L 1 KR 506/12 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 211 KR 1940/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 506/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eingang der Erledigungserkärung nach Absendung und vor Zustellung des Beschlusses im Verfahren des einstweiligen Rechsschutzes;
Eintritt der Gegestandslosigkeit des Beschlusses nach §§ 202 SGG i.V.m. 869 Abs. 3 S. 1 ZPO vor Zustellung.
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unstatthaft verworfen, dass festgestellt wird, dass der Beschluss des Sozialgerichts vom Berlin vom 26. November 2012 gegenstandslos ist. Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hat – anwaltlich vertreten – mit dem am 31. Oktober 2012 beim Sozialgericht Berlin eingegangenen Antrags begehrt, im Wege der einstweiligen Anordnung die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 17. September 2012 festzustellen, mit der der Krankengeldanspruch bis zum 26. September 2012 begrenzt wurde. Zudem wurde die Feststellung eines fortbestehenden Anspruchs auf Krankengeld, hilfsweise die Zahlung von Krankengeld beantragt.

Bereits am 30. Oktober 2012 hatte die Antragsgegnerin schriftlich und telefonisch die Anragstellerin telefonisch darüber informiert, dass dem Widerspruch abgeholfen werde.

Nachdem die Antragsgegnerin dies mit Schriftsatz vom 6. November 2012 im Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin vorgetragen hatte, hat das Sozialgericht eine Frist bis zum 13. November 2012 zur Erklärung einer etwaigen Rücknahme des Antrags gesetzt (Fax vom 7. November 2012). Mit Schreiben vom 14. November 2012 und 19. November 2012 hat das Sozialgericht an die Erledigung des Schreibens vom 7. November 2012 bzw. die Stellungnahme zum Schriftsatz vom 6. November 2012 erinnert.

Mit Beschluss vom 26. November 2012 hat es den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und entschieden, dass Kosten nicht zu erstatten seien. Dieser Beschluss wurde am 26. November 2012 an die Beteiligten abgesandt.

Mit am 28. November 2012 eingegangenem Faxschreiben hat die Antragstellerin erklärt, das Anerkenntnis der Beklagten anzunehmen und beantragt, die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen.

Der Beschluss vom 26. November 2012 wurde der Antragstellerin am 29. November 2012 und der Antragsgegnerin am 30. November 2012 jeweils gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.

Mit ihrer am 12. Dezember 2012 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangenen Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen diesen Beschluss. Sie führt unter anderem aus, nach der Annahme des Anerkenntnisses hätte nur noch über die Kosten entschieden werden dürfen.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. November 2012 aufzuheben, hilfsweise den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. November 2012 im Hinblick auf die Kostenentscheidung abzuändern und dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für rechtsfehlerfrei.

Mit Schreiben des Berichterstatters vom 21. Januar 2013 hat der Senat darauf hingewiesen, dass vorliegend in Betracht kommt den Beschluss des Sozialgerichts als gegenstandslos anzusehen und allenfalls eine deklaratorische Aufhebung oder Feststellung der Gegenstandslosigkeit in Betracht käme.

Die Antragstellerin hat hierzu mit Schriftsatz vom 29. Januar 2013 dahingehend Stellung genommen, dass der Beschluss deklaratorisch aufgehoben werden möge.

Die Gerichtsakte, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat vorgelegen und ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

II.

Die Beschwerde ist nicht statthaft.

Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. November 2012 hat zu keinem Zeitpunkt Wirkungen entfaltet. Es handelte sich hierbei bereits zum Zeitpunkt der Zustellung um einen reinen Scheinbeschluss, weil sich das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Eingang des Schriftsatzes der Antragsgegnerin vom 27. November 2012 am 28. November 2012 erledigt hat.

Entgegen der ausdrücklichen Formulierung stellt der Schriftsatz vom 27. November 2012 nicht die Annahme eines Anerkenntnisses dar, weil das Schreiben der Antragsgegnerin vom 6. November 2012 den prozessualen Anforderungen an ein Anerkenntnis im Sinne des § 101 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht genügt. Die Antragsgegnerin hat gerade nicht einen bestimmten prozessrechtlichen Anspruch anerkannt, der zur Schaffung eines Titels (§ 199 Abs. 1 Nr. 3 SGG) geeignet wäre. Sie hat vielmehr eine bereits erfolgte außergerichtliche Abhilfe mitgeteilt. Dem Schriftsatz vom 27. November 2012 ist jedoch auch unter Berücksichtigung des beigefügten Schreibens hinsichtlich der Kosten des Widerspruchsverfahrens an die Antragsgegnerin unmissverständlich zu entnehmen ist, dass das Verfahren in der Sache beendet sein soll und nur noch über die Kostenerstattungspflicht gestritten werden soll. Es stellt daher zumindest eine Erledigungserklärung dar. Der Senat lässt in diesem Zusammenhang offen, ob diese der Auslegung als Antragsrücknahme bedarf oder unter Berücksichtigung der weitgehenden einseitigen Dispositionsbefugnis des Klägers im sozialgerichtlichen Verfahren die einseitige Erledigungserklärung (jedenfalls in Verfahren nach § 183 SGG) zur Prozessbeendigung führt. Wie die Antragstellerin im Rahmen der Beschwerde selbst geltend macht, hätte jedenfalls wegen Beendigung der Rechtshängigkeit eine Entscheidung des Gerichts nach Eingang des Schriftsatzes vom 27. November 2012 nicht mehr ergehen dürfen.

