Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 KR 1132/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4189/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.06.2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 02.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2009 aufgehoben und es wird festgestellt, dass die Versicherte einen Anspruch auf Bewilligung der stationären Rehabilitationsmaßnahme hatte.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Versicherte Anspruch auf Bewilligung einer stationären Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation hatte.
Die 1917 geborene und am 23.03.2012 verstorbene A. F. (Versicherte) war die Ehefrau des Klägers. Sie war bei der Beklagten als Rentnerin gesetzlich krankenversichert. Die Versicherte erhielt seit Februar 2006 Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II auf der Grundlage eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 23.03.2006 (Diagnosen: Sigma-Carzinom mit Anus-Praeter-Anlage, hirnorganisches Psychosyndrom, Mobilitätseinschränkung bei allgemeiner Altersschwäche, Polyarthrose, inkomplette Harninkontinenz sowie hochgradige Schwerhörigkeit; Hilfebedarf: täglich 130 Minuten sowie erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz). Bei einem Sturz erlitt die Versicherte einen Oberschenkelhalsbruch (Femurschaftfraktur) links. Sie befand sich deshalb vom 19. bis 30.10.2008 in stationärer Behandlung im K.-O.-Krankenhaus in S ... Dort wurde am 20.10.2008 eine winkelstabile Osteosynthese mittels LCP-Rekonstruktionsplatte durchgeführt.
Der behandelnde Hausarzt Dr. R. stellte am 14.11.2008 eine Verordnung von medizinischer Rehabilitation. Als rehabilitationsrelevante Schädigung führte Dr. R. den Verlust der häuslichen Mobilität und Eigenständigkeit nach der Oberschenkelfraktur links auf. Mit Schreiben vom 02.12.2008 wies die Beklagte die Versicherte darauf hin, dass keine medizinische Notwendigkeit für eine stationäre geriatrische Rehabilitation vorliege. Es sei keine ausreichende Rehabilitationsfähigkeit und kein positives Rehabilitationspotential ableitbar.
Die Bevollmächtigten der Versicherten legten am 09.12.2008 Widerspruch ein. Eine Reha-Maßnahme zur Wiederherstellung der Mobilität sei nicht nur möglich, sondern auch zwingend erforderlich. Nach Beiziehung weiterer Befundberichte (Stellungnahme von Dr. R. vom 18.12.2008, Befundbericht des K.-O.-Krankenhauses vom 26.11.2008, Bericht des K.-O.-Krankenhauses vom 26.11.2008, Operationsbericht vom 20.10.2008 sowie ein weitere Stellungnahme von Dr. R. vom 08.01.2009) kam Dr. L.-M. vom MDK in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 09.01.2009 zu dem Ergebnis, dass bei erheblicher Gedächtnisstörung, maligner Erkrankung und seit Jahren bestehender Gangstörung das Reha-Ziel der selbständigen Gehfähigkeit am Rollator unrealistisch sei.
Am 15.01.2009 beantragte die Versicherte den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Das Verfahren (S 8 KR 334/09 ER) endete mit einer vergleichsweisen Einigung dahingehend, dass sich die Versicherte die beantragte Rehabilitationsmaßnahme in einer Vertragseinrichtung der Beklagten selbst beschafft und mit den Kosten in Vorleistung tritt. Auf ihren Antrag sollte die Beklagte der Versicherten eine geeignete Rehabilitationseinrichtung benennen. Für den Fall des Obsiegens in der Hauptsache verpflichtete sich die Beklagte, die entstandenen Kosten in vollem Umfang zu erstatten. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl 56 bis 57 der Verfahrensakte S 8 KR 334/09 ER verwiesen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2009 zurück und führte zur Begründung aus, dass keine Rehabilitationsfähigkeit bestehe und eine ambulante Behandlung mit Heilmitteln angezeigt sei.
Am 18.02.2009 hat die Versicherte Klage beim SG erhoben und geltend gemacht, entgegen der Auffassung der Beklagten sei sie sowohl rehabilitationsbedürftig als auch rehabilitationsfähig. Ihr stünde daher die von ihr beantragte Reha - Maßnahme, die derzeit in der Reha - Klinik A. K. in V. - S. durchgeführt werde, zu. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 17.03.2009 hat die Versicherte den Arztbrief der Geriatrischen Reha- Klinik A. K. über die vom 29.01.2009 bis 19.02.2009 durchgeführte stationäre geriatrische Rehabehandlung vorgelegt. Hierauf wird verwiesen (Bl 26 bis 29 der SG - Akte).
Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen in schriftlicher Form vernommen. Privatdozent Dr. S., Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des K.-O.-Krankenhauses S., hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 28.04.2009 ausgeführt, dass die Versicherte aufgrund ihrer Gesamtkonstellation mit mangelnder Kooperationsfähigkeit aufgrund der Demenz, des Alters und der motorischen Einschränkung eine ambulante Behandlung oder Rehabilitationsmaßnahme nicht mit vertretbarem Aufwand hätte aufsuchen können. Sie sei zwar dement, aber vor dem Unfall in ausreichendem Umfang mobil gewesen. Diese Mobilität wieder zu erreichen, stellte aus seiner Sicht auch für einen demenzkranken Menschen eine sinnvolle, angemessene und ihm zustehende Erwartung dar (Bl 44 bis 46 der SG-Akte). Dr. B., Chefarzt der Geriatrischen Rehaklinik am K. in V./S., hat mit Schreiben vom 08.05.2009 mitgeteilt, dass eine ambulante Rehabilitation in Anbetracht der Multimorbidität und der Immobilität nicht möglich gewesen sei. Auch sei die Versicherte aufgrund ihres Gesundheitszustandes rehabilitationsfähig gewesen. Dr. S., Facharzt für Orthopädie, hat keine Aussage machen können. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. R. hat in seiner Stellungnahme vom 08.06.2009 dargelegt, die leichten kognitiven Einschränkungen hätten einer Rehabilitationsfähigkeit der Versicherten nicht entgegengestanden. Eine ambulante Behandlung wäre aufgrund der Gesamtumstände nicht ausreichend gewesen (Bl 56-58 der SG-Akte).
