L 11 AS 120/13 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AS 1187/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 120/13 ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Keine Aussetzung der Vollstreckung mangels Darlegung und Glaubhaftmachung eines Nachteils.
I. Der Antrag des Beklagten, die Vollstreckung aus dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.01.2013 auszusetzen, wird abgelehnt.

II. Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Aussetzungsverfahrens zu erstatten.



Gründe:


I.

Das Sozialgericht Bayreuth (SG) hat den Beklagten mit Gerichtsbescheid vom 16.01.2013 verurteilt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II -) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 13.09.2012 bis 30.09.2012 in Höhe von 305,40 EUR, für die Zeit vom 01.10.2012 bis 31.12.2012 in Höhe von 509,00 EUR, für die Zeit vom 01.01.2013 bis 28.02.2013 in Höhe von 517,00 EUR und für die Zeit vom 01.03.2013 bis 12.03.2013 in Höhe von 206,80 EUR monatlich zu zahlen.

Dagegen hat der Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Der Klägerin stünde kein Anspruch zu, denn die Berechnung der 6-Monatsfrist bezüglich des stationären Aufenthaltes durch das SG sei unzutreffend. Zudem hat der Beklagte beantragt, die "Vollziehung" aus dem Gerichtsbescheid des SG gemäß § 199 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszusetzen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akte des Beklagten sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Offen gelassen werden kann, ob der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung hinsichtlich des für die Zeit vor Erlass des Gerichtsbescheides zu zahlenden Arbeitslosengeld II zulässig ist, denn er ist auf jeden Fall nicht begründet.

Gemäß § 154 Abs 2 SGG könnte der Aussetzungsantrag - der Beklagte hat diesbezüglich die Rechtsgrundlage des § 199 SGG genannt -hinsichtlich der für die Zeit vor Erlass des Gerichtsbescheides zu zahlenden Alg II unzulässig sein. Dies ist streitig (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 154 Rdnr 3 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung insbesondere des BSG, Beschluss vom 08.12.2009 - B 8 SO 17/09 R - und andererseits LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.04.2010 - L 10 AS 386/10), kann jedoch vorliegend offen gelassen werden, denn der Aussetzungsantrag ist jedenfalls nicht begründet.

Bei der Entscheidung über die Aussetzung ist eine Interessen- und Folgenabwägung vorzunehmen (BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -; Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10.Auflage § 199 Rdnr 8), wobei der in § 154 Abs 2 SGG bzw § 175 Satz SGG zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers zu beachten ist, dass Berufungen bzw. Beschwerden in der Regel keine aufschiebende Wirkung hinsichtlich der für die Zeit nach Erlass des Urteils zu zahlenden Beträge haben sollen. Eine Aussetzung kommt daher nur in Ausnahmefällen in Betracht (Leitherer aaO Rdnr 8a; BSG, Beschluss vom 28.10.2008 - B 2 U 189/08 B -).

Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, ist im Rahmen einer Interessen- und Folgenabwägung zu prüfen. Dabei können die Erfolgsaussichten der Berufung ausnahmsweise dann eine Rolle spielen, wenn diese offensichtlich fehlen (vgl auch BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -) oder offensichtlich bestehen (BSGE 12, 138). Sind die Erfolgsaussichten jedoch nicht in dieser Weise eindeutig abschätzbar, ist im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung insbesondere zu berücksichtigen, ob der Beklagten - über den Nachteil hinaus, der mit jeder Zwangsvollstreckung als solcher verbunden ist - ein im nachhinein nicht mehr zu ersetzender Schaden entstehen würde (BSG, Beschluss vom 05.09.2001 - B 3 KR 47/01 R -). Maßgeblich sind dabei die Umstände des Einzelfalles, die vom Vollstreckungsschuldner glaubhaft vorzutragen sind (BSG SozR 3-1500 § 199 Nr 1). Der Hinweis auf Sonderfälle, unter denen eine im Ergebnis rechtswidrig gezahlte Urteilsrente vom Begünstigten nicht zurückgefordert werden dürfe, genügt hierzu nicht, wenn nicht Anhaltspunkte dafür benannt werden, beim Begünstigten könne ein solcher "Härtefall" bestehen (vgl BSG, Beschluss vom 28.08.2007 - B 4 R 25/07 R -). Zudem darf ein überwiegendes Interesse des Vollstreckungsgläubigers nicht entgegenstehen (BSG, Beschluss vom 28.08.2007 - B 4 R 25/07 R -; vgl hierzu auch die § 86b SGG zu entnehmenden Rechtsgedanken).

Die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens sind als offen anzusehen. Zwar dauerte der stationäre Aufenthalt der Klägerin im Gegensatz zur Auffassung des SG wohl nicht weniger als 6 Monate (§ 187 Abs 1 iVm § 188 Abs 2 Alternative 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -), allerdings hat die Klägerin anscheinend erst am 19.09.2012 Alg II beantragt, sodass noch zu klären ist, ob ggf. auf den Zeitpunkt der Antragstellung hinsichtlich der zutreffenden Prognoseentscheidung abzustellen ist.

Vorliegend ist daher zu prüfen, ob ein Nachteil im o.g. Sinn vom Beklagten glaubhaft dargelegt worden ist. Dies ist nicht der Fall. Der Antragsteller ist auf die Frage des Nachteils nicht eingegangen. Er hat keinerlei Angaben dazu gemacht, weshalb eine spätere Erstattungsmöglichkeit durch die Klägerin ausgeschlossen sein solle.

Mangels Darlegung und Glaubhaftmachung eines Nachteils im o.g. Sinn ist das Vorliegen eines überwiegenden Interesses des Vollstreckungsgläubigers nicht zu überprüfen.

Von einem Ausnahmefall ist somit nicht auszugehen, der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung ist abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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