Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 336/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 218/11
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ob die von der Rechtsprechung für den Nachweis eines Arbeitsunfalls entwickelten Beweiserleichterungen, die dann gelten, wenn unklar ist, ob die betriebliche Tätigkeit für dem Unfall unterbrochen wurde, sofern der Versicherte den räumlichen Bereich, in dem er zuletzt die versicherte Tätigkeit verrichtet hat, nicht verlassen und er dort kurz zuvor versicherte Tätigkeiten verrichtet hat, auch in Fällen der Wie-Beschäftigung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII anwendbar sind, bleibt offen. Sie sind jedenfalls dann nicht anwendbar, wenn zuletzt keine Wie-Beschäftigung, sondern eine bloße Gefälligkeit ausgeübt worden ist.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 07. April 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Unfall des Klägers vom 02.10.2007 als Arbeitsunfall anzusehen ist oder nicht.
Der Zeuge R. betrieb in N. eine Kfz-Reparaturwerkstatt für Motorräder. Da er diese bis dahin in nur gemieteten Räumen betrieben hatte, wollte er auf seinem eigenen Grundstück in der D.-Straße 6 in N. ein eigenes Betriebsgebäude errichten, in das ein Wohngebäude für den Betriebsleiter integriert werden sollte. Dieses Gebäude sollte in Holzständerbauweise aus Fertigteilen, die in einer nahe gelegenen Halle bearbeitet wurden, in möglichst kurzer Zeit im Eigenbau durch den Zeugen R. sowie weitere, mit ihm befreundete Helfer errichtet werden. Der Bauherr hatte bei der BG BAU, die er für zuständig hielt, am 29.09.2007 die Beschäftigung von namentlich nicht benannten Helfern ab dem 01.10.2007 für Eigenbauarbeiten im Wert von 30.000 EUR angemeldet. Geplant waren ein Erdgeschoss und ein erster Stock, über dem sich ein Giebeldach entfaltete. Mit dem eigentlichen Bau wurde am 02.10.2007, also dem Unfalltag, begonnen. Die Fertigteile hatte R. zusammen mit Helfern in der Zeit vor dem 02.10.2007 zurecht geschnitten. Der Kläger, der mit R. seit vielen Jahren eng befreundet war, mit diesem beruflich zusammengearbeitet hatte und das Nachbargrundstück besaß, auf dem er zusammen mit einem Partner eine Autowerkstatt betrieb, war in den Planungen nicht als Helfer für die Bauarbeiten vorgesehen. Auch an den Vorarbeiten an den Fertigteilen in der benachbarten Halle war er nicht beteiligt gewesen, sondern hatte dort nur gelegentlich auf einen Kaffee vorbeigeschaut.
Am Unfalltag, dem 02.10.2007, wurde die Decke über dem Erdgeschoss, die gleichzeitig den Fußboden des ersten Stockwerks bildete, gebaut. Dazu verlegte der Bauherr R. zusammen mit dem mit ihm befreundeten, unentgeltlich arbeitenden Zimmermannsmeister T. Platten über den Tragebalken, die die Decke des Erdgeschosses bilden sollten. Die Konstruktion der Erdgeschossdecke erfolgte derartig, dass zunächst sogenannte Fermacell-Platten von 12,5 cm Dicke über die Tragebalken lose verlegt wurden. Dabei handelte es sich um Gipsfaserplatten, die vornehmlich der Isolierung dienten, jedoch für sich allein nicht trittfest waren. In diesem Stadium durften die Fermacell-Platten nur von R. und T. betreten werden, die genau wussten, an welchen Stellen sich tragende Balken unter den Platten befanden. Zunächst wurde die gesamte Erdgeschoss-Decke mit Fermacell-Platten ausgelegt. Sodann verlegten R. und T. über den Fermacell-Platten eine zweite Schicht von Holzbrettern, die mit Nut und Feder schwimmend verlegt wurden und trittfest waren. Die beiden Bodenschichten - Fermacell-Platten und Holzbretter - wurden dann mit den darunter liegenden Tragebalken fest verbunden, und erst dann entstand ein begehbarer Fußboden.
Als es zu dämmern begann, kam ein weiterer Freund des Bauherrn, der Zeuge R., an die Baustelle und brachte einen Halogen-Strahler, der ein Weiterarbeiten in der Dunkelheit ermöglichte. Der Zeuge R. löste den R. bei seinen Arbeiten auf der Erdgeschoss-Decke ab und übernahm es, zusammen mit dem T. die trittfesten Holzbretter über der Schicht von Fermacell-Platten auf der Erdgeschossdecke zu verlegen. Später kam auch noch der Zeuge C., ein weiterer Freund, hinzu. Den genauen Zeitpunkt seines Eintreffens konnte der Zeuge C. in seiner Vernehmung am 23.01.2013 nicht mehr angeben, jedenfalls habe er bis 16.00 Uhr Dienst gehabt und habe sich danach noch umziehen müssen. C. übernahm es, die Holzbretter, die oben auf der Erdgeschossdecke über die Fermacell-Platten gelegt werden sollten, unten von einem Anhänger auf die Ladegabel eines Krans zu laden, um die Holzbretter auf die Erdgeschossdecke zu heben. Die Bedienung des Krans erfolgte mittels Fernbedienung durch T. von der Erdgeschossdecke aus. Die Bretter konnten von C. alleine gehoben werden. Der Zeuge C. hat in seiner Befragung durch das Bayerische Landessozialgericht (LSG) am 23.01.2013 angegeben, von den Gefahren auf der Erdgeschossdecke nichts gewusst zu haben, dass er aber auch niemals gewagt hätte, dort hinaufzusteigen. Als der Bauherr und Zeuge R. die Baustelle verlassen wollte, um in der benachbarten Halle weitere Fertigteile zu bearbeiten, kam der Kläger, der seine eigene Arbeit auf dem Nachbargrundstück gerade beendet hatte, zur Baustelle und fragte, ob er helfen könne. Der Bauherr antwortete ihm, er solle dem "D." - gemeint war der Zeuge C. - helfen, die Hölzer auf die Krangabel aufzuladen. Der Kläger hat erklärt, er könne sich noch daran erinnern, dass er dem C. geholfen habe, Bretter von einem Anhänger abzuladen.
Nachdem er dem C. geholfen hatte, begab sich der Kläger auf das Baugerüst auf der seinem eigenen Grundstück zugewandten östlichen Seite. Die Erdgeschoss-Decke verlief etwa auf der halben Höhe zwischen den umlaufenden Brettern des Baugerüsts, auf denen der Kläger stand, und der nächsthöheren Ebene des Gerüstes. Der Kläger schwang sich vom Baugerüst auf die Kante der Erdgeschoss-Decke. Der Zeuge R. konnte ihn dabei nicht sehen, weil er mit dem Rücken zu ihm arbeitete. Der Zeuge T. dagegen sah ihn und rief ihm noch zu: "Nein, nicht!" Der Zeuge T. hat geschildert, dass er aus der Art, wie sich der Kläger auf die Wand geschwungen hat, geschlossen habe, dass er sich auf die Wand habe setzen wollen. Er habe bis dahin gar nicht gewusst, dass sich der Kläger auf der Baustelle befunden habe. Der Kläger brach dann durch die Fermacell-Platten ein und stürzte auf den Betonboden des Erdgeschosses bei einer Geschosshöhe von 2,75 m. Er war etwa eine Minute bewusstlos und wurde von den übrigen Baustellenhelfern in den als Wohnzimmer vorgesehenen Raum des Wohnhauses blutüberströmt gebracht. Um 19:55 Uhr erhielt die Polizei die Mitteilung von dem Unfall über die Rettungsleitstelle. Als die Polizei um 20:15 Uhr eintraf, war der Notarzt schon vor Ort. Der Bauherr kam erst nach dem Unfall an die Baustelle zurück.
Zur Frage, zu welcher Uhrzeit der Kläger auf der Baustelle eingetroffen war, gibt es unterschiedliche Angaben. Der Zeuge R. hat in seiner Vernehmung beim Sozialgericht Augsburg (SG) die Zeit mit 18:00 Uhr angegeben. Der Kläger selbst hatte in derselben Vernehmung angegeben, sich nicht mehr erinnern zu können. Er meine, er sei einfach auf die Baustelle gegangen, um zu sehen, ob noch Hilfe benötigt werde. Normalerweise mache er zwischen 19:00 und 20:00 Uhr Feierabend. Er meine auch, dass die Dämmerung bereits eingesetzt hatte, dunkel sei es jedoch noch nicht gewesen. In der Aufstellung des Bauherrn für die BG BAU über die in Eigenarbeit nicht gewerbsmäßig ausgeführten Bauarbeiten vom 26.05.2008 wurden für den Kläger drei geleistete Arbeitsstunden angegeben. Der Kläger selbst hat in dem am 04.10.2009 ausgefüllten Fragebogen der Beklagten angegeben, die unfallbringende Tätigkeit für ca. eine Stunde vor dem Unfall ausgeübt zu haben. Der Zeuge C. hat dagegen in seiner Vernehmung vom 23.01.2013 angegeben, dass der Kläger allenfalls ein paar Minuten mitgeholfen habe. Er sei beim Eintreffen des Klägers mit seiner Arbeit fast fertig gewesen und hätte bis dahin schon etwa 2 h gearbeitet. Nur noch zwei Bretter hätten gefehlt, bei denen der Kläger mit angepackt hätte, obwohl er sie auch alleine hätte heben können. Danach sei der Kläger mit den Worten "Ich geh mal rüber" um die Ecke des Bauwerks gegangen. Kurze Zeit später sei der Unfall geschehen.
Zu seiner Motivation, warum er seine Hilfe anbieten wollte, vom SG befragt, hat der Kläger angegeben, als Nachbarn helfe man sich gegenseitig, außerdem sei er selbst daran interessiert gewesen, das R. sein Bauvorhaben schnellstmöglich beenden würde, da er noch Räume auf seinem Grundstück nutzte, die dann frei würden.
Was der Kläger vorhatte, als er sich auf das Baugerüst begab und von dort auf die Erdgeschossdecke schwang, lässt sich nicht mehr aufklären, weil der Kläger unfallbedingt sich nicht mehr daran erinnern kann. Auf Befragung durch das SG hat er erklärt, vielleicht habe er eine kleine Pause machen wollen, vielleicht habe er schauen wollen, was dort oben gearbeitet werde. Sein eigenes Erinnerungsvermögen setze erst wieder zu einem Zeitpunkt ein, als er sich aufgrund des nachfolgenden Unfalls noch im Klinikum befand. Der Zeuge R. hat bei der Befragung durch die Polizei am Unfalltag die Vermutung geäußert, der Kläger habe nur seinen Freunden bei der Verlegung der Holz-Platten zuschauen wollen. Später hat der Zeuge R. bei der ausführlichen Befragung durch KHK L. am 04.10.2007 die Vermutung geäußert, dass der Kläger von dem Gerüst aus sein im Osten gelegenes Nachbargrundstück betrachtet habe. Offensichtlich sei er beim Betrachten seines Grundstücks rückwärts zum Baukörper des Hauses getreten, habe sich dort auf die Kante gesetzt und nach hinten mit den Armen auf die Fermacell-Platten abgestützt. Im Schlussbericht der Kriminalpolizeiinspektion B-Stadt vom 17.01.2008 führte diese Aussage zu der Schlussfolgerung der Polizei, "wohl in Gedanken bei seinem eigenen Grundstück" habe sich der Kläger auf die Kante der Geschossdecke gesetzt und sich bequem nach hinten gelehnt, wobei die Fermacell-Platten plötzlich durchbrachen. Der Zeuge C. hat ausgesagt, seiner Erinnerung nach hätte sich auf der Ostseite die einzige Aufstiegsmöglichkeit des Gerüsts befunden.
Ein Entgelt hat der Kläger für seine Hilfe vom Bauherrn zu keinem Zeitpunkt erhalten.
Wegen der Einzelheiten der Aussagen wird auf die polizeilichen Vernehmungsprotokolle und Ermittlungsberichte in den Akten der Beklagten (Bl. 459 ff. Behördenakte), auf die Niederschrift des SG über den Erörterungs- und Beweisaufnahmetermin vom 14.03.2011 sowie auf die Niederschrift des LSG über die mündliche Verhandlung vom 23.01.2013 verwiesen.
Im Klinikum B-Stadt, in dem der Kläger bis zum 11.10.2007 stationär behandelt wurde, wurden eine Felsenbeinfraktur rechts mit Fazialisparese, eine Schädelbasisfraktur, eine
Kalottenfraktur, eine Kontusionsblutung, multiple Mittelgesichtsfrakturen, eine Abrissfraktur des Processus coracoideus rechts, eine Sternumfraktur sowie eine Leberkontusion diagnostiziert.
In der Folgezeit stritten sich die vom Kläger zunächst angegangene BG BAU und die Beklagte über ihre Zuständigkeit, die die Beklagte schließlich anerkannte.
Der Kläger stellte am 07.11.2008 bei der BG BAU und am 07.10.2009 bei der Beklagten einen Antrag auf Unfallrente. Als Schäden seien verblieben der Verlust des Geruchs-/Geschmacksinnes, Atembeschwerden, Beschwerden an der Wirbelsäule, Schulterschmerzen rechts und eine eingeschränkte Hörfähigkeit auf dem rechten Ohr.
Mit Bescheid vom 26.03.2010 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger einen Entschädigungsanspruch aus Anlass eines Unfalls vom 02.10.2007 ab. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass kein Arbeitsunfall vorliege, weil der Unfall nicht in Ausübung einer versicherten Tätigkeit geschehen sei. Der Kläger sei weder Beschäftigter i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) gewesen, noch sei er wie ein Beschäftigter i.S.d. § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII tätig geworden. Das Betreten des Baugerüstes habe nämlich nicht mehr dem ausdrücklichen oder zumindest mutmaßlichen Willen des Bauherrn entsprochen. Vielmehr habe der Kläger das Baugerüst vermutlich nur deshalb betreten, um sein eigenes, östlich der Baustelle gelegenes Grundstück aus der Höhe zu betrachten; außerdem seien zu diesem Zeitpunkt die Bauarbeiten bereits beendet gewesen.
Den dagegen am 20.04.2010 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2010 als unbegründet zurück. In den Gründen heißt es ergänzend, ein Arbeitsunfall liege auch deshalb nicht vor, weil der Arbeitsauftrag des Bauherrn darauf beschränkt gewesen sei, einen mit Paletten beladenen PKW-Anhänger zu entladen.
Dagegen hat der Kläger am 29.11.2010 beim SG Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, für die Bejahung einer Wie-Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII sei die Dauer der Tätigkeit ohne Bedeutung; auch kurzfristige Handlungen genügten. Die Tätigkeit des Klägers sei vergleichbar mit dem Halten eines Holzbalkens (vgl. BSGE 25,102).
Das SG hat in einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme am 14.03.2011 den Kläger persönlich sowie die Zeugen T. und R. vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 26.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2010 aufzuheben und festzustellen, dass der Unfall des Klägers vom 02.10.2007 ein Arbeitsunfall ist, und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger hierfür zu entschädigen.
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt, die Klage abzuweisen.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 07.04.2011 Az. S 8 U 336/10 die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit über die Feststellung eines Arbeitsunfalls hinaus Entschädigungsleistungen beantragt würden. Über konkrete Entschädigungsleistungen sei bislang von der Beklagten nicht entschieden worden. Soweit dagegen die Feststellung eines Arbeitsunfalls beantragt werde, sei die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Insoweit sei die Klage jedoch nicht begründet. Mangels persönlichen Abhängigkeitsverhältnisses zum Bauherrn habe eine Beschäftigung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nicht vorgelegen. Auch als so genannter Wie-Beschäftigter nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sei der Kläger im Unfallzeitpunkt nicht tätig geworden. Es sei nicht mehr aufklärbar, mit welcher Motivation der Kläger auf das Gerüst gestiegen und sich auf die Decke des Erdgeschosses aufgeschwungen habe. Jedenfalls lasse sich zur Überzeugung des Gerichts nicht im Vollbeweis nachweisen, dass der Kläger auch im Unfallzeitpunkt noch seiner zuvor sicherlich ausgeübten Tätigkeit als Bauhelfer nachgegangen sei. Der Auftrag des Bauherrn habe sich darauf beschränkt, dem Zeugen C. beim Umladen von Brettern zu helfen. Deshalb habe der Kläger nicht davon ausgehen dürfen, dass das Besteigen des Gerüsts im mutmaßlichen Interesse des Bauherrn lag. Eine fremdnützige, dem Unternehmen des Zeugen R. dienende Tätigkeit des Klägers im Unfallzeitpunkt sei nicht erwiesen. Einen umfassenden Versicherungsschutz für die gesamte Dauer des Aufenthalts auf der Baustelle gebe es nicht; dies wäre ein sogenannter Betriebsbann, der nur für den Bereich der Schifffahrt, nicht aber für die übrige gesetzliche Unfallversicherung anerkannt sei.
Selbst wenn man unterstellen sollte, der Kläger habe im Zeitpunkt seines Unfalls betriebsdienlich gehandelt, würde ein Versicherungsschutz daran scheitern, dass die Mithilfe des Klägers eine Gefälligkeitshandlung gegenüber dem Zeugen R. dargestellt habe, weil sich beide aus einer mehrjährigen geschäftlichen Tätigkeit kannten und ihre Betriebe benachbart waren. Die Mithilfe des Klägers habe den Rahmen dessen, was aufgrund solcher Freundschafts- bzw. Nachbarschaftsverhältnisse üblich sei, nicht überschritten, insbesondere habe die Tätigkeit nicht länger als eine Stunde gedauert.
Der Kläger hat gegen den Gerichtsbescheid, der ihm am 14.04.2011 zugestellt worden war, am 16.05.2011, einem Montag, beim LSG Berufung eingelegt.
Mit seiner Berufung machte Kläger geltend, das SG habe rechtsfehlerhaft isoliert nur auf den Vorgang des Besteigens des Gerüstes zur Beurteilung einer Wie-Beschäftigung abgestellt. Richtigerweise sei jedoch eine Gesamtbetrachtung anzustellen, die das Besteigen des Gerüstes im Zusammenhang mit der vorausgehenden Helfertätigkeit beim Umladen der Paletten beurteile. Der Kläger habe keine anderen ersichtlichen Gründe gehabt, um auf der Baustelle zu verweilen, als dem Bauherrn bei der Ausführung seines Bauvorhabens helfend tätig zu werden. Es sei dem Kläger nicht möglich gewesen, den Bauherrn um eine erneute Anweisung nach dem Umladen der Bretter zu bitten, weil sich dieser entfernt hatte. Der Kläger habe annehmen dürfen, dass ihm der Bauherr hinsichtlich seiner Tätigkeit nach Umladen der Bretter Entscheidungsfreiheit gelassen habe. Ein Tätigwerden aus freundschaftlicher, Bekanntschafts- oder Nachbarschaftsbeziehung stehe dem Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII grundsätzlich nicht entgegen. Die Tätigkeit des Klägers könne schon wegen ihres Umfangs und ihrer Dauer nicht als Gefälligkeitshandlung angesehen werden. Eine Tätigkeit wie das Umladen von Brettern auf einer Baustelle überschreite den Rahmen, innerhalb dessen Hilfe üblicherweise erwartet werden könne. Eine solche Tätigkeit sei als arbeitnehmerähnlich einzustufen. Dass die Tätigkeit eine Dauer von einer Stunde nicht überschritten habe, beruhe auf einer reinen Mutmaßung des SG, für die es keine hinreichenden Feststellungen gebe.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2013 den Zeugen C. vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift wird insoweit verwiesen.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 07.04.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2010 aufzuheben und festzustellen, dass der Unfall des Klägers vom 02.10.2007 ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.
Soweit sich die Berufung ursprünglich auch insoweit gegen den angefochtenen Gerichtsbescheid gerichtet hatte, als darin die Klage als unzulässig abgewiesen wurde, soweit sie auf die Verurteilung gerichtet war, Entschädigungsleistungen zu erbringen, hat der Kläger seine Berufung bei Stellung seiner Anträge in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2013 nicht aufrecht erhalten.
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, soweit sie darauf gerichtet war, unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide festzustellen, dass der Unfall vom 02.10.2007 ein Arbeitsunfall war. Diese Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Die Klage, mit der beantragt wird, unter Aufhebung des Bescheides vom 26.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2010 festzustellen, dass der Unfall des Klägers vom 02.10.2007 ein Arbeitsunfall war, ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 SGG und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässig (vgl. BSGE 108, 274 Rn. 12).
Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der Unfall vom 02.10.2007 kein Arbeitsunfall war. Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Der Kläger war im Zeitpunkt des Unfalls nicht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Beschäftigter versichert. Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, wobei Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers sind. Der Kläger hat für seine Mithilfe, die spontan erfolgte und nicht geplant war, eine Vergütung weder vereinbart noch später erhalten, die Mithilfe nach Feierabend erfolgte als reine Gefälligkeit aufgrund der langjährigen Freundschaft. Solche reinen Gefälligkeitshandlungen, denen jede Erwerbszielsetzung fehlt, können nicht als Arbeit i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV betrachtet werden (Seewald in: Kasseler Kommentar, a.a.O., § 7 SGB IV Rn. 33) ...
Der Kläger war im Zeitpunkt des Unfalls auch nicht in Ausübung einer so genannten Wie-Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII tätig. Nach dieser Vorschrift sind Personen versichert, die wie nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Versicherte - also Beschäftigte - tätig werden. § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII erfasst tatbestandliche Tätigkeiten, die ihrer Art nach zwar nicht sämtliche Merkmale der Ausübung einer Beschäftigung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer solchen ähneln. Es muss ebenfalls eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert verrichtet werden, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte und regelmäßig verrichtet wird, die in einem fremden Unternehmen dafür eingestellt sind (BSG, Urteil vom 27.03.2012 Az.: B U 5/11 R, NZS 2012, 826, Rn. 56). Eine der Ausübung einer Beschäftigung ähnliche Tätigkeit kann unter Umständen zu verneinen sein, wenn die Verrichtung wegen und im Rahmen einer Sonderbeziehung zum Unternehmer erfolgt. Eine "Sonderbeziehung" liegt vor bei Verwandtschaft oder bei einer Gefälligkeit für Bekannte bzw. Freunde. Jedoch sind auch dann, wenn eine solche "Sonderbeziehung" besteht, alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Dabei kann sich ergeben, dass die konkrete Verrichtung außerhalb dessen liegt, was für enge Verwandte, Freunde oder Bekannte getan wird, oder nicht wegen der Sonderbeziehung vorgenommen wird. Dann kann sie den Tatbestand der "Wie-Beschäftigung" erfüllen (BSG, aaO. Rn. 57).
Nach diesen Grundsätzen stellte die Mithilfe des Klägers beim Umladen von Holz-Platten durch den Zeugen C. keine Wie-Beschäftigung dar. Wie die Befragung des Zeugen C. in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2013 ergeben hat, hat der Kläger dem Zeugen nur wenige Minuten geholfen, um zwei Bretter von einem Anhänger auf die Krangabel zu heben. Der Zeuge C. war dann ohnehin mit seiner Arbeit fertig. Da um 19.55 Uhr der Anruf der Rettungsleitstelle bei der Polizei eingegangen war, bedeutet dies, dass der Kläger erst kurz vor 20 Uhr - nach Beendigung seines eigenen Arbeitstages - auf die Baustelle seines Nachbarn gekommen war. Das Mitanpacken beim Umladen von zwei Brettern - die im Übrigen der Zeuge C. auch alleine hätten heben können - kann nicht als ernsthafte Tätigkeit angesehen werden, deren Umfang über eine reine Gefälligkeit hinausging, wie sie im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Zeugen R. üblich war. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger und der Zeuge R. nicht nur Grundstücksnachbarn, sondern privat befreundet waren und seit vielen Jahren beruflich zusammengearbeitet hatten. Auch in vorangegangenen Tagen, als die Fertigteile in der benachbarten Halle bearbeitet worden waren, hatte der Kläger jeden Tag auf einen Kaffee vorbeigeschaut, ohne sich aber an den Arbeiten zu beteiligen.
Auch der Aufstieg auf das Baugerüst und das Aufschwingen auf die Geschossdecke, das zu dem Unfall geführt hat, erfolgte nicht in Ausübung der Wie-Beschäftigung. Selbst wenn man unterstellen sollte, dass der Kläger die Äußerung des Bauherrn - die sich ausdrücklich darauf beschränkte, er solle "dem D." - also dem Zeugen C. - helfen - aufgrund des langjährigen Vertrauensverhältnisses der beiden Freunde so verstehen durfte, dass der Bauherr damit einverstanden war, dass er sich nach Abschluss der Hilfe für den C. auch nach weiteren Möglichkeiten zur Mitarbeit auf der Baustelle umsah, lässt sich mit der notwendigen vollen Überzeugung nicht mehr feststellen, ob sich der Kläger tatsächlich mit einer solchen inneren Handlungstendenz auf das Baugerüst begeben und von dort auf die Geschossdecke aufgeschwungen hat. Es ist ebenso möglich, dass der Kläger nur sein eigenes Grundstück von oben betrachten oder den anderen bei der Arbeit nur zuschauen wollte. Die Beweislast für die Unaufklärbarkeit der inneren Handlungstendenz des Klägers im Zeitpunkt seines Unfalls liegt beim Kläger. Beweiserleichterungen kann der Kläger auch nicht daraus ableiten, dass die Unaufklärbarkeit des Sachverhalts gerade auf seiner verletzungsbedingten Amnesie bezüglich der letzte Minuten vor dem Unfall beruht. Zwar hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 26.10.2004 (Az.: B 2 U 24/03 R, BSGE 91, 279) den Grundsatz aufgestellt, dass, wenn ein Versicherter unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, wo er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet hatte, verunglückt, der Versicherungsschutz nur dann entfällt, wenn bewiesen wird, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Verrichtung unterbrochen hatte. Nach dieser Entscheidung kehrt sich also nur die Beweislast um, wenn feststeht, dass der Versicherte kurz vor dem Unglück noch betrieblich tätig war und er sich auch in örtlicher Hinsicht im Zeitpunkt des Unfalls noch an seinem Arbeitsplatz befand. Der Entscheidung lag der Sachverhalt zu Grunde, dass der Verunglückte zusammen mit einem Kollegen Reparaturarbeiten auf einem Flachdach vornahm, sich der Kollege für 15-30 min entfernte und das Unfallopfer auf dem Dach auf ihn wartete. Als der Kollege zurückkam, war das Unfallopfer an einer Stelle des Daches, von der aus die Zweige eines Kirschbaumes zu erreichen waren, eingebrochen und bei dem Sturz tödlich verunglückt. Das BSG hat in diesem Fall die Beweislastumkehr bejaht und dazu ausgeführt, dass sich der Kläger auch in örtlicher Hinsicht nicht in relevanter Weise von seinem Arbeitsplatz entfernt habe, weil die Durchführung der Montagearbeiten zumindest einen Teil des Daches bestimmungsgemäß umfasste und weil während des Arbeitstages bereits mehrfach der gegen Durchtreten ungesicherte Teil des Daches habe betreten werden müssen. Mit Urteil vom 04.09.2007 (Az. B 2 U 28/06 R, USK 2007-102) hat das BSG eine ähnliche Beweislastumkehr in einem Fall bejaht, in dem der Versicherte aus ungeklärten Gründen von der Plattform eines Krans gestürzt und tödlich verunglückt war, auf die er sich zusammen mit Kollegen im Rahmen seiner Arbeit begeben hatte und auf der er sich in einem Zeitraum von 10 bis 20 min unbeobachtet vor seinem Tod befunden hatte. Dies führte zum Erfolg der Klage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls, obwohl erhebliche Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der Kläger Selbstmord begangen hatte, da er sich bereits seit Monaten in stationärer und ambulanter psychiatrischer Behandlung wegen einer suizidalen Krise bei akuten vorwiegend wahnhaften Störungen befunden hatte, und ihm Medikamente gegen akute und chronische Angst-, Spannungs- und Erregungszustände verordnet worden waren, außerdem die Plattform mit einem dreiteiligen, 1,10 m hohen Seitenschutzgeländer gesichert war. Trotz dieser erheblichen Anhaltspunkte für eine Selbsttötung hielt das BSG die Vermutung für das Fortbestehen einer ununterbrochenen betrieblichen Tätigkeit nicht für widerlegt. Nur dann, wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass wegen der Höhe und der Konstruktion des Seitenschutzgitters ein versehentlicher, nicht absichtlich herbeigeführte Absturz praktisch ausgeschlossen gewesen wäre, hätte die Unterbrechung der versicherten Tätigkeit für eine eigenwirtschaftliche Verrichtung bejaht werden dürfen. Später hat das BSG in seinem Urteil vom 31.01.2012 (Az.: B 2 U 2/11 R, NZS 2012,513) die in den vorgenannten Entscheidungen entwickelten Beweiserleichterungen eingegrenzt auf Konstellationen, in denen der Versicherte den räumlichen Bereich, in dem er zuletzt die versicherte Tätigkeit verrichtet hat, nicht verlassen und er dort kurz zuvor versicherte Tätigkeiten verrichtet hat (a.a.O. Rn. 23). Es kann offenbleiben, ob diese Rechtsprechung, die bislang nur zu Pflichtversicherten kraft Beschäftigung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ergangen ist, überhaupt auf Fälle der Wie-Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII übertragbar ist. Jedenfalls setzt diese Rechtsprechung aber voraus, dass feststeht, dass die versicherte Tätigkeit vor der möglichen Unterbrechung tatsächlich ausgeübt wurde, und zwar in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang. Im vorliegenden Fall lässt sich aber gerade nicht feststellen, dass vor der möglichen Unterbrechung - die bereits mit dem Besteigen des Gerüsts begonnen hatte - überhaupt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt worden war, weil die Mithilfe des Klägers beim Zeugen C. weder eine Beschäftigung noch eine Wie-Beschäftigung darstellte. Deshalb bleibt die Beweislast für die Nichterweislichkeit seiner inneren Handlungstendenz beim Kläger. Die Zweifel am Bestehen einer auf die Verrichtung einer Wie-Beschäftigung zielenden inneren Handlungstendenz beim Besteigen des Baugerüsts und dem Aufschwingen auf die Erdgeschossdecke gehen zu seinen Lasten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Unfall des Klägers vom 02.10.2007 als Arbeitsunfall anzusehen ist oder nicht.
Der Zeuge R. betrieb in N. eine Kfz-Reparaturwerkstatt für Motorräder. Da er diese bis dahin in nur gemieteten Räumen betrieben hatte, wollte er auf seinem eigenen Grundstück in der D.-Straße 6 in N. ein eigenes Betriebsgebäude errichten, in das ein Wohngebäude für den Betriebsleiter integriert werden sollte. Dieses Gebäude sollte in Holzständerbauweise aus Fertigteilen, die in einer nahe gelegenen Halle bearbeitet wurden, in möglichst kurzer Zeit im Eigenbau durch den Zeugen R. sowie weitere, mit ihm befreundete Helfer errichtet werden. Der Bauherr hatte bei der BG BAU, die er für zuständig hielt, am 29.09.2007 die Beschäftigung von namentlich nicht benannten Helfern ab dem 01.10.2007 für Eigenbauarbeiten im Wert von 30.000 EUR angemeldet. Geplant waren ein Erdgeschoss und ein erster Stock, über dem sich ein Giebeldach entfaltete. Mit dem eigentlichen Bau wurde am 02.10.2007, also dem Unfalltag, begonnen. Die Fertigteile hatte R. zusammen mit Helfern in der Zeit vor dem 02.10.2007 zurecht geschnitten. Der Kläger, der mit R. seit vielen Jahren eng befreundet war, mit diesem beruflich zusammengearbeitet hatte und das Nachbargrundstück besaß, auf dem er zusammen mit einem Partner eine Autowerkstatt betrieb, war in den Planungen nicht als Helfer für die Bauarbeiten vorgesehen. Auch an den Vorarbeiten an den Fertigteilen in der benachbarten Halle war er nicht beteiligt gewesen, sondern hatte dort nur gelegentlich auf einen Kaffee vorbeigeschaut.
Am Unfalltag, dem 02.10.2007, wurde die Decke über dem Erdgeschoss, die gleichzeitig den Fußboden des ersten Stockwerks bildete, gebaut. Dazu verlegte der Bauherr R. zusammen mit dem mit ihm befreundeten, unentgeltlich arbeitenden Zimmermannsmeister T. Platten über den Tragebalken, die die Decke des Erdgeschosses bilden sollten. Die Konstruktion der Erdgeschossdecke erfolgte derartig, dass zunächst sogenannte Fermacell-Platten von 12,5 cm Dicke über die Tragebalken lose verlegt wurden. Dabei handelte es sich um Gipsfaserplatten, die vornehmlich der Isolierung dienten, jedoch für sich allein nicht trittfest waren. In diesem Stadium durften die Fermacell-Platten nur von R. und T. betreten werden, die genau wussten, an welchen Stellen sich tragende Balken unter den Platten befanden. Zunächst wurde die gesamte Erdgeschoss-Decke mit Fermacell-Platten ausgelegt. Sodann verlegten R. und T. über den Fermacell-Platten eine zweite Schicht von Holzbrettern, die mit Nut und Feder schwimmend verlegt wurden und trittfest waren. Die beiden Bodenschichten - Fermacell-Platten und Holzbretter - wurden dann mit den darunter liegenden Tragebalken fest verbunden, und erst dann entstand ein begehbarer Fußboden.
Als es zu dämmern begann, kam ein weiterer Freund des Bauherrn, der Zeuge R., an die Baustelle und brachte einen Halogen-Strahler, der ein Weiterarbeiten in der Dunkelheit ermöglichte. Der Zeuge R. löste den R. bei seinen Arbeiten auf der Erdgeschoss-Decke ab und übernahm es, zusammen mit dem T. die trittfesten Holzbretter über der Schicht von Fermacell-Platten auf der Erdgeschossdecke zu verlegen. Später kam auch noch der Zeuge C., ein weiterer Freund, hinzu. Den genauen Zeitpunkt seines Eintreffens konnte der Zeuge C. in seiner Vernehmung am 23.01.2013 nicht mehr angeben, jedenfalls habe er bis 16.00 Uhr Dienst gehabt und habe sich danach noch umziehen müssen. C. übernahm es, die Holzbretter, die oben auf der Erdgeschossdecke über die Fermacell-Platten gelegt werden sollten, unten von einem Anhänger auf die Ladegabel eines Krans zu laden, um die Holzbretter auf die Erdgeschossdecke zu heben. Die Bedienung des Krans erfolgte mittels Fernbedienung durch T. von der Erdgeschossdecke aus. Die Bretter konnten von C. alleine gehoben werden. Der Zeuge C. hat in seiner Befragung durch das Bayerische Landessozialgericht (LSG) am 23.01.2013 angegeben, von den Gefahren auf der Erdgeschossdecke nichts gewusst zu haben, dass er aber auch niemals gewagt hätte, dort hinaufzusteigen. Als der Bauherr und Zeuge R. die Baustelle verlassen wollte, um in der benachbarten Halle weitere Fertigteile zu bearbeiten, kam der Kläger, der seine eigene Arbeit auf dem Nachbargrundstück gerade beendet hatte, zur Baustelle und fragte, ob er helfen könne. Der Bauherr antwortete ihm, er solle dem "D." - gemeint war der Zeuge C. - helfen, die Hölzer auf die Krangabel aufzuladen. Der Kläger hat erklärt, er könne sich noch daran erinnern, dass er dem C. geholfen habe, Bretter von einem Anhänger abzuladen.
Nachdem er dem C. geholfen hatte, begab sich der Kläger auf das Baugerüst auf der seinem eigenen Grundstück zugewandten östlichen Seite. Die Erdgeschoss-Decke verlief etwa auf der halben Höhe zwischen den umlaufenden Brettern des Baugerüsts, auf denen der Kläger stand, und der nächsthöheren Ebene des Gerüstes. Der Kläger schwang sich vom Baugerüst auf die Kante der Erdgeschoss-Decke. Der Zeuge R. konnte ihn dabei nicht sehen, weil er mit dem Rücken zu ihm arbeitete. Der Zeuge T. dagegen sah ihn und rief ihm noch zu: "Nein, nicht!" Der Zeuge T. hat geschildert, dass er aus der Art, wie sich der Kläger auf die Wand geschwungen hat, geschlossen habe, dass er sich auf die Wand habe setzen wollen. Er habe bis dahin gar nicht gewusst, dass sich der Kläger auf der Baustelle befunden habe. Der Kläger brach dann durch die Fermacell-Platten ein und stürzte auf den Betonboden des Erdgeschosses bei einer Geschosshöhe von 2,75 m. Er war etwa eine Minute bewusstlos und wurde von den übrigen Baustellenhelfern in den als Wohnzimmer vorgesehenen Raum des Wohnhauses blutüberströmt gebracht. Um 19:55 Uhr erhielt die Polizei die Mitteilung von dem Unfall über die Rettungsleitstelle. Als die Polizei um 20:15 Uhr eintraf, war der Notarzt schon vor Ort. Der Bauherr kam erst nach dem Unfall an die Baustelle zurück.
Zur Frage, zu welcher Uhrzeit der Kläger auf der Baustelle eingetroffen war, gibt es unterschiedliche Angaben. Der Zeuge R. hat in seiner Vernehmung beim Sozialgericht Augsburg (SG) die Zeit mit 18:00 Uhr angegeben. Der Kläger selbst hatte in derselben Vernehmung angegeben, sich nicht mehr erinnern zu können. Er meine, er sei einfach auf die Baustelle gegangen, um zu sehen, ob noch Hilfe benötigt werde. Normalerweise mache er zwischen 19:00 und 20:00 Uhr Feierabend. Er meine auch, dass die Dämmerung bereits eingesetzt hatte, dunkel sei es jedoch noch nicht gewesen. In der Aufstellung des Bauherrn für die BG BAU über die in Eigenarbeit nicht gewerbsmäßig ausgeführten Bauarbeiten vom 26.05.2008 wurden für den Kläger drei geleistete Arbeitsstunden angegeben. Der Kläger selbst hat in dem am 04.10.2009 ausgefüllten Fragebogen der Beklagten angegeben, die unfallbringende Tätigkeit für ca. eine Stunde vor dem Unfall ausgeübt zu haben. Der Zeuge C. hat dagegen in seiner Vernehmung vom 23.01.2013 angegeben, dass der Kläger allenfalls ein paar Minuten mitgeholfen habe. Er sei beim Eintreffen des Klägers mit seiner Arbeit fast fertig gewesen und hätte bis dahin schon etwa 2 h gearbeitet. Nur noch zwei Bretter hätten gefehlt, bei denen der Kläger mit angepackt hätte, obwohl er sie auch alleine hätte heben können. Danach sei der Kläger mit den Worten "Ich geh mal rüber" um die Ecke des Bauwerks gegangen. Kurze Zeit später sei der Unfall geschehen.
Zu seiner Motivation, warum er seine Hilfe anbieten wollte, vom SG befragt, hat der Kläger angegeben, als Nachbarn helfe man sich gegenseitig, außerdem sei er selbst daran interessiert gewesen, das R. sein Bauvorhaben schnellstmöglich beenden würde, da er noch Räume auf seinem Grundstück nutzte, die dann frei würden.
Was der Kläger vorhatte, als er sich auf das Baugerüst begab und von dort auf die Erdgeschossdecke schwang, lässt sich nicht mehr aufklären, weil der Kläger unfallbedingt sich nicht mehr daran erinnern kann. Auf Befragung durch das SG hat er erklärt, vielleicht habe er eine kleine Pause machen wollen, vielleicht habe er schauen wollen, was dort oben gearbeitet werde. Sein eigenes Erinnerungsvermögen setze erst wieder zu einem Zeitpunkt ein, als er sich aufgrund des nachfolgenden Unfalls noch im Klinikum befand. Der Zeuge R. hat bei der Befragung durch die Polizei am Unfalltag die Vermutung geäußert, der Kläger habe nur seinen Freunden bei der Verlegung der Holz-Platten zuschauen wollen. Später hat der Zeuge R. bei der ausführlichen Befragung durch KHK L. am 04.10.2007 die Vermutung geäußert, dass der Kläger von dem Gerüst aus sein im Osten gelegenes Nachbargrundstück betrachtet habe. Offensichtlich sei er beim Betrachten seines Grundstücks rückwärts zum Baukörper des Hauses getreten, habe sich dort auf die Kante gesetzt und nach hinten mit den Armen auf die Fermacell-Platten abgestützt. Im Schlussbericht der Kriminalpolizeiinspektion B-Stadt vom 17.01.2008 führte diese Aussage zu der Schlussfolgerung der Polizei, "wohl in Gedanken bei seinem eigenen Grundstück" habe sich der Kläger auf die Kante der Geschossdecke gesetzt und sich bequem nach hinten gelehnt, wobei die Fermacell-Platten plötzlich durchbrachen. Der Zeuge C. hat ausgesagt, seiner Erinnerung nach hätte sich auf der Ostseite die einzige Aufstiegsmöglichkeit des Gerüsts befunden.
Ein Entgelt hat der Kläger für seine Hilfe vom Bauherrn zu keinem Zeitpunkt erhalten.
Wegen der Einzelheiten der Aussagen wird auf die polizeilichen Vernehmungsprotokolle und Ermittlungsberichte in den Akten der Beklagten (Bl. 459 ff. Behördenakte), auf die Niederschrift des SG über den Erörterungs- und Beweisaufnahmetermin vom 14.03.2011 sowie auf die Niederschrift des LSG über die mündliche Verhandlung vom 23.01.2013 verwiesen.
Im Klinikum B-Stadt, in dem der Kläger bis zum 11.10.2007 stationär behandelt wurde, wurden eine Felsenbeinfraktur rechts mit Fazialisparese, eine Schädelbasisfraktur, eine
Kalottenfraktur, eine Kontusionsblutung, multiple Mittelgesichtsfrakturen, eine Abrissfraktur des Processus coracoideus rechts, eine Sternumfraktur sowie eine Leberkontusion diagnostiziert.
In der Folgezeit stritten sich die vom Kläger zunächst angegangene BG BAU und die Beklagte über ihre Zuständigkeit, die die Beklagte schließlich anerkannte.
Der Kläger stellte am 07.11.2008 bei der BG BAU und am 07.10.2009 bei der Beklagten einen Antrag auf Unfallrente. Als Schäden seien verblieben der Verlust des Geruchs-/Geschmacksinnes, Atembeschwerden, Beschwerden an der Wirbelsäule, Schulterschmerzen rechts und eine eingeschränkte Hörfähigkeit auf dem rechten Ohr.
Mit Bescheid vom 26.03.2010 lehnte die Beklagte gegenüber dem Kläger einen Entschädigungsanspruch aus Anlass eines Unfalls vom 02.10.2007 ab. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass kein Arbeitsunfall vorliege, weil der Unfall nicht in Ausübung einer versicherten Tätigkeit geschehen sei. Der Kläger sei weder Beschäftigter i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) gewesen, noch sei er wie ein Beschäftigter i.S.d. § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII tätig geworden. Das Betreten des Baugerüstes habe nämlich nicht mehr dem ausdrücklichen oder zumindest mutmaßlichen Willen des Bauherrn entsprochen. Vielmehr habe der Kläger das Baugerüst vermutlich nur deshalb betreten, um sein eigenes, östlich der Baustelle gelegenes Grundstück aus der Höhe zu betrachten; außerdem seien zu diesem Zeitpunkt die Bauarbeiten bereits beendet gewesen.
Den dagegen am 20.04.2010 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2010 als unbegründet zurück. In den Gründen heißt es ergänzend, ein Arbeitsunfall liege auch deshalb nicht vor, weil der Arbeitsauftrag des Bauherrn darauf beschränkt gewesen sei, einen mit Paletten beladenen PKW-Anhänger zu entladen.
Dagegen hat der Kläger am 29.11.2010 beim SG Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, für die Bejahung einer Wie-Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII sei die Dauer der Tätigkeit ohne Bedeutung; auch kurzfristige Handlungen genügten. Die Tätigkeit des Klägers sei vergleichbar mit dem Halten eines Holzbalkens (vgl. BSGE 25,102).
Das SG hat in einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme am 14.03.2011 den Kläger persönlich sowie die Zeugen T. und R. vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 26.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2010 aufzuheben und festzustellen, dass der Unfall des Klägers vom 02.10.2007 ein Arbeitsunfall ist, und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger hierfür zu entschädigen.
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt, die Klage abzuweisen.
Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 07.04.2011 Az. S 8 U 336/10 die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit über die Feststellung eines Arbeitsunfalls hinaus Entschädigungsleistungen beantragt würden. Über konkrete Entschädigungsleistungen sei bislang von der Beklagten nicht entschieden worden. Soweit dagegen die Feststellung eines Arbeitsunfalls beantragt werde, sei die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Insoweit sei die Klage jedoch nicht begründet. Mangels persönlichen Abhängigkeitsverhältnisses zum Bauherrn habe eine Beschäftigung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII nicht vorgelegen. Auch als so genannter Wie-Beschäftigter nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sei der Kläger im Unfallzeitpunkt nicht tätig geworden. Es sei nicht mehr aufklärbar, mit welcher Motivation der Kläger auf das Gerüst gestiegen und sich auf die Decke des Erdgeschosses aufgeschwungen habe. Jedenfalls lasse sich zur Überzeugung des Gerichts nicht im Vollbeweis nachweisen, dass der Kläger auch im Unfallzeitpunkt noch seiner zuvor sicherlich ausgeübten Tätigkeit als Bauhelfer nachgegangen sei. Der Auftrag des Bauherrn habe sich darauf beschränkt, dem Zeugen C. beim Umladen von Brettern zu helfen. Deshalb habe der Kläger nicht davon ausgehen dürfen, dass das Besteigen des Gerüsts im mutmaßlichen Interesse des Bauherrn lag. Eine fremdnützige, dem Unternehmen des Zeugen R. dienende Tätigkeit des Klägers im Unfallzeitpunkt sei nicht erwiesen. Einen umfassenden Versicherungsschutz für die gesamte Dauer des Aufenthalts auf der Baustelle gebe es nicht; dies wäre ein sogenannter Betriebsbann, der nur für den Bereich der Schifffahrt, nicht aber für die übrige gesetzliche Unfallversicherung anerkannt sei.
Selbst wenn man unterstellen sollte, der Kläger habe im Zeitpunkt seines Unfalls betriebsdienlich gehandelt, würde ein Versicherungsschutz daran scheitern, dass die Mithilfe des Klägers eine Gefälligkeitshandlung gegenüber dem Zeugen R. dargestellt habe, weil sich beide aus einer mehrjährigen geschäftlichen Tätigkeit kannten und ihre Betriebe benachbart waren. Die Mithilfe des Klägers habe den Rahmen dessen, was aufgrund solcher Freundschafts- bzw. Nachbarschaftsverhältnisse üblich sei, nicht überschritten, insbesondere habe die Tätigkeit nicht länger als eine Stunde gedauert.
Der Kläger hat gegen den Gerichtsbescheid, der ihm am 14.04.2011 zugestellt worden war, am 16.05.2011, einem Montag, beim LSG Berufung eingelegt.
Mit seiner Berufung machte Kläger geltend, das SG habe rechtsfehlerhaft isoliert nur auf den Vorgang des Besteigens des Gerüstes zur Beurteilung einer Wie-Beschäftigung abgestellt. Richtigerweise sei jedoch eine Gesamtbetrachtung anzustellen, die das Besteigen des Gerüstes im Zusammenhang mit der vorausgehenden Helfertätigkeit beim Umladen der Paletten beurteile. Der Kläger habe keine anderen ersichtlichen Gründe gehabt, um auf der Baustelle zu verweilen, als dem Bauherrn bei der Ausführung seines Bauvorhabens helfend tätig zu werden. Es sei dem Kläger nicht möglich gewesen, den Bauherrn um eine erneute Anweisung nach dem Umladen der Bretter zu bitten, weil sich dieser entfernt hatte. Der Kläger habe annehmen dürfen, dass ihm der Bauherr hinsichtlich seiner Tätigkeit nach Umladen der Bretter Entscheidungsfreiheit gelassen habe. Ein Tätigwerden aus freundschaftlicher, Bekanntschafts- oder Nachbarschaftsbeziehung stehe dem Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII grundsätzlich nicht entgegen. Die Tätigkeit des Klägers könne schon wegen ihres Umfangs und ihrer Dauer nicht als Gefälligkeitshandlung angesehen werden. Eine Tätigkeit wie das Umladen von Brettern auf einer Baustelle überschreite den Rahmen, innerhalb dessen Hilfe üblicherweise erwartet werden könne. Eine solche Tätigkeit sei als arbeitnehmerähnlich einzustufen. Dass die Tätigkeit eine Dauer von einer Stunde nicht überschritten habe, beruhe auf einer reinen Mutmaßung des SG, für die es keine hinreichenden Feststellungen gebe.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2013 den Zeugen C. vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift wird insoweit verwiesen.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 07.04.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2010 aufzuheben und festzustellen, dass der Unfall des Klägers vom 02.10.2007 ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.
Soweit sich die Berufung ursprünglich auch insoweit gegen den angefochtenen Gerichtsbescheid gerichtet hatte, als darin die Klage als unzulässig abgewiesen wurde, soweit sie auf die Verurteilung gerichtet war, Entschädigungsleistungen zu erbringen, hat der Kläger seine Berufung bei Stellung seiner Anträge in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2013 nicht aufrecht erhalten.
Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, soweit sie darauf gerichtet war, unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide festzustellen, dass der Unfall vom 02.10.2007 ein Arbeitsunfall war. Diese Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Die Klage, mit der beantragt wird, unter Aufhebung des Bescheides vom 26.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2010 festzustellen, dass der Unfall des Klägers vom 02.10.2007 ein Arbeitsunfall war, ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 SGG und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässig (vgl. BSGE 108, 274 Rn. 12).
Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der Unfall vom 02.10.2007 kein Arbeitsunfall war. Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Der Kläger war im Zeitpunkt des Unfalls nicht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als Beschäftigter versichert. Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, wobei Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers sind. Der Kläger hat für seine Mithilfe, die spontan erfolgte und nicht geplant war, eine Vergütung weder vereinbart noch später erhalten, die Mithilfe nach Feierabend erfolgte als reine Gefälligkeit aufgrund der langjährigen Freundschaft. Solche reinen Gefälligkeitshandlungen, denen jede Erwerbszielsetzung fehlt, können nicht als Arbeit i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV betrachtet werden (Seewald in: Kasseler Kommentar, a.a.O., § 7 SGB IV Rn. 33) ...
Der Kläger war im Zeitpunkt des Unfalls auch nicht in Ausübung einer so genannten Wie-Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII tätig. Nach dieser Vorschrift sind Personen versichert, die wie nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Versicherte - also Beschäftigte - tätig werden. § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII erfasst tatbestandliche Tätigkeiten, die ihrer Art nach zwar nicht sämtliche Merkmale der Ausübung einer Beschäftigung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII aufweisen, in ihrer Grundstruktur aber einer solchen ähneln. Es muss ebenfalls eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert verrichtet werden, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte und regelmäßig verrichtet wird, die in einem fremden Unternehmen dafür eingestellt sind (BSG, Urteil vom 27.03.2012 Az.: B U 5/11 R, NZS 2012, 826, Rn. 56). Eine der Ausübung einer Beschäftigung ähnliche Tätigkeit kann unter Umständen zu verneinen sein, wenn die Verrichtung wegen und im Rahmen einer Sonderbeziehung zum Unternehmer erfolgt. Eine "Sonderbeziehung" liegt vor bei Verwandtschaft oder bei einer Gefälligkeit für Bekannte bzw. Freunde. Jedoch sind auch dann, wenn eine solche "Sonderbeziehung" besteht, alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen. Dabei kann sich ergeben, dass die konkrete Verrichtung außerhalb dessen liegt, was für enge Verwandte, Freunde oder Bekannte getan wird, oder nicht wegen der Sonderbeziehung vorgenommen wird. Dann kann sie den Tatbestand der "Wie-Beschäftigung" erfüllen (BSG, aaO. Rn. 57).
Nach diesen Grundsätzen stellte die Mithilfe des Klägers beim Umladen von Holz-Platten durch den Zeugen C. keine Wie-Beschäftigung dar. Wie die Befragung des Zeugen C. in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2013 ergeben hat, hat der Kläger dem Zeugen nur wenige Minuten geholfen, um zwei Bretter von einem Anhänger auf die Krangabel zu heben. Der Zeuge C. war dann ohnehin mit seiner Arbeit fertig. Da um 19.55 Uhr der Anruf der Rettungsleitstelle bei der Polizei eingegangen war, bedeutet dies, dass der Kläger erst kurz vor 20 Uhr - nach Beendigung seines eigenen Arbeitstages - auf die Baustelle seines Nachbarn gekommen war. Das Mitanpacken beim Umladen von zwei Brettern - die im Übrigen der Zeuge C. auch alleine hätten heben können - kann nicht als ernsthafte Tätigkeit angesehen werden, deren Umfang über eine reine Gefälligkeit hinausging, wie sie im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Zeugen R. üblich war. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger und der Zeuge R. nicht nur Grundstücksnachbarn, sondern privat befreundet waren und seit vielen Jahren beruflich zusammengearbeitet hatten. Auch in vorangegangenen Tagen, als die Fertigteile in der benachbarten Halle bearbeitet worden waren, hatte der Kläger jeden Tag auf einen Kaffee vorbeigeschaut, ohne sich aber an den Arbeiten zu beteiligen.
Auch der Aufstieg auf das Baugerüst und das Aufschwingen auf die Geschossdecke, das zu dem Unfall geführt hat, erfolgte nicht in Ausübung der Wie-Beschäftigung. Selbst wenn man unterstellen sollte, dass der Kläger die Äußerung des Bauherrn - die sich ausdrücklich darauf beschränkte, er solle "dem D." - also dem Zeugen C. - helfen - aufgrund des langjährigen Vertrauensverhältnisses der beiden Freunde so verstehen durfte, dass der Bauherr damit einverstanden war, dass er sich nach Abschluss der Hilfe für den C. auch nach weiteren Möglichkeiten zur Mitarbeit auf der Baustelle umsah, lässt sich mit der notwendigen vollen Überzeugung nicht mehr feststellen, ob sich der Kläger tatsächlich mit einer solchen inneren Handlungstendenz auf das Baugerüst begeben und von dort auf die Geschossdecke aufgeschwungen hat. Es ist ebenso möglich, dass der Kläger nur sein eigenes Grundstück von oben betrachten oder den anderen bei der Arbeit nur zuschauen wollte. Die Beweislast für die Unaufklärbarkeit der inneren Handlungstendenz des Klägers im Zeitpunkt seines Unfalls liegt beim Kläger. Beweiserleichterungen kann der Kläger auch nicht daraus ableiten, dass die Unaufklärbarkeit des Sachverhalts gerade auf seiner verletzungsbedingten Amnesie bezüglich der letzte Minuten vor dem Unfall beruht. Zwar hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 26.10.2004 (Az.: B 2 U 24/03 R, BSGE 91, 279) den Grundsatz aufgestellt, dass, wenn ein Versicherter unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, wo er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet hatte, verunglückt, der Versicherungsschutz nur dann entfällt, wenn bewiesen wird, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Verrichtung unterbrochen hatte. Nach dieser Entscheidung kehrt sich also nur die Beweislast um, wenn feststeht, dass der Versicherte kurz vor dem Unglück noch betrieblich tätig war und er sich auch in örtlicher Hinsicht im Zeitpunkt des Unfalls noch an seinem Arbeitsplatz befand. Der Entscheidung lag der Sachverhalt zu Grunde, dass der Verunglückte zusammen mit einem Kollegen Reparaturarbeiten auf einem Flachdach vornahm, sich der Kollege für 15-30 min entfernte und das Unfallopfer auf dem Dach auf ihn wartete. Als der Kollege zurückkam, war das Unfallopfer an einer Stelle des Daches, von der aus die Zweige eines Kirschbaumes zu erreichen waren, eingebrochen und bei dem Sturz tödlich verunglückt. Das BSG hat in diesem Fall die Beweislastumkehr bejaht und dazu ausgeführt, dass sich der Kläger auch in örtlicher Hinsicht nicht in relevanter Weise von seinem Arbeitsplatz entfernt habe, weil die Durchführung der Montagearbeiten zumindest einen Teil des Daches bestimmungsgemäß umfasste und weil während des Arbeitstages bereits mehrfach der gegen Durchtreten ungesicherte Teil des Daches habe betreten werden müssen. Mit Urteil vom 04.09.2007 (Az. B 2 U 28/06 R, USK 2007-102) hat das BSG eine ähnliche Beweislastumkehr in einem Fall bejaht, in dem der Versicherte aus ungeklärten Gründen von der Plattform eines Krans gestürzt und tödlich verunglückt war, auf die er sich zusammen mit Kollegen im Rahmen seiner Arbeit begeben hatte und auf der er sich in einem Zeitraum von 10 bis 20 min unbeobachtet vor seinem Tod befunden hatte. Dies führte zum Erfolg der Klage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls, obwohl erhebliche Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der Kläger Selbstmord begangen hatte, da er sich bereits seit Monaten in stationärer und ambulanter psychiatrischer Behandlung wegen einer suizidalen Krise bei akuten vorwiegend wahnhaften Störungen befunden hatte, und ihm Medikamente gegen akute und chronische Angst-, Spannungs- und Erregungszustände verordnet worden waren, außerdem die Plattform mit einem dreiteiligen, 1,10 m hohen Seitenschutzgeländer gesichert war. Trotz dieser erheblichen Anhaltspunkte für eine Selbsttötung hielt das BSG die Vermutung für das Fortbestehen einer ununterbrochenen betrieblichen Tätigkeit nicht für widerlegt. Nur dann, wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass wegen der Höhe und der Konstruktion des Seitenschutzgitters ein versehentlicher, nicht absichtlich herbeigeführte Absturz praktisch ausgeschlossen gewesen wäre, hätte die Unterbrechung der versicherten Tätigkeit für eine eigenwirtschaftliche Verrichtung bejaht werden dürfen. Später hat das BSG in seinem Urteil vom 31.01.2012 (Az.: B 2 U 2/11 R, NZS 2012,513) die in den vorgenannten Entscheidungen entwickelten Beweiserleichterungen eingegrenzt auf Konstellationen, in denen der Versicherte den räumlichen Bereich, in dem er zuletzt die versicherte Tätigkeit verrichtet hat, nicht verlassen und er dort kurz zuvor versicherte Tätigkeiten verrichtet hat (a.a.O. Rn. 23). Es kann offenbleiben, ob diese Rechtsprechung, die bislang nur zu Pflichtversicherten kraft Beschäftigung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII ergangen ist, überhaupt auf Fälle der Wie-Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII übertragbar ist. Jedenfalls setzt diese Rechtsprechung aber voraus, dass feststeht, dass die versicherte Tätigkeit vor der möglichen Unterbrechung tatsächlich ausgeübt wurde, und zwar in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang. Im vorliegenden Fall lässt sich aber gerade nicht feststellen, dass vor der möglichen Unterbrechung - die bereits mit dem Besteigen des Gerüsts begonnen hatte - überhaupt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt worden war, weil die Mithilfe des Klägers beim Zeugen C. weder eine Beschäftigung noch eine Wie-Beschäftigung darstellte. Deshalb bleibt die Beweislast für die Nichterweislichkeit seiner inneren Handlungstendenz beim Kläger. Die Zweifel am Bestehen einer auf die Verrichtung einer Wie-Beschäftigung zielenden inneren Handlungstendenz beim Besteigen des Baugerüsts und dem Aufschwingen auf die Erdgeschossdecke gehen zu seinen Lasten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
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