S 12 R 4856/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 4856/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der zeitliche Umfang der Haushaltsführung in einem
Rentnerhaushalt ist nicht pauschal um 50 Prozent zu
kürzen.
2. Bei der Beurteilung des zeitlichen Aufwands für die Haus-
haltsführung kann auf die Tabellenwerte zur Ermittlung des
Haushaltsführungsschadens zurück gegriffen werden.
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 17.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.10.2011 verurteilt, dem Kläger eine Witwerrente ab dem 01.07.2011 nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. 2. Die Beklagte erstattet dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf Witwerrente hat.

Der am 22.06.1924 geborene Kläger war mit der am 19.02.1934 geborenen xxx, geborene xxx (im Folgenden Versicherte), verheiratet. Diese musste aufgrund der Verschlechterung des Zustandes nach einer Herzklappen-OP in der Zeit vom 22.04.2011 bis zum 03.05.2011 stationär behandelt werden. Nach dem Krankenhausaufenthalt wurde sie als Pflegefall nach Hause entlassen, wo sie infolge der Erkrankung am 14.06.2011 verstarb.

Die Versicherte hatte zuletzt im Jahre 1988 versicherungspflichtig gearbeitet. Seit August 1988 erhielt sie eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Seit dem 01.03.1994 erhielt sie eine Altersrente. Diese wurde zuletzt in Höhe von 819,13 EUR monatlich gezahlt. Der Kläger erlitt im Jahre 1970 einen Arbeitsunfall, aufgrund dessen er eine laufende Rente von der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft in Höhe von zuletzt 299,37 EUR monatlich bezieht. Außerdem erhält er seit dem 01.07.1984 eine Regelaltersrente in Höhe von zuletzt 1.096,47 EUR monatlich. Hinzukommt eine betriebliche Altersvorsorge in Höhe von 328,21 EUR monatlich.

Am 30.06.2011 beantragte der Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) eine Witwerrente.

Mit Schreiben vom 21.07.2011 teilte die DRV dem Kläger mit, dass die Voraussetzungen für die begehrte Rente nicht gegeben seien. Er und die Versicherte hätten mit Datum vom 12.12.1988 eine Erklärung dahingehend abgegeben, dass für beide das bis zum 31.12.1985 geltende Hinterbliebenenrecht weiterhin anwendbar sein solle. Danach bestehe für den überlebenden Ehegatten einer Frau nur dann ein Anspruch auf Witwerrente, wenn die Verstorbene überwiegend den Familienunterhalt bestritten habe. Diese für den Ehemann nachteilige Auswirkung des alten Rechts sei durch die Erklärung ausdrücklich in Kauf genommen worden. Nach Durchsicht der Aktenunterlagen erscheine es unwahrscheinlich, dass die Versicherte den Familienunterhalt überwiegend bestritten habe.

In seinem Antwortschreiben teilte der Kläger der DRV mit, dass die Versicherte, solange sie gesundheitlich dazu in der Lage gewesen sei, den Haushalt alleine geführt habe. Er selbst sei aus Krankheitsgründen hierzu nicht in der Lage gewesen. Dies müsse bei der Prüfung des Rentenanspruchs berücksichtigt werden.

Mit Bescheid vom 17.08.2011 lehnte die DRV den Antrag auf Witwerrente ab. Die Versicherte habe im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor ihrem Tod den Unterhalt der Familie nicht überwiegend bestritten. Sie habe zuletzt eine Rente in Höhe von 819,13 EUR bezogen. Er selbst habe hingegen im Bezugsmonat Januar 2011 Geldleistungen in Höhe von 1.724,05 EUR brutto erhalten. Auch die Berücksichtigung des wirtschaftlichen Wertes der Haushaltsführung als Beitrag der Versicherten zum Familieneinkommen entsprechend eines regionalen Tariflohns für eine Haushaltsangestellte in Höhe von monatlich 535,94 EUR führe zu keinem anderen Ergebnis.

Seinen hiergegen am 24.08.2011 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger im Wesentlichen damit, der Wert der Haushaltsführung sei zu niedrig bemessen worden. Es sei bereits nicht ersichtlich, um welchen Tariflohn es sich handele. Die Bundesagentur für Arbeit habe in einer von ihm beigefügten Tabelle zumindest einen Mindest-Bruttolohn für eine Haushaltshilfe in Höhe von 1.536,00 EUR zu Grunde gelegt. Auch werde der Ansatz einer Haushaltshilfe der Sachlage nicht gerecht. Er sei schwer körper- und gehbehindert und bedürfe der ständigen Pflege. Es müsse deswegen bei der Berechnung noch eine Pflegekraft berücksichtigt werden.

Die DRV wies den Widerspruch durch Bescheid vom 24.10.2011 zurück. Die Dienstleistungen, die dem Familienunterhalt dienten, seien mit ihrem wirtschaftlichen Wert anzusetzen. Dieser entspreche den Aufwendungen für eine "angestellte Haushaltsführerin", abgestellt auf den regionalen (Brutto-)Tariflohn für eine Hausangestellte - mit nicht nur den einfachsten Tätigkeitsmerkmalen -. Diese Sätze seien dem Lebenszuschnitt der Familie anzupassen. So sei eine Kürzung vorzunehmen, wenn die Haushaltsführung keiner Vollzeitbeschäftigung entsprach. Im Allgemeinen sei bei einem Rentnerhaushalt der Wert der Haushaltsführung um die Hälfte zu kürzen (vgl. LSG Hamburg v. 13.06.1978, Az.: 1 J Bf 99/77). Zudem müsse außer Ansatz bleiben der Teil der Arbeit, den die Ehefrau im eigenen Interesse verrichtet habe (vgl. BSG v. 26.05.1971, Az.: 12/11 RA 40/70). Vorliegendenfalls sei der Tariflohn für eine Haushaltshilfe ohne Kindererziehung in Baden-Württemberg in Höhe von Brutto 2.143,75 EUR herangezogen worden. Infolge der Regelvermutung sei dieser nur in Höhe der Hälfte (1.071,88 EUR) in Ansatz zu bringen. Davon habe die Versicherte die Hälfte im eigenen Interesse verrichtet. Mithin sei ein Betrag in Höhe von monatlich 535,94 EUR für das Familieneinkommen zu berücksichtigen. Der Anteil der Ehefrau betrage nicht mindestens die Hälfte des Familieneinkommens. Ein überwiegender Unterhalt liege nicht vor.

Deswegen hat der Kläger am 24.11.2011 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Zu deren Begründung trägt er vor, der Ansatz des Tariflohns für eine Haushaltshilfe werde den gegebenen Umständen nicht gerecht. Außerdem sei die Halbierung des Tariflohns wegen einer nicht ganztätigen Tätigkeit nicht korrekt. Die Pflegebedürftigkeit des Klägers hätte berücksichtigt werden müssen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.10.2011 zu verurteilen, ihm eine Witwerrente ab dem 01.07.2011 nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die von ihr getroffenen Entscheidungen weiterhin für zutreffend und verweist insoweit auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids. Ergänzend führt sie aus, besondere Vorsicht sei bei der zeitlichen Bewertung der Hausarbeit der Versicherten angebracht, da sie selbst Rentnerin wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit war. In diesen Fällen müsse ermittelt werden, in welchem Umfang die Ehefrau den Haushalt versorgen konnte und besorgt habe. Sei die Versicherte infolge Krankheit außerstande, in ihrem eigenen Haushalt zu arbeiten, bleibe der Wert der Hausarbeit außer Betracht. Es werde daher weiterhin davon ausgegangen, dass der zugrundegelegte Wert der Haushaltstätigkeit gerechtfertigt sei.

Auf Anforderung des Gerichts legte der Kläger das Pflegegutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 30.01.2012 vor. Daraus lässt sich entnehmen, dass der Kläger einer täglichen Pflege im Umfang von 201 Minuten am Tag bedürfe. Vorgelegt wurde desweiteren der Bescheid der AOK Xxx vom 03.02.2012, wonach beim Kläger seit 01.11.2011 Pflegestufe II festgestellt wurde.

Wegen des weiteren Inhalts des Sach- und Streitstandes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagte sowie auf die Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist sowohl zulässig als auch begründet. Der Kläger hat ab dem 01.07.2011 einen Anspruch auf Witwerrente aus der Versicherung seiner am 14.06.2011 verstorbenen Ehefrau.

1. Gemäß § 46 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf eine kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht für längstens 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben war. Gemäß § 46 Abs. 2 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf eine große Witwenrente oder Witwerrente, wenn sie 1. ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, 2. das 47. Lebensjahr vollendet haben oder 3. erwerbsgemindert sind.

Im Falle des Klägers sind die Voraussetzungen des § 46 SGB VI erfüllt. Zusätzlich sind jedoch die Voraussetzungen des § 303 SGB VI zu prüfen, da der Kläger und die Versicherte am 12.12.1988 von einer Übergangsregelung Gebrauch gemacht haben und eine Erklärung dahingehend abgegeben haben, dass das bis zum 31.12.1985 geltende Recht weiterhin anwendbar sein soll.

Danach besteht ein Anspruch auf eine Witwerrente unter den sonstigen Voraussetzungen des geltenden Rechts nur, wenn die Verstorbene den Unterhalt der Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod überwiegend bestritten hat (§ 303 Satz 1 SGB VI).

2. Die Beklagte hat nach diesen Maßgaben zu Unrecht angenommen, dass die Versicherte den Unterhalt der Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod nicht überwiegend bestritten hat. Der Wert der von ihr erbrachten Haushaltsführung ist entgegen der Ansicht der Beklagten mit 1.007,98 EUR monatlich in Ansatz zu bringen. Damit hat sie einen monatlichen Unterhalt für die Familie in Höhe von insgesamt 1.827,11 EUR erbracht. Dies entspricht mehr als der Hälfte des Familieneinkommens, weshalb die Voraussetzungen des § 303 SGB VI vorliegen.

a. Die Beklagte hat für den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod zurecht den Zeitraum vom 01.02.2010 bis zum 31.01.2011 zu Grunde gelegt. Der letzte wirtschaftliche Dauerzustand beginnt in der Regel mit der letzten wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Familienmitglieds mit Dauerwirkung (ständige Rechtsprechung, u.a. BSG, Urteil v. 28.06.1979, Az.: 1 RJ 102/78 - SozR 2200 § 1266 RVO Nr. 11). Eine Ausnahme kann dann gelten, wenn die letzte wesentliche Änderung zu einem Zeitpunkt eintritt, der in einem nicht mehr zu berücksichtigenden Zeitraum liegt, namentlich, wenn eine Krankheit in kurzer Zeit zum Tode geführt und somit gleichermaßen die Vorstufe des Todes dargestellt hat, so dass es nicht sachgerecht erscheint, diesen Zeitraum als den maßgeblichen wirtschaftlichen Dauerzustand anzusehen. Dies hat das BSG aus Billigkeitsgründen in Fällen angenommen, in denen in einen solchen Zeitraum eine Verschlechterung der Unterhaltslage fällt; in diesen Fällen wurde das Ende des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes nicht auf den Zeitpunkt des Todes der Versicherten, sondern auf den Beginn der zum Tode führenden Krankheit festgelegt (BSG, a.a.O., m.w.N.).

Dies kann auch im hier vorliegenden Fall angenommen werden. Die zum Tode führende Erkrankung der Versicherten begann am 16.02.2011. Am 03.05.2011 wurde sie als Pflegfall aus der Klinik nach Hause entlassen, wo sie infolge der Erkrankung am 14.06.2011 verstorben ist. Mit der Erkrankung ging zugleich eine Verschlechterung der Unterhaltslage der Familie einher, da die Versicherte ihrer Haushaltsführungstätigkeit nicht mehr nachgehen konnte. Der maßgebende Beurteilungszeitraum vom 01.02.2010 bis zum 31.01.2011 ist daher nicht zu beanstanden.

b. In dem maßgebenden Zeitraum überwog der Unterhaltsbeitrag der Versicherten denjenigen des Klägers. Der Kläger erhielt monatliche Geldleistungen in Form einer Altersrente durch die DRV in Höhe von monatlich 1.096,47 EUR, einer Unfallrente durch die BG Bau in Höhe von monatlich 299,37 EUR, sowie eine betriebliche Altersvorsorge in Höhe von monatlich 328,21 EUR. Der Kläger verfügte mithin über monatliche Geldleistungen in Höhe von insgesamt 1.724,05 EUR. Dem gegenüberzustellen ist zunächst die von der Versicherten zuletzt bezogene Altersrente in Höhe von monatlich 819,13 EUR. Würde man nur die reinen Geldleistungen zugrunde legen, hätte mithin der Kläger den überwiegenden Unterhalt der Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand bestritten.

Auf Seiten der Versicherten ist aber desweiteren der wirtschaftliche Wert der Haushaltsführung in Ansatz zu bringen. Dieser stellt nach ständiger Rechtsprechung einen Unterhaltsbeitrag dar (vgl. BSG v. 26.05.1971, Az.: 12/11 RA 40/70 - SozR Nr. 10 zu § 1266 RVO; BSG v. 12.09.1990, Az.: 5 RJ 67/89). Nach der Rechtsprechung des BSG ist zur Beurteilung der Höhe des wirtschaftlichen Wertes der Haushaltsführung ein Tarifvertrag eine geeignete Grundlage im Rahmen des § 128 Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Er kann jedenfalls dann der Berechnung des Wertes der Hausarbeit zu Grunde gelegt werden, wenn in einem Gerichtsbezirk ein solcher Tarifvertrag existiert. Ihm können die für Hausangestellte maßgebenden Löhne entnommen werden (vgl. BSG v. 21.02.1980, Az.: 4 RJ 97/78). Die Beklagte hat insoweit zutreffen den in Baden-Württemberg geltenden Tariflohn für eine Hausangestellte - mit nicht nur einfachsten Tätigkeitsmerkmalen - als Bewertungsmaßstab für die Haushaltsführung zugrunde gelegt. Entgegen der Berechnung der Beklagten ist hier aber nicht der Wert für die Zeit ab 01.06.2009 in Höhe von 2.143,75 EUR heranzuziehen, sondern derjenige, der ab dem 01.06.2010 Gültigkeit hat, da dieser den maßgeblichen Beurteilungszeitraum umfasst. Demnach ist ein Bruttolohn in Höhe von monatlich 2.191,25 EUR zu veranschlagen.

c. Zu Fragen ist allerdings, welcher zeitliche Umfang der Haushaltsführung im vorliegenden Fall anzuerkennen ist. Die Beklagte hat pauschal, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des LSG Hamburg in seinem Urteil vom 13.06.1978, Az.: 1 JBf 99/77, den zeitlichen Umfang für die Haushaltsführung in einem Rentnerhaushalt um 50 Prozent gekürzt. Dem liege die Erwägung zugrunde, dass ein Rentnerhaushalt weniger Arbeit mache. So sei beispielsweise weniger Wäsche zu waschen, da keine Arbeitskleidung mehr benötigt werde. Außerdem handele es sich meist um einen reinen 2-Personenhaushalt, indem keine Kinder mehr wohnen würden. Diesen Erwägungen kann sich die Kammer jedoch auch in Abweichung zu der Rechtsprechung des LSG Hamburg nicht anschließen. Es sind keine Gründe ersichtlich, die eine Kürzung des zeitlichen Umfangs der Haushaltsführung in einem Rentnerhaushalt pauschal um 50 Prozent rechtfertigen. Ein 2-Personenrentnerhaushalt unterscheidet sich nicht von einem 2-Personenhaushalt, in welchem einer oder auch beide Partner einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Der Haushalt ist der gleiche, unabhängig von der Erwerbstätigkeit. Das Argument, es würde im Rentenalter allgemein weniger Arbeit anfallen ist nicht nachvollziehbar. So fällt auch nicht in jedem Erwerbstätigenhaushalt mehr Wäsche als in einem Rentnerhaushalt an. Nicht in jedem Beruf wird Arbeitskleidung benötigt. Auch das Argument, es seien keine Kinder mehr im Haushalt trifft nicht auf jeden Rentnerhaushalt zu, da viele Großeltern es sich zur Aufgabe machen, tagsüber ihre Enkelkinder zu betreuen. Als Grund für die pauschale Kürzung könnte höchstens das Argument herangezogen werden, im Rentenalter würden sich die Partner die Haushaltstätigkeit gleichmäßig teilen, weshalb nur 50 Prozent in Ansatz zu bringen seien. Da aber eine Arbeitsteilung in Haushalten, in denen beide Ehepartner einer Erwerbstätigkeit nachgehen, ebenfalls stattfinden dürfte, kann auch dieses Argument für die Pauschalierung nicht herangezogen werden.

Im Falle des Klägers ist desweiteren zu beachten, dass dieser aus gesundheitlichen Gründen im maßgeblichen Zeitraum nicht in der Lage war, sich an der Haushaltsführung zu beteiligen. Dies wurde von der Beklagten auch nicht bestritten.

Dennoch bleibt die Frage bestehen, wie viel Zeit objektiv für die Haushaltsführung erforderlich war. Mangels anderer Möglichkeiten der Sachaufklärung greift die Kammer hier auf die Tabellenwerte von Pardey in "Der Haushaltsführungsschaden", 8.Auflage 2013 zurück. Die Anwendung solcher Tabellenwerte wurde auch durch das BSG gebilligt (vgl. BSG v. 12.09.1990, Az.: 5 RJ 67/89). Auch der Bundesgerichtshof greift für die gerichtliche Schätzung eines Haushaltsführungsschadens in Ermangelung abweichender konkreter Anhaltspunkte auf Tabellenwerte zurück (vgl. BGH v. 03.02.2009, Az.: VI ZR 183/08).

Pardey hat für eine nicht erwerbstätige Frau in einem 2-Personenhaushalt eine wöchentliche Arbeitszeit von 34,7 Stunden ermittelt. Dabei wurde ein Eigenbedarfsanteil von 18,6 Stunden, entsprechend 54 % der wöchentlichen Arbeitszeit, in Ansatz gebracht. Für die Haushaltsführung, die zugunsten des Familienunterhalts in Ansatz zu bringen ist, ist deswegen ein Anteil von 46 % der wöchentlichen Arbeitszeit zu berücksichtigen.

Geht man nun davon aus, dass der Brutto-Tariflohn in Höhe von 2.191,25 EUR einer 100 %-Tätigkeit entspricht, ist für die Haushaltsführungstätigkeit der Versicherten ein wirtschaftlicher Wert in Höhe von 1.007,98 EUR zugrunde zu legen. Mithin hat die Versicherte einen Unterhaltsbeitrag von insgesamt 1.827,11 EUR im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand geleistet. Damit hat sie den überwiegenden Unterhalt der Familie bestritten.

d. Darüber hinaus ist die Pflegetätigkeit zugunsten des Klägers nicht zusätzlich heranzuziehen. Zum einen ist der tatsächliche Umfang der Pflegetätigkeit zu Lebzeiten der Versicherten nicht nachweisbar. Insoweit kann auch das Pflegegutachten nicht herangezogen werden, da es erst den Zeitraum ab 01.11.2011 betrifft. Zum anderen wurde eine Pflegestufe für den Kläger zu Lebzeiten der Versicherten nicht beantragt. Ausgehend vom klägerischen Vortrag, dass die Eheleute dies nicht gewollte hätten, sieht die Kammer hier keine Anhaltspunkte die Pflegetätigkeit zusätzlich wertmäßig zu berücksichtigen. Aus den vorgelegten ärztlichen Attesten lässt sich hier nichts gegenteiliges entnehmen. Im übrigen hätten die nunmehr seit 01.11.2011 gewährten Pflegesachleistungen dem Einkommen des Klägers zugerechnet werden müssen, was wiederum seinen eigenen Unterhaltsbeitrag erhöht hätte.

3. Gemäß § 99 Abs. 2 SGB VI wird eine Hinterbliebenenrente von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Sie wird bereits vom Todestag an geleistet, wenn an den Versicherten eine Rente im Sterbemonat nicht zu leisten ist. Eine Hinterbliebenenrente wird nicht für mehr als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt wird, geleistet.

Ausgehend von diesen Grundsätzen, ist die Witwerrente des Klägers ab dem 01.07.2011 zu gewähren.

II. Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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