L 11 R 3887/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 3843/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3887/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 09.08.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 31.12.1951 geborene und am 06.05.2012 gestorbene A. B. (Versicherter) war gelernter Starkstromelektriker und bis 1991 als Elektromonteur versicherungspflichtig beschäftigt. Von 1992 bis 2002 übte er eine selbständige Tätigkeit als Gastwirt aus. Vom 01.06.2004 bis zum 31.08.2007 war er als Hilfsarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Ab dem 11.07.2005 war der Versicherte arbeitsunfähig und bezog seit dem 01.09.2007 Arbeitslosengeld von der Agentur für Arbeit. In der Zeit vom 01.01.2005 bis zum 09.12.2010 wurden Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) wie folgt entrichtet:

01.01.2005 - 31.12.2005 12 01.01.2006 - 31.12.2006 12 01.01.2007 - 31.12.2007 3 01.01.2008 - 31.12.2008 11 01.01.2009 - 09.12.2012 0

Ein erstmals am 20.12.2005 gestellter Rentenantrag blieb sowohl im Verwaltungs- als auch im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Heilbronn (S 10 R 3834/06) erfolglos.

Am 24.06.2008 beantragte der Versicherte erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung mit Bescheid vom 01.08.2008 nach Einholung eines internistischen Gutachtens von Dr. B. vom 30.07.2008 ab und verwies zur Begründung darauf, dass der Versicherte noch in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Der am 12.08.2008 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.2008 zurückgewiesen.

Der Versicherte hat am 26.11.2008 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Im Klageverfahren sind die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen in schriftlicher Form vernommen worden. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. hat am 06.04.2009 mitgeteilt, dass eine Anpassungsstörung mit reaktiver Depression bei Trennungskonflikt Anlass der Behandlung gewesen sei. Eine berufliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit sei hierdurch nicht zu begründen. Prof Dr. von H. Chefarzt der Klinik für Urologie des Klinikums am P. hat mit Schreiben vom 07.04.2009 mitgeteilt, dass der Versicherte aus urologischer Sicht in der Lage sei, leichte körperliche Tätigkeiten sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Neurologe und Psychiater Dr. D. hat auf Anfrage mitgeteilt, dass der Versicherte bei ihm nicht bekannt sei. Der Orthopäde Dr. S. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 22.06.2009 mitgeteilt, dass der Versicherte noch über ein Leistungsvermögen als Elektroniker von fünf bis sechs Stunden täglich verfüge. Der Internist Dr. N. hat am 05.08.2009 angegeben, dass der Versicherte auch keine leichten Tätigkeiten mehr ausüben könne.

Das SG hat Dr. S., Internist, mit der Erstellung eines Gutachtens von Amts wegen beauftragt. In seinem Gutachten 16.11.2009 kommt Dr. S. zum Ergebnis, beim Kläger lägen eine Leberzirrhose mit überhöhtem Alkoholkonsum, ein Urothelkarzinom der Harnblase mit Erstdiagnose im Juli 2006 und zahlreichen Nachresektionen, eine ausgeprägte Ödembildung beider Unterschenkel und Knöchel, eine Struma nodosa rechts, eine Adipositas sowie eine Überhöhung der Triglyceride im Blutserum vor. Leichte körperliche Tätigkeiten könnten noch mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden. Nicht mehr möglich seien mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten, Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeiten, Arbeiten, die den Umgang mit Alkohol zur Voraussetzung hätten, Arbeiten mit Absturzgefahr, Arbeiten, bei denen das Führen eines Kraftfahrzeuges Voraussetzung sei sowie Arbeiten ausschließlich im Sitzen oder ausschließlich im Stehen. Leichte körperliche Arbeiten im Gehen oder Stehen oder im Sitzen möglichst im Wechsel zwischen diesen Belastungsqualitäten in geschlossenen Räumen, bei Anwendung entsprechender Kleidung auch im Freien seien noch möglich.

Ferner hat das SG Dr. H., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, um Erstattung eines nervenärztlichen Gutachtens gebeten. Dieser kommt in seinem Gutachten vom 18.01.2010 zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine leichte depressive Episode sowie ein schädlicher Gebrauch von Alkohol vorliegt. Eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne noch mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden. Eine Überforderung durch Akkordarbeit, Nachtarbeit oder durch Arbeiten unter besonderem Zeitdruck sowie Arbeiten mit besonders hohen Ansprüchen an Auffassung und Konzentration sowie besonders hohe Verantwortung und besonders hoher geistiger Beanspruchung müssten vermieden werden.

Das SG hat des Weiteren ein orthopädisches Gutachten bei Dr. D., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie eingeholt. In seinem am 30.05.2010 erstellten Gutachten gelangt Dr. D. zu der Auffassung, dass eine Sprunggelenksarthrose links, eine chronisch rezidivierende Lumbalgie bei degenerativen Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule, ein subacromiales Schmerzsyndrom links bei Zustand nach subcapitaler Humerusfraktur mit erheblicher Bewegungseinschränkung sowie ein Zustand nach AC-Sprengung rechts bestehe. Leichte körperliche Tätigkeiten seien noch mindestens sechs Stunden täglich unter der Berücksichtigung von qualitativen Leistungseinschränkungen möglich. Das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Tätigkeiten über der Horizontalen sowie in Nässe, Kälte und Zugluft, mit länger andauernden Wirbelsäulenzwangshaltungen, Tätigkeiten mit Besteigen von Leitern und Gerüsten sowie länger dauernde gebückte Tätigkeiten oder Tätigkeiten in Hockstellung sowie rein stehende oder gehende Tätigkeiten, wie auch Tätigkeiten mit längerer Vorhaltestellung des linken Armes seien nicht mehr möglich. Zu empfehlen sei eine überwiegend sitzende Tätigkeit mit nur zeitweisem Gehen und Stehen.

Am 24.05.2010 hat sich der Versicherte eine Oberschenkelhalsfraktur zugezogen. Im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung hat er in der R.-Klinik in B. R. in der Zeit vom 10.06.2010 bis zum 01.07.2010 stationäre medizinischen Rehabilitation durchgeführt. Im Entlassungsbericht vom 06.07.2010 wird ausgeführt, nach Beendigung des Heilverfahrens bestehe zunächst noch bis zu drei Monaten postoperativ Arbeitsunfähigkeit. Anschließend könnten dann auf Dauer leichte Tätigkeiten im Gehen, Stehen oder im Sitzen durchgeführt werden.

Am 10.12.2012 hat der behandelnde Facharzt für Inneren Medizin und Allgemeinmedizin Dr. A. beim Versicherten eine massive Entgleisung der bekannten Leberzirrhose festgestellt. Der Versicherte hat sich wegen der hydropisch dekompensierten Leberzirrhose vom 10.12.2010 bis zum 23.12.2010 im Klinikum am P., B. F., und vom 28.12.2010 bis 30.12.2010 im Klinikum am G., H., in stationärer Krankenhausbehandlung befunden (Entlassungsberichte Bl 183 bis 198 der SG-Akte). Das SG hat deshalb Dr. A. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat am 04.03.2011 mitgeteilt, dass er den Versicherten 2002 und dann erst wieder am 10. und am 23.12.2010 behandelt habe. Im Dezember 2010 habe sich im Befund eine massive Entgleisung der Leberzirrhose mit Wassereinlagerung im Bauchraum und Hirnfunktionsstörung gezeigt. Aufgrund der weit fortgeschrittenen Leberzirrhose sei der Versicherte nicht in der Lage gewesen, einer beruflichen Tätigkeit in irgend einer Form nachzugehen.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 01.04.2011 mitgeteilt, es sei davon auszugehen, dass das Leistungsvermögen des Versicherten nachweislich seit der Krankenhausaufnahme am 10.12.2010 dauerhaft auf unter drei Stunden abgesunken sei. Zu diesem Zeitpunkt seien jedoch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt gewesen. In dem nach § 43 Abs 2 Nr 2, Abs 4 SGB VI maßgeblichen Zeitraum seien nur noch 30 Monate Pflichtbeiträge vorhanden. Letztmalig seien die versicherungspflichtigen Voraussetzungen im Juni 2010 erfüllt.

Dr. S. hat auf Anforderung des SG am 02.07.2011 eine gutachterliche internistische Stellungnahme erstellt. Darin kommt er zum Ergebnis, dass der Versicherte bis zum 30.11.2010 noch in der Lage gewesen sei, leichte körperliche Tätigkeiten unter der Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkung sechs Stunden und länger arbeitstäglich zu verrichten. Es ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass ein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen vor dem 01.12.2010 vorgelegen habe.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 09.08.2011 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wären nur dann erfüllt, wenn der Leistungsfall spätestens im Juni 2010 eingetreten wäre. Dies treffe nach Ausschöpfung der gerichtlichen Ermittlungsmöglichkeiten nicht zu. Das SG hat hierzu auf die Aussagen der gehörten Ärzte sowie die Gutachten von Dr. S., Dr. H. und Dr. D. Bezug genommen. Des Weiteren ergebe sich aus der Aussage seines Hausarztes, dass sich der Versicherte erst ab dem 10.12.2010 wegen der verschlimmerten Leberzirrhose habe ärztlich behandeln lassen. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe nicht, da der Versicherte nach der zuletzt ausübten Tätigkeit keinen Berufsschutz genieße.

Am 09.09.2011 hat der Versicherte gegen den ihm am 11.08.2011 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt. Er hat zur Berufungsbegründung ausgeführt, es sei zu überprüfen, ob tatsächlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Dezember 2010 nicht mehr vorgelegen hätten. Er habe verschiedene Rehamaßnahmen absolviert, so dass Verlängerungstatbestände bestünden. Er sei außerdem schon im Juni 2010 voll bzw teilweise erwerbsgemindert gewesen. Dem Entlassungsbericht der R.-Klinik B. R. vom 06.07.2010 sei zwar zu entnehmen, dass er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Dauer leichte Tätigkeiten überwiegend durchführen könnte. Zunächst habe jedoch die bis zu drei Monate dauernde postoperative Arbeitsunfähigkeit abgewartet werden müssen. Eine Besserung sei allerdings nicht eingetreten, so dass bereits im Juni 2010 eine entsprechende Erwerbsunfähigkeit vorgelegen habe. Auch habe sich die im Dezember 2010 diagnostizierte massive Entgleisung mit Hirnfunktionsstörungen nicht von heute auf morgen ergeben, sondern sei bereits im Juni 2010 im Ansatz vorhanden gewesen. Er genieße auch Berufsschutz nach § 240 SGB VI. Er habe eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Starkstromelektriker absolviert. Bis 1991 habe er in diesem Beruf gearbeitet, danach sei er als selbständiger Gastwirt tätig gewesen.

Nach dem Tod des Versicherten am 06.05.2012 hat seine Tochter als Erbin und Rechtsnachfolgerin (Klägerin) das Berufungsverfahren fortgeführt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 09.08.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 01.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.11.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Rente aus der Versicherung des A. B. wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, für die Zeit vom 01.06.2008 bis zum 31.05.2012 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung einen aktuellen Versicherungsverlauf vorgelegt und darauf hingewiesen, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmalig im Juni 2010 erfüllt gewesen seien.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungahme von Dr. S. angefordert. Dieser hat am 22.11.2011 mitgeteilt, in seinem Gutachten habe er aufgrund der erhobenen Befunde ausgeführt, dass der Versicherte noch leichte körperliche Tätigkeiten unter der Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkung mindestens sechs Stunden täglich ausüben könne. Des Weiteren habe er dargelegt, dass möglicherweise bei dem Versicherten unter "nicht ausschließlicher internistischer Sichtweise" eine erhebliche quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens seit März 2009 bestanden habe. Er habe infolge des wieder aufgenommenen schädlichen Alkoholkonsums eine Phase der Arbeitsunfähigkeit angenommen. Hauptgrund dieser Arbeitsunfähigkeit sei eine Erkrankung gewesen, die dem nervenärztlichen Gebiet zuzuordnen sei (nicht behandelte Depression). Somit habe er eine nervenfachärztliche Begutachtung empfohlen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 SGG), ist statthaft und zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 01.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ihr steht kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung aus der Versicherung des A. B. in dem noch streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.06.2008 bis 31.05.2012 zu.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzen¬anpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI). Die Rente wird längstens bis zum Ende des Kalendermonats, in dem der Versicherte verstorben ist, gezahlt (§ 102 Abs 5 SGB VI).

Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung waren beim Versicherten nicht erfüllt. Es steht zur Überzeugung des Senats zwar fest, dass der Versicherte seit dem 10.12.2010 nur noch weniger als drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachgehen konnte und deshalb voll erwerbsgemindert war. Zu diesem Zeitpunkt waren aber die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllt. Im zunächst maßgeblichen 5-Jahreszeitraum vom 10.12.2005 bis zum 09.12.2010 liegen nur 27 Pflichtbeiträge. Der Zeitraum verlängert sich um drei Monate einer Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI (Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug von September bis November 2007) und geht deshalb vom 10.09.2005 bis zum 09.12.2010. In diesem Zeitraum liegen 30 Monate Pflichtbeiträge, also weniger als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit. Die von der Klägerin geltend gemachten Zeiten, in denen der Versicherte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten hat, führen zu keiner anderen Beurteilung. Da der Versicherte während der Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation in der R.-Klinik vom 10.06. bis zum 01.07.2010 nach dem Bescheid vom 07.07.2010 (Bl 14 der Reha- Verwaltungsakte) kein Übergangsgeld bezogen hat, ist dieser Zeitraum nicht als Pflichtbeitragszeit nach § 55 Abs 2 Nr 2 iVm § 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI zu werten. Pflichtbeitragszeiten für diese Zeit sind im Versicherungsverlauf deshalb (zu Recht) nicht aufgeführt. Auch verlängert sich der 5-Jahreszeitraum nicht. Die Zeit, während der die Rehabilitationsbehandlung durchgeführt wurde, ist keine Anrechnungszeit, weil dadurch eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen worden ist (§ 58 Abs 2 SGB VI). Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs 2 Nr 2 iVm Abs 4 SGB VI sind letztmalig am 30.06.2010 erfüllt. Der Senat nimmt insoweit auf den im Berufungsverfahren vorgelegten Versicherungsverlauf Bezug.

Die Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist auch nicht nach § 43 Abs 5 SGB VI entbehrlich. Danach ist eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (zB Arbeitsunfall, Wehr- oder Zivildienstbeschädigung; § 53 SGB VI). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Auch die Tatbestände des § 241 Abs 2 SGB VI sind nicht erfüllt, denn der Versicherte hat vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht jeden Kalendermonat mit Anwartschaftserhaltungszeiten gemäß § 241 Abs 2 Satz Nr 1 bis 6 SGB VI belegt.

Eine maßgebliche Einschränkung des Leistungsvermögens des Versicherten bereits im Juni 2010 liegt zur Überzeugung des Senats jedoch nicht vor. Damals war der Versicherte zur Überzeugung des Senates noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich unter der Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen zu verrichten. Dies entnimmt der Senat insbesondere der Stellungnahme des Dr. S. vom 02.07.2011 (Bl 211/213 der SG-Akte). Danach bestanden zwar in den Jahren 2009 und 2010 Zeiten der Arbeitsunfähigkeit. Diese Einschränkung der Erwerbsfähigkeit war jedoch nur vorübergehend. Sie beruhte auf Verletzungen des Versicherten infolge von Unfällen. Nach dem Ausheilen der Verletzungsfolgen war der Versicherte wieder fähig, leichte körperliche Tätigkeiten zu verrichten. Dr. S. führt hierzu aus, aufgrund der ihm vorgelegten Arztberichte ergebe sich kein Anhalt, dass ein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen vor dem 01.12.2010 gesichert sei. Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Nach dem Grundsatz der im sozialgerichtlichen Verfahren maßgeblichen objektiven Beweislast geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten desjenigen, der sich hierauf beruft.

Die Einschätzung von Dr. S. wird durch die anderen Gutachten bestätigt. Auch nach dem im Verwaltungsverfahren eingeholten internistischen Gutachten von Dr. B. vom 30.07.2008, dem neurologisch - psychiatrischen Gutachten von Dr. H. vom 18.01.2010 und dem orthopädischen Gutachten von Dr. D. vom 30.05.2010 war der Versicherte zum Zeitpunkt der jeweiligen Untersuchung durch die Sachverständigen in der Lage, leichte körperliche Arbeiten mehr als sechs Stunden täglich auszuüben. Eine Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht vor dem 10.12.2010 lässt sich danach nicht feststellen. Bei der Begutachtung durch Dr. B. am 30.07.2008 konnten bis auf eine hypertrophe Fettzirrhose im Rahmen der Sonographie der Leber keine pathologischen Befunde erhoben werden. Folgerichtig diagnostiziert Dr. B. eine Leberzirrhose Stadium Child A. Die des Weiteren vorliegenden Funktionsstörungen durch die Bewegungseinschränkung der rechten Schulter und des linken oberen Sprunggelenks führten lediglich zu qualitativen Leistungseinschränkungen. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten waren dem Versicherte noch sechs Stunden arbeitstäglich zumutbar. Die Einschätzung von Dr. B. wird bestätigt durch das internistische Gutachten von Dr. S. vom 30.10.2009. Bei der Untersuchung durch Dr. S. konnten bezüglich der Leber keine Aszites (Flüssigkeitsansammlungen) erhoben werden. Dr. S. nimmt in seinem Gutachten ausführlich zu den Auswirkungen der Leberzirrhose Stellung und führt zur Überzeugung des Senats schlüssig aus, dass das damals bestehende Krankheitsstadium noch leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag zuließ. Dr. S. hat in einer vom Senat angeforderten ergänzenden Stellungnahme ausdrücklich dargelegt, dass er in seinem Gutachten die Leistungseinschätzung auf internistischem Fachgebiet nicht revidiert, sondern lediglich eine Empfehlung bezüglich der Abklärung des nervenfachärztlichen Befundes abgegeben habe. Dem wurde vom das SG mit der Einholung eines neurologisch psychiatrischen Gutachtens bei Dr. H. Rechnung getragen.

Auch im Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. H. am 18.01.2010 sowie bei der orthopädischen Begutachtung durch Dr. D. vom 30.05.2010 wurden Beeinträchtigungen durch die Leberzirrhose im Sinne von Aszites oder Hirnfunktionsstörungen anamnestisch nicht angegeben und bei der Untersuchung auch nicht festgestellt. Auf neurologisch - psychiatrischem Fachgebiet lag zur Überzeugung des Senates eine leichte depressive Episode und ein schädlicher Gebrauch von Alkohol vor. Der Senat nimmt diesbezüglich auf das Gutachten von Dr. H. vom 18.01.2010 Bezug. Den anamnestischen Angaben und den Befunden ist zu entnehmen dass zwar eine leicht gedrückte Stimmungslage mit leicht reduzierter affektiver Schwingungsfähigkeit und einem leicht reduzierten Antrieb bestand, jedoch noch keine weitergehende psychiatrische Erkrankung vorlag. Dementsprechend kommt Dr. H. auch nur zur Diagnose einer leichten depressiven Episode. Dies steht der Verrichtung von leichten Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden täglich nicht entgegen. Auf orthopädischem Fachgebiet führt Dr. D. zur Überzeugung des Senats schlüssig aus, dass zwar qualitative Leistungseinschränkungen insbesondere durch die Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk und die Bewegungseinschränkung im linken oberen Sprunggelenk bestehen, jedoch noch unter Beachtung von qualitativen Leistungseinschränkungen leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr zumutbar sind.

Auch im Zeitpunkt der Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation vom 10.06. bis zum 01.07.2010 verursachte die Leberzirrhose noch keine Erwerbsminderung. Dem Rehaentlassungsbericht können keine Befunde entnommen werden, welche auf eine schwerwiegende Dekompensation der Leberzirrhose hindeuten. Erst im Dezember 2010 wurde bei der Behandlung durch Dr. A. nach dessen sachverständiger Zeugenaussage der Befund einer massiven Entgleisung mit Wassereinlagerungen und Hirnfunktionsstörung festgestellt. Während der Rehabilitationsmaßnahme im Juli 2010 sind diesbezügliche Befunde weder vom Versicherten angegeben noch durch die Ärzte erhoben worden. Die Verschlechterung der Leberzirrhose ist damit nachweislich erst am 10.12.2010 festgestellt worden. Die als sachverständige Zeugen vernommenen Ärzte haben bis auf Dr. N. die Auffassung vertreten, dass dem Versicherten noch leichte Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden zumutbar sind. Soweit Dr. N. in seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem SG sowie seiner Stellungnahme im Berufungsverfahren angeführt hat, dass eine Erwerbsminderung mindestens seit Juni 2010 vorliege, vermag der Senat dem nicht zu folgen. So hat Dr. N. keine konkreten Leberbefunde mitgeteilt, welche eine Dekompensation bereits zu diesem Zeitpunkt belegen. Der Versicherte war somit erst seit dem 10.12.2010 voll erwerbsgemindert. Zu diesem Zeitpunkt waren die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen jedoch nicht mehr erfüllt.

Der Versicherte hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist (vgl § 240 SGB VI), dass er vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Wie bereits dargelegt, sind die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die auch für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gelten, nicht erfüllt. Abgesehen davon könnte der Versicherte nach der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Der Versicherte ist gelernter Starkstromelektriker und war bis 1991 als Elektromonteur tätig. Von 1992 bis 2002 hat er eine selbständige Tätigkeit als Gastwirt ausgeübt. Vom 01.06.2004 bis zum 31.08.2007 war er in der Firma seiner geschiedenen Ehefrau als Hilfsarbeiter beschäftigt (Bl 113 der Verwaltungsakte). Der Versicherte ist daher nach der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Tätigkeit als ungelernter Arbeiter auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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