Die Beklagte hat erneut eine Stellungnahme des MDK eingeholt. Dr Mink hat in dem nach Aktenlage erstellten sozialmedizinischen Gutachten vom 30.07.2009 zu den vom SG eingeholten Arztauskünften ausführlich Stellung genommen und bezweifelt, dass die erreichten bescheidenen Effekte nur durch eine stationäre Reha - Maßnahme möglich gewesen seien.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 09.06.2011 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass vor dem Hintergrund der unsicheren Rehabilitationsprognose die Beklagte der Versicherten eine stationäre Leistung nicht habe erbringen müssen. Die Möglichkeiten der ambulanten Behandlung seien nicht ausgeschöpft gewesen. In der Zeit nach der Krankenhausentlassung im Oktober 2009 habe die Versicherte sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nur bei ihrem Hausarzt Dr. R. in regelmäßiger Behandlung befunden. Heilmittelanwendungen, insbesondere Krankengymnastik und Physiotherapie, welche bei ihrem Krankheitsbild medizinisch dringend indiziert gewesen seien, habe sie ambulant nicht in Anspruch genommen. Damit habe die Versicherte die Möglichkeit einer zumutbaren ambulanten Krankenbehandlung nicht ausgeschöpft. Sowohl die Facharztbehandlung als auch die Anwendung von Heilmitteln am Wohnort seien indes nach dem im SGB V verankerten Prinzip der gestuften Versorgung gegenüber der stationären Rehabilitationsmaßnahme vorrangig. Allein die Tatsache, dass die behandelnden Ärzte eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme befürwortet hätten, vermöge die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme nicht zu begründen. Denn dies entbinde nicht von dem Versuch, ambulante Maßnahmen am Wohnort zunächst auszuschöpfen. Die Mobilisierung der Versicherten habe nicht eine derart intensive Behandlung erfordert, dass diese praktisch nur unter stationären Bedingungen durchführbar gewesen sei.
Die Versicherte hat am 26.09.2012 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass sie entgegen der Annahme des SG rehabilitationsfähig gewesen sei. Dies hätten alle als sachverständige Zeugen gehörten Ärzte bestätigt. Auch bedürfe es keiner "sicheren Prognose" hinsichtlich eines positiven Verlaufs der medizinischen Rehabilitation. Selbst wenn man im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung überhaupt eine günstige Reha-Prognose für erforderlich ansehe (ablehnend z.B. SG Mannheim Urteil vom 28.06.2004, S 9 RJ 138/04) so dürften an diese keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Es müsse vielmehr ausreichen, dass eine gewisse Chance zur Erreichung der in § 11 Abs 2 SGB V genannten Rehabilitationsziele bestehe. Nach dem Ergebnis der Anhörung aller sachverständigen Zeugen ergebe sich im vorliegenden Fall sogar deutlich mehr als nur eine Chance zur Erreichung zumindest eines dieser Ziele. Die günstige Prognose werde auch durch das Ergebnis der Rehamaßnahme nachdrücklich bestätigt. Zumindest einige der angestrebten Rehabilitationsziele hätten tatsächlich auch erreicht werden können. Eine ambulante Behandlung sei zur Erreichung der Rehabilitationsziele nicht ausreichend gewesen. Die gehörten sachverständigen Zeugen hätten dabei insbesondere auf die besonderen Bedingungen einer stationären Aufnahme hingewiesen. Auch habe die Versicherte aufgrund ärztlicher Verordnung von Dr. R. zuhause zweimal wöchentlich physiotherapeutische Behandlungen durchgeführt. Die Versicherte habe damit alles Mögliche getan, um wieder halbwegs Anschluss an ihren Zustand vor der Operation zu erreichen. Auch von der Praxis für Physiotherapie, Osteopathie manuelle Therapie und Lymphdrainage G. sei ausdrücklich ein stationärer Rehabilitationsaufenthalt empfohlen worden. Dass es dabei zu der erheblichen Verzögerung bis zum Beginn der stationären Rehabiliationsmaßnahme gekommen sei, sei insoweit von der Versicherte nicht zu vertreten, sondern allein auf die Beklagte zurückzuführen. Die Versicherte hat Unterlagen über die Behandlungstermine der Praxis für Physiotherapie, Osteopathie, manuelle Therapie und Lymphdrainage G. vorgelegt. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl 27 bis 29 der Berufungsakte verwiesen.
Die Versicherte ist am 23.03.2012 verstorben. Zum Zeitpunkt ihres Todes hat sie mit ihrem Ehemann in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Der Ehemann der Versicherten (Kläger) hat das Berufungsverfahrens als Sonderrechtsnachfolger der Versicherten fortgeführt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.06.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 02.12.2008 und den Widerspruchsbescheid vom 09.02.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Versicherten die Kosten der in der Zeit vom 29.01.2009 bis zum 19.02.2009 in der Reha-Klinik a. K. in V.-S. durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte erwidert, aus dem Pflegegutachten aus dem Jahr 2006 gehe hervor, dass bereits vor dem Unfall eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz der Versicherten mit erheblichen Gedächtnisstörungen und herabgesetztem Urteilsvermögen bestanden habe. Die Versicherte sei schon damals nicht in der Lage gewesen, den Tagesablauf selbständig und eigenständig zu planen und sei nur unscharf orientiert gewesen. Sie sei auch nur noch in der Lage gewesen, wenige Meter am Rollator in der Wohnung mit Hilfe zu bewältigen. Bei erheblicher Gedächtnisstörung, maligner Erkrankung und seit Jahren bestehender Gangstörung sei das Reha-Ziel der selbständigen Gehfähigkeit am Rollator unrealistisch gewesen. Aus dem Entlassungsbericht vom 19.02.2009 über die auf eigene Kosten durchgeführte stationäre geriatrische Rehabilitation gehe hervor, dass die Rehaziele nur teilweise hätten erreicht werden können. Einzig die Gehstrecke beim unterstützten Gehen mit dem Rollator habe verlängert werden können. Unzureichende Rehabilitationsfähigkeit und negative Rehabilitationsprognose stünden im Fall der Versicherte einer Kostenübernahme einer medizinisch nicht indizierten stationären medizinischen Rehabilitation entgegen. Ambulante Heilmittel in Form von Krankengymnastik mit Hausbesuch seien ausreichend und zweckmäßig gewesen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verfahrensakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG) entscheidet, ist zulässig und begründet. Der Kläger hat als Sonderrechtsnachfolger der Versicherten gemäß § 56 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I)) einen Anspruch auf die Feststellung, dass die Beklagte der Versicherten eine stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation zu bewilligen hatte.
Streitgegenstand ist die Feststellung, ob die Versicherte einen Anspruch auf Gewährung einer stationären Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation durch die Beklagte hatte. Die Beteiligten haben sich im Verfahren S 8 KR 334/09 ER dahingehend vergleichsweise geeinigt, dass für den Fall, dass der Anspruch auf Gewährung der begehrten stationären Rehabilitationsmaßnahme zugesprochen bzw festgestellt wird, die Beklagte sich verpflichtet, Kosten einer von der Versicherten selbst beschafften Rehabilitationsmaßnahme in vollem Umfang abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung nach Nachweis durch Vorlage der Rechnung zu erstatten. Die Beteiligten haben sich auf die Modalitäten der Kostenerstattung in einem Teilvergleich geeinigt (vgl hierzu BSG 20.09.2012, B 8 SO 4/11 R, juris) und den Rechtsstreit im Hauptsacheverfahren nur noch bezüglich der Frage, ob ein Anspruch auf die entsprechend der Einigung im Vergleich von der Versicherten selbst beschaffte Rehabilitationsmaßnahme besteht, fortgeführt. Zulässige Klageart ist daher eine Anfechtungsklage kombiniert mit einer Feststellungsklage gemäß § 55 Abs 1 Nr 1 SGG. Der Klageantrag war somit im Klage- wie auch im Berufungsverfahren sachdienlich als Feststellungsantrag auszulegen.
Nach § 11 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§27 bis 52 SGB V). Die Versicherte war als Rentnerin bei der Beklagten gemäß § 5 Abs 1 Nr 11 gesetzlich krankenversichert. Nach § 11 Abs 2 SGB V haben Versicherte auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Leistungen der aktivierenden Pflege nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit werden von den Pflegekassen erbracht. Die Leistungen nach Satz 1 werden unter Beachtung des Neunten Buches erbracht, soweit in diesem Buch nichts anderes bestimmt ist.
Ein Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs 1 SGB V besteht, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen und zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V). Ziel einer Rehabilitation ist es auch, Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (§ 11 Abs 2 Satz 1 SGB V). Die medizinischen Rehabilitationsleistungen werden unter Beachtung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erbracht, soweit im SGB V nicht anderes bestimmt ist (§ 11 Abs 2 Satz 1 SGB V).
Nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB V (idF vom 01.07.2008) gilt: Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, oder, soweit dies für eine bedarfsgerechte, leistungsfähigere und wirtschaftliche Versorgung des Versicherten mit medizinischen Leistungen ambulanter Rehabilitation erforderlich ist, durch wohnortnahe Einrichtungen. Reicht die Leistung nach Abs 1 nicht aus, erbringt die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs 2a des Neunten Buches zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht (§ 40 Abs 2 Satz 1 SGB V idF vom 01.07.2008).
Aus diesen Vorschriften ergibt sich ein Stufenverhältnis (Urteile des Senats vom 13.03.2012, L 11 KR 1612/11, 28.04.2009, L 11 KR 4828/09 und vom 20.04.2010, L 11 KR 5047/09): Zuerst ist ambulante Krankenbehandlung iSd § 27 SGB V in Anspruch zu nehmen (erste Stufe). Reicht diese nicht aus um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, erbringt die Krankenkasse ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Rehabilitationseinrichtungen oder in wohnortnahmen Einrichtungen (§ 40 Abs 1 SGB V; zweite Stufe). Reichen solche ambulanten Maßnahmen zur Rehabilitation nicht aus, erbringt die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs 2a SGB IX zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht (§ 40 Abs 2 SGB V, dritte Stufe). Leistungen der jeweils höheren Stufe können nur in Anspruch genommen werden, wenn die Leistungen der vorherigen Stufe aus medizinischen Gründen nicht ausreichen (SG Dresden, 25.04.2005, S 14 KR 150/03, juris Rdnr 29). Maßgeblich ist, ob die Erbringung von Leistungen nach den vorrangigen Stufen bei einer prognostischen Beurteilung im Hinblick auf die Erreichung der Ziele des § 11 Abs 2 SGB V erfolglos sein wird (Senatsurteil vom 13.03.2012, L 11 KR 1612/11).
Die Frage der Erforderlichkeit einer ambulanten oder stationären Rehamaßnahme gehört zu den gerichtlich voll überprüfbaren Anspruchsvoraussetzungen und nicht zu der "Art der Leistung" im Sinne von § 14 Abs 3 Satz 1 SGB V, die die Krankenkasse nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt. Der erforderliche Abwägungsprozess ist keine Ermessenentscheidung der Verwaltung, denn stationäre Rehabilitationsleistungen dürfen erst erbracht werden, wenn ambulante Leistungen der Rehabilitation nicht ausreichen, und diese dürfen wiederum nur erbracht werden, wenn ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht. Erforderlich sind Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, wenn der Versicherte rehabilitationsbedürftig und rehabilitationsfähig ist und aufgrund einer positiven Rehabilitationsprognose eine medizinisch begründete Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der Leistung spricht (Waßer in juris PK-SGB V, 2. Auflage 2012 Rn 38ff).
Rehabilitationsbedürftigkeit besteht nach § 8 der Rehabilitations-Richtlinie (Rehabilitations-RL), wenn aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Schädigung voraussichtlich nicht nur vorübergehend alltagsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivität vorliegen, durch die in absehbarer Zeit eine Beeinträchtigung der Teilhabe droht oder Beeinträchtigungen der Teilhabe bereits bestehen und über die kurative Versorgung hinaus der mehrdimensionale und interdisziplinäre Ansatz der medizinischen Rehabilitation erforderlich ist. Zu den Beeinträchtigungen der Teilhabe gehört auch der Zustand der Pflegebedürftigkeit. Rehabilitationsfähigkeit setzt nach § 9 der Rehabilitation-RL voraus, dass der Versicherte aufgrund seiner somatischen und psychischen Verfassungen die für die Durchführung und Mitwirkung bei der Leistung zur medizinischen Rehabilitation notwendige Belastbarkeit und Motivation oder Motivierbarkeit besitzt. Die Rehabilitationsprognose ist nach § 10 der Rehabilitations-RL eine medizinisch begründete Wahrscheinlichkeitsaussage für den Erfolg der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation auf der Basis der Erkrankung oder Behinderung, des bisherigen Verlaufs, des Kompensationspotentials oder der Rückbildungsfähigkeit unter Beachtung und Förderung individueller positiver Kontextfaktoren, über die Erreichbarkeit eines festgelegten Rehabilitationsziels durch eine geeignete Leistung zur medizinischen Rehabilitation, in einem notwendigen Zeitraum. Die Rehabilitations-RL beruhen auf der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 8 SGB V und besitzen die Qualität untergesetzlicher Rechtsnormen. Sie sind verbindlich, soweit sie nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen (BSG 01.09.2005, B 3 KR 3/04 R, SozR 4-2500 § 40 Nr 2). Ein solcher Verstoß ist vorliegend nicht ersichtlich.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Versicherte einen Anspruch auf die Gewährung einer Maßnahme zur stationären Rehabilitation nach § 40 Abs 2 Satz 1 SGB V nach der Operation im Oktober 2008 hatte. Sowohl die Rehabilitationsbedürftigkeit als auch die Rehabilitationsfähigkeit lagen vor. Ambulante Rehabilitationsmaßnahmen waren für das Erreichen des Reha - Ziels nicht ausreichend. Entgegen der Auffassung der Beklagten stellen auch die Verhütung der Verschlimmerung einer bereits vorhandenen Pflegebedürftigkeit oder die Milderung der Folgen der Pflegebedürftigkeit zulässige Rehaziele dar. Die Beklagte verkennt insoweit in ihrer Stellungnahme vom 02.02.2012 (Bl 30 bis 58 der Berufungsakte) die enge Verknüpfung des SGB V mit dem SGB IX und hier insbesondere § 4 Abs 1 Nr 1 SGB IX. Dem Anspruch steht daher nicht entgegen, dass die Versicherte bereits vor der Fraktur in ihrer Mobilität erheblich beeinträchtigt und wesentlich auf fremde Hilfe angewiesen war und durch die Reha die Verschlimmerung des vorbestehenden Zustandes und die Erhöhung der Pflegebedürftigkeit verhindert werden sollte.
Der Senat schließt aus den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte, dass die Versicherte trotz der Demenzerkrankung sowie den ansonsten bestehenden Vorerkrankungen auch über die notwendige Rehabilitationsfähigkeit verfügte. Dr. B. und Dr. S. führen in ihrem Entlassungsbericht vom 19.02.2009 zum Aufnahmebefund aus, die Versicherte sei wach und teilorientiert mit normalem Antrieb, Affekt und Verhalten gewesen. Die Gedächtnisleistungen waren mäßiggradig beeinträchtigt. Dass die Versicherte gerade nicht völlig teilnahms- und antriebslos war, zeigen auch die durchgeführten umfangreichen Behandlungsmaßnahmen der Reha - Klinik Physiotherapie (Einzeltherapie, Hockergymnastik, Motomed, Armbäder), Ergotherapie (Einzeltherapie, Gedächtnisgruppe) sozialpädagogische Betreuung und aktivierende Pflege (Bl 28 der SG - Akte). Die Versicherte war daher nach ihrem geistigen Zustand trotz der Demenz noch in der Lage, bei den Behandlungen ausreichend mitzuwirken. Auch die schriftlichen Zeugenaussagen bestätigen dieses Ergebnis. Dr. B. hat am 08.05.2009 mitgeteilt, dass die Versicherte auf einfachem Niveau kommunikationsfähig gewesen sei, Aufgaben umsetzen konnte, in Pflege und Therapie kooperierte und keine Weglauftendenz bestand. Dr. R. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 08.06.2009 mitgeteilt, dass er aus Gesprächen mit der Versicherten deren sehr starke Motivation für eine aktive Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme bestätigen könne. Es bestanden somit keine Anhaltspunkte dafür, dass die unstreitig bestehenden kognitiven Einschränkungen der Versicherten von ihrem Ausmaß die Kommunikation und Mitwirkung bei der Reha wesentlich behindert hätten.
Die behandelnden Ärzte haben des Weiteren bestätigt, dass eine Besserung des Zustandes der Versicherten wahrscheinlich war und somit eine positive Rehabilitationsprognose vorlag. Priv. Doz. Dr. S. führt nach Auffassung des Senates zutreffend an, dass auch hochbetagte Versicherte von einer regelmäßigen, intensiven physiotherapeutischen Betreuung mit Hilfsmitteln, wie bsp Gehwagen oder Bewegungsbad profitieren und diese daher notwendig sind, um das Rehaziel zu erreichen. Dr. B. hat auch gerade wegen der Möglichkeit der Intensivierung der Behandlung eine Verbesserung des Zustandes in kurzer Zeit für aussichtsreich und angezeigt angesehen.
Ambulante Behandlungsmaßnahmen wie Schmerztherapie, Krankengymnastik, Physio- sowie Ergotherapie waren nach Auffassung des Senats nicht ausreichend. Nach der Aussage von Dr. B. wurden 26 Therapieeinheiten Physiotherapie, 9 Therapieeinheiten Ergotherapie, 29 Therapieeinheiten allgemein aktivierende Maßnahmen zuzüglich mehrfach täglicher rehabilitativer Pflege und sozialpädagogischer Begleitung während des Aufenthalts der Versicherten durchgeführt. Dies belegt, dass die stationäre Behandlung eine erhebliche Intensivierung und Konzentration verschiedener Behandlungsmaßnahmen erlaubte, welche ambulant weder logistisch noch örtlich zu erreichen war. Auch trifft es nicht zu, dass die Versicherte keine ambulanten Heilmittelanwendungen wahrgenommen hat. Nach den im Berufungsverfahren eingereichten Unterlagen wurde zwei Mal für 20 Minuten Krankengymnastik in Form von Hausbesuchen durchgeführt. Die Physiotherapeutin G. hat jedoch in einer undatierten Stellungnahme (Bl 29 der Berufungsakte) wegen der nötigen intensiven Gangschulung einen Reha - Aufenthalt empfohlen, da dort die Möglichkeiten viel größer und umfangreicher seien als im Rahmen eines Hausbesuchs zwei Mal die Woche. Im Vergleich zu den bis zum vorzeitigen Abbruch der stationären Reha - Maßnahmen durchgeführten Therapieeinheiten ist daher die ambulante Behandlung nicht gleichermaßen intensiv. Nach Auffassung des Senats ist auch zu beachten, dass eine schnellstmögliche Mobilisation bei der Versicherten angesichts ihres Lebensalters und der bereits eingetretenen Pflegebedürftigkeit besonders wichtig war, um einen weiteren Muskelabbau und eine Verschlechterung des Zustandes zu verhindern. Dass dieses Ziel nur durch eine intensive stationäre Behandlung erreicht werden konnte, war aufgrund der Stellungnahmen der behandelnden Ärzte bereits vor Beginn der Maßnahme erkennbar.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Befundberichte und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Versicherte Anspruch auf Bewilligung einer stationären Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation hatte.
Die 1917 geborene und am 23.03.2012 verstorbene A. F. (Versicherte) war die Ehefrau des Klägers. Sie war bei der Beklagten als Rentnerin gesetzlich krankenversichert. Die Versicherte erhielt seit Februar 2006 Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe II auf der Grundlage eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 23.03.2006 (Diagnosen: Sigma-Carzinom mit Anus-Praeter-Anlage, hirnorganisches Psychosyndrom, Mobilitätseinschränkung bei allgemeiner Altersschwäche, Polyarthrose, inkomplette Harninkontinenz sowie hochgradige Schwerhörigkeit; Hilfebedarf: täglich 130 Minuten sowie erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz). Bei einem Sturz erlitt die Versicherte einen Oberschenkelhalsbruch (Femurschaftfraktur) links. Sie befand sich deshalb vom 19. bis 30.10.2008 in stationärer Behandlung im K.-O.-Krankenhaus in S ... Dort wurde am 20.10.2008 eine winkelstabile Osteosynthese mittels LCP-Rekonstruktionsplatte durchgeführt.
Der behandelnde Hausarzt Dr. R. stellte am 14.11.2008 eine Verordnung von medizinischer Rehabilitation. Als rehabilitationsrelevante Schädigung führte Dr. R. den Verlust der häuslichen Mobilität und Eigenständigkeit nach der Oberschenkelfraktur links auf. Mit Schreiben vom 02.12.2008 wies die Beklagte die Versicherte darauf hin, dass keine medizinische Notwendigkeit für eine stationäre geriatrische Rehabilitation vorliege. Es sei keine ausreichende Rehabilitationsfähigkeit und kein positives Rehabilitationspotential ableitbar.
Die Bevollmächtigten der Versicherten legten am 09.12.2008 Widerspruch ein. Eine Reha-Maßnahme zur Wiederherstellung der Mobilität sei nicht nur möglich, sondern auch zwingend erforderlich. Nach Beiziehung weiterer Befundberichte (Stellungnahme von Dr. R. vom 18.12.2008, Befundbericht des K.-O.-Krankenhauses vom 26.11.2008, Bericht des K.-O.-Krankenhauses vom 26.11.2008, Operationsbericht vom 20.10.2008 sowie ein weitere Stellungnahme von Dr. R. vom 08.01.2009) kam Dr. L.-M. vom MDK in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 09.01.2009 zu dem Ergebnis, dass bei erheblicher Gedächtnisstörung, maligner Erkrankung und seit Jahren bestehender Gangstörung das Reha-Ziel der selbständigen Gehfähigkeit am Rollator unrealistisch sei.
Am 15.01.2009 beantragte die Versicherte den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Das Verfahren (S 8 KR 334/09 ER) endete mit einer vergleichsweisen Einigung dahingehend, dass sich die Versicherte die beantragte Rehabilitationsmaßnahme in einer Vertragseinrichtung der Beklagten selbst beschafft und mit den Kosten in Vorleistung tritt. Auf ihren Antrag sollte die Beklagte der Versicherten eine geeignete Rehabilitationseinrichtung benennen. Für den Fall des Obsiegens in der Hauptsache verpflichtete sich die Beklagte, die entstandenen Kosten in vollem Umfang zu erstatten. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl 56 bis 57 der Verfahrensakte S 8 KR 334/09 ER verwiesen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2009 zurück und führte zur Begründung aus, dass keine Rehabilitationsfähigkeit bestehe und eine ambulante Behandlung mit Heilmitteln angezeigt sei.
Am 18.02.2009 hat die Versicherte Klage beim SG erhoben und geltend gemacht, entgegen der Auffassung der Beklagten sei sie sowohl rehabilitationsbedürftig als auch rehabilitationsfähig. Ihr stünde daher die von ihr beantragte Reha - Maßnahme, die derzeit in der Reha - Klinik A. K. in V. - S. durchgeführt werde, zu. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 17.03.2009 hat die Versicherte den Arztbrief der Geriatrischen Reha- Klinik A. K. über die vom 29.01.2009 bis 19.02.2009 durchgeführte stationäre geriatrische Rehabehandlung vorgelegt. Hierauf wird verwiesen (Bl 26 bis 29 der SG - Akte).
Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen in schriftlicher Form vernommen. Privatdozent Dr. S., Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des K.-O.-Krankenhauses S., hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 28.04.2009 ausgeführt, dass die Versicherte aufgrund ihrer Gesamtkonstellation mit mangelnder Kooperationsfähigkeit aufgrund der Demenz, des Alters und der motorischen Einschränkung eine ambulante Behandlung oder Rehabilitationsmaßnahme nicht mit vertretbarem Aufwand hätte aufsuchen können. Sie sei zwar dement, aber vor dem Unfall in ausreichendem Umfang mobil gewesen. Diese Mobilität wieder zu erreichen, stellte aus seiner Sicht auch für einen demenzkranken Menschen eine sinnvolle, angemessene und ihm zustehende Erwartung dar (Bl 44 bis 46 der SG-Akte). Dr. B., Chefarzt der Geriatrischen Rehaklinik am K. in V./S., hat mit Schreiben vom 08.05.2009 mitgeteilt, dass eine ambulante Rehabilitation in Anbetracht der Multimorbidität und der Immobilität nicht möglich gewesen sei. Auch sei die Versicherte aufgrund ihres Gesundheitszustandes rehabilitationsfähig gewesen. Dr. S., Facharzt für Orthopädie, hat keine Aussage machen können. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. R. hat in seiner Stellungnahme vom 08.06.2009 dargelegt, die leichten kognitiven Einschränkungen hätten einer Rehabilitationsfähigkeit der Versicherten nicht entgegengestanden. Eine ambulante Behandlung wäre aufgrund der Gesamtumstände nicht ausreichend gewesen (Bl 56-58 der SG-Akte).
Die Beklagte hat erneut eine Stellungnahme des MDK eingeholt. Dr Mink hat in dem nach Aktenlage erstellten sozialmedizinischen Gutachten vom 30.07.2009 zu den vom SG eingeholten Arztauskünften ausführlich Stellung genommen und bezweifelt, dass die erreichten bescheidenen Effekte nur durch eine stationäre Reha - Maßnahme möglich gewesen seien.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 09.06.2011 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass vor dem Hintergrund der unsicheren Rehabilitationsprognose die Beklagte der Versicherten eine stationäre Leistung nicht habe erbringen müssen. Die Möglichkeiten der ambulanten Behandlung seien nicht ausgeschöpft gewesen. In der Zeit nach der Krankenhausentlassung im Oktober 2009 habe die Versicherte sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nur bei ihrem Hausarzt Dr. R. in regelmäßiger Behandlung befunden. Heilmittelanwendungen, insbesondere Krankengymnastik und Physiotherapie, welche bei ihrem Krankheitsbild medizinisch dringend indiziert gewesen seien, habe sie ambulant nicht in Anspruch genommen. Damit habe die Versicherte die Möglichkeit einer zumutbaren ambulanten Krankenbehandlung nicht ausgeschöpft. Sowohl die Facharztbehandlung als auch die Anwendung von Heilmitteln am Wohnort seien indes nach dem im SGB V verankerten Prinzip der gestuften Versorgung gegenüber der stationären Rehabilitationsmaßnahme vorrangig. Allein die Tatsache, dass die behandelnden Ärzte eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme befürwortet hätten, vermöge die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme nicht zu begründen. Denn dies entbinde nicht von dem Versuch, ambulante Maßnahmen am Wohnort zunächst auszuschöpfen. Die Mobilisierung der Versicherten habe nicht eine derart intensive Behandlung erfordert, dass diese praktisch nur unter stationären Bedingungen durchführbar gewesen sei.
Die Versicherte hat am 26.09.2012 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass sie entgegen der Annahme des SG rehabilitationsfähig gewesen sei. Dies hätten alle als sachverständige Zeugen gehörten Ärzte bestätigt. Auch bedürfe es keiner "sicheren Prognose" hinsichtlich eines positiven Verlaufs der medizinischen Rehabilitation. Selbst wenn man im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung überhaupt eine günstige Reha-Prognose für erforderlich ansehe (ablehnend z.B. SG Mannheim Urteil vom 28.06.2004, S 9 RJ 138/04) so dürften an diese keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Es müsse vielmehr ausreichen, dass eine gewisse Chance zur Erreichung der in § 11 Abs 2 SGB V genannten Rehabilitationsziele bestehe. Nach dem Ergebnis der Anhörung aller sachverständigen Zeugen ergebe sich im vorliegenden Fall sogar deutlich mehr als nur eine Chance zur Erreichung zumindest eines dieser Ziele. Die günstige Prognose werde auch durch das Ergebnis der Rehamaßnahme nachdrücklich bestätigt. Zumindest einige der angestrebten Rehabilitationsziele hätten tatsächlich auch erreicht werden können. Eine ambulante Behandlung sei zur Erreichung der Rehabilitationsziele nicht ausreichend gewesen. Die gehörten sachverständigen Zeugen hätten dabei insbesondere auf die besonderen Bedingungen einer stationären Aufnahme hingewiesen. Auch habe die Versicherte aufgrund ärztlicher Verordnung von Dr. R. zuhause zweimal wöchentlich physiotherapeutische Behandlungen durchgeführt. Die Versicherte habe damit alles Mögliche getan, um wieder halbwegs Anschluss an ihren Zustand vor der Operation zu erreichen. Auch von der Praxis für Physiotherapie, Osteopathie manuelle Therapie und Lymphdrainage G. sei ausdrücklich ein stationärer Rehabilitationsaufenthalt empfohlen worden. Dass es dabei zu der erheblichen Verzögerung bis zum Beginn der stationären Rehabiliationsmaßnahme gekommen sei, sei insoweit von der Versicherte nicht zu vertreten, sondern allein auf die Beklagte zurückzuführen. Die Versicherte hat Unterlagen über die Behandlungstermine der Praxis für Physiotherapie, Osteopathie, manuelle Therapie und Lymphdrainage G. vorgelegt. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl 27 bis 29 der Berufungsakte verwiesen.
Die Versicherte ist am 23.03.2012 verstorben. Zum Zeitpunkt ihres Todes hat sie mit ihrem Ehemann in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Der Ehemann der Versicherten (Kläger) hat das Berufungsverfahrens als Sonderrechtsnachfolger der Versicherten fortgeführt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 09.06.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 02.12.2008 und den Widerspruchsbescheid vom 09.02.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Versicherten die Kosten der in der Zeit vom 29.01.2009 bis zum 19.02.2009 in der Reha-Klinik a. K. in V.-S. durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte erwidert, aus dem Pflegegutachten aus dem Jahr 2006 gehe hervor, dass bereits vor dem Unfall eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz der Versicherten mit erheblichen Gedächtnisstörungen und herabgesetztem Urteilsvermögen bestanden habe. Die Versicherte sei schon damals nicht in der Lage gewesen, den Tagesablauf selbständig und eigenständig zu planen und sei nur unscharf orientiert gewesen. Sie sei auch nur noch in der Lage gewesen, wenige Meter am Rollator in der Wohnung mit Hilfe zu bewältigen. Bei erheblicher Gedächtnisstörung, maligner Erkrankung und seit Jahren bestehender Gangstörung sei das Reha-Ziel der selbständigen Gehfähigkeit am Rollator unrealistisch gewesen. Aus dem Entlassungsbericht vom 19.02.2009 über die auf eigene Kosten durchgeführte stationäre geriatrische Rehabilitation gehe hervor, dass die Rehaziele nur teilweise hätten erreicht werden können. Einzig die Gehstrecke beim unterstützten Gehen mit dem Rollator habe verlängert werden können. Unzureichende Rehabilitationsfähigkeit und negative Rehabilitationsprognose stünden im Fall der Versicherte einer Kostenübernahme einer medizinisch nicht indizierten stationären medizinischen Rehabilitation entgegen. Ambulante Heilmittel in Form von Krankengymnastik mit Hausbesuch seien ausreichend und zweckmäßig gewesen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verfahrensakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG) entscheidet, ist zulässig und begründet. Der Kläger hat als Sonderrechtsnachfolger der Versicherten gemäß § 56 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I)) einen Anspruch auf die Feststellung, dass die Beklagte der Versicherten eine stationäre Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation zu bewilligen hatte.
Streitgegenstand ist die Feststellung, ob die Versicherte einen Anspruch auf Gewährung einer stationären Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation durch die Beklagte hatte. Die Beteiligten haben sich im Verfahren S 8 KR 334/09 ER dahingehend vergleichsweise geeinigt, dass für den Fall, dass der Anspruch auf Gewährung der begehrten stationären Rehabilitationsmaßnahme zugesprochen bzw festgestellt wird, die Beklagte sich verpflichtet, Kosten einer von der Versicherten selbst beschafften Rehabilitationsmaßnahme in vollem Umfang abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung nach Nachweis durch Vorlage der Rechnung zu erstatten. Die Beteiligten haben sich auf die Modalitäten der Kostenerstattung in einem Teilvergleich geeinigt (vgl hierzu BSG 20.09.2012, B 8 SO 4/11 R, juris) und den Rechtsstreit im Hauptsacheverfahren nur noch bezüglich der Frage, ob ein Anspruch auf die entsprechend der Einigung im Vergleich von der Versicherten selbst beschaffte Rehabilitationsmaßnahme besteht, fortgeführt. Zulässige Klageart ist daher eine Anfechtungsklage kombiniert mit einer Feststellungsklage gemäß § 55 Abs 1 Nr 1 SGG. Der Klageantrag war somit im Klage- wie auch im Berufungsverfahren sachdienlich als Feststellungsantrag auszulegen.
Nach § 11 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§27 bis 52 SGB V). Die Versicherte war als Rentnerin bei der Beklagten gemäß § 5 Abs 1 Nr 11 gesetzlich krankenversichert. Nach § 11 Abs 2 SGB V haben Versicherte auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Leistungen der aktivierenden Pflege nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit werden von den Pflegekassen erbracht. Die Leistungen nach Satz 1 werden unter Beachtung des Neunten Buches erbracht, soweit in diesem Buch nichts anderes bestimmt ist.
Ein Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs 1 SGB V besteht, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen und zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ua Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V). Ziel einer Rehabilitation ist es auch, Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (§ 11 Abs 2 Satz 1 SGB V). Die medizinischen Rehabilitationsleistungen werden unter Beachtung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch erbracht, soweit im SGB V nicht anderes bestimmt ist (§ 11 Abs 2 Satz 1 SGB V).
Nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB V (idF vom 01.07.2008) gilt: Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, oder, soweit dies für eine bedarfsgerechte, leistungsfähigere und wirtschaftliche Versorgung des Versicherten mit medizinischen Leistungen ambulanter Rehabilitation erforderlich ist, durch wohnortnahe Einrichtungen. Reicht die Leistung nach Abs 1 nicht aus, erbringt die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs 2a des Neunten Buches zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht (§ 40 Abs 2 Satz 1 SGB V idF vom 01.07.2008).
Aus diesen Vorschriften ergibt sich ein Stufenverhältnis (Urteile des Senats vom 13.03.2012, L 11 KR 1612/11, 28.04.2009, L 11 KR 4828/09 und vom 20.04.2010, L 11 KR 5047/09): Zuerst ist ambulante Krankenbehandlung iSd § 27 SGB V in Anspruch zu nehmen (erste Stufe). Reicht diese nicht aus um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, erbringt die Krankenkasse ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Rehabilitationseinrichtungen oder in wohnortnahmen Einrichtungen (§ 40 Abs 1 SGB V; zweite Stufe). Reichen solche ambulanten Maßnahmen zur Rehabilitation nicht aus, erbringt die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs 2a SGB IX zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht (§ 40 Abs 2 SGB V, dritte Stufe). Leistungen der jeweils höheren Stufe können nur in Anspruch genommen werden, wenn die Leistungen der vorherigen Stufe aus medizinischen Gründen nicht ausreichen (SG Dresden, 25.04.2005, S 14 KR 150/03, juris Rdnr 29). Maßgeblich ist, ob die Erbringung von Leistungen nach den vorrangigen Stufen bei einer prognostischen Beurteilung im Hinblick auf die Erreichung der Ziele des § 11 Abs 2 SGB V erfolglos sein wird (Senatsurteil vom 13.03.2012, L 11 KR 1612/11).
Die Frage der Erforderlichkeit einer ambulanten oder stationären Rehamaßnahme gehört zu den gerichtlich voll überprüfbaren Anspruchsvoraussetzungen und nicht zu der "Art der Leistung" im Sinne von § 14 Abs 3 Satz 1 SGB V, die die Krankenkasse nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt. Der erforderliche Abwägungsprozess ist keine Ermessenentscheidung der Verwaltung, denn stationäre Rehabilitationsleistungen dürfen erst erbracht werden, wenn ambulante Leistungen der Rehabilitation nicht ausreichen, und diese dürfen wiederum nur erbracht werden, wenn ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht. Erforderlich sind Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, wenn der Versicherte rehabilitationsbedürftig und rehabilitationsfähig ist und aufgrund einer positiven Rehabilitationsprognose eine medizinisch begründete Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der Leistung spricht (Waßer in juris PK-SGB V, 2. Auflage 2012 Rn 38ff).
Rehabilitationsbedürftigkeit besteht nach § 8 der Rehabilitations-Richtlinie (Rehabilitations-RL), wenn aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Schädigung voraussichtlich nicht nur vorübergehend alltagsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivität vorliegen, durch die in absehbarer Zeit eine Beeinträchtigung der Teilhabe droht oder Beeinträchtigungen der Teilhabe bereits bestehen und über die kurative Versorgung hinaus der mehrdimensionale und interdisziplinäre Ansatz der medizinischen Rehabilitation erforderlich ist. Zu den Beeinträchtigungen der Teilhabe gehört auch der Zustand der Pflegebedürftigkeit. Rehabilitationsfähigkeit setzt nach § 9 der Rehabilitation-RL voraus, dass der Versicherte aufgrund seiner somatischen und psychischen Verfassungen die für die Durchführung und Mitwirkung bei der Leistung zur medizinischen Rehabilitation notwendige Belastbarkeit und Motivation oder Motivierbarkeit besitzt. Die Rehabilitationsprognose ist nach § 10 der Rehabilitations-RL eine medizinisch begründete Wahrscheinlichkeitsaussage für den Erfolg der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation auf der Basis der Erkrankung oder Behinderung, des bisherigen Verlaufs, des Kompensationspotentials oder der Rückbildungsfähigkeit unter Beachtung und Förderung individueller positiver Kontextfaktoren, über die Erreichbarkeit eines festgelegten Rehabilitationsziels durch eine geeignete Leistung zur medizinischen Rehabilitation, in einem notwendigen Zeitraum. Die Rehabilitations-RL beruhen auf der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 8 SGB V und besitzen die Qualität untergesetzlicher Rechtsnormen. Sie sind verbindlich, soweit sie nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen (BSG 01.09.2005, B 3 KR 3/04 R, SozR 4-2500 § 40 Nr 2). Ein solcher Verstoß ist vorliegend nicht ersichtlich.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Versicherte einen Anspruch auf die Gewährung einer Maßnahme zur stationären Rehabilitation nach § 40 Abs 2 Satz 1 SGB V nach der Operation im Oktober 2008 hatte. Sowohl die Rehabilitationsbedürftigkeit als auch die Rehabilitationsfähigkeit lagen vor. Ambulante Rehabilitationsmaßnahmen waren für das Erreichen des Reha - Ziels nicht ausreichend. Entgegen der Auffassung der Beklagten stellen auch die Verhütung der Verschlimmerung einer bereits vorhandenen Pflegebedürftigkeit oder die Milderung der Folgen der Pflegebedürftigkeit zulässige Rehaziele dar. Die Beklagte verkennt insoweit in ihrer Stellungnahme vom 02.02.2012 (Bl 30 bis 58 der Berufungsakte) die enge Verknüpfung des SGB V mit dem SGB IX und hier insbesondere § 4 Abs 1 Nr 1 SGB IX. Dem Anspruch steht daher nicht entgegen, dass die Versicherte bereits vor der Fraktur in ihrer Mobilität erheblich beeinträchtigt und wesentlich auf fremde Hilfe angewiesen war und durch die Reha die Verschlimmerung des vorbestehenden Zustandes und die Erhöhung der Pflegebedürftigkeit verhindert werden sollte.
Der Senat schließt aus den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte, dass die Versicherte trotz der Demenzerkrankung sowie den ansonsten bestehenden Vorerkrankungen auch über die notwendige Rehabilitationsfähigkeit verfügte. Dr. B. und Dr. S. führen in ihrem Entlassungsbericht vom 19.02.2009 zum Aufnahmebefund aus, die Versicherte sei wach und teilorientiert mit normalem Antrieb, Affekt und Verhalten gewesen. Die Gedächtnisleistungen waren mäßiggradig beeinträchtigt. Dass die Versicherte gerade nicht völlig teilnahms- und antriebslos war, zeigen auch die durchgeführten umfangreichen Behandlungsmaßnahmen der Reha - Klinik Physiotherapie (Einzeltherapie, Hockergymnastik, Motomed, Armbäder), Ergotherapie (Einzeltherapie, Gedächtnisgruppe) sozialpädagogische Betreuung und aktivierende Pflege (Bl 28 der SG - Akte). Die Versicherte war daher nach ihrem geistigen Zustand trotz der Demenz noch in der Lage, bei den Behandlungen ausreichend mitzuwirken. Auch die schriftlichen Zeugenaussagen bestätigen dieses Ergebnis. Dr. B. hat am 08.05.2009 mitgeteilt, dass die Versicherte auf einfachem Niveau kommunikationsfähig gewesen sei, Aufgaben umsetzen konnte, in Pflege und Therapie kooperierte und keine Weglauftendenz bestand. Dr. R. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 08.06.2009 mitgeteilt, dass er aus Gesprächen mit der Versicherten deren sehr starke Motivation für eine aktive Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme bestätigen könne. Es bestanden somit keine Anhaltspunkte dafür, dass die unstreitig bestehenden kognitiven Einschränkungen der Versicherten von ihrem Ausmaß die Kommunikation und Mitwirkung bei der Reha wesentlich behindert hätten.
Die behandelnden Ärzte haben des Weiteren bestätigt, dass eine Besserung des Zustandes der Versicherten wahrscheinlich war und somit eine positive Rehabilitationsprognose vorlag. Priv. Doz. Dr. S. führt nach Auffassung des Senates zutreffend an, dass auch hochbetagte Versicherte von einer regelmäßigen, intensiven physiotherapeutischen Betreuung mit Hilfsmitteln, wie bsp Gehwagen oder Bewegungsbad profitieren und diese daher notwendig sind, um das Rehaziel zu erreichen. Dr. B. hat auch gerade wegen der Möglichkeit der Intensivierung der Behandlung eine Verbesserung des Zustandes in kurzer Zeit für aussichtsreich und angezeigt angesehen.
Ambulante Behandlungsmaßnahmen wie Schmerztherapie, Krankengymnastik, Physio- sowie Ergotherapie waren nach Auffassung des Senats nicht ausreichend. Nach der Aussage von Dr. B. wurden 26 Therapieeinheiten Physiotherapie, 9 Therapieeinheiten Ergotherapie, 29 Therapieeinheiten allgemein aktivierende Maßnahmen zuzüglich mehrfach täglicher rehabilitativer Pflege und sozialpädagogischer Begleitung während des Aufenthalts der Versicherten durchgeführt. Dies belegt, dass die stationäre Behandlung eine erhebliche Intensivierung und Konzentration verschiedener Behandlungsmaßnahmen erlaubte, welche ambulant weder logistisch noch örtlich zu erreichen war. Auch trifft es nicht zu, dass die Versicherte keine ambulanten Heilmittelanwendungen wahrgenommen hat. Nach den im Berufungsverfahren eingereichten Unterlagen wurde zwei Mal für 20 Minuten Krankengymnastik in Form von Hausbesuchen durchgeführt. Die Physiotherapeutin G. hat jedoch in einer undatierten Stellungnahme (Bl 29 der Berufungsakte) wegen der nötigen intensiven Gangschulung einen Reha - Aufenthalt empfohlen, da dort die Möglichkeiten viel größer und umfangreicher seien als im Rahmen eines Hausbesuchs zwei Mal die Woche. Im Vergleich zu den bis zum vorzeitigen Abbruch der stationären Reha - Maßnahmen durchgeführten Therapieeinheiten ist daher die ambulante Behandlung nicht gleichermaßen intensiv. Nach Auffassung des Senats ist auch zu beachten, dass eine schnellstmögliche Mobilisation bei der Versicherten angesichts ihres Lebensalters und der bereits eingetretenen Pflegebedürftigkeit besonders wichtig war, um einen weiteren Muskelabbau und eine Verschlechterung des Zustandes zu verhindern. Dass dieses Ziel nur durch eine intensive stationäre Behandlung erreicht werden konnte, war aufgrund der Stellungnahmen der behandelnden Ärzte bereits vor Beginn der Maßnahme erkennbar.
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Befundberichte und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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