Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 29 AS 714/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 314/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 39/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid vom 14.04.2005 in Gestalt des Bescheides vom 23.03.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2007 wird aufgehoben, soweit er den Zeitraum 15.02. – 17.03.2005 betrifft. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Beklagte hat dem Kläger vier Fünftel der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Kostenersatz nach § 34 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 2) für einen Leistungszeitraum im Jahre 2005.
Der 1973 geborene Kläger heiratete 1996 seine Ehefrau C. Am 10.03.2004 wurde das gemeinsame Kind Z geboren.
Am 15.07.2003 beging der Kläger eine Straftat (Vergewaltigung in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und vorsätzlicher Körperverletzung).
Am 23.08.2004 erließ das Amtsgericht Frankfurt am Main gegen den Kläger einen Haftbefehl. Am 18.10.2004 verurteilte ihn das Amtsgericht Frankfurt am Main zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Der Haftbefehl vom 23.08.2004 wurde aufgehoben und dem Kläger u.a. aufgegeben, Kontakt zur Geschädigten aufzunehmen. Gegen Urteil vom 18.10.2004 legte der Kläger Berufung ein. Am 28.12.2004 erließ das Amtsgericht Frankfurt am Main gegen den Kläger erneut einen Haftbefehl.
Am 17.01.2005 wurde daraufhin der Kläger festgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger bei der Firma XY beschäftigt. Der Kläger wurde aus der Untersuchungshaft am 18.03.2005 entlassen und kehrte zu seiner Familie zurück.
Die Ehefrau des Klägers, C, beantragte am 15.02.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB 2. Zur Antragsbegründung gab sie an, dass sich ihr Ehemann in Untersuchungshaft befinde und sein Arbeitsverhältnis zum 24.01.2005 gekündigt worden sei.
Durch Bescheid vom 09.03.2005 bewilligte der Beklagte der Ehefrau und dem Kind des Klägers laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit ab 15.02.2005 bis zunächst 31.03.2005. Durch Bescheid vom 14.04.2005 bewilligte der Beklagte weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab 01.04.2005.
Durch Bescheid vom 31. März 2005 verhängte die Agentur für Arbeit Q-Stadt gegen den Kläger eine Sperrzeit nach den §§ 144, 128 SGB 3 für die Zeit vom 26.01.2005 bis 19.04.2005, mit der Folge, dass die Agentur für Arbeit Arbeitslosengeld I mit Bescheid vom 01.04.2005 erst ab 20.04.2005 bewilligte.
Durch Bescheid vom 14.04.2005 forderte der Beklagte von dem Kläger Kostenersatz nach § 34 SGB 2 für die im Zeitraum 15.02.2005 bis 19.04.2005 geleisteten Hilfezahlungen in Höhe von insgesamt 2.595,45 EUR. Zur Begründung führte er aus, dass der Kläger seine Arbeitsstelle bei der Firma XY wegen unentschuldigten Fehlens verloren habe. Da er bereits zuvor eine Abmahnung erhalten hatte, hätte er voraussehen müssen, dass ihm aufgrund dieses Verhaltens gekündigt und er somit arbeitslos werde. Die Verhängung der Sperrzeit durch die Arbeitsagentur sei allein seinem Fehlverhalten zuzuschreiben, damit sei er zum Kostenersatz nach § 34 SGB 2 verpflichtet.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 27.04.2005 Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung seines Widerspruches verwies er auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.03.2003, Az.: 5 C 4/02. Aus diesem Urteil ergebe sich, dass nicht er oder eine auf ihn begründete Bedarfsgemeinschaft hilfebedürftig geworden sei, sondern dass eine ganz neue Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau als Arbeitsloser entstanden sei. Somit sei die Voraussetzung des § 34 SGB 2, dass der Kläger selbst oder die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen durch sein Verhalten hilfebedürftig geworden seien, nicht erfüllt.
Mit Schreiben vom 24.05.2005 teilte er dann weiter mit, dass er am 17.10.2005 an seinem Arbeitsplatz festgenommen worden und bis 18.03.2005 in Untersuchungshaft war, so dass er in dieser Zeit nicht arbeiten konnte. Daher habe ihm sein Arbeitgeber gekündigt und das Arbeitsamt habe die Sperrzeit verhängt. Weiter teilte er mit, dass das Arbeitsamt die Verhängung der Sperrzeit überprüfe. Die Agentur für Arbeit Q-Stadt teilte mit Schreiben vom 13.01.2006 mit, dass sie mit Bescheid vom 16.06.2005 Arbeitslosengeld I ab 22.03.2005 bis 19.04.2005 in Höhe von 1.118,04 EUR nachbewilligt habe und demzufolge sich die mit Bescheid vom 31.03.2005 verhängte Sperrzeit nach § 144 SGB 3 zum 21.03.2005 endete.
Daraufhin hob der Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 14.04.2005 auf und ersetzte ihn durch den Kostenersatzbescheid vom 23.03.2006. In diesem Bescheid stellte der Beklagte fest, dass aufgrund der Entscheidung der Agentur für Arbeit, ab 22.03.2005 Arbeitslosengeld I zu gewähren, die Kostenersatzforderung nach § 34 SGB 2 auf den Zeitraum 15.02. bis 21.03.2005 abgeändert wird. Die Kostenersatzforderung stellte der Beklagte mit 1.477,41 EUR neu fest.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 06.04.2006 erneut Widerspruch und verwies zur Begründung auf seinen Widerspruch in gleicher Sache vom 27.04.2005.
Durch Widerspruchsbescheid vom 15.05.2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte u.a. aus:
"Nach § 34 SGB 2 ist, wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig
1. die Voraussetzung für seine Hilfebedürftigkeit oder die Hilfebedürftigkeit von Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, oder
2. die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes an sich oder an Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat,
zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet.
Der Widerspruchsführer verlor aufgrund Inhaftierung seinen Arbeitsplatz und führte damit grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Hilfebedürftigkeit seiner nicht getrennt lebenden Ehefrau und seines Kindes herbei. Grundlage dieser Inhaftierung war ein am 28.12.2004 durch das Amtsgericht Frankfurt am Main wegen Verdunklungsgefahr ergangener Haftbefehl gegen den Angeklagten, welchen das Landgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 14.02.2005 bestätigte.
Nach der herrschenden Rechtsprechung setzt der Vorwurf, schuldhaft sozialwidriges Verhalten, der dem Kostenersatzanspruch nach § 34 SGB 2 als engem deliktsähnlichen Ausnahmetatbestand zugrunde liegt, nicht notwendigerweise ein im Sinne des Rechts der unerlaubten Handlung rechtswidriges oder strafbares Verhalten voraus, welches dem Widerspruchsführer erst nach erfolgter strafrechtlicher Verurteilung vorgehalten werden könnte. Der Vorwurf der Sozialwidrigkeit ist bereits darin begründet, dass der Betreffende sich oder seine unterhaltsberechtigten Angehörigen in die Lage gebracht hat, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.04.2003, Az.: 5 C 4/02).
Die von dem Widerspruchsführer angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.03.2003 mit dem Az.: 5 C 4/02 ist nach unseren Ermittlungen nicht existent. Wenn er jedoch die Entscheidung vom 10.04.2003 mit dem Az.: 5 C 4/02 meint, so bestätigt diese Entscheidung, wie vorstehend ausgeführt, die Rechtsauffassung des Amtes für Arbeit und Soziales. Die Urteilsauslegung des Widerspruchsführers kann nicht nachvollzogen werden, zumal das Bundesverwaltungsgericht im Entscheidungsteil Ziffer 17 unter anderem ausführt, "wenn also für ihn vorhersehbar war, dass dieses Verhalten ihn in Untersuchungshaft bringen konnte, mit der Folge, dann wegen eigener Mittellosigkeit unterhaltsbedürftigen Angehörigen keinen Unterhalt mehr zahlen zu können ... ". Dieser Sachverhalt trifft eindeutig das Verhalten des Widerspruchsführers, mit der Folge, dass aufgrund dieses sozialwidrigen Verhaltens Kostenersatz nach § 34 SGB 2 zu fordern war.
Ausnahmetatbestände, die zugunsten des Widerspruchsführers zu berücksichtigen wären, liegen nicht vor bzw. wurden von dem Widerspruchsführer nicht vorgetragen. Erkenntnisse, dass der Widerspruchsführer aufgrund dieser Forderung künftig von Leistungen nach dem SGB 2 bzw. dem SGB 12 abhängig würde, liegen ebenfalls nicht vor.
Gemäß Bewilligungsbescheid vom 09.03.2005 haben die Ehefrau und die Tochter des Widerspruchsführers im Februar 2005 605,34 EUR und im März 2005 908 EUR, insgesamt 1.513,34 EUR, erhalten. In Höhe dieses Betrages hat der Widerspruchsführer Kostenersatz nach § 34 SGB 2 zu leisten."
Dagegen hat der Kläger am 31.05.2007 Klage erhoben.
Der Kläger trägt vor, die Verhängung einer Sperrzeit nach dem SGB 3 schließe die Anwendung des § 34 SGB 2 aus. Der Kläger habe während seiner Untersuchungshaft nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner Familie gelebt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 14.04.2005 in Gestalt des Bescheides vom 23.03.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2007 aufzuheben.
Der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere der beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist teilweise begründet, weil der im Tenor dieses Urteils genannte Bescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, und zwar in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
Der im Klageantrag genannte Bescheid ist rechtswidrig, soweit er den Zeitraum der Untersuchungshaft 15.02. – 17.03.2005 betrifft.
In diesem Zeitraum lebte der Kläger nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau und seinem Kinde.
Grundsätzlich führt ein sozialwidriges Verhalten, das Bedürftigkeit nach Sozial- oder Grundsicherungsleistungsrecht auslöst, zu einer Ersatzpflicht.
§ 34 Abs. 1 SGB 2 stellt dabei als Personengruppe, die sozialleistungsbedürftig wird durch das sozialwidrige Verhalten des Ersatzpflichtigen, auf die Bedarfsgemeinschaft ab, mit der der Ersatzpflichtige zusammen lebt.
Demgegenüber stellte § 92a Abs. 1 BSHG (bis Ende 2004) auf die Personengruppe der unterhaltsberechtigten Angehörigen des Ersatzpflichtigen ab.
§ 103 Abs. 1 SGB 12 stellt demgegenüber auf keine konkrete Personengruppe mehr ab ("für sich oder andere").
In der Zeit der Untersuchungshaft bis zum 17.03.2005 lebte der Kläger in einer Justizvollzugsanstalt, nicht jedoch zusammen mit denjenigen hilfebedürftigen Personen, denen der Beklagte Leistungen nach dem SGB 2 zahlte.
Erst nach der Haftentlassung lebte er zusammen mit seiner restlichen Familie. Der Kläger, seine Ehefrau und ihr Kind waren ab 18.03.2005 hilfebedürftig. Daran ändert nichts der Umstand, dass der Beklagte dem Kläger im Zeitraum 18. - 21.03.2005 evtl. keine Leistungen zahlte, sondern nur an seine Ehefrau und das Kind.
Der Beklagte hat für Zeitraum 18. - 21.03.2005 einen Ersatzanspruch, weil der Kläger die Hilfebedürftigkeit (und damit auch die daraufhin gezahlten Leistungen) herbeiführte durch sein sozialwidriges Verhalten, auch wenn dieses bereits am 15.07.2003 geschehen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Kammer hat die Berufung zugelassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
2. Der Beklagte hat dem Kläger vier Fünftel der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Kostenersatz nach § 34 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 2) für einen Leistungszeitraum im Jahre 2005.
Der 1973 geborene Kläger heiratete 1996 seine Ehefrau C. Am 10.03.2004 wurde das gemeinsame Kind Z geboren.
Am 15.07.2003 beging der Kläger eine Straftat (Vergewaltigung in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und vorsätzlicher Körperverletzung).
Am 23.08.2004 erließ das Amtsgericht Frankfurt am Main gegen den Kläger einen Haftbefehl. Am 18.10.2004 verurteilte ihn das Amtsgericht Frankfurt am Main zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Der Haftbefehl vom 23.08.2004 wurde aufgehoben und dem Kläger u.a. aufgegeben, Kontakt zur Geschädigten aufzunehmen. Gegen Urteil vom 18.10.2004 legte der Kläger Berufung ein. Am 28.12.2004 erließ das Amtsgericht Frankfurt am Main gegen den Kläger erneut einen Haftbefehl.
Am 17.01.2005 wurde daraufhin der Kläger festgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger bei der Firma XY beschäftigt. Der Kläger wurde aus der Untersuchungshaft am 18.03.2005 entlassen und kehrte zu seiner Familie zurück.
Die Ehefrau des Klägers, C, beantragte am 15.02.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB 2. Zur Antragsbegründung gab sie an, dass sich ihr Ehemann in Untersuchungshaft befinde und sein Arbeitsverhältnis zum 24.01.2005 gekündigt worden sei.
Durch Bescheid vom 09.03.2005 bewilligte der Beklagte der Ehefrau und dem Kind des Klägers laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit ab 15.02.2005 bis zunächst 31.03.2005. Durch Bescheid vom 14.04.2005 bewilligte der Beklagte weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab 01.04.2005.
Durch Bescheid vom 31. März 2005 verhängte die Agentur für Arbeit Q-Stadt gegen den Kläger eine Sperrzeit nach den §§ 144, 128 SGB 3 für die Zeit vom 26.01.2005 bis 19.04.2005, mit der Folge, dass die Agentur für Arbeit Arbeitslosengeld I mit Bescheid vom 01.04.2005 erst ab 20.04.2005 bewilligte.
Durch Bescheid vom 14.04.2005 forderte der Beklagte von dem Kläger Kostenersatz nach § 34 SGB 2 für die im Zeitraum 15.02.2005 bis 19.04.2005 geleisteten Hilfezahlungen in Höhe von insgesamt 2.595,45 EUR. Zur Begründung führte er aus, dass der Kläger seine Arbeitsstelle bei der Firma XY wegen unentschuldigten Fehlens verloren habe. Da er bereits zuvor eine Abmahnung erhalten hatte, hätte er voraussehen müssen, dass ihm aufgrund dieses Verhaltens gekündigt und er somit arbeitslos werde. Die Verhängung der Sperrzeit durch die Arbeitsagentur sei allein seinem Fehlverhalten zuzuschreiben, damit sei er zum Kostenersatz nach § 34 SGB 2 verpflichtet.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 27.04.2005 Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung seines Widerspruches verwies er auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.03.2003, Az.: 5 C 4/02. Aus diesem Urteil ergebe sich, dass nicht er oder eine auf ihn begründete Bedarfsgemeinschaft hilfebedürftig geworden sei, sondern dass eine ganz neue Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau als Arbeitsloser entstanden sei. Somit sei die Voraussetzung des § 34 SGB 2, dass der Kläger selbst oder die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen durch sein Verhalten hilfebedürftig geworden seien, nicht erfüllt.
Mit Schreiben vom 24.05.2005 teilte er dann weiter mit, dass er am 17.10.2005 an seinem Arbeitsplatz festgenommen worden und bis 18.03.2005 in Untersuchungshaft war, so dass er in dieser Zeit nicht arbeiten konnte. Daher habe ihm sein Arbeitgeber gekündigt und das Arbeitsamt habe die Sperrzeit verhängt. Weiter teilte er mit, dass das Arbeitsamt die Verhängung der Sperrzeit überprüfe. Die Agentur für Arbeit Q-Stadt teilte mit Schreiben vom 13.01.2006 mit, dass sie mit Bescheid vom 16.06.2005 Arbeitslosengeld I ab 22.03.2005 bis 19.04.2005 in Höhe von 1.118,04 EUR nachbewilligt habe und demzufolge sich die mit Bescheid vom 31.03.2005 verhängte Sperrzeit nach § 144 SGB 3 zum 21.03.2005 endete.
Daraufhin hob der Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 14.04.2005 auf und ersetzte ihn durch den Kostenersatzbescheid vom 23.03.2006. In diesem Bescheid stellte der Beklagte fest, dass aufgrund der Entscheidung der Agentur für Arbeit, ab 22.03.2005 Arbeitslosengeld I zu gewähren, die Kostenersatzforderung nach § 34 SGB 2 auf den Zeitraum 15.02. bis 21.03.2005 abgeändert wird. Die Kostenersatzforderung stellte der Beklagte mit 1.477,41 EUR neu fest.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 06.04.2006 erneut Widerspruch und verwies zur Begründung auf seinen Widerspruch in gleicher Sache vom 27.04.2005.
Durch Widerspruchsbescheid vom 15.05.2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte u.a. aus:
"Nach § 34 SGB 2 ist, wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig
1. die Voraussetzung für seine Hilfebedürftigkeit oder die Hilfebedürftigkeit von Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, oder
2. die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes an sich oder an Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat,
zum Ersatz der deswegen gezahlten Leistungen verpflichtet.
Der Widerspruchsführer verlor aufgrund Inhaftierung seinen Arbeitsplatz und führte damit grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Hilfebedürftigkeit seiner nicht getrennt lebenden Ehefrau und seines Kindes herbei. Grundlage dieser Inhaftierung war ein am 28.12.2004 durch das Amtsgericht Frankfurt am Main wegen Verdunklungsgefahr ergangener Haftbefehl gegen den Angeklagten, welchen das Landgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 14.02.2005 bestätigte.
Nach der herrschenden Rechtsprechung setzt der Vorwurf, schuldhaft sozialwidriges Verhalten, der dem Kostenersatzanspruch nach § 34 SGB 2 als engem deliktsähnlichen Ausnahmetatbestand zugrunde liegt, nicht notwendigerweise ein im Sinne des Rechts der unerlaubten Handlung rechtswidriges oder strafbares Verhalten voraus, welches dem Widerspruchsführer erst nach erfolgter strafrechtlicher Verurteilung vorgehalten werden könnte. Der Vorwurf der Sozialwidrigkeit ist bereits darin begründet, dass der Betreffende sich oder seine unterhaltsberechtigten Angehörigen in die Lage gebracht hat, Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.04.2003, Az.: 5 C 4/02).
Die von dem Widerspruchsführer angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.03.2003 mit dem Az.: 5 C 4/02 ist nach unseren Ermittlungen nicht existent. Wenn er jedoch die Entscheidung vom 10.04.2003 mit dem Az.: 5 C 4/02 meint, so bestätigt diese Entscheidung, wie vorstehend ausgeführt, die Rechtsauffassung des Amtes für Arbeit und Soziales. Die Urteilsauslegung des Widerspruchsführers kann nicht nachvollzogen werden, zumal das Bundesverwaltungsgericht im Entscheidungsteil Ziffer 17 unter anderem ausführt, "wenn also für ihn vorhersehbar war, dass dieses Verhalten ihn in Untersuchungshaft bringen konnte, mit der Folge, dann wegen eigener Mittellosigkeit unterhaltsbedürftigen Angehörigen keinen Unterhalt mehr zahlen zu können ... ". Dieser Sachverhalt trifft eindeutig das Verhalten des Widerspruchsführers, mit der Folge, dass aufgrund dieses sozialwidrigen Verhaltens Kostenersatz nach § 34 SGB 2 zu fordern war.
Ausnahmetatbestände, die zugunsten des Widerspruchsführers zu berücksichtigen wären, liegen nicht vor bzw. wurden von dem Widerspruchsführer nicht vorgetragen. Erkenntnisse, dass der Widerspruchsführer aufgrund dieser Forderung künftig von Leistungen nach dem SGB 2 bzw. dem SGB 12 abhängig würde, liegen ebenfalls nicht vor.
Gemäß Bewilligungsbescheid vom 09.03.2005 haben die Ehefrau und die Tochter des Widerspruchsführers im Februar 2005 605,34 EUR und im März 2005 908 EUR, insgesamt 1.513,34 EUR, erhalten. In Höhe dieses Betrages hat der Widerspruchsführer Kostenersatz nach § 34 SGB 2 zu leisten."
Dagegen hat der Kläger am 31.05.2007 Klage erhoben.
Der Kläger trägt vor, die Verhängung einer Sperrzeit nach dem SGB 3 schließe die Anwendung des § 34 SGB 2 aus. Der Kläger habe während seiner Untersuchungshaft nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner Familie gelebt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 14.04.2005 in Gestalt des Bescheides vom 23.03.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2007 aufzuheben.
Der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere der beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist teilweise begründet, weil der im Tenor dieses Urteils genannte Bescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, und zwar in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
Der im Klageantrag genannte Bescheid ist rechtswidrig, soweit er den Zeitraum der Untersuchungshaft 15.02. – 17.03.2005 betrifft.
In diesem Zeitraum lebte der Kläger nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau und seinem Kinde.
Grundsätzlich führt ein sozialwidriges Verhalten, das Bedürftigkeit nach Sozial- oder Grundsicherungsleistungsrecht auslöst, zu einer Ersatzpflicht.
§ 34 Abs. 1 SGB 2 stellt dabei als Personengruppe, die sozialleistungsbedürftig wird durch das sozialwidrige Verhalten des Ersatzpflichtigen, auf die Bedarfsgemeinschaft ab, mit der der Ersatzpflichtige zusammen lebt.
Demgegenüber stellte § 92a Abs. 1 BSHG (bis Ende 2004) auf die Personengruppe der unterhaltsberechtigten Angehörigen des Ersatzpflichtigen ab.
§ 103 Abs. 1 SGB 12 stellt demgegenüber auf keine konkrete Personengruppe mehr ab ("für sich oder andere").
In der Zeit der Untersuchungshaft bis zum 17.03.2005 lebte der Kläger in einer Justizvollzugsanstalt, nicht jedoch zusammen mit denjenigen hilfebedürftigen Personen, denen der Beklagte Leistungen nach dem SGB 2 zahlte.
Erst nach der Haftentlassung lebte er zusammen mit seiner restlichen Familie. Der Kläger, seine Ehefrau und ihr Kind waren ab 18.03.2005 hilfebedürftig. Daran ändert nichts der Umstand, dass der Beklagte dem Kläger im Zeitraum 18. - 21.03.2005 evtl. keine Leistungen zahlte, sondern nur an seine Ehefrau und das Kind.
Der Beklagte hat für Zeitraum 18. - 21.03.2005 einen Ersatzanspruch, weil der Kläger die Hilfebedürftigkeit (und damit auch die daraufhin gezahlten Leistungen) herbeiführte durch sein sozialwidriges Verhalten, auch wenn dieses bereits am 15.07.2003 geschehen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Kammer hat die Berufung zugelassen (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved