Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 214/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 1.868,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.07.2012 zu zahlen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Der Streitwert wird auf 1.868,56 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten weitere Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 1.868,56 EUR. Streitig ist insbesondere, ob die Klägerin anlässlich einer im Jahre 2012 durchgeführten Krankenhausbehandlung die Fallpauschale (DRG = Diagnosis Related Group) "F48Z" (laut Fallpauschalen-Katalog 2012: geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen des Kreislaufsystems) abrechnen kann.
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus mit 93 Planbetten, von denen 55 Betten auf das Teilgebiet "Innere Medizin" entfallen (Feststellungsbescheid der Bezirksregierung Köln vom 24.08.2006). Ärztliche Leiterin der internistischen Abteilung ist und war auch zum Behandlungszeitraum Frau Dr. A.; diese ist Fachärztin für Innere Medizin mit der Zusatzbezeichnung "Klinische Geriatrie". Auf der internistischen Abteilung des Krankenhauses der Klägerin behandelte sie stationär vom 30.01. bis 15.02.2012 eine bei der Beklagten versicherte Patientin. Hierfür stellte die Klägerin der Beklagten im Wege des elektronischen Datenaustausches am 23.02.2012 unter Angabe der DRG F48Z und des Operationsschlüssels (OPS) 8-550.1 sowie zusätzlicher OPS, u.a. des OPS 8-987.11 nach Abzug des von der Patientin zu zahlenden Eigenanteils 6.988,91 EUR in Rechnung.
Mit Schreiben vom 04.05.2012 an den MDK Nordrhein (BBZ Köln) übersandte die Beklagte dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Nordrhein die Unterlagen im Fall der Patientin über deren stationäre Behandlung vom 30.01. bis 15.02.2012 in der Klinik der Klägerin "mit der Bitte um Begutachtung". Gleichzeitig bat die Beklagte um "Einleitung des Verfahrens für eine Strukturprüfung zum Thema Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung (OPS 8-515.-)". Mit weiterem Schreiben vom 04.05.2012 an den MDK Nordrhein (MFB Stationäre Versorgung) informierte die Beklagte diese Abteilung des MDK von der Einleitung des Begutachtungsverfahrens und des Verfahrens für eine Strukturprüfung. In einer gutachtlichen Stellungnahme vom 06.06.2012 kam der MDK Nordrhein zum Ergebnis, eine allgemeine Aussage zur Erfüllung der Strukturmerkmale des OPS 8.550 könne nicht gemacht werden. Die Strukturvoraussetzungen würden formal dann erfüllt, "wenn Frau Dr. A. die Behandlungsleitung inne hat oder ein Vertreter (Honorararzt) mit der Zusatzbezeichnung Geriatrie, der zudem noch überwiegend in der geriatrischen Einheit tätig sein muss".
Die Beklagte teilte der Klägerin mit, die in der Rechnung angegebene Fallpauschale sei zwischen ihnen nicht vereinbart. Sie erstattete der Klägerin lediglich 5.119,65 EUR unter Zugrundelegung der DRG F77Z (Komplexbehandlung bei multiresistenten Erregern bei Krankheiten und Störungen des Kreislaufsystems).
Am 04.07.2012 hat die Klägerin Klage auf Zahlung der Restvergütung erhoben. Sie hält – von der Beklagten unwidersprochen – die Krankenhausbehandlung für notwendig. Sie ist der Auffassung, die Durchführung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung werde von ihrem Versorgungsauftrag erfasst; der zuletzt ergangene zum Behandlungszeitpunkt geltende Feststellungsbescheid der Bezirksregierung Köln vom 24.08.2006 grenze diese Leistung nicht aus; insoweit bedürfe es aber auch keiner ausdrücklichen Ausweisung im Feststellungsbescheid. Die Durchführung von geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlungen (OPS 8.550) im Rahmen einer kurativen stationären Behandlung gehöre zum Versorgungsauftrag eines Krankenhauses in Nordrhein-Westfalen (NRW), wenn eine Abteilung für Innere Medizin – wie bei der Klägerin – im Feststellungsbescheid ausgewiesen sei. Der Aufgabenbereich der inneren Medizin sei weit gefasst; dazu gehörten auch die bei der Patientin behandlungsbedürftigen Krankheitsbilder. Die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung sei keine eigenständig planungsrechtlich zu erfassende Behandlungsform. Geriatrie sei auch kein eigenständiges Gebiet in den Weiterbildungsordnungen für Ärzte. Um diese Leistung erbringen und abrechnen zu können, sei es nicht erforderlich, dass ein Krankenhaus über eine Geriatrie-Abteilung verfüge. Es gebe zwar eine mit der Beklagten und anderen Krankenkassen geschlossene Vergütungsvereinbarung nach § 11 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) für 2011, nicht jedoch eine solche für 2012. Die Klägerin ist hierzu der Auffassung, dass aus der Vergütungsvereinbarung keine Einschränkungen des Versorgungsauftrages erfolgen könnten; deshalb sei es unerheblich, ob die streitgegenständliche Leistung Gegenstand einer Entgeltvereinbarung sei oder nicht. Die Klägerin bezieht sich für ihre Auffassung auf verschiedene Entscheidungen der Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Sie verweist darauf, dass andere – namentlich acht benannte – Krankenkassen inzwischen anerkannt hätten, dass die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung zum Versorgungsauftrag der Klägerin gehöre, und die entsprechenden Rechnungen im vollem Umfang ausgeglichen hätten. Zu den Strukturvoraussetzungen des OPS 8.550 hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die ärztliche Leiterin der Abteilung Innere Medizin ihres Krankenhauses, Frau Dr. A., im hier maßgeblichen Behandlungszeitraum anwesend gewesen sei, sodass es auf eine Vertretung nicht ankomme.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr 1.868,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.07.2012 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Argument der Klägerin, dass die Geriatrie zum Versorgungsauftrag der inneren Medizin gehöre, mit der Behauptung entgegen, lediglich zwei von 23 Weiterbildungsinhalten der inneren Medizin seien geriatrische Weiterbildungsinhalte; zudem handele es sich um Inhalte, die in der Zusatz-Weiterbildung Geriatrie vermitteln würden; geriatrische Inhalte würden auch in den Weiterbildungsinhalten anderer Gebiete erwähnt, z.B. Neurologie, Physikalische und Rehabilitative Medizin, Psychiatrie und Urologie. Die Krankenhausplanung NRW weise die Geriatrie als eigenständiges Gebiet aus; dass die Geriatrie ein eigenständiges Gebiet sei, erkenne man auch an diversen formalen Voraussetzungen. Die Beklagte weist auf ein Schreiben des Verbandes der Ersatzkassen (VDEK) vom 24.05.2012, in dem dieser im Auftrag aller Krankenkassen der Klägerin mitgeteilt habe, dass im Entgeltzeitraum 2012 keine geriatrische Komplexbehandlung mit dem Haus vereinbart werde. Desweiteren nimmt die Beklagte Bezug auf die zwischen der Klägerin und den Krankenkassen geschlossene Vergütungsvereinbarung nach § 11 KHEntgG für das Jahr 2011; in dieser sei der OPS-Code 8-550, also die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung, nicht vereinbart worden und sei somit auch nicht abrechenbar. Eine Vergütungsvereinbarung für 2012 und 2013 gebe es (noch) nicht; deshalb würden die erbrachten Leistungen auf der Basis der Vereinbarung von 2011 vergütet.
Erstmals mit Schriftsatz vom 19.04.2013 hat die Beklagte ein Gutachten des MDK vom 07.11.2012 vorgelegt. Sie behauptet, dass zwei inhaltliche OPS-Mindestmerkmale nicht erfüllt seien. Für die Kodierung des OPS 8-550.1 fehle es daran, dass keine zwanzig, sondern nur neunzehn Therapieeinheiten erbracht worden seien. Bei dem weiteren angegebenen OPS 8-987.11 fehle es daran, dass statt der geforderten mindestens sieben Behandlungstage lediglich drei Behandlungstage vorlägen. Schon allein aufgrund dieser falschen Kodierung ergebe sich, dass eine frühgeriatrische Komplexbehandlung in diesem Fall nicht berechnet werden dürfe.
Hierzu hat die Klägerin vorgetragen, dass entgegen der Auffassung der Beklagten zwanzig Therapieeinheiten vorlägen; auch das Aufnahmegespräch, das personell, inhaltlich und in seinem Zweck vom Assessment abzugrenzen sei, beinhalte eine Therapieeinheit. Sie verweist insofern auf Ausführungen des DRG-Kompetenzteam Geriatrie. Zur Kodierung des OPS 8-987.11 hat die Klägerin dargelegt und nachgewiesen, dass eine Dokumentation der Behandlung nicht nur bis zum 10.02., sondern auch vom 11. bis 14.02.2012 erfolgt sei, sodass die Mindestanzahl der sieben Behandlungstage erfüllt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die auf Zahlung der Restvergütung für die Behandlung einer Versicherten gerichtete Klage der Krankenhausträgerin gegen die beklagte Krankenkasse ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig; es handelt sich um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat (st. Rspr.; vgl. z.B. BSG, Urteil vom 17.06.2000 – B 3 KR 33/99 R = BSGE 86, 166 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.
Rechtsgrundlage der geltend gemachten Vergütungsansprüche ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch der Versicherten. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch die Versicherten (BSG, Urteil vom 13.12.2001 – B 3 KR 11/01 R = BSGE 89, 104 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 2; Urteil vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R = BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Die näheren Einzelheiten über Aufnahme und Entlassung der Versicherten, Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte sowie die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung ist in dem zwischen der Krankenhausgesellschaft NRW einerseits und verschiedenen Krankenkasse sowie Landesverbänden der Krankenkasse andererseits für das Land NRW geschlossenen "Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V – Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung" (KBV) und – und zuletzt für 2011 – in der Vergütungsvereinbarung nach § 11 KHEntgG vom 05.04.2011 geregelt. Der Behandlungspflicht des Krankenhauses gegenüber den gesetzlich krankenversicherten Patienten steht ein Vergütungsanspruch des Krankenhausträgers gegenüber, der auf der Grundlage der einschlägigen Bestimmungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) festgelegt wird (BSG, Urteil vom 23.07.2002 a.a.O.).
Die Klägerin betreibt ein so genanntes Plankrankenhaus (§ 108 Nr. 2 SGB V), denn sie ist (und war zum Zeitpunkt der Behandlung der Versicherten) in den Krankenhausplan des Landes NRW aufgenommen (vgl. Feststellungsbescheid der Bezirksregierung Köln vom 24.08.2006). Sie ist damit gemäß § 109 Abs. 4 Satz 1 SGB V zur Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) der Versicherten zugelassen und auch im Rahmen des Versorgungsauftrags verpflichtet (§ 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KHEntgG ergibt sich der Versorgungsauftrag des Krankenhauses bei einem Plankrankenhaus aus den Festlegungen des Krankenhausplans in Verbindung mit den Bescheiden zu seiner Durchführung nach § 6 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 3 KHG sowie ggf. einer ergänzenden Vereinbarung nach § 109 Abs. 1 Satz 4 SGB V. Es steht fest und ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig, dass die Versicherte einer stationären Krankenhausbehandlung bedurfte. Die Klägerin hat die notwendigen Leistungen erbracht. Sie war auch berechtigt, diese Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen und die DRG-Fallpauschale F48Z abzurechnen. Dies gilt auch im Bezug auf die in der Rechnung aufgelisteten OPS-Codes 8-550.1 und 8-987.11.
Die Kritik der Beklagten unter Hinweis auf die MDK-Stellungnahme vom 06.06.2012 in Bezug auf die Qualifikation des Leitenden Arztes der Behandlung geht ins Leere. Der MDK hat seinerzeit ausgeführt, er könne eine allgemeine Aussage zur Erfüllung der Strukturmerkmale nicht machen; zugleich hat er jedoch festgehalten, dass die Strukturvoraussetzungen formal dann erfüllt sind, wenn Frau Dr. A. die Behandlungsleitung innehat. Die Klägerin hat dargelegt, dass die Leitende Ärztin der Abteilung Innere Medizin des Krankenhauses der Klägerin, Dr. A., im Behandlungszeitraum durchgehend anwesend war und kein Vertretungsfall vorlag. Ausweislich der auch im Internet für jede interessierte Person einsehbaren Informationen über Dr. A. ist diese Fachärztin für Innere Medizin mit der Zusatzbezeichnung "Klinische Geriatrie". In dieser Hinsicht sind also die Strukturvoraussetzungen des OPS 8.550 erfüllt.
Die Klägerin hat für die Kammer überzeugend die Behauptungen der Beklagten, dass in Bezug auf diese beiden OPS-Codes inhaltliche Mindestvoraussetzungen nicht erfüllt seien widerlegt. Der OPS 8-550.1 ist zutreffend kodiert, weil die Klägerin die hierfür geforderten mindestens zwanzig Therapieeinheiten in vierzehn Behandlungstagen erbracht hat. Und durch die vorgelegte Dokumentation hat die Klägerin nachgewiesen, dass auch die für den OPS 8-987.11 geforderten mindestens sieben Behandlungstage vorliegen.
Unabhängig hiervon ist die Beklagte aber auch mit den Einwendungen, wie sie sich aus dem – erstmals am 19.04.2013 vorgelegten Gutachten – des MDK vom 07.11.2012 ergeben, ausgeschlossen. Denn sie hat die 6-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V versäumt. § 275 Abs. 1c SGB V bestimmt, dass bei einer Krankenhausbehandlung nach § 39 eine Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie der ordnungsgemäßen Abrechnung zeitnah durchzuführen ist (Satz 1). Die Prüfung ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK anzuzeigen (Satz 2). Ausweislich der in der Verwaltungsakte der Beklagten befindlichen Schreiben an den MDK Nordrhein (BBZ Köln und MFB Stationäre Versorgung) ist die Prüfung nach § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V erst am 04.05.2012 eingeleitet worden, mehr als zehn Wochen nach Eingang der Krankenhausrechnung am 23.02.2012. Die somit eingetretene Fristversäumnis nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V bewirkt einen Einwendungsausschluss gegenüber der gesamten, vom Krankenhaus zur Abrechnung übermittelten Rechnung; es handelt sich bei dieser Frist um eine auch im Gerichtsverfahren zu beachtenden Ausschlussfrist (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13.07.2011 – L 1 KR 501/10; BSG, Urteil vom 16.05.2012 – B 3 KR 14/11 R; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.11.2012 – L 4 KR 339/10). Hinzu kommt, dass der MDK die (angebliche) Nichterfüllung der inhaltlichen Mindestvoraussetzungen an den OPS 8-550.1 und 8-987.11 erst im Gutachten vom 07.11.2012 aufgezeigt und die Beklagte dieses Gutachten sogar erst am 19.04.2013 – vier Tage vor der mündlichen Verhandlung – in das Verfahren eingeführt hat. Nach Auffassung des LSG für das Saarland (Urteil vom 21.03.2012 – L 2 KR 57/11) ist eine Prüfung "zeitnah" im Sinne des § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V, wenn die sie innerhalb von zwölf Wochen nach Einleitung des Prüfverfahrens abgeschlossen ist; dieser Zeitraum dürfe nur bei Vorliegen eines zureichenden Grundes überschritten werden. Im vorliegenden Fall erging die Stellungnahme zu den inhaltlichen Mindestmerkmalen mehr als zehn Monate nach Eingang der Rechnung der Klägerin bei der Beklagten und noch mehr als ein halbes Jahr nach Erteilung des Begutachtungsauftrags an den MDK, ohne dass für diese Zeitspanne ein zureichender Grund ersichtlich ist. Bei diesem Zeitablauf ist die Prüfung nicht mehr zeitnah erfolgt. Der Verstoß gegen das Gebot der zeitnahen Prüfung hat zur Folge, dass die Krankenkasse mit ihren Einwendungen ausgeschlossen ist (LSG für Saarland, Urteil vom 21.03.2012 – L 2 KR 57/11).
Die Klägerin hat Anspruch auf Begleichung ihrer Kosten nach der Fallpauschale F48Z, weil sie die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung im Rahmen ihres Versorgungsauftrags erbracht hat. Die konkreten Behandlungsmöglichkeiten und -pflichten eines Krankenhauses werden durch den ihm erteilten Versorgungsauftrag bestimmt. Für Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 2 SGB V) – wie das Krankenhaus der Klägerin – sind primär der Krankenhausplan in Verbindung mit den Bescheiden zu seiner Durchführung sowie sekundär gegebenenfalls ergänzende Vereinbarungen nach § 109 Abs. 1 Satz 4 SGB V beachtlich (BSG, Urteil vom 24.01.2008 – B 3 KR 17/07 R).
