L 4 R 4446/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 962/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 4446/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. September 2011 aufgehoben und die Klage, soweit sie die ungekürzte Berücksichtigung von Beitragszeiten in den Jahren 1975, 1980 und 1988 betrifft, abgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren zu drei Viertel. Für das Berufungsverfahren sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Berufungsverfahren ist zwischen den Beteiligten noch streitig, ob die vom Kläger in Kasachstan zurückgelegten Versicherungszeiten in den Jahren 1975, 1980 und 1988 ungekürzt zu berücksichtigen sind.

Der 1940 geborene Kläger zog am 18. Dezember 1993 aus der Russischen Föderation in die Bundesrepublik Deutschland zu. Er ist anerkannter Spätaussiedler und im Besitz einer Bescheinigung nach § 15 Bundesvertriebenengesetz (BVFG).

Von 1955 bis 1989 war der Kläger in Kasachstan in der Kolchose N. S. tätig; bis 1957 als Kolchosarbeiter, von 1958 bis 1963 als Traktorfahrer, von 1964 bis zu seiner Kündigung am 6. April 1989 als Traktor- und Mähdrescherfahrer. Am 6. April 1989 wurde der Kläger auf eigenen Wunsch aus der Mitgliedschaft in der Kolchose entlassen. Am 24. April 1989 wurde er in der Sowchose K. K. als Mechanisator der 1. Klasse eingestellt. Vom 16. Januar bis 14. Dezember 1957 absolvierte er eine Ausbildung an der Lehranstalt zur Mechanisierung der Landwirtschaft Nr. 49 im Dorf K.-A., Bezirk M., Gebiet A ... Mit dem Zeugnis Nr. 1362 (Note "gut") wurde ihm die Fachbezeichnung Traktorist und Schlosser der 3. Lohngruppe zuerkannt. Er dürfe Traktoren, Mähdrescher und langsame Landmaschinen fahren. Weiterhin legte er einen Nachweis Traktorist-Maschinist, Talon der 1. Klasse, für Traktorklassen A, B, W, G, D, E, ausgestellt von der staatlichen Inspektion K., Gebiet S. am 20. März 1990, vor. Im Arbeitsbuch Nr. 150 des Klägers ist in Spalte 3 der Beruf Kolchosarbeiter, Traktorist vermerkt. Außerdem ist das Datum des jeweiligen Eintrages angegeben (Spalte 1), das Arbeitsjahr (Spalte 2), Arbeitseinheiten zur Verrechnung (Spalte 4), das festgesetzte Minimum an Arbeitstagen pro Jahr (Spalte 6), der Lohn (Spalte 7), Naturalien (Spalte 8-11), Unterschriften des Vorsitzenden/Buchhalters der Kolchose mit Stempel. In Spalte 5 sind die gearbeiteten Arbeitstage/pro Jahr ab 1964 aufgeführt: für 1964 - 320, 1965 - 314, 1966 - 321, 1967 - 306, 1968 - 334, 1969 - 331, 1970 - 326, 1971 - 321, 1972 - 311, 1973 - 347, 1974 - 323, 1975 - 285, 1976 - 303, 1977 - 303, 1978 - 346, 1979 - 339, 1980 - 292, 1981 - 361, 1982 - 360, 1983 - 304, 1984 - 317, 1985 - 326, 1986 - 312, 1987 - 359, 1988 - 289, 1989 - 84. Über die Zeiten nach dem Ausscheiden aus der Kolchose am 6. April 1989 bezüglich der Tätigkeit in der Sowchose K. K. enthält das Arbeitsbuch keine Angaben.

Am 30. November 1996 beantragte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte) Kontenklärung und legte Unterlagen vor. Am 14. März 1997 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Rentenauskunft. Darin wurden nach dem Fremdrentengesetz (FRG) Beschäftigungszeiten in der ehemaligen Sowjetunion ab 28. Januar 1957 bis 24. März 1989 in der Rentenversicherung der Arbeiter, Qualifikationsgruppe 5, Bereich 22 der Anlage 14 zum Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) bei Erhöhung der Tabellenwerte um ein Fünftel zu fünf Sechstel angerechnet, vom 24. April 1989 bis 1. Dezember 1993 nach Bereich 14 der Anlage 14 zum SGB VI. Mit Vormerkungsbescheid vom 25. November 2002 stellte die Beklagte die im beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs Jahre zurücklagen (Zeiten bis 31. Dezember 1995), verbindlich fest. Mit diesem wurde der Bescheid vom 14. März 1997 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zurückgenommen und die Jahre, für die eine über den 5/6-Umfang hinausgehende Arbeitsleistung durch Bescheinigung von mehr als 300 Arbeitstagen nachgewiesen seien, als nachgewiesene Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten berücksichtigt. Als glaubhaft gemacht weiterhin nur zu fünf Sechsteln angerechnet wurden die Zeiten 1975, 1980, 1988 und Zeiten zwischen 1989 und 1993.

Am 30. Juli 2003 beantragte der Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres. Mit Bescheid vom 27. August 2003 bewilligte die Beklagte die beantragte Rente ab 1. November 2003 mit einem (damaligen) monatlichen Zahlbetrag in Höhe von EUR 751,04. Dabei wurden nach dem FRG Beschäftigungszeiten in der Rentenversicherung der Arbeiter in der ehemaligen Sowjetunion in landwirtschaftlichen Produktionsgemeinschaften, Qualifikationsgruppe 5 bei Erhöhung der Tabellenwerte um ein Fünftel, überwiegend als nachgewiesen ungekürzt berücksichtigt, zum Teil als glaubhaft gemachte Zeiten zu fünf Sechsteln angerechnet. Nur zu fünf Sechsteln berücksichtigt wurden die Zeit vom 28. Januar 1957 bis 31. Dezember 1963, die Jahre 1975, 1980 und 1988 sowie der Zeitraum 24. April 1989 bis 1. Dezember 1993. Der Ermittlung des Monatsbetrages der Rente lagen - bei Berücksichtigung von 6,3296 zusätzlicher Entgeltpunkte als Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt insgesamt 31,3438 persönliche Entgeltpunkte zugrunde. Den Bescheid vom 25. November 2002 hob die Beklagte auf.

