L 7 AS 141/12

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 51 AS 1327/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 141/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wenn die schuldenbelastete Unterkunft nicht mehr bewohnt wird, ist ein Anspruch auf Übernahme der Mietschulden nach § 22 SGB II ausgeschlossen. Ein bereits ergangener Ablehnungsbescheid hat sich durch den Auszug auf sonstige Weise nach § 39 Abs. 2 SGB X erledigt. Die Ausführung seines Hauptverfügungssatzes ist rechtlich oder tatsächlich unmöglich geworden. Zum Hauptverfügungssatz eines Bescheids zur Übernahme von Mietschulden gehört nicht nur die Übernahme eines bestimmten Geldbetrags, sondern auch die damit bezweckte Sicherung der Unterkunft.
Dieser Erledigung durch die tatsächliche Entwicklung kann der Kläger nur durch Inanspruchnahme von einstweiligem Rechtsschutz oder Darlehen Dritter entgegenwirken.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 2. Februar 2012 wird als unzulässig verworfen, soweit sie den ursprünglichen Klageantrag vor dem Sozialgericht betrifft. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt vom Beklagten zum einen die Übernahme von Mietschulden für eine in der Folgezeit aufgegebene Mietwohnung, zum anderen die Feststellung des Gerichts, dass die Ablehnung der Übernahme der Mietschulden rechtswidrig gewesen sei.

Die 1963 geborene Klägerin beantragte am 04.01.2008 beim Beklagten erstmals Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Davor war sie versicherungspflichtig beschäftigt. Sie bewohnte ab Mitte 2004 alleine eine ca. 43 qm große Mietwohnung mit Zentralheizung in E. Dafür zahlte sie eine monatliche Kaltmiete von 450,- Euro und 75,- Euro für Betriebskosten, darin enthalten Heizkosten von 29,63 Euro proportional zur Jahresabrechung für 2006.

Vom 01.02.2008 bis 30.05.2008 verbüßte die Klägerin eine Ersatzfreiheitsstrafe. Sie war währenddessen nicht erwerbstätig. In einem Schreiben vom 18.02.2008 mahnte sie die Leistungsgewährung an, erwähnte aber die Haftstrafe nicht. Parallel beantragte die Klägerin die Übernahme der laufenden Miete beim beigeladenen Sozialhilfeträger. Diesen Antrag lehnte der Beigeladene mit Bescheid vom 06.05.2008 und Widerspruchsbescheid vom 16.09.2011 ab. Die Wohnung sei zu teuer und es drohe kein unmittelbarer Verlust der Wohnung. Eine Klage wurde dagegen nicht erhoben.

Mit Versagungsbescheid vom 09.06.2008 wurden die Leistungen ab 04.01.2008 wegen mangelnder Mitwirkung versagt. Dem Widerspruch wurde stattgegeben und Leistungen vom 04.01.2008 bis 31.01.2008 gewährt. Der Beklagte lehnte mit Bescheid ebenfalls vom 09.06.2008 die Gewährung laufender Leistungen ab 01.02.2008 wegen der Inhaftierung ab. Widerspruch oder Klage wurde dagegen nicht erhoben.

Bereits am 30.05.2008, dem Tag der Haftentlassung, stellte die Klägerin einen erneuten Antrag auf Leistungen. Leistungen wurden ab 30.05.2008 mit Bescheid vom 04.06.2008 bewilligt. Mit Schreiben gleichen Datums wurde darauf hingewiesen, dass die Kosten der Unterkunft die Angemessenheitsgrenze von 375,- Euro Kaltmiete überschreiten würden. Nachfolgend wurde der Klägerin Arbeitslosengeld nach SGB III bewilligt, neben dem sie aufstockend Arbeitslosengeld II bezog. Ab 01.09.2008 wurden die anerkannten Kosten der Unterkunft und Heizung auf 443,61 Euro monatlich abgesenkt.

Am 03.06.2008 beantragte die Klägerin die Übernahme der Mietschulden für die Zeit der Haft. Die Sozialhilfe habe die Übernahme abgelehnt. Es laufe eine Räumungsklage. Aus den Unterlagen zur Räumungsklage ergibt sich, dass die Mietrückstände seit Januar 2007 entstanden waren und bis zur Erhebung der Räumungsklage am 13.03.2008 auf 2.819,46 Euro aufgelaufen waren.

Mit Bescheid vom 10.06.2008 lehnte der Beklagte die Übernahme der Mietschulden ab. Die Miete sei unangemessen hoch. Der gegen den Bescheid eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2009 zurückgewiesen. Dieser enthält keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Am 25.06.2008 stellte die Klägerin einen Antrag auf Übernahme von Nachforderungen aus den Jahren bis Ende 2007. Die Klägerin legte dem Beklagten die zugehörigen Schreiben des Vermieters über die Betriebskostenabrechung für 2005 und 2006 (Schreiben vom 25.10.2007) und Rückstände bzgl. der laufenden Mietzahlungen aus 2007 (Schreiben vom 08.01.2008) vor. Eine Abrechung von Betriebskosten für das Jahr 2007 war nicht enthalten.

Die Zwangsräumung der Wohnung in E. erfolgte am 29.01.2009. Die Klägerin kam zuerst bei Verwandten unter und zog zum 01.05.2009 in eine angemietete Wohnung in G.

Im März 2009 übermittelte der Vermieter dem Beklagten Teile einer von der Hausverwaltung an ihn gerichteten Nebenkostenabrechung vom 10.03.2008, wonach für die Wohnung in E. im Kalenderjahr 2007 Nebenkosten von 706,43 Euro und Heizkosten von 536,41 Euro angefallen waren (zusammen 1.242,84 Euro). Aus einer Klageerweiterung des Vermieters beim Amtsgericht vom 09.04.2008 ergibt sich eine Nachforderung von lediglich 342,84 Euro für Betriebskosten des Jahres 2007 und deren Geltendmachung im April 2008.

Der Antrag wurde mit Bescheid vom 13.03.2009 abgelehnt. Die Abrechnung für 2007 sei der Klägerin bereits im März 2008 zugegangen. Die Antragstellung im Juni 2008 sei verspätet gewesen. Der dagegen erhobene Widerspruch, wonach die Abrechungen schon im Dezember 2007 erstellt und im Januar 2008 eingereicht worden seien, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2009 zurückgewiesen. Im März 2008 habe sich die Klägerin in Haft befunden und sei deshalb von Leistungen ausgeschlossen gewesen.

Am 12.06.2009 erhob die Klägerin eine "Schadenshaftklage" zum Sozialgericht München. Sie begehre insgesamt 2062,98 Euro für den Zeitraum vom 01.02.2008 bis 31.05.2008. Der Beklagte habe außerdem 800,- Euro an Heizkosten für Dezember 2007 verweigert. Außerdem beantrage sie Zahlungen für Folgeschäden die durch das Ausbleiben der Leistung entstanden seien, als da wären Zinsen fürs Konto, Gerichtsgebühren wegen der Räumungsklage, Mieten, Lagerkosten, Mahnkosten für die Stromversorgung, Ratenzahlungen und Kosten des Gerichtsvollziehers. Den Antrag auf Heizkosten für 2007 habe sie bereits im Januar 2008 gestellt.

Der Landkreis B-Stadt wurde als alternativ leistungspflichtig für Sozialhilfe beigeladen. Nach Anhörung der Beteiligten wurde der Anspruch auf Schadensersatz für Folgeschäden abgetrennt und an das Landgericht verwiesen (Beschluss vom 19.01.2012, S 51 AS 92/12). Das Landgericht B-Stadt teilte auf Anfrage mit, dass das dortige Verfahren mangels Reaktion der Klägerin nach sechs Monaten ausgetragen worden sei.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.02.2012 ab. Die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 30.01.2009 sei gemäß § 66 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) fristgerecht eingegangen, weil dieser Widerspruchsbescheid ohne Rechtsbehelfsbelehrung ergangen sei. Die laufende Miete für die Haftzeit könne die Klägerin vom Beklagten nicht erhalten, weil sie vom Leistungsbezug gemäß § 7 Abs. 4 SGB II ausgeschlossen war. Dies gelte auch für eine Ersatzfreiheitsstrafe. Vom Beigeladenen könne die Klägerin die Miete für die Haftzeit gemäß §§ 67 ff SGB XII nicht erhalten, weil die Wohnung nicht angemessene Kosten gehabt habe. Bereits die Kaltmiete habe 450,- Euro betragen. Im Vergleich zu den Tabellenwerten zu § 12 Wohngeldgesetz, für den Wohnort der Klägerin 385,- Euro plus einem Zuschlag von 10 %, sei die tatsächliche Miete deutlich zu hoch. Die 800,- Euro aus der Jahresabrechnung 2007 könne die Klägerin ebenfalls nicht erhalten. Die Abrechnung datiere vom 10.03.2008. Eine Nebenkostennachforderung stelle einen aktuellen Bedarf nach § 22 Abs. 1 SGB II dar. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin aber gemäß § 7 Abs. 4 SGB II von Leistungen ausgeschlossen gewesen.

Die Klägerin hat am 13.02.2012 Berufung gegen den Gerichtsbescheid eingelegt. Sie begehre die Unterkunftskosten für das Jahr 2008, Heizkosten für 2007 bis 2008, Fahrgeld für die Regelung einer Erbschaft und ein Kautionsdarlehen. Der Beklagte müsse für die Heizkosten, Renovierungskosten und Nebenkosten der Wohnung in G. aufkommen. Der Beklagte hat der Klageänderung im Berufungsverfahren widersprochen.

Das Gericht hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Übernahme von Mietschulden nur in Betracht komme, wenn damit die schuldenbelastete Wohnung gesichert werden könne. Die Räumung der Wohnung in E. sei aber schon am 29.01.2009 erfolgt. Durch diese tatsächliche Entwicklung habe sich die Hauptsache erledigt und es komme nur eine Fortsetzungsfeststellungsklage in Betracht. Die Klägerin teilte daraufhin mit, dass sie auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage erheben wolle.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 2. Februar 2012 sowie den Bescheid vom 10.06.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.01.2009 und den Bescheid vom 13.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.05.2009 aufzuheben und den Beklagten - hilfsweise den Beigeladenen - zu verurteilen, die Miete der Klägerin für die Zeit vom 01.02.2008 bis 30.05.2008 und Mietschulden für die Zeit bis Ende 2007 zu übernehmen.

Die Klägerin beantragt ferner,
den Beklagten - hilfsweise den Beigeladenen - zu verurteilen, weitere Unterkunftskosten für das Jahr 2008, Heizkosten für die Jahre 2007 und 2008, Fahrgeld für die Regelung einer Erbschaft und Neben- und Renovierungskosten für die neue Wohnung in G. zu übernehmen.

Die Klägerin beantragt ferner hilfsweise festzustellen,
dass die Ablehnung der Übernahme der Miete bzw. Mietschulden durch die vorgenannten Bescheide rechtswidrig war.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akten des Beklagten, die Akte des Sozialgerichts und die Akte des Berufungsgerichts verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist wegen Erledigung der Hauptsache unzulässig, soweit sie den im erstinstanzlichen Verfahren gestellten Antrag auf Übernahme der Mietschulden weiter verfolgt (dazu 2.). Die Berufung ist unbegründet, soweit sie nunmehr hilfsweise auf die Feststellung gerichtet wurde, dass die Ablehnung der Übernahme der Mietschulden rechtswidrig war (3.). Die Berufung ist ferner hinsichtlich der im Berufungsverfahren neu erhobenen Zahlungsansprüche zurückzuweisen, weil diese Klageänderung im Berufungsverfahren unzulässig war (1.).

1. Nicht zulässiger Streitgegenstand sind die von der Klägerin im Berufungsverfahren neu erhobenen Forderungen auf weitere Unterkunftskosten für das Jahr 2008, Heizkosten für die Jahre 2007 und 2008, Fahrgeld für die Regelung einer Erbschaft und Neben- und Renovierungskosten für die neue Wohnung in G. Diese Klageänderung ist nicht sachdienlich, weil es dabei um andere Sachverhalte und Bescheide geht, und es haben nicht alle Beteiligten eingewilligt, § 99 SGG. Es müssten alle Beteiligte der Klageänderung zustimmen, auch der notwendig Beigeladene (BSG, Urteil vom 14.07.2004, B 12 KR 10/02 R, Rn. 24). Der Beklagte hat der Klageänderung im Berufungsverfahren ausdrücklich widersprochen. Der Beigeladene hat sich auf die Klageänderung nicht eingelassen.

Nicht Streitgegenstand ist auch der Anspruch auf Ersatz der Folgeschäden. Dieser wurde vom Sozialgericht zutreffend an das Landgericht B-Stadt verwiesen.

2. Leistungen für die Unterkunft

Die Klägerin begehrt zum einen die Miete für die Zeit der Haft. Hierzu gibt es zwei unterschiedliche Entscheidungen des Beklagten: Mit Bescheid vom 09.06.2008 lehnte der Beklagte die Übernahme der Miete als laufende Leistung nach § 22 Abs. 1 SGB II ab. Gegen diesen Bescheid wurde kein Widerspruch eingelegt. Er ist bestandskräftig. Dagegen hat der Beklagte über den Anspruch auf Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 5 SGB II a.F. mit Bescheid vom 10.06.2008 entschieden. Nur auf den letztgenannten Bescheid beziehen sich der Widerspruch, der Widerspruchsbescheid vom 30.01.2009 und die Klage. Das Sozialgericht hat die beiden Bescheide verwechselt und über den Anspruch nach § 22 Abs. 1 SGB II entschieden. Es war zwar richtig, dass die Klägerin wegen der Ersatzfreiheitsstrafe von laufenden Leistungen nach § 7 Abs. 4 SGB II ausgeschlossen war, nur war das nicht der strittige Anspruch. Durch ihr Vorbringen bzw. ihre Anträge im Berufungsverfahren haben die Beteiligten sinngemäß ihr Einverständnis mit dem Heraufholen von Prozessresten gegeben (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 99 Rn. 12). Das Berufungsgericht durfte deshalb darüber entscheiden.

Die Klägerin begehrt weiter Leistungen für die Unterkunft, die mit Bescheid vom 13.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.05.2009 ablehnt wurden. Nach dem Leistungsantrag vom 25.06.2008 und den damit vorgelegten Schreiben des Vermieters handelt es sich um Nachforderungen des Vermieters aus der Betriebskostenabrechung für 2005 und 2006 und Rückstände bzgl. der laufenden Mietzahlungen aus 2007. Im April 2008 hatte der Vermieter darüber hinaus gegenüber der Klägerin noch die Nachforderung aus der Betriebskostenabrechung für 2007 mit einem Betrag von 342,84 Euro geltend gemacht (Klageerweiterung beim Amtsgericht).

Zunächst ist der Anspruch auf Übernahme von Mietschulden von dem vorrangigen Anspruch auf Leistungen nach § 22 Abs. 1 SGB II abzugrenzen. Soweit Schulden aus der Zeit stammen, in der der Betroffene keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezogen hat, gehören solche Schulden nicht zu den Aufwendungen nach § 22 Abs. 1 SGB II (BSG, Urteil vom 17.06.2010, B 14 AS 58/09 R, Rn. 19). So ist es hier. Die Klägerin war in der Haftzeit gemäß § 7 Abs. 4 SGB II von laufenden Leistungen ausgeschlossen. Das gilt auch für die Ersatzfreiheitsstrafe (BSG, Urteil vom 24.02.2011, B 14 AS 81/09 R, Rn. 20). Dies betrifft die laufenden Kosten der Unterkunft für die Haftzeit und die im April 2008 erstmals vom Vermieter geltend gemachte Nachforderung für Betriebskosten des Jahres 2007. Die übrigen Nachforderungen des Vermieters aus Betriebskostenabrechungen für 2005 und 2006 vom 25.10.2007 und Rückstände der laufenden Mieten für 2007 stammen aus dem Jahr 2007, in dem die Klägerin noch nicht im Leistungsbezug stand. Für diese Ansprüche kommt demnach nur eine Übernahme als Mietschulden in Frage.

Grundlage eines Anspruchs gegen den Beklagten wäre § 22 Abs. 5 SGB II in der bis 31.12.2010 gültigen Fassung (a.F.). Danach können Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Die Schulden sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Die Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden. Eine derartige Schuldenübernahme ist durch den Leistungsausschluss während der Haftzeit nicht ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2010, Rn. 19 für Schulden aus der Zeit vor dem erstmaligen Leistungsantrag).

Da die Wohnung in E. am 29.01.2009 geräumt wurde, kann diese Wohnung nicht mehr durch eine Übernahme der Schulden gerettet werden. Dies ist vom Gericht zu berücksichtigen, weil bei der Anfechtungs- und Leistungsklage auf den Stand zum Zeitpunkt der letzen mündlichen Verhandlung abzustellen ist (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 54 Rn. 34). Im Übrigen ist der Verlust der Wohnung noch vor dem ersten Widerspruchsbescheid, mithin noch vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens erfolgt. Die Sicherung der Wohnung ist jedoch gerade Zweck und Voraussetzung dieses Anspruchs. Es geht nicht darum, den Betroffenen von Schulden zu entlasten, sondern allein darum, die schuldenbelastete Wohnung als Lebensmittelpunkt des Betroffenen zu erhalten (BSG, Urteil vom 17.06.2010, B 14 AS 58/09 R, Rn. 23).

Durch den Verlust der Wohnung ist nicht nur ein Anspruch auf Übernahme der Mietschulden ausgeschlossen, vielmehr haben sich die Ablehnungsbescheide auf sonstige Weise nach § 39 Abs. 2 SGB X erledigt. Eine derartige Erledigung setzt voraus, dass die Regelungswirkung des Verwaltungsaktes fortfällt oder die Ausführung seines Hauptverfügungssatzes rechtlich oder tatsächlich unmöglich geworden ist (vgl. von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, § 39 Rn. 14 und Meyer-Ladewig, a.a.O., § 131 Rn. 7a). Die Mietschulden bestanden zwar unverändert fort. Zum Hauptverfügungssatz eines Bescheids zur Übernahme von Mietschulden gehört aber nicht nur die Übernahme eines bestimmten Geldbetrags, sondern auch die damit bezweckte Sicherung der schuldenbelasteten Unterkunft. Dieser Erledigung durch die tatsächliche Entwicklung kann der Kläger nur durch Inanspruchnahme von einstweiligem Rechtsschutz oder ein privates Darlehen Dritter entgegenwirken (zum Kostenerstattungsanspruch bei Selbstbeschaffung vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2010, B 14 AS 58/09 R, Rn. 21).

Die Erledigung der Ablehnungsbescheide durch den Verlust der Wohnung trat bereits am 29.01.2009 ein. Klage und Berufung, die sich auf Übernahme von Mietschulden und damit gegen bereits erledigte Bescheide richten, sind unzulässig. Es besteht kein schutzwürdiges Interesse daran, mit Hilfe des Gerichts eine Leistung zu begehren, die wegen Erledigung der Hauptsache unter keinen Umständen gewährt werden kann.

Auch eine Inanspruchnahme des Beigeladenen scheidet wegen der Erledigung der Hauptsache aus. Im Übrigen ist der Beigeladene für eine Übernahme der Mietschulden nach § 34 Abs. 1 SGB XII in der bis Ende 2010 gültigen Fassung außerhalb der Haftzeit wegen dem in § 5 Abs. 2 SGB II festgelegten Vorrang des SGB II nicht zuständig.

3. Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bescheide

Die Klägerin hat auf Hinweis des Gerichts erklärt, eine Fortsetzungsfeststellungsklage zu führen. Da sie nicht erklärt hat, den bisherigen Leistungsantrag fallen zu lassen, ist die Feststellungsklage als Hilfsantrag anzusehen.

Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG spricht das Gericht, wenn sich der strittige Verwaltungsakt vorher erledigt hat, auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

Wie oben dargelegt, haben sich die Bescheide zur Ablehnung der Übernahme der Mietschulden durch den Verlust der Wohnung erledigt. Ein Fortsetzungsfeststellungsantrag ist auch bei einer Erledigung vor Klageerhebung zulässig (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 131 Rn. 7d). Das notwendige Feststellungsinteresse liegt hier vor, weil die Amtshaftungsklage beim Landgericht anhängig ist. Anhängigkeit entstand bereits mit Eingang der Sache beim Landgericht (vgl. Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 32. Auflage, 2011, § 253 Rn. 1). Die Amtshaftungsklage wurde lediglich gemäß der Aktenordnung nach sechs Monaten des Nichtbetreibens ausgetragen.

Eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist begründet, wenn die strittigen Verwaltungsakte rechtswidrig waren und eine subjektive Rechtsverletzung vorliegt (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 131 Rn. 9). Für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ist bei erledigten Leistungsanträgen auf den Zeitpunkt der Erledigung, hier also auf den Verlust der Wohnung am 29.01.2009, abzustellen (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 131 Rn. 10i).

Der Bescheid vom 13.03.2009 erging erst nach Verlust der Wohnung. Weil zu diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Übernahme der Mietschulden durch das erledigende Ereignis ausgeschlossen war, scheidet eine Verletzung subjektiver Rechte der Klägerin durch Erlass dieses Ablehnungsbescheids aus. Für diesen Bescheid ist die Fortsetzungsfeststellungsklage schon deswegen unbegründet.

Vor dem Verlust der Wohnung am 29.01.2009 erging nur der Bescheid vom 10.06.2008. Bereits bei Erlass des zugehörigen Widerspruchsbescheids vom 30.01.2009 hatte sich dieser Bescheid erledigt. Das Feststellungsinteresse der Klägerin spricht für eine isolierte Prüfung des Bescheids vom 10.06.2008.

Ein Anspruch auf Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 5 SGB II a.F. besteht nur, wenn der Erhalt der Unterkunft gerechtfertigt ist. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass die laufenden Kosten der zu sichernden Wohnung abstrakt angemessen sind (BSG, Urteil vom 17.06.2010, B 14 AS 58/09 R, Rn. 26). Da die Klägerin auch später neben dem Bezug von Arbeitslosengeld nach SGB III aufstockend Arbeitslosengeld II bezog, handelte es sich auch nicht um eine vorab erkennbar kurzfristige Bedarfslage, bei der eventuell auch höhere laufende Kosten eine Schuldenübernahme als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten. Der Anspruch wurde zu Recht abgelehnt, weil die laufenden Aufwendungen für die schuldenbelastete Wohnung nicht angemessen waren.

Im Rahmen der Fortsetzungsfeststellungsklage genügt eine überschlägige Betrachtung, ohne die Angemessenheitsgrenze exakt festzulegen. Nach dem Konzept des Beklagten vom 01.04.2010 wurde der Landkreis in vier Zonen eingeteilt, gestaffelt nach der Nähe zur Stadt B-Stadt. Für die Zone II, in der sich der damalige Wohnort E. der Klägerin befindet, wurde eine Kaltmiete von 375,- Euro als angemessen festgelegt. Der Wohnort befindet sich in der Mietstufe 5 nach Anlage zu § 1 Abs. 3 Wohngeldverordnung. Nach der rechten Spalte der Tabelle in § 8 Abs. 1 Wohngeldgesetz (WoGG) in der bis 31.12.2008 gültigen Fassung liegt der Höchstbetrag dort bei 350,- Euro, zuzüglich 10 % Zuschlag ergibt das 385,- Euro für Kaltmiete einschließlich der kalten Nebenkosten (vgl. § 5 WoGG a.F., jetzt § 9 WoGG). Die tatsächliche Kaltmiete der Klägerin lag bei 450,- Euro, die kalten Nebenkosten bei 45,37 Euro. Unabhängig davon, ob das Konzept der Beklagten schlüssig ist oder nicht, lag die damalige Miete der Klägerin deutlich über jeder dieser Grenzen. Die hohe Miete entsprach auch der gehobenen Ausstattung der Wohnung. Laut Mietvertrag vom 29.06.2004 war die Benutzung des Schwimmbads und der Sauna im Haus eingeschlossen. Daher kann auch die Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 10.06.2008 nicht festgestellt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG ersichtlich sind.
Rechtskraft
Aus
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