Begriff der Gesetze oder Rechtsverordnungen von R 13 Abs 3 Satz 2 LStR. Soweit sich die Frage stelle, ob durch kirchliches Recht mit mittelbarer Wirkung für das staatliche Steuer- und Sozialversicherungsrecht verbindliche Regelungen getroffen werden könnten, handele es sich nur um ein scheinbares Problem, da Art 137 Abs 3 Weimarer Reichsverfassung (WRV), Art 140 Grundgesetz (GG) den Religionsgemeinschaften lediglich erlaube, "innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes" ihre Angelegenheiten zu ordnen. Die Vorschriften des staatlichen Steuer- und Sozialversicherungsrechts bildeten eine solche Schranke, die kirchlicher Rechtsetzungsbefugnis Grenzen zu setzen vermöge. Damit erfülle kirchliches Recht nur dann die Voraussetzungen von Gesetzen oder Rechtsverordnungen als Tatbestandsvoraussetzung von R 13 Abs 3 Satz 2 LStR, wenn es nicht den Kriterien widerspreche, die insgesamt an Gesetze und Rechtsverordnungen zu stellen seien. Vorliegend sei von keiner Seite vorgetragen oder ersichtlich, dass durch Abschnitt 2.2 der Kirchenpflegerbesoldungsordnung die von R 13 Abs 3 Satz 2 LStR eingeräumte Gestaltungsmacht missbraucht werde oder sonst eine rechtsfehlerhafte Regelung vorliege. Auch die Ausführungen der Oberfinanzdirektion (OFD) K. vom 15.01.2013 stützten den Standpunkt der Klägerin.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 30.06.2010 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 08.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2008 insoweit aufzuheben, als darin Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen für die Beigeladene zu 1) nachgefordert werden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass die Erfüllung der Voraussetzungen nach R 13 Abs 2 LStR unstreitig gestellt werden könne. Nach Bejahung des Vorliegens einer Aufwandsentschädigung iSv R 13 Abs 2 LStR seien die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach R 13 Abs 3 LStR zu prüfen. Es liege keine Entscheidung der Finanzverwaltung vor, in der in nachvollziehbarer Weise die rechtlichen Grundlagen geprüft worden seien, weshalb die Beklagte eine eigene Prüfung vorgenommen habe. Religionsgemeinschaften seien zweifelsfrei unter den Begriff der öffentlichen Kasse iSv § 3 Nr 12 EStG zu subsumieren. Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 3 Nr 12 Satz 2 EStG sei, dass die Leistung Ersatz von Aufwand sei, der Werbungskosten oder Betriebsausgaben darstelle. Es handele sich bei R 13 Abs 3 LStR um eine Vereinfachungsregelung für den Nachweis der steuerlich anzuerkennenden Aufwandsentschädigung. Ein höherer Aufwand als 154 EUR sei im Einzelfall nachzuweisen, wobei Zeit- und Repräsentationsaufwand nicht zu berücksichtigen sei. Aus Sicht der Beklagten sei entscheidend die Auslegung und Anwendung von R 13 Abs 3 LStR. In Satz 2 der Verwaltungsvorschrift würden Regelungen für Aufwandsentschädigungen festgelegt, welche durch Gesetz oder Rechtsverordnung bestimmt seien. Die Finanzverwaltung differenziere hinsichtlich des Nachweises des Charakters einer Aufwandsentschädigung, obwohl in der gesetzlichen Regelung des § 3 Nr 12 Satz 2 EStG eine "entsprechende Anwendbarkeit" angeordnet werde. Rechtsdogmatisch handele es sich um die Frage, ob die Vorschrift eine Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung beinhalte. Die Auslegung der Finanzverwaltung spreche für einen Rechtsgrundverweis, da die Rechtsfolgen zwischen den Aufwandsentschädigungen durch Gesetz oder Verordnung von den übrigen abwichen. Für die übrigen Aufwandsentschädigungen sei in R 13 Abs 3 Satz 3 LStR geregelt, dass ohne weiteren Nachweis ein steuerlich anzuerkennender Aufwand von 154 EUR monatlich angenommen werden könne. Der Nachweis eines höheren Aufwands sei hier nicht geführt worden.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Die Beigeladene zu 1) hat mitgeteilt, dass sie für die Jahre 2004 bis 2007 Werbungskosten oder Betriebsausgaben hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Kirchenpflegerin steuerlich nicht geltend gemacht habe.

Auf Anfrage des Senats hat das Finanzamt T. mit Schreiben vom 07.12.2011 mitgeteilt, dass es sich bei der an die Beigeladene zu 1) gezahlten Aufwandsentschädigung iHv 600 EUR um Bezüge gehandelt habe, die iSv § 3 Nr 12 Satz 2 EStG als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen gezahlt worden seien. Nach R 3.12 Abs 3 LStR seien Aufwandsentschädigungen bei ehrenamtlich tätigen Personen in Höhe von 1/3 steuerfrei, bei 600 EUR also 200 EUR. Die Behandlung der Beträge erscheine zutreffend angemeldet bzw nicht angemeldet zu sein.

Zusätzlich hat der Senat eine Auskunft bei der OFD K. zur Anwendung des § 3 Nr 12 EStG eingeholt. Diese hat mit Schreiben vom 15.01.2013 ausgeführt, dass es sich bei der Kirchenpflegerbesoldungsordnung um eine Rechtsverordnung iSv R 3.12 Abs 3 Satz 2 LStR handele, die Kassen der öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften seien auch öffentliche Kassen in diesem Sinne. Die Steuerfreiheit nach § 3 Nr 12 Satz 2 EStG greife nur dann, wenn die Aufwandsentschädigung auch im Haushaltsplan ausgewiesen sei. Sei dies der Fall, richte sich die Höhe der Steuerfreiheit der gezahlten Aufwandsentschädigung für nebenamtliche Kirchenpfleger nach R 13 Abs 3 Satz 2 Nr 2 LStR. Die Vergütung sei in Höhe von 1/3 der gewährten Aufwendungen, mindestens jedoch 175 EUR (bzw 154 EUR bis 31.12.2006) monatlich steuerfrei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), hat Erfolg.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 08.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2008 nur insoweit, als darin Beiträge und Umlagen für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) nachgefordert worden sind. Im Übrigen ist der Bescheid nicht angefochten und damit bestandskräftig geworden.

Die nach den §§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig und in der Sache auch begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn der Bescheid vom 08.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2008 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagten durfte für die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) im Prüfzeitraum keine Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen nachfordern, denn in diesem Zeitraum bestand nur ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis, für welches ordnungsgemäß Beiträge zur Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See Minijob-Zentrale abgeführt worden sind.

Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 28p SGB IV. Nach Abs 1 dieser Vorschrift prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Die Einzugsstelle unterrichtet den für den Arbeitgeber zuständigen Träger der Rentenversicherung, wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält. Die Prüfung umfasst auch die Lohnunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt wurden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs 2 SGB IV sowie § 93 in Verbindung mit § 89 Abs 5 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht. Zwar entscheidet grundsätzlich gemäß § 28h Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Dies gilt aber ausnahmsweise nicht für Entscheidungen im Rahmen einer Arbeitgeberprüfung.

Betriebsprüfungen durch den Rentenversicherungsträger haben nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nur eine Kontrollfunktion. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern, andererseits die Sozialversicherungsträger davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Der Prüfbescheid stellt sich vor diesem Hintergrund als kombinierte – positive oder negative - Feststellung von Versicherungspflicht und Beitragsnachentrichtung oder Beanstandung dar. Die Besonderheit eines Bescheides nach § 28p Abs 1 Satz 5 SGB IV liegt insoweit darin, dass über das Bestehen von Versicherungspflicht und die daraus resultierende Beitragsnachforderung gemeinsam zu entscheiden ist. Dies unterscheidet das Nachprüfverfahren hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht vom Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV (BSG 14.09.2004, B 12 KR 1/04, SozR 4-2400 § 22 Nr 2). Eine reine Statusfeststellung ist auf der Grundlage von § 28p SGB IV nicht zulässig (vgl Bayerisches Landessozialgericht 28.06.2011, L 5 R 880/10, juris). Beiträge für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag vom Arbeitgeber gezahlt (§§ 28d Sätze 1 und 2, 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV).

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI), § 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), § 25 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4 - 2400 § 7 Nr 7; BSG 04.07.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3 - 2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7). Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung stehen Ehrenbeamte in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt, wenn sie über Repräsentationsfunktionen hinaus dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen und hierfür eine den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigung erhalten (BSG 30.11.1978, 12 RK 33/76, SozR 2200 § 165 Nr 32; BSG 23.09.1980, 12 RK 41/79, BSGE 50, 231 = SozR 2200 § 1229 Nr 12; BSG 22.02.1996, 12 RK 6/95, BSGE 78, 34 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5; BSG 04.04.2006, B 12 KR 76/05 B, juris). Zu den Aufgaben der Kirchenpfleger gehört die Unterstützung von Pfarrer, Kirchengemeinderat, Verwaltungsausschuss bei der Verwaltung des Ortskirchensteuervermögens, insbesondere die Besorgung der laufenden Verwaltungsgeschäfte sowie die Kassen- und Rechnungsführung (§ 61 Abs 1 KGO). Dabei ist er Kirchenpfleger an Weisungen und Beschlüsse des Pfarrers, des Kirchengemeinderats und des Verwaltungsausschusses in deren Zuständigkeitsbereich gebunden. Das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) ist nach alledem nicht zweifelhaft und wird auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Streitig ist allein, ob eine geringfügige Beschäftigung vorliegt, die nach §§ 7 Abs 1 SGB V, 5 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI, 27 Abs 2 Satz 1 SGB III versicherungsfrei ist.

Eine geringfügige Beschäftigung liegt nach § 8 Abs 1 SGB IV vor, wenn (1.) das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400 EUR nicht übersteigt, (2.) die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 400 EUR im Monat übersteigt. Eine Zeitgeringfügigkeit iSv § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV kommt vorliegend nicht in Betracht, da die Tätigkeit regelmäßig ganzjährig ausgeübt wurde. Dagegen liegt Entgeltgeringfügigkeit iSv § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV hier vor, denn ein 400 EUR im Monat übersteigendes Arbeitsentgelt hat die Beigeladene zu 1) im Prüfzeitraum nicht erzielt.

Nach § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus einer Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Steuerfreie Aufwandsentschädigungen und die in § 3 Nr 26 und 26a EStG genannten steuerfreien Einnahmen gelten nicht als Arbeitsentgelt. Nach § 3 Nr 12 Satz 1 EStG (idF vom 05.07.2004, BGBl I S 1427) sind steuerfrei aus einer Bundeskasse oder Landeskasse gezahlte Bezüge, die in einem Bundesgesetz oder Landesgesetz oder einer auf bundesgesetzlicher oder landesgesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung oder von der Bundesregierung oder einer Landesregierung als Aufwandsentschädigung festgesetzt sind und als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan ausgewiesen werden. Das gleiche gilt nach § 3 Nr 12 Satz 2 EStG für andere Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. § 3 Nr 12 Satz 2 EStG ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Erstattung nur solcher Aufwendungen von der Steuer befreit ist, die als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar sind (Bundesfinanzhof (BFH) 15.11.2007, VI R 91/04, BFH/NV 2008, 767; BFH 08.10.2008, VIII R 58/06, BFHE 223, 139). Die in § 3 Nr 12 Satz 2 EStG enthaltene Besserstellung der Empfänger von Bezügen aus öffentlichen Kassen gegenüber anderen Steuerpflichtigen beschränkt sich darauf, dass bei der Prüfung, ob die Erstattungen Werbungskosten abdecken, nicht kleinlich verfahren und dem Empfänger ein ins Einzelne gehender Nachweis nicht zugemutet werden soll. Diese Auslegung durch den BFH trägt der Rechtsprechung des BVerfG Rechnung, wonach Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit von der Einkommenssteuer nur frei bleiben dürfen, wenn die damit verbundene steuerliche Entlastung durch den Tatbestand abziehbarer Erwerbsaufwendungen gerechtfertigt ist (BVerfG 11.11.1998, 2 BvL 10/95 zur Verfassungswidrigkeit von § 3 Nr 12 Satz 1 EStG hinsichtlich der Aufwandsentschädigung für ins Beitrittsgebiet entsandte Bundesbedienstete).

Die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 3 Nr 12 Satz 2 EStG sind vorliegend erfüllt. Insoweit ist zur Beurteilung auf die LStR (Fassungen 2004 bis 2007) zurückzugreifen. Durch die LStR, bei denen es sich um Anweisungen innerhalb der Finanzverwaltung handelt, soll eine gleichmäßige Verwaltungspraxis erreicht werden. Pauschalierungen, mit denen in der steuerrechtlichen Praxis bei Anwendung des § 3 Nr 12 Satz 2 EStG gearbeitet wird, schlagen aufgrund der Transmissionswirkung des § 14 Abs 1 Satz 3 SGB IV auf das Sozialrecht durch (Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB IV, K § 14 RdNr 33). Nach R 13 Abs 2 der genannten LStR ist Voraussetzung für die Anerkennung als steuerfreie Aufwandsentschädigung iSv § 3 Nr 12 Satz 2 EStG, dass die gezahlten Beträge dazu bestimmt sind, Aufwendungen abzugelten, die steuerlich als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar wären. Eine steuerfreie Aufwandsentschädigung liegt deshalb insoweit nicht vor, als die Entschädigung für Verdienstausfall oder Zeitverlust oder zur Abgeltung eines Haftungsrisikos gezahlt wird oder dem Empfänger ein Aufwand nicht oder offenbar nicht in Höhe der gewährten Entschädigung erwächst. Das Finanzamt hat das Recht und die Pflicht zu prüfen, ob die als Aufwandsentschädigung gezahlten Beträge tatsächlich zur Bestreitung eines abziehbaren Aufwands erforderlich sind. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige alle seine dienstlichen Aufwendungen bis ins kleinste nachweist. Entscheidend ist auch nicht, welche Aufwendungen einem einzelnen Steuerpflichtigen tatsächlich erwachsen sind, sondern ob Personen in gleicher dienstlicher Stellung im Durchschnitt der Jahre Aufwendungen etwa in Höhe der Aufwandsentschädigung erwachsen. Eine Nachprüfung ist nur geboten, wenn dazu ein Anlass von einigem Gewicht besteht (Sätze 1 bis 6 der Vorschrift).

Zur Erleichterung der Feststellung, inwieweit es sich in den Fällen des § 3 Nr 12 Satz 2 EStG um eine steuerfreie Aufwandsentschädigung handelt, ist nach R 13 Abs 3 LStR wie folgt zu verfahren: Sind die Anspruchsberechtigten und der Betrag oder auch ein Höchstbetrag der aus einer öffentlichen Kasse gewährten Aufwandsentschädigung durch Gesetz oder Rechtsverordnung bestimmt, so ist die Aufwandsentschädigung (1.) bei hauptamtlich tätigen Personen in voller Höhe steuerfrei, (2.) bei ehrenamtlich tätigen Personen in Höhe von 1/3 der gewährten Aufwandsentschädigung, mindestens 154 EUR monatlich steuerfrei. Sind die Anspruchsberechtigten und der Betrag oder auch ein Höchstbetrag nicht durch Gesetz oder Rechtsverordnung bestimmt, so kann bei hauptamtlich oder ehrenamtlich tätigen Personen in der Regel ohne weiteren Nachweis ein steuerlich anzuerkennender Aufwand von 154 EUR monatlich angenommen werden (R 13 Abs 3 Satz 3 LStR). Erstmals ab 01.01.2007 sind die mit R 3.12 Abs 3 LStR 2008 von 154 EUR auf 175 EUR erhöhten steuerfreien Mindestbeträge anzuwenden (Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 20.12.2007, VV DEU BMF 2007-12-20 IV C 5-S 2337/0). Dass die Beklagte diesen ab 2007 auf 175 EUR erhöhten steuerlichen Mindestbetrag nicht berücksichtigt hat, spielt vorliegend keine Rolle, da schon dem Grunde nach wegen einer nur geringfügigen Beschäftigung kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen hat und die Beitragsnachforderung daher insgesamt aufzuheben ist.

Die Beigeladene zu 1) hat vorliegend eine monatliche Aufwandsentschädigung iHv 600 EUR erhalten. Davon ist 1/3 und damit 200 EUR nach § 3 Nr 12 Satz 2 EStG steuerfrei und damit auch nach § 14 Abs 1 Satz 3 SGB IV kein sozialversicherungspflichtiges Entgelt. Dass es sich bei dem gezahlten Betrag von 600 EUR insgesamt um eine Aufwandsentschädigung handelt, ergibt sich bereits aus Abschnitt 2.2.1 der Kirchenpflegerbesoldungsordnung, wonach nebenamtliche Kirchenpfleger nur eine Aufwandsentschädigung erhalten. Die Aufspaltung in den Verdienstbescheinigungen der Beigeladenen zu 1) in eine Kirchenpflegervergütung von 400 EUR und eine Aufwandsentschädigung von 200 EUR steht dem nicht entgegen, sondern weist nur den steuerfreien Anteil der Gesamtentschädigung aus. Maßgebend sind insoweit nicht die in der Verdienstbescheinigung verwendeten Begrifflichkeiten, sondern insgesamt die Rechtsnatur der Zahlung. Die gezahlte Aufwandsentschädigung wird auch von einer öffentlichen Kasse an eine öffentliche Dienste leistende Person iSv § 3 Nr 12 Satz 2 EStG (vgl Baier in Krauskopf, SozKV, § 14 SGB IV RdNr 30) ausgezahlt, und die Aufwandsentschädigung ist im Haushaltsplan der Klägerin dem Grunde und der Höhe nach ausgewiesen. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Der Senat ist der Auffassung, dass aufgrund der Regelung der Anspruchsberechtigten sowie der Höhe bzw des Höchstbetrags der Kirchenpflegerentschädigung in Abschnitt 2.2 der Kirchenpflegerbesoldungsordnung R 13 Abs 3 Satz 2 LStR Anwendung findet, auch wenn die Kirchenpflegerbesoldungsordnung keine Rechtsverordnung im formalen Sinne darstellt. Nach Art 137 Abs 3 WRV ordnet und verwaltet jede Religionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Ebenso ist die mit der Zuerkennung der Körperschaftsrechte in Art 137 Abs 5 WRV einhergehende Verleihung bestimmter Befugnisse gegenständlich auf die normative Ausgestaltung der Körperschaft und der aus ihr abgeleiteten Rechte beschränkt. Für eine darüber hinausgehende Rechtsetzung bedarf es einer hierauf bezogenen gesonderten staatlichen Verleihung (Bundesverwaltungsgericht, 10.04.2008, 7 C 47/07, DVBl 2008, 869). So können sich die Kirchen nicht selbst durch Satzung das Recht verleihen, Steuern zu erheben oder die Steuerlast zu ermäßigen (BVerfG 04.10.1965, 1 BvR 498/62, BVerfGE 19, 129 zur Umsatzsteuerfreiheit). Gleichwohl kann hier zur Anwendung der Pauschalierung in R 13 Abs 3 Satz 2 LStR auf die Kirchenpflegerbesoldungsordnung abgestellt werden, denn aufgrund dieser kirchenrechtlichen Regelung ist eine Grundlage für die Überprüfung der pauschalen Angemessenheit der Aufwandsentschädigung durch die Finanzverwaltung eröffnet (ebenso SG Reutlingen, Urteil vom 09.02.2010, S 11 R 1260/05). Aus der Formulierung in § 3 Nr 12 Satz 2 EStG, dass die Steuerfreiheit davon abhängt, dass die Aufwandsentschädigung den erwachsenen Aufwand nicht offenbar übersteigt, ist zu schließen, dass es auf eine typisierende Betrachtungsweise ankommt und nicht auf die individuell entstandenen Aufwendungen. Dies dient gleichermaßen der Verwaltungsvereinfachung und der steuerlichen Gleichbehandlung. Es bleibt dem Steuerpflichtigen allerdings unbenommen, im Einzelnen die tatsächlich entstandenen Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben darzutun und ggf. nachzuweisen (BFH 28.02.1968, VI R 192/67, BStBl 1968, 437; BFH 09.07.1992, IV R 7/91, BFHE 169, 144). Daher ist es nicht zu beanstanden, wenn auf Erfahrungssätze zurückgegriffen wird, die die obersten Finanzbehörden der Länder im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen in den LStR festgelegt haben. Zwar binden diese Verwaltungsanweisungen primär nur die nachgeordneten Behörden. Allerdings beinhaltet R 13 Abs 3 LStR Schätzungen, die auf einer zutreffenden Verwaltungserfahrung beruhen (Finanzgericht Sachsen-Anhalt 10.02.2003, 1 K 30333/99, juris). In einem solchen Fall sind auch Verwaltungsanweisungen aus Gründen der Gleichbehandlung (Art 3 Abs 1 GG) von den Gerichten zu beachten, solange sie nicht im Einzelfall zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen, denn ein Steuerpflichtiger hat grundsätzlich einen Rechtsanspruch darauf, nach allgemeinen Verwaltungsanweisungen besteuert zu werden, die eine auf Erfahrungen der Verwaltung beruhende Schätzung zum Inhalt haben, es sei denn, dass die Anwendung der Schätzungsrichtlinie offensichtlich zu falschen Ergebnissen führt (BFH 21.10.1999, I R 68/98, BFH/NV 2000, 891). Dafür bestehen im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte, denn die Beigeladene zu 1) hat tatsächliche Aufwendungen, da sie ihren Arbeitsplatz in der eigenen Wohnung mit eigener Ausstattung (PC, Büromaterial) vorhalten muss und zusätzlich Aufwendungen für Fahrtkosten und Telekommunikation anfallen. Es spricht insoweit nichts dagegen, auf den in R 13 Abs 3 Satz 2 LStR vorgesehenen pauschalen Ansatz von 1/3 der Gesamtentschädigung zurückzugreifen.

Für dieses Verständnis von R 13 Abs 3 Satz 2 LStR spricht nicht zuletzt auch die einhellige Auffassung der befassten Finanzbehörden. So hat das Finanzamt S.-Körperschaften bereits 1990 eine entsprechende Behandlung der Kirchenpflegerentschädigung als rechtmäßig bestätigt (Schreiben vom 08.10.1990). Ebenso hat sich das Finanzamt T, wenn auch etwas unklarer, gegenüber dem Senat geäußert (Schreiben vom 07.12 2011). Ganz eindeutig ist schließlich die Auskunft der OFD K. vom 15.01.2013, die auf Anfrage ausdrücklich bestätigt, dass es sich bei der Kirchenpflegerbesoldungsordnung um eine Rechtsverordnung iSv R 3.12 Abs 3 Satz 2 LStR (entspricht R 13 Abs 3 Satz 2 LStR 2004-2007) handelt und daher die Steuerfreiheit nach § 3 Nr 12 Satz 2 EStG greift, wenn - wie hier - die Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan ausgewiesen ist und entsprechend verbucht wird. Insoweit ist für den Senat nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte in ihrer Stellungnahme vom 01.02.2013 zu der Einschätzung gelangt, die Ausführungen der OFD K. deckten sich mit ihrer Rechtsauffassung. Zwar kommt der vorliegend geäußerten Rechtsauffassung der Finanzbehörden keine Bindungswirkung zu. Eine divergierende Beurteilung der Anwendbarkeit der Pauschalierungsregelung des R 13 Abs 3 Satz 2 LStR auf die Kirchenpflegerentschädigung durch Finanzverwaltung auf der einen und Sozialgerichte auf der anderen Seite würde indes dazu führen, dass es zu einem tatsächlichen Auseinanderklaffen von Steuerrecht und Beitragsrecht in der Praxis kommen würde. Dies widerspräche den gesetzgeberischen Vorgaben in § 14 Abs 1 Satz 3 SGB IV, wonach maßgebend für die Abgrenzung der steuer- und damit beitragspflichtigen Einkünfte allein die steuerrechtlichen Vorschriften sein sollen.

Da nach alledem die gewährte Entschädigung in Höhe von 1/3 und somit 200 EUR steuer- und somit auch beitragsfrei ist, liegt im Prüfzeitraum nur eine geringfügige Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) vor. Der angefochtene Bescheid kann nach alledem keinen Bestand haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 52 Gerichtskostengesetz.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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