Der Wegfall der Rechtshängigkeit nach Unterzeichnung und Absendung aber vor Zustellung des Beschlusses vom 26. November 2012 führt dazu, dass dieser zu keinem Zeitpunkt Rechtswirkungen entfaltet hat. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob die Bekanntgabe der Entscheidung nach Erledigung des Rechtsstreits zur Nichtigkeit dieser Entscheidung geführt hat (so aber Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, 2012 Rn. 5b zu § 125 unter Berufung auf OVG Thüringen DVBl. 2001, 939; ebenso wohl LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Dezember 2011 – Az.: L 34 AS 1892/11 B). Jedenfalls ist der Beschluss vorliegend durch den Eingang des erledigenden Schriftsatzes noch vor Zustellung wirkungslos geworden. Nach § 202 SGG i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 2. Hs. Zivilprozessordnung (ZPO) werden ergangene Urteile durch die Erklärung einer Klagerücknahme wirkungslos. Die Regelung ist insoweit – wohl unstrittig – auch im sozialgerichtlichen Verfahren anzuwenden (statt vieler Roller in Lüdtke, SGG, 4. Auflage, 2012 Rn. 9 zu § 102 SGG). Eine ergangene Entscheidung im Sinne des § 269 Abs. 3 Satz 1 2. Hs. ZPO liegt nach Auffassung des Senats auch dann vor, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten noch nicht erfolgt ist, die Entscheidung im schriftlichen Verfahren aber bereits vor Zustellung wirksam im Sinne einer Verlautbarung durch das Gericht geworden ist. Dies ist bereits dann der Fall, wenn eine Änderung der abgesetzten Entscheidung durch das Gericht faktisch nicht mehr möglich ist, weil diese aus dem inneren Geschäftsbetrieb des Gerichts herausgetreten ist (vgl. Keller aaO. Rn. 4b zu § 125 SGG). Maßgeblich hierfür ist, dass die Entscheidung auch nach Eingang des neuen Schriftsatzes nicht mehr angehalten werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Oktober 1967 – Az.: III ZB 24/67). Vorliegend wurde der Beschluss vom 26. November 2012 ausweislich der Verfügung der Geschäftsstelle des Sozialgerichts noch am 26. November 2012 abgesandt. Der Senat hat daher keine Zweifel, dass der Beschluss bei Eingang des Schriftsatzes vom 27. November 2012 am 28. November 2012 (laut Faxzeile um 17:10 Uhr) bereits der Post übergeben war. Der Beschluss, dessen sich das Sozialgericht bereits entäußert hatte, konnte aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Erledigung des Verfahrens in der Sache mit Zustellung (§ 133 Satz 1, 2 SGG) keine Wirkungen entfalten.

Bei Fehlen eines erstinstanzlichen Beschlusses war die Beschwerde als unstatthaft zu verwerfen. Dem Rechtsschein der Existenz eines Beschlusses vom 26. November 2012 hat der Senat durch die Feststellung der Gegenstandslosigkeit entsprechend § 202 SGG i.V.m. § 269 Abs. 4 ZPO Rechnung getragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt maßgeblich, dass die Antragstellerin mit dem verfolgten Aufhebungsantrag und dem Hilfsantrag auf Änderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung keinen Erfolg gehabt hat. Der Senat hat bei der Ausübung des ihm zustehenden Ermessens ergänzend berücksichtigt, dass es der anwaltlich vertretenen Antragstellerin, der der zeitliche Ablauf bekannt war, möglich gewesen wäre, mit dem Sozialgericht – etwa durch die Antragstellung nach § 202 SGG i.V.m. § 269 Abs. 4 ZPO – zunächst zu klären, inwieweit dort nicht die Notwendigkeit einer neuen Kostenentscheidung geteilt wird. Schließlich hat der Senat in seine Ermessensabwägung eingestellt, dass es zu der prozessualen Situation, die zur Beschwerde geführt hat, maßgeblich durch die verzögerte Antwort der Antragstellerin auf die Anfragen des Sozialgerichts hinsichtlich einer Erledigungserklärung gekommen ist.

Über die Kosten der ersten Instanz wird das Sozialgericht nunmehr in einem Beschluss nach § 193 Abs. 1 SGG zu befinden haben.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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