Hiervon ausgehend ist der Krankenhausplan NRW in Verbindung mit dem dazu ergangenen Feststellungsbescheid der zuständigen Bezirksregierung Köln vom 24.08.2006, der u.a. den Versorgungsauftrag des Krankenhauses regelt (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KHEntgG), maßgebend. Danach ist für das von der Klägerin betriebene Krankenhaus u.a. das Gebiet "Innere Medizin" mit 55 Betten ausgewiesen. Nach der Weiterbildungsordnung für Ärzte der nordrheinwestfälischen Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe, an der sich nach dem Krankenhausplan die der Planung zugrunde liegenden Gebiete und Schwerpunkte (Teilgebiete) orientieren, ist die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung dem internistischen Versorgungsauftrag der Klägerin zuzuordnen. Die für den entscheidungserheblichen Vergütungszeitraum maßgeblichen Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern ordnen Ort und Leistungen der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung nicht exklusiv der Geriatrie zu. Vielmehr zählen sie u.a. zum Weiterbildungsinhalt des Gebietes Innere Medizin. Zu den Inhalten der Facharztkompetenz Innere Medizin gehört auch der Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeit in geriatrischen Syndromen und Krankheitsfolgen im Alter. Bei der Erkennung und Behandlung von Erkrankungen ist auch die Berücksichtigung dieser Erkrankungen im höheren Lebensalter vorgesehen. Ferner sehen die Weiterbildungsordnungen weder ein eigenes Fachgebiet noch einen Schwerpunkt Geriatrie vor, sondern lediglich eine Zusatz-Weiterbildung, mit der die fachliche Kompetenz in Geriatrie erlangt werden soll (OVG NRW, Urteil vom 22.11.2012 – 13 A 2379/11; in diesem Sinne auch: VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24.08.2011 – 7 K 3163/09; VG Münster, Urteil vom 23.06.2010 – 9 K 249/09; SG Duisburg, Urteil vom 30.04.2010 – S 9 KR 195/07). Wie zuletzt das OVG NRW im Urteil vom 22.11.2012 (a.a.O.) ausdrücklich festgestellt hat, ist die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung eine Leistungsform der Frührehabilitation und gehört als solche zu den allgemeinen Krankenhausleistungen. Sie ist auch dann vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst, wenn keine Abteilung für Geriatrie und keine Betten für die Frührehabilitation ausgewiesen sind.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die Vergütungsvereinbarung, die die Klägerin und die Krankenkassen für 2011 geschlossen haben, der Abrechnungsfähigkeit der im Jahre 2012 durchgeführten geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung (DRG F48Z) nicht entgegen. Nach § 11 Abs. 1 KHEntgG regeln die Vertragsparteien (nach § 18 Abs. 2 KHG) unter Beachtung des Versorgungsauftrags die Vergütungsumstände und Vergütungsgegenstände. Dies ist zwischen den Beteiligten zwar für 2011 geschehen, nicht aber für den hier streitbefangenen Behandlungszeitraum im Jahre 2012. Die "Vereinbarung gemäß § 11 KHEntgG für 2011" vom 05.04.2011, auf die die Beklagte sich beruft, gilt ausdrücklich gem. § 2 der Vereinbarung nur "für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.12.2011". Dies gilt auch in Bezug auf die Regelungen in § 11 Abs. 5 dieser Vergütungsvereinbarung, in der für den OPS-Code 8-550 (geriatrische frührehabilitativen Komplexbehandlung) die Erfüllung der Mindestmerkmale nicht angekreuzt ist. Angesichts des eindeutig begrenzten Geltungszeitraums auf das Jahr 2011 gilt die Vergütungsvereinbarung vom 05.04.2011 entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auch im Jahre 2012. Ausweislich eines von der Klägerin vorgelegten Ergebnisprotokolls über das Fachgespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Schiedsstellen RHG, Kostenträger, KGNW und Bezirksregierungen am 05.11.2012 im Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes NRW haben die Gesprächspartner Einigkeit darüber erzielt, dass für den Fall, dass entgegen dem gesetzlichen Auftrag während des Vereinbarungszeitraums noch kein Budget vorliegt, bereits innerhalb des Versorgungsauftrages erbrachte Leistungen grundsätzlich zu berücksichtigen sind, soweit diese medizinisch notwendig waren (Ist-Leistungen).
Vergütungsvereinbarungen nach § 11 Abs. 1 KHEntgG lassen den Versorgungsauftrag des Krankenhauses unberührt; dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut von § 11 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG ("unter Beachtung des Versorgungsauftrags"). Solange eine Krankenhausbehandlung dem Versorgungsauftrag entspricht und in bestehenden schriftlichen (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 4, 2. Halbsatz KHEntgG: "Sie ist schriftlich zu vereinbaren") Verträgen die Abrechnung bestimmter DRG-Ziffern nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, kann das Krankenhaus die im Rahmen seines Versorgungsauftrags erbrachten Leistungen nach den Fallpauschalen des maßgeblichen Fallpauschalenkatalogs – hier des Jahres 2012 – abrechnen, auch wenn diese in der Einzelvereinbarung keine Berücksichtigung gefunden haben (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.11.2011 – L 1 KR 119/09). Dies gilt erst recht, wenn das Krankenhaus und die Krankenkassen – wie für 2012 – überhaupt noch keine Vergütungsvereinbarung getroffen haben.
Der Anspruch auf Prozesszinsen steht der Klägerin ab 04.07.2012 zu, weil an diesem Tag die Klage beim Sozialgericht eingegangen und daher die sozialgerichtliche Rechtshängigkeit nach § 94 SGG eingetreten ist. Die Geldschuld ist gem. § 291 Satz 1 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen (zum Anspruch auf Prozesszinsen für Vergütungsforderungen eines zugelassenen Leistungserbringers gegen eine Krankenkasse: BSG, Urteil vom 23.03.2006 – B 3 KR 6/05 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 39 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten weitere Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 1.868,56 EUR. Streitig ist insbesondere, ob die Klägerin anlässlich einer im Jahre 2012 durchgeführten Krankenhausbehandlung die Fallpauschale (DRG = Diagnosis Related Group) "F48Z" (laut Fallpauschalen-Katalog 2012: geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen des Kreislaufsystems) abrechnen kann.
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus mit 93 Planbetten, von denen 55 Betten auf das Teilgebiet "Innere Medizin" entfallen (Feststellungsbescheid der Bezirksregierung Köln vom 24.08.2006). Ärztliche Leiterin der internistischen Abteilung ist und war auch zum Behandlungszeitraum Frau Dr. A.; diese ist Fachärztin für Innere Medizin mit der Zusatzbezeichnung "Klinische Geriatrie". Auf der internistischen Abteilung des Krankenhauses der Klägerin behandelte sie stationär vom 30.01. bis 15.02.2012 eine bei der Beklagten versicherte Patientin. Hierfür stellte die Klägerin der Beklagten im Wege des elektronischen Datenaustausches am 23.02.2012 unter Angabe der DRG F48Z und des Operationsschlüssels (OPS) 8-550.1 sowie zusätzlicher OPS, u.a. des OPS 8-987.11 nach Abzug des von der Patientin zu zahlenden Eigenanteils 6.988,91 EUR in Rechnung.
Mit Schreiben vom 04.05.2012 an den MDK Nordrhein (BBZ Köln) übersandte die Beklagte dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Nordrhein die Unterlagen im Fall der Patientin über deren stationäre Behandlung vom 30.01. bis 15.02.2012 in der Klinik der Klägerin "mit der Bitte um Begutachtung". Gleichzeitig bat die Beklagte um "Einleitung des Verfahrens für eine Strukturprüfung zum Thema Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung (OPS 8-515.-)". Mit weiterem Schreiben vom 04.05.2012 an den MDK Nordrhein (MFB Stationäre Versorgung) informierte die Beklagte diese Abteilung des MDK von der Einleitung des Begutachtungsverfahrens und des Verfahrens für eine Strukturprüfung. In einer gutachtlichen Stellungnahme vom 06.06.2012 kam der MDK Nordrhein zum Ergebnis, eine allgemeine Aussage zur Erfüllung der Strukturmerkmale des OPS 8.550 könne nicht gemacht werden. Die Strukturvoraussetzungen würden formal dann erfüllt, "wenn Frau Dr. A. die Behandlungsleitung inne hat oder ein Vertreter (Honorararzt) mit der Zusatzbezeichnung Geriatrie, der zudem noch überwiegend in der geriatrischen Einheit tätig sein muss".
Die Beklagte teilte der Klägerin mit, die in der Rechnung angegebene Fallpauschale sei zwischen ihnen nicht vereinbart. Sie erstattete der Klägerin lediglich 5.119,65 EUR unter Zugrundelegung der DRG F77Z (Komplexbehandlung bei multiresistenten Erregern bei Krankheiten und Störungen des Kreislaufsystems).
Am 04.07.2012 hat die Klägerin Klage auf Zahlung der Restvergütung erhoben. Sie hält – von der Beklagten unwidersprochen – die Krankenhausbehandlung für notwendig. Sie ist der Auffassung, die Durchführung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung werde von ihrem Versorgungsauftrag erfasst; der zuletzt ergangene zum Behandlungszeitpunkt geltende Feststellungsbescheid der Bezirksregierung Köln vom 24.08.2006 grenze diese Leistung nicht aus; insoweit bedürfe es aber auch keiner ausdrücklichen Ausweisung im Feststellungsbescheid. Die Durchführung von geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlungen (OPS 8.550) im Rahmen einer kurativen stationären Behandlung gehöre zum Versorgungsauftrag eines Krankenhauses in Nordrhein-Westfalen (NRW), wenn eine Abteilung für Innere Medizin – wie bei der Klägerin – im Feststellungsbescheid ausgewiesen sei. Der Aufgabenbereich der inneren Medizin sei weit gefasst; dazu gehörten auch die bei der Patientin behandlungsbedürftigen Krankheitsbilder. Die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung sei keine eigenständig planungsrechtlich zu erfassende Behandlungsform. Geriatrie sei auch kein eigenständiges Gebiet in den Weiterbildungsordnungen für Ärzte. Um diese Leistung erbringen und abrechnen zu können, sei es nicht erforderlich, dass ein Krankenhaus über eine Geriatrie-Abteilung verfüge. Es gebe zwar eine mit der Beklagten und anderen Krankenkassen geschlossene Vergütungsvereinbarung nach § 11 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) für 2011, nicht jedoch eine solche für 2012. Die Klägerin ist hierzu der Auffassung, dass aus der Vergütungsvereinbarung keine Einschränkungen des Versorgungsauftrages erfolgen könnten; deshalb sei es unerheblich, ob die streitgegenständliche Leistung Gegenstand einer Entgeltvereinbarung sei oder nicht. Die Klägerin bezieht sich für ihre Auffassung auf verschiedene Entscheidungen der Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit. Sie verweist darauf, dass andere – namentlich acht benannte – Krankenkassen inzwischen anerkannt hätten, dass die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung zum Versorgungsauftrag der Klägerin gehöre, und die entsprechenden Rechnungen im vollem Umfang ausgeglichen hätten. Zu den Strukturvoraussetzungen des OPS 8.550 hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die ärztliche Leiterin der Abteilung Innere Medizin ihres Krankenhauses, Frau Dr. A., im hier maßgeblichen Behandlungszeitraum anwesend gewesen sei, sodass es auf eine Vertretung nicht ankomme.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr 1.868,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.07.2012 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Argument der Klägerin, dass die Geriatrie zum Versorgungsauftrag der inneren Medizin gehöre, mit der Behauptung entgegen, lediglich zwei von 23 Weiterbildungsinhalten der inneren Medizin seien geriatrische Weiterbildungsinhalte; zudem handele es sich um Inhalte, die in der Zusatz-Weiterbildung Geriatrie vermitteln würden; geriatrische Inhalte würden auch in den Weiterbildungsinhalten anderer Gebiete erwähnt, z.B. Neurologie, Physikalische und Rehabilitative Medizin, Psychiatrie und Urologie. Die Krankenhausplanung NRW weise die Geriatrie als eigenständiges Gebiet aus; dass die Geriatrie ein eigenständiges Gebiet sei, erkenne man auch an diversen formalen Voraussetzungen. Die Beklagte weist auf ein Schreiben des Verbandes der Ersatzkassen (VDEK) vom 24.05.2012, in dem dieser im Auftrag aller Krankenkassen der Klägerin mitgeteilt habe, dass im Entgeltzeitraum 2012 keine geriatrische Komplexbehandlung mit dem Haus vereinbart werde. Desweiteren nimmt die Beklagte Bezug auf die zwischen der Klägerin und den Krankenkassen geschlossene Vergütungsvereinbarung nach § 11 KHEntgG für das Jahr 2011; in dieser sei der OPS-Code 8-550, also die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung, nicht vereinbart worden und sei somit auch nicht abrechenbar. Eine Vergütungsvereinbarung für 2012 und 2013 gebe es (noch) nicht; deshalb würden die erbrachten Leistungen auf der Basis der Vereinbarung von 2011 vergütet.
Erstmals mit Schriftsatz vom 19.04.2013 hat die Beklagte ein Gutachten des MDK vom 07.11.2012 vorgelegt. Sie behauptet, dass zwei inhaltliche OPS-Mindestmerkmale nicht erfüllt seien. Für die Kodierung des OPS 8-550.1 fehle es daran, dass keine zwanzig, sondern nur neunzehn Therapieeinheiten erbracht worden seien. Bei dem weiteren angegebenen OPS 8-987.11 fehle es daran, dass statt der geforderten mindestens sieben Behandlungstage lediglich drei Behandlungstage vorlägen. Schon allein aufgrund dieser falschen Kodierung ergebe sich, dass eine frühgeriatrische Komplexbehandlung in diesem Fall nicht berechnet werden dürfe.
Hierzu hat die Klägerin vorgetragen, dass entgegen der Auffassung der Beklagten zwanzig Therapieeinheiten vorlägen; auch das Aufnahmegespräch, das personell, inhaltlich und in seinem Zweck vom Assessment abzugrenzen sei, beinhalte eine Therapieeinheit. Sie verweist insofern auf Ausführungen des DRG-Kompetenzteam Geriatrie. Zur Kodierung des OPS 8-987.11 hat die Klägerin dargelegt und nachgewiesen, dass eine Dokumentation der Behandlung nicht nur bis zum 10.02., sondern auch vom 11. bis 14.02.2012 erfolgt sei, sodass die Mindestanzahl der sieben Behandlungstage erfüllt sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die auf Zahlung der Restvergütung für die Behandlung einer Versicherten gerichtete Klage der Krankenhausträgerin gegen die beklagte Krankenkasse ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig; es handelt sich um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat (st. Rspr.; vgl. z.B. BSG, Urteil vom 17.06.2000 – B 3 KR 33/99 R = BSGE 86, 166 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 1). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.
Rechtsgrundlage der geltend gemachten Vergütungsansprüche ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Krankenhausbehandlungsanspruch der Versicherten. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch die Versicherten (BSG, Urteil vom 13.12.2001 – B 3 KR 11/01 R = BSGE 89, 104 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 2; Urteil vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R = BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3). Die näheren Einzelheiten über Aufnahme und Entlassung der Versicherten, Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte sowie die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung ist in dem zwischen der Krankenhausgesellschaft NRW einerseits und verschiedenen Krankenkasse sowie Landesverbänden der Krankenkasse andererseits für das Land NRW geschlossenen "Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V – Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung" (KBV) und – und zuletzt für 2011 – in der Vergütungsvereinbarung nach § 11 KHEntgG vom 05.04.2011 geregelt. Der Behandlungspflicht des Krankenhauses gegenüber den gesetzlich krankenversicherten Patienten steht ein Vergütungsanspruch des Krankenhausträgers gegenüber, der auf der Grundlage der einschlägigen Bestimmungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) und des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) festgelegt wird (BSG, Urteil vom 23.07.2002 a.a.O.).
Die Klägerin betreibt ein so genanntes Plankrankenhaus (§ 108 Nr. 2 SGB V), denn sie ist (und war zum Zeitpunkt der Behandlung der Versicherten) in den Krankenhausplan des Landes NRW aufgenommen (vgl. Feststellungsbescheid der Bezirksregierung Köln vom 24.08.2006). Sie ist damit gemäß § 109 Abs. 4 Satz 1 SGB V zur Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) der Versicherten zugelassen und auch im Rahmen des Versorgungsauftrags verpflichtet (§ 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KHEntgG ergibt sich der Versorgungsauftrag des Krankenhauses bei einem Plankrankenhaus aus den Festlegungen des Krankenhausplans in Verbindung mit den Bescheiden zu seiner Durchführung nach § 6 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 3 KHG sowie ggf. einer ergänzenden Vereinbarung nach § 109 Abs. 1 Satz 4 SGB V. Es steht fest und ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig, dass die Versicherte einer stationären Krankenhausbehandlung bedurfte. Die Klägerin hat die notwendigen Leistungen erbracht. Sie war auch berechtigt, diese Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen und die DRG-Fallpauschale F48Z abzurechnen. Dies gilt auch im Bezug auf die in der Rechnung aufgelisteten OPS-Codes 8-550.1 und 8-987.11.
Die Kritik der Beklagten unter Hinweis auf die MDK-Stellungnahme vom 06.06.2012 in Bezug auf die Qualifikation des Leitenden Arztes der Behandlung geht ins Leere. Der MDK hat seinerzeit ausgeführt, er könne eine allgemeine Aussage zur Erfüllung der Strukturmerkmale nicht machen; zugleich hat er jedoch festgehalten, dass die Strukturvoraussetzungen formal dann erfüllt sind, wenn Frau Dr. A. die Behandlungsleitung innehat. Die Klägerin hat dargelegt, dass die Leitende Ärztin der Abteilung Innere Medizin des Krankenhauses der Klägerin, Dr. A., im Behandlungszeitraum durchgehend anwesend war und kein Vertretungsfall vorlag. Ausweislich der auch im Internet für jede interessierte Person einsehbaren Informationen über Dr. A. ist diese Fachärztin für Innere Medizin mit der Zusatzbezeichnung "Klinische Geriatrie". In dieser Hinsicht sind also die Strukturvoraussetzungen des OPS 8.550 erfüllt.
Die Klägerin hat für die Kammer überzeugend die Behauptungen der Beklagten, dass in Bezug auf diese beiden OPS-Codes inhaltliche Mindestvoraussetzungen nicht erfüllt seien widerlegt. Der OPS 8-550.1 ist zutreffend kodiert, weil die Klägerin die hierfür geforderten mindestens zwanzig Therapieeinheiten in vierzehn Behandlungstagen erbracht hat. Und durch die vorgelegte Dokumentation hat die Klägerin nachgewiesen, dass auch die für den OPS 8-987.11 geforderten mindestens sieben Behandlungstage vorliegen.
Unabhängig hiervon ist die Beklagte aber auch mit den Einwendungen, wie sie sich aus dem – erstmals am 19.04.2013 vorgelegten Gutachten – des MDK vom 07.11.2012 ergeben, ausgeschlossen. Denn sie hat die 6-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V versäumt. § 275 Abs. 1c SGB V bestimmt, dass bei einer Krankenhausbehandlung nach § 39 eine Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie der ordnungsgemäßen Abrechnung zeitnah durchzuführen ist (Satz 1). Die Prüfung ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK anzuzeigen (Satz 2). Ausweislich der in der Verwaltungsakte der Beklagten befindlichen Schreiben an den MDK Nordrhein (BBZ Köln und MFB Stationäre Versorgung) ist die Prüfung nach § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V erst am 04.05.2012 eingeleitet worden, mehr als zehn Wochen nach Eingang der Krankenhausrechnung am 23.02.2012. Die somit eingetretene Fristversäumnis nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V bewirkt einen Einwendungsausschluss gegenüber der gesamten, vom Krankenhaus zur Abrechnung übermittelten Rechnung; es handelt sich bei dieser Frist um eine auch im Gerichtsverfahren zu beachtenden Ausschlussfrist (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 13.07.2011 – L 1 KR 501/10; BSG, Urteil vom 16.05.2012 – B 3 KR 14/11 R; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.11.2012 – L 4 KR 339/10). Hinzu kommt, dass der MDK die (angebliche) Nichterfüllung der inhaltlichen Mindestvoraussetzungen an den OPS 8-550.1 und 8-987.11 erst im Gutachten vom 07.11.2012 aufgezeigt und die Beklagte dieses Gutachten sogar erst am 19.04.2013 – vier Tage vor der mündlichen Verhandlung – in das Verfahren eingeführt hat. Nach Auffassung des LSG für das Saarland (Urteil vom 21.03.2012 – L 2 KR 57/11) ist eine Prüfung "zeitnah" im Sinne des § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V, wenn die sie innerhalb von zwölf Wochen nach Einleitung des Prüfverfahrens abgeschlossen ist; dieser Zeitraum dürfe nur bei Vorliegen eines zureichenden Grundes überschritten werden. Im vorliegenden Fall erging die Stellungnahme zu den inhaltlichen Mindestmerkmalen mehr als zehn Monate nach Eingang der Rechnung der Klägerin bei der Beklagten und noch mehr als ein halbes Jahr nach Erteilung des Begutachtungsauftrags an den MDK, ohne dass für diese Zeitspanne ein zureichender Grund ersichtlich ist. Bei diesem Zeitablauf ist die Prüfung nicht mehr zeitnah erfolgt. Der Verstoß gegen das Gebot der zeitnahen Prüfung hat zur Folge, dass die Krankenkasse mit ihren Einwendungen ausgeschlossen ist (LSG für Saarland, Urteil vom 21.03.2012 – L 2 KR 57/11).
Die Klägerin hat Anspruch auf Begleichung ihrer Kosten nach der Fallpauschale F48Z, weil sie die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung im Rahmen ihres Versorgungsauftrags erbracht hat. Die konkreten Behandlungsmöglichkeiten und -pflichten eines Krankenhauses werden durch den ihm erteilten Versorgungsauftrag bestimmt. Für Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 2 SGB V) – wie das Krankenhaus der Klägerin – sind primär der Krankenhausplan in Verbindung mit den Bescheiden zu seiner Durchführung sowie sekundär gegebenenfalls ergänzende Vereinbarungen nach § 109 Abs. 1 Satz 4 SGB V beachtlich (BSG, Urteil vom 24.01.2008 – B 3 KR 17/07 R).
Hiervon ausgehend ist der Krankenhausplan NRW in Verbindung mit dem dazu ergangenen Feststellungsbescheid der zuständigen Bezirksregierung Köln vom 24.08.2006, der u.a. den Versorgungsauftrag des Krankenhauses regelt (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KHEntgG), maßgebend. Danach ist für das von der Klägerin betriebene Krankenhaus u.a. das Gebiet "Innere Medizin" mit 55 Betten ausgewiesen. Nach der Weiterbildungsordnung für Ärzte der nordrheinwestfälischen Ärztekammern Nordrhein und Westfalen-Lippe, an der sich nach dem Krankenhausplan die der Planung zugrunde liegenden Gebiete und Schwerpunkte (Teilgebiete) orientieren, ist die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung dem internistischen Versorgungsauftrag der Klägerin zuzuordnen. Die für den entscheidungserheblichen Vergütungszeitraum maßgeblichen Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern ordnen Ort und Leistungen der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung nicht exklusiv der Geriatrie zu. Vielmehr zählen sie u.a. zum Weiterbildungsinhalt des Gebietes Innere Medizin. Zu den Inhalten der Facharztkompetenz Innere Medizin gehört auch der Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeit in geriatrischen Syndromen und Krankheitsfolgen im Alter. Bei der Erkennung und Behandlung von Erkrankungen ist auch die Berücksichtigung dieser Erkrankungen im höheren Lebensalter vorgesehen. Ferner sehen die Weiterbildungsordnungen weder ein eigenes Fachgebiet noch einen Schwerpunkt Geriatrie vor, sondern lediglich eine Zusatz-Weiterbildung, mit der die fachliche Kompetenz in Geriatrie erlangt werden soll (OVG NRW, Urteil vom 22.11.2012 – 13 A 2379/11; in diesem Sinne auch: VG Gelsenkirchen, Urteil vom 24.08.2011 – 7 K 3163/09; VG Münster, Urteil vom 23.06.2010 – 9 K 249/09; SG Duisburg, Urteil vom 30.04.2010 – S 9 KR 195/07). Wie zuletzt das OVG NRW im Urteil vom 22.11.2012 (a.a.O.) ausdrücklich festgestellt hat, ist die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung eine Leistungsform der Frührehabilitation und gehört als solche zu den allgemeinen Krankenhausleistungen. Sie ist auch dann vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst, wenn keine Abteilung für Geriatrie und keine Betten für die Frührehabilitation ausgewiesen sind.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die Vergütungsvereinbarung, die die Klägerin und die Krankenkassen für 2011 geschlossen haben, der Abrechnungsfähigkeit der im Jahre 2012 durchgeführten geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung (DRG F48Z) nicht entgegen. Nach § 11 Abs. 1 KHEntgG regeln die Vertragsparteien (nach § 18 Abs. 2 KHG) unter Beachtung des Versorgungsauftrags die Vergütungsumstände und Vergütungsgegenstände. Dies ist zwischen den Beteiligten zwar für 2011 geschehen, nicht aber für den hier streitbefangenen Behandlungszeitraum im Jahre 2012. Die "Vereinbarung gemäß § 11 KHEntgG für 2011" vom 05.04.2011, auf die die Beklagte sich beruft, gilt ausdrücklich gem. § 2 der Vereinbarung nur "für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.12.2011". Dies gilt auch in Bezug auf die Regelungen in § 11 Abs. 5 dieser Vergütungsvereinbarung, in der für den OPS-Code 8-550 (geriatrische frührehabilitativen Komplexbehandlung) die Erfüllung der Mindestmerkmale nicht angekreuzt ist. Angesichts des eindeutig begrenzten Geltungszeitraums auf das Jahr 2011 gilt die Vergütungsvereinbarung vom 05.04.2011 entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auch im Jahre 2012. Ausweislich eines von der Klägerin vorgelegten Ergebnisprotokolls über das Fachgespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der Schiedsstellen RHG, Kostenträger, KGNW und Bezirksregierungen am 05.11.2012 im Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes NRW haben die Gesprächspartner Einigkeit darüber erzielt, dass für den Fall, dass entgegen dem gesetzlichen Auftrag während des Vereinbarungszeitraums noch kein Budget vorliegt, bereits innerhalb des Versorgungsauftrages erbrachte Leistungen grundsätzlich zu berücksichtigen sind, soweit diese medizinisch notwendig waren (Ist-Leistungen).
Vergütungsvereinbarungen nach § 11 Abs. 1 KHEntgG lassen den Versorgungsauftrag des Krankenhauses unberührt; dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut von § 11 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG ("unter Beachtung des Versorgungsauftrags"). Solange eine Krankenhausbehandlung dem Versorgungsauftrag entspricht und in bestehenden schriftlichen (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 4, 2. Halbsatz KHEntgG: "Sie ist schriftlich zu vereinbaren") Verträgen die Abrechnung bestimmter DRG-Ziffern nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, kann das Krankenhaus die im Rahmen seines Versorgungsauftrags erbrachten Leistungen nach den Fallpauschalen des maßgeblichen Fallpauschalenkatalogs – hier des Jahres 2012 – abrechnen, auch wenn diese in der Einzelvereinbarung keine Berücksichtigung gefunden haben (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.11.2011 – L 1 KR 119/09). Dies gilt erst recht, wenn das Krankenhaus und die Krankenkassen – wie für 2012 – überhaupt noch keine Vergütungsvereinbarung getroffen haben.
Der Anspruch auf Prozesszinsen steht der Klägerin ab 04.07.2012 zu, weil an diesem Tag die Klage beim Sozialgericht eingegangen und daher die sozialgerichtliche Rechtshängigkeit nach § 94 SGG eingetreten ist. Die Geldschuld ist gem. § 291 Satz 1 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen (zum Anspruch auf Prozesszinsen für Vergütungsforderungen eines zugelassenen Leistungserbringers gegen eine Krankenkasse: BSG, Urteil vom 23.03.2006 – B 3 KR 6/05 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 39 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
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NRW
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