Am 28. Dezember 2004 beantragte der Kläger die Nachprüfung der Versicherungszeit als Kolchosmitglied. Mehrere frühere Arbeitskollegen hätten auf einen Nachprüfungsantrag hin höhere Rente bekommen. Aus den Bescheiden gehe hervor, dass die Rentenversicherungsträger ihre Auffassung zur Bewertung der Arbeitszeiten von Kolchosmitgliedern geändert hätten. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26. Januar 2005 ab. Unter Berücksichtigung des Ostrechtsgutachtens vom 15. Dezember 1999 und der Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 11. Dezember 2000 (gemeint wohl u.a. L 9 RJ 2551/98 in juris) ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine Neufeststellung. Zeiten der Mitgliedschaft in einer Kolchose würden für die Zeit ab 1. Januar 1965 als Beitragszeit gemäß § 15 FRG bzw. Zeiten davor als Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG grundsätzlich für das ganze Kalenderjahr als glaubhaft gemachte Zeiten angerechnet, weil eine Unterbrechung der Lohnzahlung z.B. wegen Krankheitszeiten möglich gewesen sei. Eine ungekürzte Anrechnung sei nur möglich, wenn im jeweiligen Jahr eine über den 5/6-Umfang hinausgehende tatsächliche Arbeitsleistung nachgewiesen sei. Dazu müssten im Arbeitsbuch mehr als 300 Arbeitstage bescheinigt sein, wobei Norm- und Plantage nicht zu berücksichtigen seien.

Mit Bescheid vom 16. Februar 2005 stellte die Beklagte die Rente unter Berücksichtigung der Zeit vom 1. Februar bis 29. Juli 1994 ab 1. April 2005 mit einem (damaligen) Zahlbetrag in Höhe von monatlich EUR 745,25 neu fest und gewährte eine Nachzahlung von EUR 19,99 für die Zeit vom 1. November 2003 bis 31. März 2005 mit folgendem Hinweis: "Der Bescheid vom 27. August 2003 wird gemäß § 44 Sozialgesetzbuch (SGB) X zurückgenommen und insofern durch diesen Bescheid ersetzt." Neu berücksichtigt wurden Pflichtbeiträge für Schulausbildung wegen Teilnahme an einem Deutschkurs vom 1. Februar bis 18. Juni 1994 als beitragsgeminderte Zeiten. Die Summe der persönlichen Entgeltpunkte betrug nunmehr 31,3936 bei weiterhin 6,3296 zusätzlichen Entgeltpunkten als Mindestentgeltpunkte bei niedrigem Arbeitsentgelt. Hinsichtlich der Zeiten nach dem FRG erfolgte keine Änderung.

Am 28. Dezember 2007 beantragte der Kläger die Überprüfung von Zeiten nach dem FRG. Die Jahre 1975, 1980 und 1988 seien ungekürzt anzurechnen. Er sei aufgrund seiner Ausbildung und langjährigen Tätigkeit als Traktorist/Maschinist als Facharbeiter der Qualifikationsgruppe 4 zuzuordnen. Der Sprachkurs vom 1. Februar bis 29. Juli 1994 sei zu berücksichtigen. Für die Zeit vom 24. April 1989 bis 1. Dezember 1993 versuche er, Archivbescheinigungen über Arbeitstage zu beschaffen. Mit Schreiben vom 5. März 2009 teilte der Kläger mit, keine Archivbescheinigungen erlangen zu können.

Mit Bescheid vom 26. März 2009 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag, von ihr als Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 27. August 2003 bezeichnet, ab. Nur Beschäftigungszeiten für Arbeitsjahre, in denen im Arbeitsbuch mehr als 300 Arbeitstage bescheinigt worden seien, könnten ungekürzt angerechnet werden. Für 1975 seien 285, für 1980 292 und für 1988 289 Arbeitstage im Arbeitsbuch eingetragen. Eine der Qualifikationsgruppe 4 entsprechende Ausbildung von drei Jahren habe der Kläger nicht absolviert, sondern lediglich durch Besuch der Schule für Mechanisierung der Landwirtschaft vom 16. Januar bis 14. Dezember 1957 die Qualifikation eines Traktoristen erworben. Eine höherwertige Tätigkeit sei nicht ausgeübt, da er Kolchosarbeiter, Traktorist, Mähdrescherfahrer gewesen sei. Der Sprachkurs sei bereits berücksichtigt worden. Der Kläger erhob am 30. April 2009 Widerspruch. Sein Schwager sei bei gleicher Tätigkeit einer höheren Qualifikationsgruppe zugeordnet worden. Da der Wert der in einer Kolchose zurückgelegten Arbeitstage 259 übersteige, habe eine Berücksichtigung der Zeiten in vollem Umfang zu erfolgen.

Mit Bescheid vom 14. Oktober 2009 stellte die Beklagte die Rente wegen Änderung rentenrechtlicher Zeiten auf einen (damaligen) monatlichen Zahlbetrag von EUR 769,91 neu fest, nahm den Bescheid vom (nochmals) 27. August 2003 gemäß § 44 SGB X zurück und ersetzte ihn insoweit. Die Neufeststellung führte zu einer Nachzahlung von EUR 6,50 für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. November 2009. Sie betraf den Sprachkurs, der nunmehr als Zeit der beruflichen Ausbildung berücksichtigt wurde. Die Summe der persönlichen Entgeltpunkte betrug 31,3982, weiterhin unter Berücksichtigung von zusätzlichen Entgeltpunkten als Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt von 6,3296.

Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2010 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers im Übrigen zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 22 Abs. 3 FRG würden die ermittelten Entgeltpunkte für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen seien, um ein Sechstel gekürzt. Die Kürzung entfalle, wenn die rentenrechtlichen Zeiten nachgewiesen seien. Der Nachweis sei geführt, wenn mit der für den vollen Beweis erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststehe, dass sie zurückgelegt seien. Hiervon sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - auszugehen, wenn kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch hieran noch zweifele. Aufgrund der geänderten Rechtsauffassung zur Bewertung der Arbeitszeiten von Kolchosmitgliedern könnten Arbeitsjahre, die mit mehr als 300 Arbeitstagen pro Jahr im Arbeitsbuch bescheinigt seien, gemäß § 22 Abs. 3 FRG ungekürzt, also zu 6/6, angerechnet werden. Für die geltend gemachten Zeiten seien 285 Arbeitstage (1975), 292 Arbeitstage (1980) und 289 Arbeitstage (1988) im Arbeitsbuch eingetragen. Eine Hochrechnung komme nicht in Betracht, da in dieser Bescheinigung für bestimmte Jahre bereits 360 Tage bzw. im Arbeitsbuch teilweise mehr als 312 Arbeitstage bescheinigt worden seien. Eine Hinzurechnung der Sonntage sei nicht möglich, da die bescheinigten Arbeitstage die Sonntage offensichtlich bereits enthielten. Daher seien die streitigen Zeiten weiterhin nur als glaubhaft gemacht anzusehen und die Entgeltpunkte für diese um ein Sechstel zu kürzen. Hinsichtlich des weiteren Begehrens des Klägers verwies der Widerspruchsausschuss darauf, die Einstufung der Tätigkeit des Traktoristen in die Qualifikationsgruppe 4 ab 1. Januar 1963 sei nicht möglich. Der Kläger habe die Berufserfahrung in dem höherwertigen Beruf jedoch erst ab der Anstellung als Mechanisator der 1. Klasse am 24. April 1989 erworben und sei vor Ablauf der erforderlichen sechs Jahre Berufserfahrung in die Bundesrepublik Deutschland ausgereist.

Hiergegen erhob der Kläger am 3. März 2010 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er beantragte, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 26. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2010 zu verurteilen, unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 27. August 2003 die Jahre 1975, 1980 und 1988 als volle Jahre ohne Anwendung von § 22 Abs. 3 FRG als nachgewiesene Beitragszeiten anzuerkennen und seine Tätigkeit vom 1. Januar 1963 bis 1. Dezember 1993 der Qualifikationsgruppe 4 zuzuordnen. Aus maßgeblichen Rechtshandbüchern gehe unschwer hervor, dass ab einer gewissen Anzahl von Arbeitstagen stets nachgewiesene Beitragszeiten anzuerkennen seien. In Jahren, in denen weniger als 301 Arbeitstage vorlägen, sei hochzurechnen, wenn zwischen 257 und 300 Arbeitstage vorlägen, bei 301 und mehr Tagen unterbleibe die Hochrechnung. Er verweise auf gegenüber anderen Versicherten ergangene (vorgelegte) Bescheide der Beklagten und auf die Urteile des BSG vom 8. September 2005 (B 13 RJ 44/04R; in juris) und des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Februar 2010 (L 1 R 804/09; in juris).

Auf Hinweis des SG, dass eine Einstufung in Qualifikationsgruppen nach neuerer Rechtsprechung des BSG (u.a. Urteil vom 23. September 2003 - B 4 RA 48/02 R - ; in juris) anhand der Verhältnisse im Herkunftsland und nicht in Anlehnung an die Verhältnisse in der ehemaligen DDR vorzunehmen sei, das vorgelegte Zeugnis einer mittleren Qualifikation entsprechen könnte und nach Vorlage einer Tätigkeitsbeschreibung durch den Kläger erkannte die Beklagte mit Schriftsatz vom 18. Februar 2011 die Einstufung des Klägers vom 1. Januar 1963 bis zur Ausreise am 1. Dezember 1993 in die Qualifikationsgruppe 4 an. Der Kläger nahm das Teilanerkenntnis in der mündlichen Verhandlung am 20. September 2011 an. Im Übrigen trat die Beklagte der Klage entgegen. Soweit im Arbeitsbuch für ein Jahr mehr als 312 Arbeitstage bescheinigt seien, sei davon auszugehen, dass die Sonntage berücksichtigt worden seien. Dann habe keine Hochrechnung zu erfolgen. Das Arbeitsbuch Nr. 150 des Klägers vom 11. November 1965 bescheinige für 1964 und 1965 mehr als 312 Arbeitstage, so dass davon auszugehen sei, dass die Sonntage bereits berücksichtigt seien. Die Beitragszeiten nach dem FRG seien nach den gesetzlichen Bestimmungen und der für den Kläger günstigeren Bewertung anerkannt worden. So sei berücksichtigt worden, dass bei Jahren mit bis zu 300 Arbeitstagen eine Bewertung von glaubhaft gemachten Beitragszeiten für das gesamte Jahr für den Kläger günstiger sei als eine Bewertung des entsprechenden Teiljahres als nachgewiesene Zeit.

Mit Urteil vom 20. September 2011 änderte das SG den Bescheid vom 26. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2010 (muss richtig heißen: 1. Februar 2010) ab und verurteilte die Beklagte, unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 27. August 2003 die Jahre 1975, 1980 und 1988 als volle Jahre ohne Anrechnung (gemeint wohl Kürzung) gemäß § 22 Abs. 3 FRG als nachgewiesene Beitragszeiten anzuerkennen. Die Voraussetzungen für eine teilweise Rücknahme nach § 44 SGB X seien erfüllt, denn die in Rede stehenden Zeiten müssten als nachgewiesene Beitragszeiten in die Rentenberechnung einfließen. Da der Kläger anerkannter Spätaussiedler im Sinne von § 4 BVFG sei, erfolge die rentenrechtliche Bewertung dieses Zeitraumes nach dem FRG. Das mit Gesetz vom 15. Juli 1964 über Renten und Unterstützungen für Kolchosmitglieder (VVS.VS.S.S.S.R. Nr. 29 vom 18. Juli 1964 Pos. 340) eingeführte Sicherungssystem sei eine gesetzliche Rentenversicherung im Sinne dieser Vorschrift (BSG, Urteile vom 30. Oktober 1997 - 13 RJ 19/97 und vom 31. März 1993 13 RJ 17/92 -; jeweils in juris). Für die von der Beklagten zutreffend als Beitragszeiten anerkannten Mitgliedszeiten in der Kolchose seien aber - entgegen der Ansicht der Beklagten - Entgeltpunkte ungekürzt zugrunde zu legen. Der Nachweis erfordere den vollen Beweis. Nachgewiesen seien Beschäftigungs- oder Beitragszeiten nur dann, wenn das Gericht im Einzelfall von einer höheren Beitrags- oder Beschäftigungsdichte überzeugt sei (BSG, Urteil vom 20. August 1974 - 4 RJ 241/73-; in juris). Hinsichtlich der Frage, ob für die Jahre 1975, 1980 und 1988 eine Hochrechnung vorzunehmen sei, folge es (das SG) nicht der Auffassung der Beklagten, eine Hochrechnung für ein Kalenderjahr mit weniger als 300 bescheinigten Arbeitstagen habe zu unterbleiben, wenn in derselben Arbeitsbescheinigung für ein anderes Kalenderjahr mehr als 312 Arbeitstage bescheinigt seien. Die in den Arbeitsbüchern von Kolchosmitgliedern in Spalte 6 eingetragenen Sollarbeitstage pro Jahr seien - ausgehend von einem siebenstündigen Arbeitstag bei einer Sechstagewoche bzw. (seit 1968) einem achtstündigen Arbeitstag bei einer Fünftagewoche - nach Abzug der Sonn- und Feiertage sowie einer gewissen Anzahl von Urlaubs- und sonstigen Abwesenheitstagen als je nach Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand unterschiedliche Anforderung an die zu leistende Arbeitszeit festgesetzt worden. Da es in den Kolchosen keinen normierten Arbeitstag gegeben habe, sondern die tägliche Arbeitszeit je nach Saison zwischen vier und elf Stunden geschwankt habe, sei die tatsächlich geleistete Arbeitszeit auf einen sieben- bis achtstündigen Arbeitstag umgerechnet worden. Daher sei es vorgekommen, dass in einem kalendarischen Zeitraum mehr Arbeitstage als Kalendertage angefallen seien oder umgekehrt (Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 30. Januar 2006 - S 22 RA 35/03 -; in juris). Auf die Hochrechnung komme es jedoch nicht an, weil bereits die Mitgliedschaft des Klägers in der Kolchose seit 1955 zu einer lückenlosen Beitragsentrichtung auch für die Jahre 1975, 1980 und 1988 geführt habe, so dass eine Kürzung der Entgeltpunkte gemäß § 22 Abs. 3 FRG nicht vorzunehmen sei, weil von einer nachgewiesenen Beitragszeit auszugehen sei. Aus einem Gutachten des Institutes für Ostrecht vom 26. Januar 2006 ergebe sich, dass rückwirkend für das Jahr 1964 eine Beitragspflicht für Kolchosen zum Zentralfond für die Sozialversicherung der Kolchosen eingeführt worden sei. Ab 1. Januar 1965 seien die Kolchosmitglieder in das System der gesetzlichen Rentenversicherung einbezogen worden. Der Kolchos habe die Beiträge jährlich nachträglich in der vom Ministerrat der UdSSR als Anteil des Bruttoertrags der Kolchosen festgesetzten Höhe abgeführt. Für jedes Mitglied der Kolchose seien während der Dauer der Mitgliedschaft Beiträge abgeführt worden, unabhängig von der Anzahl der geleisteten Arbeitstage.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 29. September 2011 zugestellte Urteil am 13. Oktober 2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, das Urteil des SG entspreche nicht den jüngsten Entscheidungen des BSG (Urteile vom 12. Februar 2009 - B 5 R 39/06 R und B 5 R 40/08 R -; vom 19. November 2009 - B 13 R 67/08 R und B 13 R 145/08 R -; alle in juris). Danach sei eine ausländische Beitragszeit nur gleichgestellt, wenn ihr eine Erwerbstätigkeit zugrunde liege. Eine ungekürzte Anrechnung sei bei Kolchosmitgliedern nur gerechtfertigt, wenn im jeweiligen Jahr eine über den 5/6-Umfang hinausgehende tatsächliche Arbeitsleistung nachgewiesen sei, also bei mehr als 300 bescheinigten Arbeitstagen. Eine generelle 6/6-Anrechnung unabhängig von der Arbeitsleistung aufgrund der Mitgliedschaft zum Kolchos sei mit der Struktur des innerstaatlichen Rechts schlechthin unvereinbar. Das dem FRG zugrunde liegende Eingliederungsprinzip finde seine Grenze, wenn die Anrechnung von Zeiten nach dem FRG zu einer Besserstellung im Vergleich zu Versicherten im Bundesgebiet führen würde. Dies wäre eindeutig der Fall, wenn nachgewiesene Arbeitsleistungen von 300 Tagen und weniger zu einer ganzjährig nachgewiesenen Beitragszeit führten. Die Prüfung nach § 22 Abs. 3 FRG beziehe sich nur auf die gemäß § 15 FRG gleichgestellten Beitragszeiten. Die in § 15 FRG ebenfalls erwähnten ausländischen Beitragszeiten seien hierzu ungeeignet. Eine ausländische Beitragsleistung könne zu einem System im Sinne des § 15 Abs. 2 FRG erfolgt sein und dennoch von der Gleichstellung ausgeschlossen sein (vgl. § 15 Abs. 3 Satz 3 Buchstabe c) FRG). Eine uneingeschränkte Gleichstellung der ausländischen Beitragszeiten sei im Rahmen des Eingliederungsprinzips nur möglich, wenn eine mehr als geringfügige durchgehende ununterbrochene Arbeitsleistung ohne Arbeitsunterbrechungen/Fehlzeiten festgestellt werden könne. Alles andere würde zu einer Besserstellung von FRG-Berechtigten im Verhältnis zum deutschen Recht führen. Nach deutschem Recht würden in der Zeit des z.B. witterungsbedingten Nichtausübens der Beschäftigung keine Beitragszeiten zurückgelegt. Es bestehe daher kein sachlicher Grund, dem Mitglied einer Kolchose trotz Verrichtung der Arbeitsleistung unter dem 5/6-Umfang von 300 Arbeitstagen ungekürzte Beitragszeiten nach § 15 FRG allein aufgrund der ganzjährigen Entrichtung von Pauschalbeiträgen durch die Kolchose anzuerkennen. Daher sei eine Berücksichtigung der Jahre 1975, 1980, 1988 als nachgewiesen nicht möglich.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2011 hat die Beklagte in Ausführung des Anerkenntnisses die Rente ab 1. Dezember 2011 mit einem (damaligen) monatlichen Zahlbetrag von EUR 868,97 neu festgesetzt und für die Zeit vom 1. November 2003 bis 30. November 2011 eine Nachzahlung von EUR 10.204,36 gewährt. Die persönlichen Entgeltpunkte sind in Höhe von 35,2070 berücksichtigt, darunter 7,4292 zusätzliche Entgeltpunkte als Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt. Soweit sie im Bescheid vom 26. März 2009 den Bescheid vom 27. August 2003 genannt habe, habe sie den Bescheid vom 16. Februar 2005 gemeint.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. September 2011 aufzuheben und die Klage, soweit sie die ungekürzte Berücksichtigung von Beitragszeiten in den Jahren 1975, 1980 und 1988 betrifft, abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sowohl das (beigefügte) Ergebnis der Arbeitsgruppe des Fachausschusses für Versicherung und Rente (AGFAVR) am 26. Mai 1998 zu TOP 16 als auch die Arbeitsanweisung der Beklagten zu § 22 FRG, Randziffer 6.2, ergäben eindeutig, dass für jedes Jahr gesondert zu prüfen sei, ob im Kolchosarbeitsbuch mehr als 300 Arbeitstage eingetragen seien; dann erfolge die 6/6-Anerkennung ohne Hochrechnung, oder ein zur Hochrechnung berechtigender Jahreswert von 258 bis 300 vorliege, der dann mit 7 zu multiplizieren, durch 6 zu dividieren und anschließend ebenfalls als nachgewiesene Beitragszeit anzuerkennen sei. Andere Rentenversicherungsträger würden diesem Beschluss der Facharbeitsgruppe seit Jahren folgen. Bei der Beklagten werde - je nach zuständigem Sachbearbeiter - unterschiedlich entschieden. Bei mehr als 257 Arbeitstagen im Jahr liege ohnehin eine Vollzeitbeschäftigung vor. In den hier streitigen Jahren 1975, 1980 und 1988 sei er kränklich gewesen und habe deswegen weniger als 300 Arbeitstage gehabt. Das BSG habe eindeutig entschieden, dass bei einer Vollzeitbeschäftigung stets nachgewiesene Beitragszeiten in vollem Umfang ohne Reduzierung der Tabellenentgelte auf eine Teilzeitbeschäftigung anzuerkennen seien (BSG, Urteile vom 9. September 2005 - B 13 RJ 44/04 R -; vom 21. August 2008 - B 13/4 R 25/07 R -; vom 12. Februar 2009 - B 5 R 39/06 und B 5 R 40/08 R -; vom 19. November 2009 - B 13 R 67/08 R und B 13 R 145/08 -; alle in juris). Auch das LSG habe mit Urteilen vom 22. Juni 2010 - L 13 R 5984/08 -; 27. Juli 2011 - L 2 R 3076/09 - (beide in juris); vom 3. August 2011 - L 5 R 1185/10 und L 5 R 3204/09 -; 23. November 2011 - L 5 R 2622/09 -; vom 14. Dezember 2011 - L 5 R 2587/10 - (alle nicht veröffentlicht) so entschieden. Alle diese zu sog. Rumäniendeutschen ergangenen Urteilen seien auf Deutsche aus Russland zu übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft nach § 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn im Streit sind Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr.

1. Gegenstand des Rechtsstreits im Berufungsverfahren ist der Bescheid vom 14. Oktober 2009, mit dem die Beklagte dem Widerspruch des Klägers gegen die Ablehnung des Überprüfungsantrages (ablehnender Bescheid vom 26. März 2009; Antrag vom 28. Dezember 2007) abgeholfen und die Rente neu festgesetzt hat, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2010, mit dem der Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen wurde, in der Fassung des Bescheides vom 18. Oktober 2011, mit dem die Beklagte das Anerkenntnis aus dem erstinstanzlichen Verfahren hinsichtlich der Einordnung des Klägers in Qualifikationsgruppe 4 ab 1. Januar 1963 umgesetzt hat. Die Überprüfung betrifft den letzten bindenden Rentenbescheid vom 16. Februar 2005, mit dem der ursprüngliche Rentenbescheid vom 27. August 2003 ausdrücklich zurückgenommen wurde. Dies hat die Beklagte im Berufungsverfahren klargestellt. Bei der Bezeichnung des Bescheids vom 27. August 2003 handelt es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit.

2. Die Überprüfung betrifft nicht den ursprünglichen Rentenbescheid vom 27. August 2003, weil die Beklagte ihn mit Bescheid vom 16. Februar 2005 ausdrücklich zurückgenommen hat. Ebenfalls betrifft die Überprüfung nicht den Bescheid vom 26. Januar 2005 (Ablehnung des Überprüfungsantrages vom 28. Dezember 2004). Dieser ist durch die mit Bescheid vom 16. Februar 2005 erfolgte Neufestsetzung erledigt. Der Bescheid vom 26. März 2009, mit dem die Beklagte den Überprüfungsantrag vom 28. Dezember 2007 zunächst abgelehnt hat, ist durch die auf den Überprüfungsantrag vom 28. Dezember 2007 erfolgte Neufeststellung mit Bescheid vom 14. Oktober 2009 erledigt. Die Überprüfung betrifft schließlich nicht die Rentenauskunft vom 14. März 1997, da diese mit dem Vormerkungsbescheid vom 25. November 2002 ausdrücklich zurückgenommen wurde, und den Vormerkungsbescheid vom 25. November 2002, da dieser mit dem ersten Rentenbescheid vom 27. August 2003 aufgehoben wurde. Ob durch die Rücknahme des ersten Rentenbescheid vom 27. August 2003 der Vormerkungsbescheid vom 25. November 2002 wieder wirksam geworden ist, kann dahingestellt bleiben. Denn nach der Rechtsprechung des BSG ist das Begehren auf eine höhere Rente nach Eintritt eines Rentenleistungsfalls auch dann, wenn in Bezug auf die streitbefangenen Zeiten bereits ein bindend gewordener (ablehnender) Vormerkungsbescheid erlassen wurde, nicht im Wege eines gesonderten Verfahrens zur Korrektur des Vormerkungsbescheids, sondern vielmehr allein im Rahmen des Rentenverfahrens zu verfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 13 R 118/08 R - ; vgl. auch schon Urteil vom 14. Mai 2003 - B 4 RA 26/02 R -; beide in juris; Urteil des Senats vom 19. Oktober 2012 - L 4 R 905/11 -; nicht veröffentlicht).

II. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat den Bescheid, mit dem die Beklagte die Überprüfung des Rentenbescheides vom "27. August 2003", richtig Rentenbescheid vom 16. Februar 2005, hinsichtlich der ungekürzten Anrechnung der Beitragszeiten für die Jahre 1975, 1980 und 1988 abgelehnt hat, zu Unrecht abgeändert und die Beklagte verurteilt, unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom "27. August 2003", richtig Bescheid vom 16. Februar 2005, diese Jahre als nachgewiesene Beitragszeiten ungekürzt anzurechnen. Der Kläger hat hierauf materiell-rechtlich keinen Anspruch. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Oktober 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2010 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 18. Oktober 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Recht die Beitragszeiten für 1975, 1980 und 1988 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten zu fünf Sechsteln berücksichtigt und nicht ungekürzt als nachgewiesene Beitragszeiten. Es bestand daher kein Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 16. Februar 2005 insoweit.

1. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist verfahrensrechtlich § 44 SGB X. Der Kläger greift (auch) die Höhe der zuletzt mit Bescheid vom 16. Februar 2005 bestandskräftig festgestellten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres an. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Diese Voraussetzungen wären erfüllt, wenn die streitigen Beitragszeiten als nachgewiesene ungekürzt berücksichtigt werden müssten.

2. Bei Erlass des Rentenbescheides vom 16. Februar 2005 ist das Recht richtig angewandt worden. Die Höhe der Rente richtet sich nach § 63 Abs. 1 SGB VI vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Zu den zu berücksichtigenden Zeiten gehören die Beitragszeiten. Da der Kläger die streitige Zeit nicht im Bundesgebiet zurückgelegt hat, kommt eine Berücksichtigung als Beitragszeiten nur nach dem FRG in Betracht. Der Kläger ist als Spätaussiedler im Sinne des BVFG anerkannt. Damit findet gemäß § 1 Abs. 1 FRG das FRG Anwendung.

Bei der Prüfung der materiellen Voraussetzungen des § 44 SGB X ist auf die Vorschriften des FRG abzustellen, wie sie im Zeitpunkt des Beginns der Rente am 1. November 2003 galten (vgl. § 300 Abs. 3 SGB VI in der seit 1. Januar 2001 geltenden Fassung; BSG, Urteil vom 12. Februar 2009 - B 5 R 39/06 R -; in juris).

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG stehen bei Personen, die wie der Kläger dem FRG unterfallen, Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Für solche Zeiten werden Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz, Satz 2 und Satz 9 SGB VI ermittelt (§ 22 Abs. 1 Satz 1 FRG).

Die Beklagte hat in den angegriffenen Bescheiden für die Jahre 1975, 1980 und 1988 die Pflichtbeitragszeiten zutreffend als bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt angesehen. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger als Kolchosmitglied jedenfalls ab dem 1. Januar 1965 dem seit diesem Zeitpunkt eingeführten Gesetz vom 15. Juli 1964 über Renten und Unterstützungen für Kolchosmitglieder (VVS.S.S.S.R Nr. 29 vom 18. Juli 1964 Pos 340) unterlag und damit die in den Jahren 1975, 1980 und 1988 entrichteten Beiträge solche einer gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 15 Abs. 1 FRG waren. Das BSG hat bezüglich in sowjetischen Kolchosen zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten mehrfach dargelegt, dass Kolchosmitglieder in der Sowjetunion ab 1. Januar 1965 durch das genannte Gesetz in ein System der gesetzlichen Rentenversicherung einbezogen waren, die von diesem Zeitpunkt an zurückgelegten Zeiten mithin Beitragszeiten i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG sein konnten, wenn Beiträge entrichtet wurden. Bei dem Rentenversicherungssystem für Kolchosmitglieder handelte es sich um ein System, das den Anforderungen von § 15 Abs. 2 FRG entspricht. Die Mitglieder waren durch öffentlich-rechtlichen Zwang einbezogen und gegen die in § 15 Abs. 2 FRG genannten Risiken versichert (Art. 1). Die Mittel zu dem Zentralfond zur Sicherung der Kolchosmitglieder, der auf der Grundlage des Gesetzes vom 15. Juli 1964 über Renten und Unterstützungen für Kolchosmitglieder gebildet wurde, wurden aus den Einkünften der Kolchosen und durch Staatszuschüsse aufgebracht (Art. 4). Die "Beitragszahlung" des Kolchos erfolgte in der Weise, dass der Kolchos einen bestimmten Prozentsatz seines jährlichen Bruttoertrages an den Zentralfond abführte (BSG, Urteile vom 31. März 1993 - 13 RJ 17/92-; vom 30. Oktober 1997 - 13 RJ 19/97 -; vom 21. August 2008 - B 13/4 R 25/07 R-; alle in juris). Die für die Kolchosmitglieder abgeführten Beträge sind auch als Beiträge i.S. des FRG anzusehen. Es ist nicht entscheidend, dass die Beitragszahlung weder von der Anzahl der Kolchosmitglieder noch von deren persönlichen Einkommen abhängig war und die Kolchosmitglieder auch selbst keine Beiträge zu zahlen hatten. Es genügt, wenn die Beiträge vom Betrieb aus dem Lohnfond entrichtet werden (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1981 - 1 RA 7/80 -; in juris).

Somit ist aufgrund der Mitgliedschaft des Klägers im Kolchos auch davon auszugehen, dass für ihn Beiträge in den Jahren 1975, 1980 und 1988 entrichtet wurden. Das ergibt sich auch daraus, dass das sowjetische Rentensystem die Gewährung einer Rente nicht an die monatliche oder tägliche Zahlung von Beiträgen bindet, sondern nur auf das Bestehen eines Arbeits- bzw. Mitgliedschaftsverhältnisses abstellt. Nach Art. 6 des Gesetzes vom 15. Juli 1964 haben Kolchosmitglieder das Recht auf eine Altersrente, wenn sie neben der Erreichung des 65. Lebensjahres bei Männern und des 60. Lebensjahres bei Frauen eine Arbeitszeitdauer von 25 (Männer) bzw. 20 Jahren (Frauen) zurückgelegt haben. Die Arbeitszeitdauer richtete sich nach der jährlichen Arbeit unabhängig vom Charakter und Dauer der Arbeit und der Dauer der Unterbrechung (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 1993 - 13 RJ 17/92 -; m.w.N.; in juris). Das Mitgliedschaftsverhältnis des Klägers zum Kolchos bestand nach dem vorgelegten Arbeitsbuch im streitigen Zeitraum während des gesamten Jahres. Damit ergab sich aus dem Mitgliedschaftsverhältnis die Pflicht, Arbeit für den Kolchos zu leisten, unabhängig davon, ob aufgrund der landwirtschaftlichen Besonderheiten, z.B. im Winter, hierfür ein Bedarf bestand. Der Kläger unterlag ganzjährig dem Weisungsrecht der Kolchosverwaltung und musste jederzeit bereit sein, Arbeit zu leisten. Die Besonderheit des Mitgliedschaftsverhältnisses gegenüber einem Arbeitsverhältnis bestand nämlich darin, dass die Mitglieder im Kolchos arbeiten mussten, zugleich in einem anderen, sei es staatlichen oder gesellschaftlichen Betrieb nicht beschäftigt werden durften (vgl. BSG, a.a.O.).

Unerheblich ist damit, ob der Kläger gleichzeitig eine Beschäftigung ausgeübt hat, denn die Zeit einer Beschäftigung in den Vertreibungsgebieten ist lediglich nach § 16 FRG zu berücksichtigen, und nur dann, wenn sie nicht mit einer Beitragszeit zusammenfällt (§ 16 Abs. 1 Satz 1 FRG). § 15 FRG hat somit Vorrang (vgl. BSG, Urteil vom 21. August 2008 - B 13/4 R 25/07 R-; in juris). Dieser fordert für die Berücksichtigung einer Beitragszeit nicht die Ausübung einer Beschäftigung oder Tätigkeit. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 15 Abs. 1 Satz 2 FRG. Danach steht, wenn die Beiträge auf Grund einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbstständigen Tätigkeit entrichtet sind, die ihnen zugrunde liegende Beschäftigung oder Tätigkeit einer rentenversicherungsrechtlichen Beschäftigung oder Tätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich. § 15 Abs. 1 Satz 2 FRG regelt nur die Gleichstellung mit einer nach deutschem Recht zum Teil erforderlichen rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit (BSG, a.a.O: m.w.N).

Allerdings kommt nur eine Anerkennung als glaubhaft gemacht in Betracht (vgl. auch LSG, Urteil vom 29. September 2009 - L 11 R 5408/06 - nicht veröffentlicht). Nach § 4 Abs. 1 und 2 FRG genügt es für die Feststellung der nach diesem Gesetz erheblichen Tatsachen, wenn diese Tatsachen glaubhaft gemacht sind. Gemäß § 22 Abs. 3 FRG werden für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen sind, die ermittelten Entgeltpunkte um ein Sechstel gekürzt. Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Dies gilt auch für außerhalb der Bundesrepublik Deutschland eingetretene Tatsachen, die nach den allgemeinen Vorschriften erheblich sind. Demgegenüber sind nachgewiesen nur solche Tatsachen, von deren Vorliegen das Gericht überzeugt ist. Dies ist dann der Fall, wenn das Vorliegen der Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. Ernsthafte Zweifel dürfen nicht bestehen. Die Regelung des § 22 Abs. 3 FRG berücksichtigt, dass bei fehlendem Nachweis von Beitragszeiten in diese Zeiten auch Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit oder einer sonstigen Arbeitsunterbrechung fallen können, für die der Arbeitgeber keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichten musste. Die Regelung geht von der Erfahrung aus, dass Beschäftigungszeiten im Allgemeinen nur zu fünf Sechsteln mit Beiträgen belegt sind. Nachgewiesen können Beschäftigungs- und Beitragszeiten daher sein, wenn das Gericht zur Überzeugung gelangt, dass im Einzelfall eine höhere Beitrags- oder Beschäftigungsdichte erreicht worden ist. Diese Feststellung lässt sich dann treffen, wenn konkrete und glaubwürdige Angaben über den Umfang der Beschäftigungszeiten und die dazwischenliegenden Arbeitsunterbrechungen vorliegen und letztere nicht ein Sechstel erreichen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. etwa Urteil vom 9. November 1982 - 11 RA 64/81 -; in juris; so auch die Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 8. Oktober 2010 - L 4 R 1951/09 -; nicht veröffentlicht). Nachgewiesen im Sinne von § 22 Abs. 3 FRG sind Beitragszeiten nach § 15 FRG z.B. dann nicht, wenn in die streitigen Zeiten auch Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit oder einer sonstigen Arbeitsunterbrechung fallen, für die der Arbeitgeber anders als bei den Beschäftigungszeiten keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichten musste. Eine volle Anrechnung ohne Kürzung um ein Sechstel setzt demgemäß voraus, dass in die betreffenden Zeiten nachweisbar keine Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit oder sonstigen Arbeitsunterbrechung ohne Beitragsentrichtung fielen oder diese nicht ein Sechstel der Zeiten erreichten. Wurden Beiträge für den gesamten streitigen Zeitraum entrichtet, ist es unerheblich, ob sich aus den vorgelegten Bescheinigungen glaubwürdige Angaben über tatsächliche Beschäftigungszeiten und davon zu trennende Zeiten der Arbeitsunterbrechung durch Arbeitsunfähigkeit oder aus sonstigen Gründen ergeben (BSG, Urteil vom 21. August 2008 - B 13/4 R 25/07 R -; in juris).

Dementsprechend hat die Beklagte alle Jahre, in denen im Arbeitsbuch des Klägers mehr als 300 Arbeitstage bescheinigt waren, als nachgewiesene Beitragszeiten berücksichtigt, die hier noch streitgegenständlichen Jahre 1975, 1980 und 1988, für die weniger als 300 Arbeitstage bescheinigt sind, lediglich als glaubhaft gemacht um ein Sechstel gekürzt. Die vom Kläger begehrte Hochrechnung der Zeiten mit 257 bis 300 bescheinigten Arbeitstagen mit dem Ziel, aufgrund des durch diese Hochrechnung gewonnenen Ergebnisses von mehr als 300 Arbeitstagen zu nachgewiesenen Beitragszeiten zu kommen, entspricht hingegen nicht der Rechtsprechung des BSG. Da das Arbeitsbuch des Klägers für viele Jahre mehr als 300 Arbeitstage bescheinigt, ist davon auszugehen, dass die Sonntage in den bescheinigten Arbeitstagen bereits berücksichtigt sind. Dass eine andere Handhabung in der Kolchose gerade im Hinblick auf die Jahre 1975, 1980 und 1988 stattgefunden haben soll, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Dann führt eine Hochrechnung aber zur Nivellierung der in den unterschiedlichen Arbeitstagen pro Jahr zum Ausdruck kommenden unterschiedlichen Arbeitsleistung bzw. der vorliegenden Ausfallzeiten in Jahren mit weniger als 300 Arbeitstagen. Das erscheint nicht sachgerecht. Der Kläger hat selbst eingeräumt, dass in den Jahren 1975, 1980 und 1988 Ausfallzeiten infolge von Arbeitsunfähigkeit bestanden, indem er im Berufungsverfahren vorgetragen hat, in diesen Jahren "kränklich" gewesen zu sein. Vorliegend hat der Kläger ausweislich seines Arbeitsbuches in den Jahren 1975, 1980 und 1980 weniger als 300 Arbeitstage zurückgelegt. Diese Beitragszeiten können daher nur als glaubhaft gemacht anerkannt werden (so im Ergebnis auch LSG, Urteil vom 29. September 2009 - L 11 R 5408/06 -; nicht veröffentlicht).

Der Annahme einer Teilzeitbeschäftigung nach § 26 Abs. 3 FRG stehen die oben ausgeführten Besonderheiten der Mitgliedschaft in einer Kolchose entgegen. Das BSG hat im Urteil vom 21. August 2008 (B 13/4 R 25/07 R; in juris) ausdrücklich seine Rechtsprechung im Urteil vom 30. Oktober 1997 (13 RJ 19/97; in juris) bestätigt, dass die ganzjährige Beschäftigungs- bzw. Beitragszeit lediglich als glaubhaft gemacht anzusehen ist. Bei Kolchosmitgliedern bleibt kein Raum für eine anteilige Bewertung nach § 26 Satz 1 FRG (Anrechnung nur eines Teils des Kalenderjahres) oder Satz 3 dieser Vorschrift (Teilzeitbeschäftigung). Die Zeiten sind vielmehr regelmäßig als glaubhaft gemachte Zeiten mit Fünf-Sechstel-Bewertung anzurechnen, weil eine Unterbrechung der Lohnzahlung aus anderen Gründen möglich gewesen ist. Nur während der gesetzlichen Mutterschutzfristen oder bei ausdrücklicher Freistellung (z.B. für eine schulische Ausbildung) sind Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nicht anzuerkennen; ebenso bei einer ausdrücklich geltend gemachten Saisonarbeit. Im Einzelfall ist eine ungekürzte Anrechnung der Zeiten nur dann nicht ausgeschlossen, wenn im jeweiligen Jahr eine über den Fünf-Sechstel-Umfang hinausgehende Arbeitsleistung nachweisbar ist, z.B., wenn im Arbeitsbuch mehr als 300 Arbeitstage bescheinigt sind (BSG a.a.O.).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei wurde das Teilanerkenntnis im erstinstanzlichen Verfahren berücksichtigt.

IV. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved