Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
25
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 25 KR 520/12 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 411/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin gegen Vorlage ärztlicher Verordnungen über häusliche Krankenpflege ab 13. Oktober 2012 bis zu einer Entscheidung in den Hauptsacheverfahren S 25 KR 511/12 und S 25 KR 518/12, längstens bis 31. Dezember 2013, häusliche Krankenpflege in Form von wöchentlichen Injektionen vorläufig zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.
3. Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin B Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung mit Wirkung ab 13. Oktober 2012 bewilligt.
Gründe:
Die Antragstellerin begehrt eine vorläufige Regelung hinsichtlich der Tragung der Kosten für subkutane Injektionen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen.
Die 1952 geborene und bei der Antragsgegnerin krankenversicherte Antragstellerin leidet an Debilität, Imbezibilität und Psoriasis vulgaris. Das Amtsgericht S bestellte mit Beschluss vom 6. August 2004 (Geschäftsnummer xxx) Frau C. zu ihrer Betreuerin. Die Antragstellerin arbeitet in einer Werkstatt für Behinderte und lebt seit dem 1. Oktober 2011 in der Wohnstätte "XY" des Behinderten-Werks M e. V. (XYM) in A-Stadt, eine vollstationäre Einrichtung der Behindertenhilfe. Die Wohnstätte ist keine anerkannte Pflegeeinrichtung nach § 71 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI). Nach § 4 des mit dem XYM geschlossenen Wohnvertrags vom 5. Oktober 2011 bietet das XYM die Bereitstellung von Unterkunft (Abs. 2) und Verpflegung (Abs. 3), Maßnahmen, insbesondere Beratung, Betreuung, Grundpflege, Unterstützung, Begleitung, Anleitung und Förderung (Abs. 4) und die Bereitstellung der betriebsnotwendigen Anlagen (Abs. 5). Gemäß § 3 des Wohnvertrags in Verbindung mit Ziffer 5. der Vereinbarung über Leistungsausschluss vom 5. Oktober 2011 sind häusliche Krankenpflege/medizinische Behandlungspflege und medizinische beziehungsweise andere Therapien vom Leistungsumfang der Wohnstätte ausgeschlossen.
Die Antragstellerin erhält Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gemäß §§ 53 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) auf der Basis der Bedarfsgruppe 3 (mittlerer Hilfebedarf) vom Landeswohlfahrtsverband Hessen und Leistungen der Pflegeversicherung nach § 43a SGB XI für die Pflege in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI.
Der ambulante Pflegedienst "BW gGmbH" führt bei der Antragstellerin einmal wöchentlich subkutane Injektionen durch und stellte der Antragstellerin für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. Juni 2012 80,68 EUR in Rechnung (Rechnungen vom 24. September 2012 und 12. Juli 2012).
Die Antragstellerin beantragte am 26. März 2012 bei der Antragsgegnerin unter Vorlage einer ärztlichen Folgeverordnung über häusliche Krankenpflege der Fachärzte für Allgemeinmedizin Dr. K, Dr. K-Y und Dr. W die Kostenübernahme für häusliche Krankenpflege nach § 37 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) in Form von subkutanen Injektionen des Arzneimittels Enbrel® einmal wöchentlich für die Zeit vom 1. April 2012 bis 30. Juni 2012.
Die Antragsgegnerin lehnte mit förmlichem Bescheid vom 10. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2012 die Kostenübernahme mit der Begründung ab, dass in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen grundsätzlich ein Anspruch auf medizinische Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 SGB V nicht gegeben sei. Ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegen die Krankenkasse bestehe nicht, wenn sich der Versicherte in einem Heim im Sinne des Heimgesetzes befinde. Über die hiergegen am 24. September 2012 beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhobene Klage (S 25 KR 511/12) ist noch nicht entschieden.
Am 2. Juli 2012 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin unter Vorlage einer ärztlichen Folgeverordnung über häusliche Krankenpflege der Fachärzte für Allgemeinmedizin Dr. K, Dr. K-Y und Dr. W die Kostenübernahme für häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V in Form von subkutanen Injektionen des Arzneimittels Enbrel® einmal wöchentlich für die Zeit vom 1. Juli 2012 bis 30. September 2012.
Die Antragsgegnerin lehnte mit förmlichem Bescheid vom 18. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2012 die Kostenübernahme wiederum ab. Auch dagegen erhob die Antragstellerin am 13. Oktober 2012 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage (S 25 KR 518/12).
Am 13. Oktober 2012 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Frankfurt am Main den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragt, die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, ihr Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form von wöchentlichen Injektionen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu gewähren. Sie trägt vor, bei der von ihr bewohnten Einrichtung der Behindertenhilfe handele es sich um einen geeigneten Ort im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB V. Das XYM sei nicht verpflichtet, Leistungen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen. Dementsprechend beschäftige die Einrichtung auch keine Pflegefachkraft, die die Injektionen sach- und fachgerecht durchführen könnte. Auch aus dem Hessischen Rahmenvertrag nach § 79 Abs. 1 SGB XII zu den Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII ergebe sich keine Verpflichtung der Eingliederungshilfeeinrichtung zur Erbringung der Behandlungspflegeleistungen. Die zwischen dem Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV) und dem XYM abgeschlossene Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII in Verbindung mit § 76 ff. SGB XII sehe die Erbringung von Behandlungspflegeleistungen durch die Einrichtung ebenfalls nicht vor. Die pauschale Abgeltung der Pflegeleistungen nach § 43 a SGB XI stehe dem Anspruch eines krankenversicherten Pflegebedürftigen auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V nicht entgegen. Die Antragstellerin sei aufgrund ihrer geistigen Behinderung nicht in der Lage, die Injektionen selbst durchzuführen. Nach einer von der Antragstellerin vorgelegten Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. K vom 28. September 2012 bedarf sie wegen ihrer Autoimmunerkrankung (Psoriasis vulgaris) einmal wöchentlich einer Subkutan-Injektion (Enbrel/Etanercept 50 mg). Dr. K. führt darin aus, es handele sich um ein gentechnisch hergestelltes Protein, das die bei der Psoriasis unnötig vermehrt gebildeten körpereigenen, entzündungsindizierenden Zytokine binde und damit inaktiviere. Ein Unterlassen der Injektionen würde unweigerlich zu einer eruptiven Bildung von Entzündungsherden der Haut führen, also zu schmerzenden Hautschäden mit Gefahr der Superinfektion, insbesondere im hier vorliegenden Fall eines Diabetes mellitus. Hinsichtlich eines Anordnungsgrundes trägt die Antragstellerin vor, sie sei finanziell nicht in der Lage, den ambulanten Pflegedienst bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu bezahlen. Seit Beginn der Leistungserbringung befinde sie sich gegenüber dem Pflegedienst mit der Entrichtung des Entgelts in Verzug. Des Weiteren legte die Antragstellerin ein Schreiben der Diakoniestation BW vom 21. September 2012 vor. Darin teilte der Pflegedienst der Antragstellerin mit, keine weiteren Leistungen der Behandlungspflege ohne die Erstattung der entstehenden und bereits entstandenen Kosten durchführen zu können.
Die Antragstellerin beantragt (schriftsätzlich),
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, ihr Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form von wöchentlichen Injektionen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt (sinngemäß),
den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht gegeben sind.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten S 25 KR 511/12, S 25 KR 518/12 und S 25 KR 520/12 ER sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
Der zulässige Antrag ist überwiegend begründet, denn die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor.
Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2).
Vorliegend kommt eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht, da die vorläufige Begründung einer Rechtsposition begehrt wird. Eine solche Regelungsanordnung ist nur dann begründet, wenn ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen und eine Abwägung der betroffenen Interessen zugunsten der Antragstellerin ausfällt. Ein Anordnungsanspruch ist dabei gegeben, wenn der zu sichernde Anspruch des Antragstellers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht. Ein Anordnungsgrund liegt bei der Regelungsanordnung vor, wenn eine Regelung entsprechend § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG zur Abwendung eines wesentlichen Nachteils nötig erscheint.
Die vorstehend genannten Voraussetzungen sind vorliegend ab Rechtshängigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am 13. Oktober 2012 gegeben, denn die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch auf Kostenübernahme der Behandlungspflege gemäß § 37 Abs. 2 SGB V sowie einen Anordnungsgrund glaubhaft (§ 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -) gemacht. Das Antragsbegehren auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Kostenübernahme der Behandlungspflege rückwirkend ab 1. April 2012 scheitert jedoch daran, dass eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Leistungsbewilligung grundsätzlich nur mit Wirkung ab Rechtshängigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hier am 13. Oktober 2012 –, nicht aber für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum in Betracht kommen kann. Einstweilige Anordnungen sind einer Wirkung für die Vergangenheit ("ex tunc") nicht zugänglich. Insoweit muss die Antragstellerin die Hauptsacheentscheidung abwarten.
Nach in einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausreichender summarischer Prüfung ergibt sich nach Aktenlage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, dass die häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungspflege der Antragstellerin medizinisch notwendig ist, um die ärztliche Behandlung der Antragstellerin sicherzustellen. Nach der Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. K vom 28. September 2012 bedarf die Antragstellerin wegen ihrer Autoimmunerkrankung (Psoriasis vulgaris) einmal wöchentlich einer Subkutan-Injektion (Enbrel/Etanercept 50 mg). Dr. K führt darin aus, es handele sich um ein gentechnisch hergestelltes Protein, das die bei der Psoriasis unnötig vermehrt gebildeten körpereigenen, entzündungsindizierenden Zytokine binde und damit inaktiviere. Ein Unterlassen der Injektionen würde unweigerlich zu einer eruptiven Bildung von Entzündungsherden der Haut führen, also zu schmerzenden Hautschäden mit Gefahr der Superinfektion, insbesondere im hier vorliegenden Fall eines Diabetes mellitus.
Die Antragsgegnerin war zur vorläufigen Kostenübernahme ab 13. Oktober 2012 zu verpflichten, denn die Antragstellerin hat nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage einen Anspruch auf Tragung der Kosten der von einem ambulanten Pflegedienst zu erbringenden Behandlungspflege in Form von subkutanen Injektionen einmal wöchentlich. Die Antragstellerin ist aufgrund ihrer geistigen Behinderung nicht in der Lage, sich selbst die Injektionen zu verabreichen.
Nach § 37 Abs. 2 SGB V in der ab 1. April 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26. März 2007 (Bundesgesetzblatt )BGBl( I Seite 378) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist; der Anspruch umfasst verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen auch in den Fällen, in denen dieser Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14 und 15 des Elften Buches zu berücksichtigen ist. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Der Anspruch nach Satz 1 besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 des Elften Buches, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben. Nach § 37 Abs. 3 SGB V besteht der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. Abs. 6 der Vorschrift räumt dem Gemeinsamen Bundesausschuss die Befugnis ein, in Richtlinien nach § 92 SGB V festzulegen, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können. Er bestimmt darüber hinaus das Nähere über Art und Inhalt der verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen nach Absatz 2 Satz 1.
Die zwischen den Beteiligten allein streitige Frage, ob die Wohnstätte "XY" des Behinderten-Werks M e. V. (XYM) in A-Stadt ein sonstiger geeigneter Ort im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V ist, wird von der Kammer bejaht.
Versicherte haben einen Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V grundsätzlich auch dann, wenn sie in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe leben. Eine stationäre Wohneinrichtung ist dann ein geeigneter Ort im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V, wenn der Versicherte keinen Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger hat. Die Gemeinsamkeiten der stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe ohne Anspruch auf Behandlungspflege mit betreuten Wohnformen rechtfertigen es, diese Wohneinrichtungen als geeignete Orte im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V anzusehen, wenn sie nicht bereits als besondere Ausprägung des betreuten Wohnens im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V anzusehen sind. Die Einbeziehung von Einrichtungen der Eingliederungshilfe schließt auch Lücken zwischen der ambulanten und stationären Versorgung, was der Gesetzgeber des GKV-WSG mit der Erweiterung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V ausdrücklich bezweckt hat (vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV WSG), Bundestags-Drucksache 16/3100 vom 24. Oktober 2006 Seite 104 zu Nr. 22 (§ 37)). Die stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe können nicht mit stationären Einrichtungen wie Krankenhäusern, medizinischen Rehabilitationseinrichtungen oder Pflegeheimen gleichgesetzt werden. Bei Einrichtungen der Behindertenhilfe steht nämlich die gesellschaftliche Integration der Bewohner im Vordergrund, die möglichst unabhängig werden sollen (§ 53 Abs. 3 SGB XII). Das betreute Wohnen ist gesetzlich nicht definiert und die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit Betreuungshilfe zu einer stationären Einrichtung, welche unter die Regelungen des Heimgesetzes (HeimG) fällt, dürften in Abhängigkeit der Fähigkeiten der Bewohner fließend sein (ebenso Landessozialgericht )LSG( Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. März 2011 – L 9 KR 284/10 B ER – juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Februar 2010 – L 9 KR 23/10 B ER – juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26. August 2010 – L 8 SO 4/10 B ER – juris – RdNr. 43 bis 46; LSG Hamburg, Beschluss vom 12. November 2009 – L 1 B 202/09 ER KR – juris; Sozialgericht Koblenz, Urteil vom 8. Dezember 2011 – S 6 KR 103/11 – Rechtsdienst der Lebenshilfe 2012, Seite 60-61; a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. April 2009 – L 8 SO 1/07 – juris; Sozialgericht Hamburg, Beschluss vom 3. Februar 2009 – S 48 KR 1330/08 ER – juris; vgl. auch zum Ganzen Weber, Häusliche Krankenpflege nach SGB V in einer stationären Einrichtung der Eingliederungshilfe, Neue Zeitschrift für Sozialrecht )NZS( 2011, 650).
Rechtlich unerheblich ist, ob es sich bei der Einrichtung, in der die Antragstellerin lebt, um ein Heim im Sinne des Heimgesetzes (HeimG) handelt (a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. April 2009 – L 8 SO 1/07 - Juris; SG Hamburg, Urteil vom 17. Dezember 2007 – S 56 SO 365/07; SG Hamburg, Beschluss vom 3. Februar 2009 S 48 KR 1330/08 ER - Juris). Das HeimG kann für die Auslegung des geeigneten Ortes bereits deshalb nicht herangezogen werden, weil die Zielsetzung des Gesetzes nicht darauf abzielt, Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu definieren. Nach § 2 HeimG ist der Zweck des Gesetzes, vorrangig die Interessen und Bedürfnisse der Bewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen und ihre Rechte gegenüber dem Heimträger zu wahren. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 HeimG sind Heime Einrichtungen, die dem Zweck dienen, ältere Menschen oder pflegebedürftige oder behinderte Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden. § 1 Abs. 2 Satz 3 HeimG ist zu entnehmen, dass das HeimG Anwendung findet, wenn die Bewohner verpflichtet sind, Verpflegung und weitergehende Betreuungsleistungen anzunehmen.
Trotz Vorliegens der Voraussetzungen von § 1 HeimG sind die Unterschiede zum betreuten Wohnen vergleichsweise gering. Beim betreuten Wohnen handelt es sich um kleinere Wohngruppen, die eher nach dem Prinzip einer Wohngemeinschaft organisiert sind und bei denen die Bewohner ein möglichst selbständiges Leben führen sollen. Die Betreuungsleistungen zielen darauf ab, dass die Bewohner noch in der Lage sind, ein weitgehend selbstbestimmtes Leben zu führen. Art und Umfang der Betreuungsleistungen hängen jedoch stark von den gesundheitlichen Einschränkungen der Bewohner ab. Mitunter ist auch wie in einem Heim eine ständige Aufsicht und Betreuung bei den täglichen Verrichtungen erforderlich. Einrichtungen der Behindertenhilfe, in denen Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 und 54 SGB XII gewährt wird, können als institutionalisierte betreute Wohnformen angesehen werden. Es leben dort mehr Bewohner, die Einrichtung ist nicht vom Wechsel der Bewohner abhängig und die Betreuungsleistungen werden gebündelt und abgestuft erbracht. Die Vermeidung einer stationären Unterbringung ist nach den Gesetzesmaterialien ein Grund für die Ausweitung des Haushaltsbegriffs gewesen (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungs-gesetz – GKV-WSG), Bundestags-Drucksache 16/3100 vom 24. Oktober 2006 Seite 104 zu Nr. 22 (§ 37)). An dieser Stelle wird deutlich, dass das Merkmal stationär zur Differenzierung nicht ausreicht, denn die stationäre Wohneinrichtung soll gerade die stationäre Krankenbehandlung verhindern. Vom Gesetzgeber gemeint sind vielmehr die Einrichtungen mit Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege wie Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen, Hospize und Pflegeheime. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Lückenschließung und damit die Sicherung der umfassenden Versorgung der Betreuten mit medizinischer Behandlungspflege ist deshalb nur sicherzustellen, wenn der Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegen den Träger der Krankenversicherung auch in stationären Einrichtungen, die den Bestimmungen des HeimG unterliegen, immer dann einsetzt, wenn ein Anspruch gegen den Einrichtungsträger auf diese Leistung endet oder von vornherein nicht besteht.
Vorrangiges gesetzgeberisches Ziel der Erweiterung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V durch das GKV-WSG war es, Lücken zwischen ambulanter und stationärer Versorgung zu schließen.
In der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 37 SGB V heißt es:
"Die Beschränkung der Leistungen zur häuslichen Krankenpflege auf Haushalt und Familie des Versicherten hat sich im Hinblick auf das Ziel, vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, als kontraproduktiv erwiesen. Die Neuregelung bewirkt durch eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht benachteiligt werden. Betreute Wohnformen, deren Bewohner ambulante Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten, sollen verbesserte Angebote für ambulant Pflegebedürftige darstellen; dem wird durch die Änderung Rechnung getragen. Darüber hinaus wird im Hinblick auf bestimmte, eng begrenzte Personengruppen durch den erweiterten Haushaltsbegriff eine vorschnelle Einweisung in stationäre Einrichtungen verhindert. Ein "geeigneter Ort" für die Leistung häuslicher Krankenpflege durch die GKV ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich der Versicherte in einer Einrichtung befindet, in der er nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung hat. Um die notwendige Flexibilität bei der Bestimmung der geeigneten Erbringungsorte zu wahren, wird auf eine gesetzliche Festlegung verzichtet und die Definition dem Gemeinsamen Bundesausschuss übertragen. Dieser Lösungsweg vermeidet Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung. Nach geltendem Recht besteht beispielsweise dann kein gesetzlicher Anspruch, wenn sich ein nicht pflegebedürftiger Patient nach einem Krankenhausaufenthalt übergangsweise in eine Kurzzeitpflegeeinrichtung begeben muss, weil eine Versorgung in der eigenen Häuslichkeit noch nicht ausreichend sichergestellt ist. Auch dieser Fall soll von der Neuregelung erfasst sein." (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG), Bundestags-Drucksache 16/3100 vom 24. Oktober 2006 Seite 104 zu Nr. 22 (§ 37)).
Dieses gesetzgeberische Ziel wäre nur schwer zu erreichen, wenn man eine stationäre Unterbringung der behinderten Versicherten nach dem HeimG für die häusliche Krankenpflege als anspruchsvernichtend ansähe. Fälle wie der vorliegende zeigen, dass der Übergang zwischen dem eindeutig vom Wortlaut des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V anspruchsbegründend erfassten "betreuten Wohnformen" und stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe fließend sind; deshalb ist es kaum möglich, zwischen diesen Betreuungsformen eine klare, eindeutige und überzeugende Abgrenzung zu finden; die daraus entstehende Unsicherheit setzte sich bei der Auslegung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V fort. Der Gesetzgeber hat um der "notwendigen Flexibilität bei der Bestimmung geeigneter Erbringungsorte” Willen bewusst auf eine gesetzliche Festlegung der geeigneten Erbringungsorte verzichtet, sondern lässt durch seine Formulierung ("insbesondere”) Raum für weitere Orte der Leistungserbringung. Nicht begründet werden sollte ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege durch ambulante Pflegedienste in Einrichtungen, die vertraglich zur Erbringung von Pflegeleistungen verpflichtet sind.
Für eine Einbeziehung stationärer Einrichtungen der Behindertenhilfe als geeigneten Ort spricht auch, dass § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V für Versicherte, die sich in gemäß § 43 SGB XI zugelassenen Pflegeeinrichtungen befinden, eine Ausnahmeregelung enthält. Häusliche Krankenpflege kann danach gewährt werden, wenn ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege besteht. Sofern unter besonderen Voraussetzungen in einer Pflegeeinrichtung, die grundsätzlich alle pflegerischen und medizinischen Versorgungsleistungen übernehmen muss und über entsprechendes Personal verfügt, Behandlungspflege gewährt werden kann, muss das erst recht bei einer stationären Wohneinrichtung gelten, bei der kein Anspruch auf Behandlungspflege besteht. Auch werden in dem Ausnahmetatbestand stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe nicht erwähnt. Da es keinen Grund gibt, die Bewohner derartiger Einrichtungen von der Versorgung auszuschließen, ist es naheliegend, dass der Gesetzgeber von einem bereits grundsätzlich bestehenden Anspruch ausgegangen ist (siehe die Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit vom 11. Mai 2009).
Auch aus der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (Häusliche Krankenpflege-Richtlinie )HKP-RL() nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V in der Neufassung vom 17. September 2009 (Bundesanzeiger )BAnz( 2010 Nr. 21 a vom 9. Februar 2010, Beilage) in der seit 15. Januar 2011 geltenden Fassung vom 15. Oktober 2010 (BAnz 2011 Nr. 16 vom 28. Januar 2011 Seite 339) ergibt sich, dass der Anspruch auf häusliche Krankenpflege in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe maßgeblich davon abhängt, ob der Einrichtungsträger verpflichtet ist, Behandlungspflege zu erbringen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. Juli 2008 – L 16 B 32/08 KR ER - Juris).
In § 1 Abs. 2 der Richtlinie heißt es,
"Häusliche Krankenpflege wird im Haushalt der oder des Versicherten oder ihrer oder seiner Familie erbracht. Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht auch an sonstigen geeigneten Orten, an denen sich die oder der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen - die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und - für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (z. B. im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung), wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Orte im Sinne des Satz 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein. Ein Anspruch besteht auch für Versicherte, die nicht nach § 14 SGB XI pflegebedürftig sind, während ihres Aufenthalts in teilstationären Einrichtungen der Tages- und Nachtpflege, wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes in der Einrichtung der Tages- oder Nachtpflege notwendig ist sowie in Kurzzeitpflegeeinrichtungen (siehe auch Abs. 6)".
Ergänzend regelt § 1 Abs. 6 Abs. 1 HKP-RL:
"Für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z. B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkassen zu prüfen."
Der Gemeinsame Bundesausschuss ist nach § 37 Abs. 6 SGB V ermächtigt, in Richtlinien nach § 92 SGB V festzulegen, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 des § 37 SGB V auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können. Aus der Ausschlussregelung ergibt sich, dass eine Einrichtung der stationären Behindertenhilfe jedenfalls dann als "geeigneter Ort" angesehen werden kann, wenn die Einrichtung nicht verpflichtet ist, selbst Leistungen der Behandlungspflege zu erbringen. Das bedeutet, dass grundsätzlich allein der Aufenthalt in stationären Einrichtungen dem Anspruch nicht entgegensteht, sondern nur der Umstand, dass ein Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Träger der Einrichtung besteht. Das wird exemplarisch bei Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen und Pflegeheimen angenommen. Sofern schon der Aufenthalt in "Einrichtungen" zu einem Ausschluss führen würde, wäre es überflüssig gewesen, auf einen möglichen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege abzustellen. Es hätte für einen Ausschluss ausgereicht, auf den stationären Aufenthalt in einer Einrichtung abzustellen. Folgerichtig ist nach § 1 Abs. 6. Satz 2 der Richtlinie im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen, ob ein solcher Anspruch besteht. Gemeint ist hiermit die Prüfung, ob in der Einrichtung ein Anspruch auf Behandlungspflege besteht.
Für diese Auslegung spricht auch, dass das Bundesministerium der Gesundheit (BMG) die HKP-RL in der Fassung vom 17. Januar 2008/10. April 2008 (BAnz 2008 Nr. 84 Seite 2028, 2029 und 2030) nur unter der Voraussetzung genehmigt hat, dass die ursprünglich geplante Aufnahme der Behinderteneinrichtungen im Klammerzusatz gestrichen wurde (Beanstandung und Auflage des Beschlusses vom 17. Januar 2008 des gemeinsamen Bundesausschusses durch das BMG am 20. März 2008). Das bedeutet, dass diese Einrichtungen gerade nicht ausgeschlossen werden sollten, wenn durch den Aufenthalt kein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege gegen den Träger begründet wird. Im Auflagenbeschluss des BMG vom 20. März 2008 wird hervorgehoben, dass es im Einzelfall darauf ankomme, dass ein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege außerhalb der Regelung des § 37 SGB V besteht.
Die pauschale Vergütung der Pflegekasse gemäß § 43 a SGB XI zur Abgeltung der Pflegeleistungen und der medizinischen Behandlungspflege, die den Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gezahlt wird, führt nicht zu einem Ausschluss des Anspruchs auf Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 SGB V. Dies gilt nur für Leistungen nach dem SGB XI und nicht für Leistungen der häuslichen Krankenpflege der Krankenkasse nach dem SGB V, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 SGB V vorliegen (Bundessozialgericht )BSG(, Urteil vom 1. September 2005 – B 1 KR 19/04 R - SozR 4-2500 § 37 Nr.5). Gegen eine Abgeltung der Leistungen nach dem SGB V spricht auch die niedrige Pauschale von 256 EUR, die nicht überschritten werden darf.
Vorliegend hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf Gewährung von Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege gegenüber dem Träger der Wohnstätte "XY", dem Behinderten-Werk M e. V. Nach § 3 des Wohnvertrags in Verbindung mit Ziffer 5. der Vereinbarung über Leistungsausschluss vom 5. Oktober 2011 ist der Einrichtungsträger nicht zur Erbringung häuslicher Krankenpflege/medizinischer Behandlungspflege und medizinischer beziehungsweise andere Therapien verpflichtet. Der Anspruch der Antragstellerin auf Grundpflege nach § 4 Abs. 4 des Wohnvertrages beinhaltet nicht den Anspruch der Antragstellerin auf die hier streitbefangenen subkuten Injektionen. Denn hierbei handelt es sich weder um eine grundpflegerische Leistung noch um eine bloße unterstützende Leistung im pflegerischen Bereich, wie beispielsweise die einfache Gabe von Medikamenten. Eine Verpflichtung des MWMK zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege ergibt sich auch weder aus dem Hessischen Rahmenvertrag nach § 79 Abs. 1 SGB XII zu den Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII noch aus der zwischen dem Landeswohlfahrtsverband Hessen und dem BWMK abgeschlossene Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII in Verbindung mit § 76 ff. SGB XII.
Die Kammer bejaht auch einen Anordnungsgrund für eine vorläufige Regelung.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss für die Abwendung wesentlicher Nachteile nötig sein; d.h., es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert. Entscheidend ist, ob es bei einer Interessenabwägung für den Betroffenen zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rdnr. 28). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt die Annahme eines Anordnungsgrundes voraus, dass anderenfalls mit schweren und unzumutbaren Nachteilen zu rechnen ist, weil das Abwarten des Hauptsacheverfahrens zu einem Risiko irreversibler gesundheitlicher Beeinträchtigungen führt, und der Betroffene nicht in der Lage ist, die Kosten vorläufig selbst zu tragen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86b Rdnr. 33a).
Die Leistungsträger im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung haben den Versicherten zu gewährleisten, dass die normierten Sach- und Dienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) zur Verfügung gestellt werden. Die Grundentscheidung, jedem Versicherten die zur Erhaltung, Wiederherstellung oder Besserung des Gesundheitszustandes erforderlichen Dienste oder Heil- und Hilfsmittel zu verschaffen, dient dem Schutz der Mehrheit der Kassenmitglieder. Deren verfügbares, für die Lebensführung verwendbares Erwerbseinkommen reicht in der Regel nicht aus, Arzneien, Heil- oder Hilfsmittel zusätzlich zum Beitrag in mehr als geringem Umfang vorzufinanzieren (BSG, Urteil vom 16. Dezember 1993 - 4 RK 5/92 - BSGE 73, 271, 275 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 4). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass den Versicherten regelmäßig erhebliche finanzielle Mittel für eine zusätzliche selbständige Vorsorge im Krankheitsfall und insbesondere für die Beschaffung von notwendigen Leistungen der Krankenbehandlung außerhalb des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zur Verfügung stehen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 – SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 = BVerfGE 115, 25-51 – Rdnr. 52). Das gesetzliche Naturalleistungsgebot schließt dementsprechend grundsätzlich auch die Selbstbeschaffung von Diensten oder Sachen aus.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es ist nachvollziehbar, dass die Eingliederungshilfe nach dem SGB XII beziehende Antragstellerin bei einem monatlichen Nettoverdienst von 106,86 EUR aus ihrer Beschäftigung in einer Werkstatt für Behinderte nicht in der Lage ist, die Kosten der Behandlungspflege zu tragen. Dies gilt umso mehr im Hinblick darauf, dass die Behandlungspflege auf nicht absehbare Zeit erforderlich sein dürfte. Die Antragstellerin hat auch nachvollziehbar dargelegt, dass ihre Gesundheit gefährdet ist, wenn keine Behandlungspflege erfolgt. Dr. K bestätigt in seiner Bescheinigung vom 28. September 2012, dass ein Unterlassen der Injektionen unweigerlich zu einer eruptiven Bildung von Entzündungsherden der Haut, also zu schmerzenden Hautschäden mit Gefahr der Superinfektion, insbesondere im hier vorliegenden Fall eines Diabetes mellitus, führen würde. Der Antragstellerin ist deshalb nicht zuzumuten, den Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache abzuwarten.
Allerdings war eine Kostenübernahme der Behandlungspflege zunächst nur längstens bis zum 31. Dezember 2013 zuzusprechen. Die Befristung der vorläufigen Leistungsverpflichtung der Antragsgegnerin trägt dem Umstand Rechnung, dass bei einer regelmäßig wiederkehrenden Leistung der Krankenbehandlung das Weiterbestehen der Anspruchsvoraussetzungen zu überprüfen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Antragstellerin war unter Beiordnung von Rechtanwältin B Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da die Voraussetzungen des § 73 a SGG in Verbindung mit § 114 ZPO vorliegen.
2. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.
3. Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin B Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung mit Wirkung ab 13. Oktober 2012 bewilligt.
Gründe:
Die Antragstellerin begehrt eine vorläufige Regelung hinsichtlich der Tragung der Kosten für subkutane Injektionen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen.
Die 1952 geborene und bei der Antragsgegnerin krankenversicherte Antragstellerin leidet an Debilität, Imbezibilität und Psoriasis vulgaris. Das Amtsgericht S bestellte mit Beschluss vom 6. August 2004 (Geschäftsnummer xxx) Frau C. zu ihrer Betreuerin. Die Antragstellerin arbeitet in einer Werkstatt für Behinderte und lebt seit dem 1. Oktober 2011 in der Wohnstätte "XY" des Behinderten-Werks M e. V. (XYM) in A-Stadt, eine vollstationäre Einrichtung der Behindertenhilfe. Die Wohnstätte ist keine anerkannte Pflegeeinrichtung nach § 71 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI). Nach § 4 des mit dem XYM geschlossenen Wohnvertrags vom 5. Oktober 2011 bietet das XYM die Bereitstellung von Unterkunft (Abs. 2) und Verpflegung (Abs. 3), Maßnahmen, insbesondere Beratung, Betreuung, Grundpflege, Unterstützung, Begleitung, Anleitung und Förderung (Abs. 4) und die Bereitstellung der betriebsnotwendigen Anlagen (Abs. 5). Gemäß § 3 des Wohnvertrags in Verbindung mit Ziffer 5. der Vereinbarung über Leistungsausschluss vom 5. Oktober 2011 sind häusliche Krankenpflege/medizinische Behandlungspflege und medizinische beziehungsweise andere Therapien vom Leistungsumfang der Wohnstätte ausgeschlossen.
Die Antragstellerin erhält Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gemäß §§ 53 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) auf der Basis der Bedarfsgruppe 3 (mittlerer Hilfebedarf) vom Landeswohlfahrtsverband Hessen und Leistungen der Pflegeversicherung nach § 43a SGB XI für die Pflege in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen im Sinne des § 71 Abs. 4 SGB XI.
Der ambulante Pflegedienst "BW gGmbH" führt bei der Antragstellerin einmal wöchentlich subkutane Injektionen durch und stellte der Antragstellerin für den Zeitraum vom 1. April 2012 bis 30. Juni 2012 80,68 EUR in Rechnung (Rechnungen vom 24. September 2012 und 12. Juli 2012).
Die Antragstellerin beantragte am 26. März 2012 bei der Antragsgegnerin unter Vorlage einer ärztlichen Folgeverordnung über häusliche Krankenpflege der Fachärzte für Allgemeinmedizin Dr. K, Dr. K-Y und Dr. W die Kostenübernahme für häusliche Krankenpflege nach § 37 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) in Form von subkutanen Injektionen des Arzneimittels Enbrel® einmal wöchentlich für die Zeit vom 1. April 2012 bis 30. Juni 2012.
Die Antragsgegnerin lehnte mit förmlichem Bescheid vom 10. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2012 die Kostenübernahme mit der Begründung ab, dass in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen grundsätzlich ein Anspruch auf medizinische Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 SGB V nicht gegeben sei. Ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegen die Krankenkasse bestehe nicht, wenn sich der Versicherte in einem Heim im Sinne des Heimgesetzes befinde. Über die hiergegen am 24. September 2012 beim Sozialgericht Frankfurt am Main erhobene Klage (S 25 KR 511/12) ist noch nicht entschieden.
Am 2. Juli 2012 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin unter Vorlage einer ärztlichen Folgeverordnung über häusliche Krankenpflege der Fachärzte für Allgemeinmedizin Dr. K, Dr. K-Y und Dr. W die Kostenübernahme für häusliche Krankenpflege nach § 37 SGB V in Form von subkutanen Injektionen des Arzneimittels Enbrel® einmal wöchentlich für die Zeit vom 1. Juli 2012 bis 30. September 2012.
Die Antragsgegnerin lehnte mit förmlichem Bescheid vom 18. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2012 die Kostenübernahme wiederum ab. Auch dagegen erhob die Antragstellerin am 13. Oktober 2012 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage (S 25 KR 518/12).
Am 13. Oktober 2012 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Frankfurt am Main den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel beantragt, die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, ihr Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form von wöchentlichen Injektionen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu gewähren. Sie trägt vor, bei der von ihr bewohnten Einrichtung der Behindertenhilfe handele es sich um einen geeigneten Ort im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB V. Das XYM sei nicht verpflichtet, Leistungen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen. Dementsprechend beschäftige die Einrichtung auch keine Pflegefachkraft, die die Injektionen sach- und fachgerecht durchführen könnte. Auch aus dem Hessischen Rahmenvertrag nach § 79 Abs. 1 SGB XII zu den Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII ergebe sich keine Verpflichtung der Eingliederungshilfeeinrichtung zur Erbringung der Behandlungspflegeleistungen. Die zwischen dem Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV) und dem XYM abgeschlossene Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII in Verbindung mit § 76 ff. SGB XII sehe die Erbringung von Behandlungspflegeleistungen durch die Einrichtung ebenfalls nicht vor. Die pauschale Abgeltung der Pflegeleistungen nach § 43 a SGB XI stehe dem Anspruch eines krankenversicherten Pflegebedürftigen auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V nicht entgegen. Die Antragstellerin sei aufgrund ihrer geistigen Behinderung nicht in der Lage, die Injektionen selbst durchzuführen. Nach einer von der Antragstellerin vorgelegten Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. K vom 28. September 2012 bedarf sie wegen ihrer Autoimmunerkrankung (Psoriasis vulgaris) einmal wöchentlich einer Subkutan-Injektion (Enbrel/Etanercept 50 mg). Dr. K. führt darin aus, es handele sich um ein gentechnisch hergestelltes Protein, das die bei der Psoriasis unnötig vermehrt gebildeten körpereigenen, entzündungsindizierenden Zytokine binde und damit inaktiviere. Ein Unterlassen der Injektionen würde unweigerlich zu einer eruptiven Bildung von Entzündungsherden der Haut führen, also zu schmerzenden Hautschäden mit Gefahr der Superinfektion, insbesondere im hier vorliegenden Fall eines Diabetes mellitus. Hinsichtlich eines Anordnungsgrundes trägt die Antragstellerin vor, sie sei finanziell nicht in der Lage, den ambulanten Pflegedienst bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu bezahlen. Seit Beginn der Leistungserbringung befinde sie sich gegenüber dem Pflegedienst mit der Entrichtung des Entgelts in Verzug. Des Weiteren legte die Antragstellerin ein Schreiben der Diakoniestation BW vom 21. September 2012 vor. Darin teilte der Pflegedienst der Antragstellerin mit, keine weiteren Leistungen der Behandlungspflege ohne die Erstattung der entstehenden und bereits entstandenen Kosten durchführen zu können.
Die Antragstellerin beantragt (schriftsätzlich),
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, ihr Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form von wöchentlichen Injektionen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt (sinngemäß),
den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht gegeben sind.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten S 25 KR 511/12, S 25 KR 518/12 und S 25 KR 520/12 ER sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
Der zulässige Antrag ist überwiegend begründet, denn die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen vor.
Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2).
Vorliegend kommt eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht, da die vorläufige Begründung einer Rechtsposition begehrt wird. Eine solche Regelungsanordnung ist nur dann begründet, wenn ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen und eine Abwägung der betroffenen Interessen zugunsten der Antragstellerin ausfällt. Ein Anordnungsanspruch ist dabei gegeben, wenn der zu sichernde Anspruch des Antragstellers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht. Ein Anordnungsgrund liegt bei der Regelungsanordnung vor, wenn eine Regelung entsprechend § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG zur Abwendung eines wesentlichen Nachteils nötig erscheint.
Die vorstehend genannten Voraussetzungen sind vorliegend ab Rechtshängigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am 13. Oktober 2012 gegeben, denn die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch auf Kostenübernahme der Behandlungspflege gemäß § 37 Abs. 2 SGB V sowie einen Anordnungsgrund glaubhaft (§ 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -) gemacht. Das Antragsbegehren auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Kostenübernahme der Behandlungspflege rückwirkend ab 1. April 2012 scheitert jedoch daran, dass eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Leistungsbewilligung grundsätzlich nur mit Wirkung ab Rechtshängigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hier am 13. Oktober 2012 –, nicht aber für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum in Betracht kommen kann. Einstweilige Anordnungen sind einer Wirkung für die Vergangenheit ("ex tunc") nicht zugänglich. Insoweit muss die Antragstellerin die Hauptsacheentscheidung abwarten.
Nach in einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausreichender summarischer Prüfung ergibt sich nach Aktenlage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, dass die häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungspflege der Antragstellerin medizinisch notwendig ist, um die ärztliche Behandlung der Antragstellerin sicherzustellen. Nach der Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. K vom 28. September 2012 bedarf die Antragstellerin wegen ihrer Autoimmunerkrankung (Psoriasis vulgaris) einmal wöchentlich einer Subkutan-Injektion (Enbrel/Etanercept 50 mg). Dr. K führt darin aus, es handele sich um ein gentechnisch hergestelltes Protein, das die bei der Psoriasis unnötig vermehrt gebildeten körpereigenen, entzündungsindizierenden Zytokine binde und damit inaktiviere. Ein Unterlassen der Injektionen würde unweigerlich zu einer eruptiven Bildung von Entzündungsherden der Haut führen, also zu schmerzenden Hautschäden mit Gefahr der Superinfektion, insbesondere im hier vorliegenden Fall eines Diabetes mellitus.
Die Antragsgegnerin war zur vorläufigen Kostenübernahme ab 13. Oktober 2012 zu verpflichten, denn die Antragstellerin hat nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage einen Anspruch auf Tragung der Kosten der von einem ambulanten Pflegedienst zu erbringenden Behandlungspflege in Form von subkutanen Injektionen einmal wöchentlich. Die Antragstellerin ist aufgrund ihrer geistigen Behinderung nicht in der Lage, sich selbst die Injektionen zu verabreichen.
Nach § 37 Abs. 2 SGB V in der ab 1. April 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26. März 2007 (Bundesgesetzblatt )BGBl( I Seite 378) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist; der Anspruch umfasst verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen auch in den Fällen, in denen dieser Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14 und 15 des Elften Buches zu berücksichtigen ist. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Der Anspruch nach Satz 1 besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 des Elften Buches, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben. Nach § 37 Abs. 3 SGB V besteht der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. Abs. 6 der Vorschrift räumt dem Gemeinsamen Bundesausschuss die Befugnis ein, in Richtlinien nach § 92 SGB V festzulegen, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können. Er bestimmt darüber hinaus das Nähere über Art und Inhalt der verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen nach Absatz 2 Satz 1.
Die zwischen den Beteiligten allein streitige Frage, ob die Wohnstätte "XY" des Behinderten-Werks M e. V. (XYM) in A-Stadt ein sonstiger geeigneter Ort im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V ist, wird von der Kammer bejaht.
Versicherte haben einen Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V grundsätzlich auch dann, wenn sie in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe leben. Eine stationäre Wohneinrichtung ist dann ein geeigneter Ort im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V, wenn der Versicherte keinen Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger hat. Die Gemeinsamkeiten der stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe ohne Anspruch auf Behandlungspflege mit betreuten Wohnformen rechtfertigen es, diese Wohneinrichtungen als geeignete Orte im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V anzusehen, wenn sie nicht bereits als besondere Ausprägung des betreuten Wohnens im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V anzusehen sind. Die Einbeziehung von Einrichtungen der Eingliederungshilfe schließt auch Lücken zwischen der ambulanten und stationären Versorgung, was der Gesetzgeber des GKV-WSG mit der Erweiterung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V ausdrücklich bezweckt hat (vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV WSG), Bundestags-Drucksache 16/3100 vom 24. Oktober 2006 Seite 104 zu Nr. 22 (§ 37)). Die stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe können nicht mit stationären Einrichtungen wie Krankenhäusern, medizinischen Rehabilitationseinrichtungen oder Pflegeheimen gleichgesetzt werden. Bei Einrichtungen der Behindertenhilfe steht nämlich die gesellschaftliche Integration der Bewohner im Vordergrund, die möglichst unabhängig werden sollen (§ 53 Abs. 3 SGB XII). Das betreute Wohnen ist gesetzlich nicht definiert und die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit Betreuungshilfe zu einer stationären Einrichtung, welche unter die Regelungen des Heimgesetzes (HeimG) fällt, dürften in Abhängigkeit der Fähigkeiten der Bewohner fließend sein (ebenso Landessozialgericht )LSG( Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. März 2011 – L 9 KR 284/10 B ER – juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Februar 2010 – L 9 KR 23/10 B ER – juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26. August 2010 – L 8 SO 4/10 B ER – juris – RdNr. 43 bis 46; LSG Hamburg, Beschluss vom 12. November 2009 – L 1 B 202/09 ER KR – juris; Sozialgericht Koblenz, Urteil vom 8. Dezember 2011 – S 6 KR 103/11 – Rechtsdienst der Lebenshilfe 2012, Seite 60-61; a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. April 2009 – L 8 SO 1/07 – juris; Sozialgericht Hamburg, Beschluss vom 3. Februar 2009 – S 48 KR 1330/08 ER – juris; vgl. auch zum Ganzen Weber, Häusliche Krankenpflege nach SGB V in einer stationären Einrichtung der Eingliederungshilfe, Neue Zeitschrift für Sozialrecht )NZS( 2011, 650).
Rechtlich unerheblich ist, ob es sich bei der Einrichtung, in der die Antragstellerin lebt, um ein Heim im Sinne des Heimgesetzes (HeimG) handelt (a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. April 2009 – L 8 SO 1/07 - Juris; SG Hamburg, Urteil vom 17. Dezember 2007 – S 56 SO 365/07; SG Hamburg, Beschluss vom 3. Februar 2009 S 48 KR 1330/08 ER - Juris). Das HeimG kann für die Auslegung des geeigneten Ortes bereits deshalb nicht herangezogen werden, weil die Zielsetzung des Gesetzes nicht darauf abzielt, Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu definieren. Nach § 2 HeimG ist der Zweck des Gesetzes, vorrangig die Interessen und Bedürfnisse der Bewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen und ihre Rechte gegenüber dem Heimträger zu wahren. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 HeimG sind Heime Einrichtungen, die dem Zweck dienen, ältere Menschen oder pflegebedürftige oder behinderte Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden. § 1 Abs. 2 Satz 3 HeimG ist zu entnehmen, dass das HeimG Anwendung findet, wenn die Bewohner verpflichtet sind, Verpflegung und weitergehende Betreuungsleistungen anzunehmen.
Trotz Vorliegens der Voraussetzungen von § 1 HeimG sind die Unterschiede zum betreuten Wohnen vergleichsweise gering. Beim betreuten Wohnen handelt es sich um kleinere Wohngruppen, die eher nach dem Prinzip einer Wohngemeinschaft organisiert sind und bei denen die Bewohner ein möglichst selbständiges Leben führen sollen. Die Betreuungsleistungen zielen darauf ab, dass die Bewohner noch in der Lage sind, ein weitgehend selbstbestimmtes Leben zu führen. Art und Umfang der Betreuungsleistungen hängen jedoch stark von den gesundheitlichen Einschränkungen der Bewohner ab. Mitunter ist auch wie in einem Heim eine ständige Aufsicht und Betreuung bei den täglichen Verrichtungen erforderlich. Einrichtungen der Behindertenhilfe, in denen Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 und 54 SGB XII gewährt wird, können als institutionalisierte betreute Wohnformen angesehen werden. Es leben dort mehr Bewohner, die Einrichtung ist nicht vom Wechsel der Bewohner abhängig und die Betreuungsleistungen werden gebündelt und abgestuft erbracht. Die Vermeidung einer stationären Unterbringung ist nach den Gesetzesmaterialien ein Grund für die Ausweitung des Haushaltsbegriffs gewesen (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungs-gesetz – GKV-WSG), Bundestags-Drucksache 16/3100 vom 24. Oktober 2006 Seite 104 zu Nr. 22 (§ 37)). An dieser Stelle wird deutlich, dass das Merkmal stationär zur Differenzierung nicht ausreicht, denn die stationäre Wohneinrichtung soll gerade die stationäre Krankenbehandlung verhindern. Vom Gesetzgeber gemeint sind vielmehr die Einrichtungen mit Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege wie Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen, Hospize und Pflegeheime. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Lückenschließung und damit die Sicherung der umfassenden Versorgung der Betreuten mit medizinischer Behandlungspflege ist deshalb nur sicherzustellen, wenn der Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegen den Träger der Krankenversicherung auch in stationären Einrichtungen, die den Bestimmungen des HeimG unterliegen, immer dann einsetzt, wenn ein Anspruch gegen den Einrichtungsträger auf diese Leistung endet oder von vornherein nicht besteht.
Vorrangiges gesetzgeberisches Ziel der Erweiterung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V durch das GKV-WSG war es, Lücken zwischen ambulanter und stationärer Versorgung zu schließen.
In der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 37 SGB V heißt es:
"Die Beschränkung der Leistungen zur häuslichen Krankenpflege auf Haushalt und Familie des Versicherten hat sich im Hinblick auf das Ziel, vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, als kontraproduktiv erwiesen. Die Neuregelung bewirkt durch eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht benachteiligt werden. Betreute Wohnformen, deren Bewohner ambulante Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten, sollen verbesserte Angebote für ambulant Pflegebedürftige darstellen; dem wird durch die Änderung Rechnung getragen. Darüber hinaus wird im Hinblick auf bestimmte, eng begrenzte Personengruppen durch den erweiterten Haushaltsbegriff eine vorschnelle Einweisung in stationäre Einrichtungen verhindert. Ein "geeigneter Ort" für die Leistung häuslicher Krankenpflege durch die GKV ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich der Versicherte in einer Einrichtung befindet, in der er nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung hat. Um die notwendige Flexibilität bei der Bestimmung der geeigneten Erbringungsorte zu wahren, wird auf eine gesetzliche Festlegung verzichtet und die Definition dem Gemeinsamen Bundesausschuss übertragen. Dieser Lösungsweg vermeidet Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung. Nach geltendem Recht besteht beispielsweise dann kein gesetzlicher Anspruch, wenn sich ein nicht pflegebedürftiger Patient nach einem Krankenhausaufenthalt übergangsweise in eine Kurzzeitpflegeeinrichtung begeben muss, weil eine Versorgung in der eigenen Häuslichkeit noch nicht ausreichend sichergestellt ist. Auch dieser Fall soll von der Neuregelung erfasst sein." (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG), Bundestags-Drucksache 16/3100 vom 24. Oktober 2006 Seite 104 zu Nr. 22 (§ 37)).
Dieses gesetzgeberische Ziel wäre nur schwer zu erreichen, wenn man eine stationäre Unterbringung der behinderten Versicherten nach dem HeimG für die häusliche Krankenpflege als anspruchsvernichtend ansähe. Fälle wie der vorliegende zeigen, dass der Übergang zwischen dem eindeutig vom Wortlaut des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V anspruchsbegründend erfassten "betreuten Wohnformen" und stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe fließend sind; deshalb ist es kaum möglich, zwischen diesen Betreuungsformen eine klare, eindeutige und überzeugende Abgrenzung zu finden; die daraus entstehende Unsicherheit setzte sich bei der Auslegung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V fort. Der Gesetzgeber hat um der "notwendigen Flexibilität bei der Bestimmung geeigneter Erbringungsorte” Willen bewusst auf eine gesetzliche Festlegung der geeigneten Erbringungsorte verzichtet, sondern lässt durch seine Formulierung ("insbesondere”) Raum für weitere Orte der Leistungserbringung. Nicht begründet werden sollte ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege durch ambulante Pflegedienste in Einrichtungen, die vertraglich zur Erbringung von Pflegeleistungen verpflichtet sind.
Für eine Einbeziehung stationärer Einrichtungen der Behindertenhilfe als geeigneten Ort spricht auch, dass § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V für Versicherte, die sich in gemäß § 43 SGB XI zugelassenen Pflegeeinrichtungen befinden, eine Ausnahmeregelung enthält. Häusliche Krankenpflege kann danach gewährt werden, wenn ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege besteht. Sofern unter besonderen Voraussetzungen in einer Pflegeeinrichtung, die grundsätzlich alle pflegerischen und medizinischen Versorgungsleistungen übernehmen muss und über entsprechendes Personal verfügt, Behandlungspflege gewährt werden kann, muss das erst recht bei einer stationären Wohneinrichtung gelten, bei der kein Anspruch auf Behandlungspflege besteht. Auch werden in dem Ausnahmetatbestand stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe nicht erwähnt. Da es keinen Grund gibt, die Bewohner derartiger Einrichtungen von der Versorgung auszuschließen, ist es naheliegend, dass der Gesetzgeber von einem bereits grundsätzlich bestehenden Anspruch ausgegangen ist (siehe die Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit vom 11. Mai 2009).
Auch aus der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (Häusliche Krankenpflege-Richtlinie )HKP-RL() nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 und Abs. 7 SGB V in der Neufassung vom 17. September 2009 (Bundesanzeiger )BAnz( 2010 Nr. 21 a vom 9. Februar 2010, Beilage) in der seit 15. Januar 2011 geltenden Fassung vom 15. Oktober 2010 (BAnz 2011 Nr. 16 vom 28. Januar 2011 Seite 339) ergibt sich, dass der Anspruch auf häusliche Krankenpflege in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe maßgeblich davon abhängt, ob der Einrichtungsträger verpflichtet ist, Behandlungspflege zu erbringen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. Juli 2008 – L 16 B 32/08 KR ER - Juris).
In § 1 Abs. 2 der Richtlinie heißt es,
"Häusliche Krankenpflege wird im Haushalt der oder des Versicherten oder ihrer oder seiner Familie erbracht. Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht auch an sonstigen geeigneten Orten, an denen sich die oder der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen - die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und - für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (z. B. im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung), wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Orte im Sinne des Satz 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein. Ein Anspruch besteht auch für Versicherte, die nicht nach § 14 SGB XI pflegebedürftig sind, während ihres Aufenthalts in teilstationären Einrichtungen der Tages- und Nachtpflege, wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes in der Einrichtung der Tages- oder Nachtpflege notwendig ist sowie in Kurzzeitpflegeeinrichtungen (siehe auch Abs. 6)".
Ergänzend regelt § 1 Abs. 6 Abs. 1 HKP-RL:
"Für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z. B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkassen zu prüfen."
Der Gemeinsame Bundesausschuss ist nach § 37 Abs. 6 SGB V ermächtigt, in Richtlinien nach § 92 SGB V festzulegen, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 des § 37 SGB V auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können. Aus der Ausschlussregelung ergibt sich, dass eine Einrichtung der stationären Behindertenhilfe jedenfalls dann als "geeigneter Ort" angesehen werden kann, wenn die Einrichtung nicht verpflichtet ist, selbst Leistungen der Behandlungspflege zu erbringen. Das bedeutet, dass grundsätzlich allein der Aufenthalt in stationären Einrichtungen dem Anspruch nicht entgegensteht, sondern nur der Umstand, dass ein Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Träger der Einrichtung besteht. Das wird exemplarisch bei Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen und Pflegeheimen angenommen. Sofern schon der Aufenthalt in "Einrichtungen" zu einem Ausschluss führen würde, wäre es überflüssig gewesen, auf einen möglichen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege abzustellen. Es hätte für einen Ausschluss ausgereicht, auf den stationären Aufenthalt in einer Einrichtung abzustellen. Folgerichtig ist nach § 1 Abs. 6. Satz 2 der Richtlinie im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen, ob ein solcher Anspruch besteht. Gemeint ist hiermit die Prüfung, ob in der Einrichtung ein Anspruch auf Behandlungspflege besteht.
Für diese Auslegung spricht auch, dass das Bundesministerium der Gesundheit (BMG) die HKP-RL in der Fassung vom 17. Januar 2008/10. April 2008 (BAnz 2008 Nr. 84 Seite 2028, 2029 und 2030) nur unter der Voraussetzung genehmigt hat, dass die ursprünglich geplante Aufnahme der Behinderteneinrichtungen im Klammerzusatz gestrichen wurde (Beanstandung und Auflage des Beschlusses vom 17. Januar 2008 des gemeinsamen Bundesausschusses durch das BMG am 20. März 2008). Das bedeutet, dass diese Einrichtungen gerade nicht ausgeschlossen werden sollten, wenn durch den Aufenthalt kein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege gegen den Träger begründet wird. Im Auflagenbeschluss des BMG vom 20. März 2008 wird hervorgehoben, dass es im Einzelfall darauf ankomme, dass ein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege außerhalb der Regelung des § 37 SGB V besteht.
Die pauschale Vergütung der Pflegekasse gemäß § 43 a SGB XI zur Abgeltung der Pflegeleistungen und der medizinischen Behandlungspflege, die den Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gezahlt wird, führt nicht zu einem Ausschluss des Anspruchs auf Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 SGB V. Dies gilt nur für Leistungen nach dem SGB XI und nicht für Leistungen der häuslichen Krankenpflege der Krankenkasse nach dem SGB V, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 SGB V vorliegen (Bundessozialgericht )BSG(, Urteil vom 1. September 2005 – B 1 KR 19/04 R - SozR 4-2500 § 37 Nr.5). Gegen eine Abgeltung der Leistungen nach dem SGB V spricht auch die niedrige Pauschale von 256 EUR, die nicht überschritten werden darf.
Vorliegend hat die Antragstellerin keinen Anspruch auf Gewährung von Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege gegenüber dem Träger der Wohnstätte "XY", dem Behinderten-Werk M e. V. Nach § 3 des Wohnvertrags in Verbindung mit Ziffer 5. der Vereinbarung über Leistungsausschluss vom 5. Oktober 2011 ist der Einrichtungsträger nicht zur Erbringung häuslicher Krankenpflege/medizinischer Behandlungspflege und medizinischer beziehungsweise andere Therapien verpflichtet. Der Anspruch der Antragstellerin auf Grundpflege nach § 4 Abs. 4 des Wohnvertrages beinhaltet nicht den Anspruch der Antragstellerin auf die hier streitbefangenen subkuten Injektionen. Denn hierbei handelt es sich weder um eine grundpflegerische Leistung noch um eine bloße unterstützende Leistung im pflegerischen Bereich, wie beispielsweise die einfache Gabe von Medikamenten. Eine Verpflichtung des MWMK zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege ergibt sich auch weder aus dem Hessischen Rahmenvertrag nach § 79 Abs. 1 SGB XII zu den Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII noch aus der zwischen dem Landeswohlfahrtsverband Hessen und dem BWMK abgeschlossene Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII in Verbindung mit § 76 ff. SGB XII.
Die Kammer bejaht auch einen Anordnungsgrund für eine vorläufige Regelung.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss für die Abwendung wesentlicher Nachteile nötig sein; d.h., es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert. Entscheidend ist, ob es bei einer Interessenabwägung für den Betroffenen zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rdnr. 28). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt die Annahme eines Anordnungsgrundes voraus, dass anderenfalls mit schweren und unzumutbaren Nachteilen zu rechnen ist, weil das Abwarten des Hauptsacheverfahrens zu einem Risiko irreversibler gesundheitlicher Beeinträchtigungen führt, und der Betroffene nicht in der Lage ist, die Kosten vorläufig selbst zu tragen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86b Rdnr. 33a).
Die Leistungsträger im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung haben den Versicherten zu gewährleisten, dass die normierten Sach- und Dienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) zur Verfügung gestellt werden. Die Grundentscheidung, jedem Versicherten die zur Erhaltung, Wiederherstellung oder Besserung des Gesundheitszustandes erforderlichen Dienste oder Heil- und Hilfsmittel zu verschaffen, dient dem Schutz der Mehrheit der Kassenmitglieder. Deren verfügbares, für die Lebensführung verwendbares Erwerbseinkommen reicht in der Regel nicht aus, Arzneien, Heil- oder Hilfsmittel zusätzlich zum Beitrag in mehr als geringem Umfang vorzufinanzieren (BSG, Urteil vom 16. Dezember 1993 - 4 RK 5/92 - BSGE 73, 271, 275 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 4). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass den Versicherten regelmäßig erhebliche finanzielle Mittel für eine zusätzliche selbständige Vorsorge im Krankheitsfall und insbesondere für die Beschaffung von notwendigen Leistungen der Krankenbehandlung außerhalb des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zur Verfügung stehen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 – SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 = BVerfGE 115, 25-51 – Rdnr. 52). Das gesetzliche Naturalleistungsgebot schließt dementsprechend grundsätzlich auch die Selbstbeschaffung von Diensten oder Sachen aus.
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es ist nachvollziehbar, dass die Eingliederungshilfe nach dem SGB XII beziehende Antragstellerin bei einem monatlichen Nettoverdienst von 106,86 EUR aus ihrer Beschäftigung in einer Werkstatt für Behinderte nicht in der Lage ist, die Kosten der Behandlungspflege zu tragen. Dies gilt umso mehr im Hinblick darauf, dass die Behandlungspflege auf nicht absehbare Zeit erforderlich sein dürfte. Die Antragstellerin hat auch nachvollziehbar dargelegt, dass ihre Gesundheit gefährdet ist, wenn keine Behandlungspflege erfolgt. Dr. K bestätigt in seiner Bescheinigung vom 28. September 2012, dass ein Unterlassen der Injektionen unweigerlich zu einer eruptiven Bildung von Entzündungsherden der Haut, also zu schmerzenden Hautschäden mit Gefahr der Superinfektion, insbesondere im hier vorliegenden Fall eines Diabetes mellitus, führen würde. Der Antragstellerin ist deshalb nicht zuzumuten, den Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache abzuwarten.
Allerdings war eine Kostenübernahme der Behandlungspflege zunächst nur längstens bis zum 31. Dezember 2013 zuzusprechen. Die Befristung der vorläufigen Leistungsverpflichtung der Antragsgegnerin trägt dem Umstand Rechnung, dass bei einer regelmäßig wiederkehrenden Leistung der Krankenbehandlung das Weiterbestehen der Anspruchsvoraussetzungen zu überprüfen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Antragstellerin war unter Beiordnung von Rechtanwältin B Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da die Voraussetzungen des § 73 a SGG in Verbindung mit § 114 ZPO vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved