Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
42
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 42 SO 1/13 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zum Anspruch eines Heimträgers gegen den Sozialhilfetträger auf Abschluss einer vorläufigen Leistungsvereinbarung im Rahmen einstweiligen Rechtsschutzes
Bemerkung
1. Die Bindungswirkung einer gegenüber dem Heimträger ergangenen heimaufsichtsrechtlichen Anordnung erstreckt sich auch auf den Sozialhilfeträger.
2. Der (vollziehbaren) heimaufsichtsrechtlichen Anordnung ist jedenfalls dann der Vorrang gegenüber sozialh
2. Der (vollziehbaren) heimaufsichtsrechtlichen Anordnung ist jedenfalls dann der Vorrang gegenüber sozialh
I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, mit der Antragstellerin vorläufig für die Dauer von maximal einem Jahr ab dem 1. Januar 2013 eine Leistungsvereinbarung im Sinne des § 75 Abs. 3 Ziffer 1 (SGB XII) für die Wohnbereiche 7 (Haus 3) sowie die Wohnbereiche 8, 10a und 10b (Haus 4) im Wohnbereich für behinderte Menschen in S. abzuschließen, welche tagsüber in der Zeit von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr die Doppelbesetzung der genannten Wohnbereiche mit zwei Betreuungspersonen vorsieht.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 125.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes den Abschluss einer vorläufigen Leistungsvereinbarung für vier Wohnbereiche des Leistungstyps "Wohnen für erwachsene Menschen mit geistiger/Mehrfachbehinderung die tagsüber eine Besetzung mit zwei Betreuungspersonen erlaubt.
Die Antragstellerin betreibt in S. ein Wohnheim mit 118 Wohnplätzen für Menschen mit Behinderung. Die Betreuung erfolgt überwiegend mit interner Tagesstruktur. Darüber hinaus werden auch Plätze für das Wohnen von Menschen mit externer Tagesstruktur in Werkstätten für behinderte Menschen oder im sog. Förder- und Betreuungsbereich bereitgestellt.
Die Beteiligten schlossen am 01.04.2010 Vereinbarungen gem. §§ 75 ff. SGB XII getrennt für die Häuser I bis III und das Haus IV mit einer Laufzeit bis 30.06.2011 ab. Insoweit wurde u.a. die personelle Besetzung für die Tagesstruktur jeweils mit 1:7,88 vereinbart.
Mit Leistungsbeschreibung vom 09.06.2011 und dem zugehörigen Leistungs- und Vergütungsangebot beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner einen Personalschlüssel für die interne Tagesstruktur von 1:3 zusätzlich zu der rahmenvertraglichen Personalrelation. Mit Leistungsbeschreibung vom 12.12.2011 stellte die Antragstellerin vereinbarungsgemäß die Konzeption für die Leistungen im Bereich der internen Tagesstruktur nochmals dar.
Nach Begehung im Mai 2012 hat die Landesdirektion Sachsen, Dienststelle Leipzig, Fachbereich Heimaufsicht mit Bescheid vom 21.11.2012 folgende Anordnung erlassen:
" 1. Durch den Träger des Heimes, die C. S. gGmbH, ist eine doppelte Personalbesetzung (ständige Anwesenheit von zwei Mitarbeitern) für die Betreuung der Bewohner im Haus 3, Wohnbereich 7 und Haus 4, Wohnbereiche 8 und 10a und 10b des Wohnheimes S. M. während der Zeiten von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr täglich ab dem 07.01.2012 zu gewährleisten. 2. Der Personaleinsatz auf dem intensivpädagogischen Wohnbereich hat entsprechend des dafür verhandelten Personalschlüssels zu erfolgen. 3. "
In den betroffenen Wohnbereichen erfolgt die Betreuung ausschließlich in interner Tagesstruktur. Dabei verbleiben die Menschen mit Behinderung tagsüber auf ihrer Wohngruppe und werden nur zeitweise zu individuellen Fördermaßnahmen einzeln oder in Kleingruppen abgeholt.
Mit Schreiben vom 30.11.2012 forderten die Bevollmächtigten der Antragstellerin den Antragsgegner auf, auf Grundlage der heimaufsichtsrechtlichen Anordnung und eines daraus resultierenden Mehrbedarfes von 13,69 Vollkraftstellen für die genannten Wohnbereiche eine entsprechende Leistungs- und Vergütungsvereinbarung abzuschließen.
Dies lehnte der Antragsgegner mit Schreiben vom 12.12.2012 unter Verweis auf den am 11.12.2012 gegen die heimaufsichtsrechtliche Anordnung eingelegten Widerspruch ab. Mit diesem Widerspruch beantragte der Antragsgegner gleichzeitig dessen aufschiebende Wirkung herzustellen bzw. die Vollziehung auszusetzen. Eine Entscheidung hierzu ist noch nicht ergangen.
Am 02.01.2013 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.
Sie trägt vor, das Ermessen des Antragsgegners zum Abschluss einer Vereinbarung auf Grundlage des vorgelegten Leistungsangebotes sei auf Null reduziert. Sie sei durch die heimaufsichtsrechtliche Anordnung gezwungen, im Bereich der internen Tagesstruktur innerhalb der gegenständlichen Wohngruppen eine Doppelbetreuung sicherzustellen. Dies bedinge, dass eine entsprechende Personalausstattung vorzuhalten und einzusetzen sei. Der Antragsgegner habe sich in diesem Verfahren trotz ausdrücklicher Anhörung gegenüber der Heimaufsicht auch nicht geäußert. Darüber hinaus dürften behinderte Menschen mit Förder- und Betreuungsbedarf in der internen Tagesstruktur nicht schlechter gestellt werden, wie diejenigen in Förder- und Betreuungsbereichen, für die ein Personalschlüssel von 1:3 vom Antragsgegner bereits vielfach vereinbart worden sei. Bislang habe der Antragsgegner auch keine fachlichen Einwände formuliert.
Die begehrte Leistungsvereinbarung sei erforderlich, um die Schiedsstelle gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zur Höhe einer künftigen Vergütung anrufen zu können. Der erforderliche Mehreinsatz von 13,69 Vollkräften bedinge Personalkosten von zusätzlichen mehr als 500.000,00 EUR. Setze sie die Anordnung der Heimaufsicht nicht um, so sei sie Ordnungsmitteln bzw. Vollstreckungsmaßnahmen der Heimaufsicht ausgesetzt.
Die Antragstellerin beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, mit der Antragstellerin vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Hauptsache eine Leistungsvereinbarung gem. §§ 75 Abs. 3, 76 Abs. 1 SGB XII für die Wohnbereiche 7 (Haus 3) sowie die Wohnbereiche 8, 10a und 10b (Haus 4) im Wohnbereich für behinderte Menschen S. M. in S., abzuschließen, welche tagsüber in der Zeit von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr die Doppelbesetzung der genannten Wohnbereiche mit zwei Betreuungspersonen erlaubt.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.
Er trägt vor, eine Ermessensreduzierung auf Null, mit der Folge, dass für ihn der Zwang zum Abschluss der von der Antragstellerin gewünschten Vereinbarung bestünde, liege nicht vor. Der zugunsten der Antragstellerin vereinbarte Personalschlüssel für die interne Tagesstruktur von 1:7,88 bewege sich bereits am oberen Ende der Bandbreite, die nach gesetzlichen Vorgaben zur Durchführung eines sog. externen Leistungs- und Vergütungsvergleichs mit anderen Leistungsanbietern vereinbart worden sei, ohne dass es dort zu Defiziten in der Leistungserbringung gekommen sei. Die Notwendigkeit der Doppelbesetzung mit einem Personalmehrbedarf von 13,69 Vollzeitkräften lasse sich auch nicht aus der Bedarfserhebung der Antragstellerin entnehmen. Auch die Heranziehung des höheren Personalschlüssels im Förder- und Betreuungsbereich sei nicht möglich, da diesem eine andere Zielrichtung zu Grunde liege. Im Gegensatz zum Förder- und Betreuungsbereich habe die interne Tagesstruktur nicht das Erreichen der Aufnahmevoraussetzungen der Werkstatt für behinderte Menschen zum Ziel. Die heimaufsichtsrechtliche Anordnung könne ebenfalls keine Ermessensreduzierung begründen. Hiergegen habe er Widerspruch eingelegt und die Anordnung seiner aufschiebenden Wirkung beantragt. Ferner sei dem ordnungsrechtlichen Heimrecht gegenüber dem sozialhilferecht kein Vorrang eingeräumt.
Es sei auch keine besondere Dringlichkeit gegeben. Insoweit sei insbesondere maßgeblich, dass es sich um eine Vorwegnahme der Hauptsache handeln würde, die de facto nicht mehr rückabgewickelt werden könne.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte mit den Schriftsätzen nebst Anlagen sowie den Inhalt der vom Gericht beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig. Für die hier zu entscheidende Frage ist keine vorrangige Zuständigkeit der nach § 80 SGB XII gebildeten Schiedsstelle vorgesehen, die einen direkten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig machen würde. Die Schiedsstelle hat ausschließlich über Streitigkeiten um Vergütungsvereinbarungen (§ 75 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII) zu entscheiden. Die jeweils zugrunde liegende Leistungsvereinbarung (§ 75 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII) muss vor Anrufung der Schiedsstelle vereinbart und notfalls vor Gericht erstritten werden (Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, § 77 Rdnr. 8; LSG Baden-Würtemberg, Beschluss vom 13.07.2006, L 7 SO 1902/06).
Der Antrag ist auch begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auf Antrag schon vor Klageerhebung (§ 86b Abs. 3 SGG) eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sowohl der geltend gemachte materielle Rechtsanspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung so dringlich ist, dass dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gesichert oder geregelt werden muss (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen.
Ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht aufgrund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die Antragstellerin ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und sie deshalb in einem Hauptsacheverfahren mit dem gleichen Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde. Dabei wird der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten ermittelt, soweit dies unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens geboten ist (Krodel, NZS 2002, 234 ff.; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, Rn. 152, 338; jeweils m. w. N.).
Unter Berücksichtigung dessen hat die Antragstellerin einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Abschluss einer Leistungsvereinbarung für die Wohnbereiche 7, 8, 10a und 10b des von ihr betriebenen Wohnheimes "S. M." in S. unter Berücksichtigung einer Doppelbesetzung in den Wohnbereichen in der Zeit von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr glaubhaft gemacht. Außerdem ist eine vorläufige gerichtliche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich.
§ 75 Abs. 2 SGB XII formuliert ein Nachrangprinzip (vgl. Münder in Rothkegel, Sozialhilferecht, Teil III Kap. 33 Rdnr. 9) in dem Sinn, dass der Sozialhilfeträger grundsätzlich keine eigenen Einrichtungen betreiben soll, sondern dass die vorhandenen Einrichtungen Dritter vorrangig in Anspruch zu nehmen sind (vgl. hierzu Münder in LPK-SGB XII, § 75 RdNr. 7 bis 10). Erbringt ein privater Träger Eingliederungshilfeleistungen aufgrund eines mit dem Behinderten bestehenden Heimvertrages, kann dieser eine Übernahme der Vergütung nur auf der Grundlage von nach § 75 Abs. 3 SGB XII geschlossenen Verträgen verlangen. Das bedeutet, dass er in dem durch die Aufnahme des Behinderten entstandenen sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis Erstattungsansprüche gegen den Träger der Sozialhilfe nur auf der Grundlage solcher (ggf. individuell zu vereinbarender) Verträge hat. Dieses Dreiecksverhältnis wird wesentlich gestaltet durch die genannten Verträge (Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung). Insofern hat der Träger der Sozialhilfe auf ein Angebot eines Einrichtungsträgers hin eine an den Zielen der Eingliederungshilfe einschließlich des genannten Nachranggrundsatzes ausgerichtete Ermessensentscheidung über den Abschluss von Verträgen zu treffen (BVerwG, Urteil vom 03.09.1993, BVerwGE 94, 202; VG Hannover, Beschluss vom 29.12.2004 - 7 B 4953/04 -, NordÖR 2005, 275 und Hessisches LSG, Beschluss vom 20.06.2005, FEVS 57, 153).
Die hier zwischen den Beteiligten streitige Leistungsvereinbarung (vgl. § 75 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII) ist wesentliche Voraussetzung dafür, dass in einem zweiten Schritt eine Vergütungsvereinbarung geschlossen werden kann, die den unter den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit errechneten Aufwand der Einrichtungsträger deckt. Da § 77 Abs. 1 SGB XII den Grundsatz der Vereinbarung mit Wirkung für die Zukunft festschreibt - verbunden mit der Begrenzung der Rückwirkung von Vergütungsvereinbarungen in § 77 Abs. 2 SGB XII - haben die Einrichtungsträger ein Interesse am zeitnahen Abschluss solcher Leistungsvereinbarungen, sofern eine von ihnen angebotene Betreuungsleistung nicht oder nicht mehr von den bestehenden Verträgen erfasst ist.
Die Ermessensentscheidung des Sozialhilfeträgers hat sich dabei an den in § 75 Abs. 3 SGB XII genannten Grundsätzen zu orientieren.
Maßgeblich beschränkt ist der Ermessensspielraum des Antragsgegners vorliegend durch die gegenüber der Antragstellerin ergangenen heimaufsichtsrechtlichen Anordnungen vom 21.11.2012, die der Antragstellerin den Betreuungsumfang in den Wohnbereichen 7, 8 ,10a und 10 b mit ausschließlich interner Tagesstruktur im Zeitraum von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr vorgeben. Allein der hiergegen eingelegte Widerspruch des Antragsgegners lässt die Vollziehbarkeit der Anordnung unberührt, da deren sofortige Vollziehbarkeit nach § 11 Abs. 4 SächsBeWoG gesetzlich angeordnet ist. Über einen Antrag des Antragsgegners auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs wurde seitens der Landesdirektion Sachsen bislang nicht entschieden, so dass es bei der Vollziehbarkeit bleibt.
Die Bindungswirkung der heimaufsichtsrechtlichen Anordnung wirkt nicht nur gegenüber dem Heimträger sondern erstreckt sich auch auf den Sozialhilfeträger. Insofern ist diesen ordnungsrechtlichen Vorgaben der Vorrang gegenüber sozialrechtlichen Überlegungen einzuräumen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die heimaufsichtsrechtliche Anordnung konkrete kostenrelevante Regelungen trifft (vgl. BVerwG, Beschl. vom 30.12.1998, Az.: 5 B 26/98). So liegt der Fall hier. Mit der heimaufsichtsrechtlichen Anordnung wird der Antragstellerin konkret vorgeschrieben, mit welchem konkreten personellem Aufwand – hier Doppelbesetzung – die Wohnbereiche mit ausschließlich interner Tagesstruktur in der Zeit von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr zu betreuen sind. Diese Anordnung muss demnach 1:1 in die zu schließende Leistungsvereinbarung einfließen, womit der Ermessenspielraum des Antragsgegners insoweit auf "Null" reduziert ist.
Es besteht hinsichtlich des begehrten Vertragsabschlusses auch ein Anordnungsgrund. Selbst bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens spricht für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, dass im Rahmen der dann zu erfolgenden umfassenden Interessenabwägung, den Belangen der Antragstellerin der Vorrang einzuräumen ist. Der Antragstellerin ist nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Wegen der oben dargestellten Vertragsgrundsätze (nur Vereinbarungen für die Zukunft) läuft die Antragstellerin Gefahr, den erbrachten Aufwand seit Januar 2013 bis zu einem Vertragsschluss endgültig nicht vollständig erstattet zu bekommen. Im Lichte der Grundsätze des § 5 SGB XII ist es nicht hinnehmbar, dass ein Leistungserbringer endgültig für einen längeren Zeitraum höhere Aufwendungen als Kostenerstattungen hat und er auch im Falle eines Vertragsschlusses keine Erstattung dieser Aufwendungen für die Vergangenheit erhalten kann, da eine rückwirkende Vergütungsvereinbarung nach § 77 Abs. 2 SGB XII ausgeschlossen ist. Da eine Vergütungsvereinbarung aber eine Leistungsvereinbarung voraussetzt, führt der Stillstand der Verhandlungen auf der Ebene der Leistungsvereinbarung faktisch zu einem täglich wachsenden - nicht rückholbaren - Zuschussbedarf für die Antragstellerin. Das ist ihr nicht zuzumuten. Schließlich kann nicht unbeachtet bleiben, dass Einrichtungen nicht gezwungen werden dürfen, Leistungen unterhalb der Gestehungskosten anzubieten (BVerwG, Urteil vom 01.12.1998, BVerwGE 108, 47).
Mit der hier getroffenen Anordnung wird auch die Hauptsache nicht in unzulässiger Weise vorweggenommen. Vielmehr wird der Gefahr und dem Risiko begegnet, dass die Antragstellerin im Hinblick auf langwierige Verhandlungen mit dem Antragsgegner bzw. auf die Dauer des Hauptsacheverfahrens auch im Falle des Obsiegens in der Hauptsache erhebliche Vergütungseinbußen hinnehmen muss, die aufgrund des gesetzlich vorgesehenen Verbotes der Rückwirkung von Vergütungsvereinbarungen nicht reversibel sind. Hinzutritt, dass der vollziehbaren heimaufsichtsrechtlichen Anordnung derzeit zwingend nachzukommen ist und nur unter erhöhtem Personaleinsatz entsprochen werden kann. Ein Zuwarten bis zu einer Hauptsacheentscheidung zöge damit für die Antragstellerin erhebliche wirtschaftliche Nachteile nach sich.
Demgegenüber steht dem Antragsgegner ein Rückzahlungsanspruch für den Fall zu, dass sich in der Hauptsache erweisen sollte, dass der hier geltend gemachte Anspruch nicht bestand (vgl. Meyer-Ladewig/Kellere/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, Anm. zu § 86 b SGG, RdNr. 49). Zudem ist es dem Antragsgegner unbenommen, in die auf die vorläufige Leistungsvereinbarung folgende vorläufige Vergütungsvereinbarung einen ausdrücklichen Rückzahlungsvorbehalt aufzunehmen, sofern sich das Ansinnen der Antragstellerin in der Hauptsache als unbegründet erweisen sollte. Allein das Risiko einer eventuellen späteren Zahlungsunfähigkeit der Antragstellerin rechtfertigt unter Abwägung der widerstreitenden Interessen nicht, vom Erlass der einstweiligen Anordnung abzusehen.
Das Gericht begrenzt im Rahmen des ihm durch das Gesetz eingeräumten Ermessens (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 ZPO) die einstweilige Anordnung auf den Zeitpunkt ab Eingang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Gericht für die Dauer eines Jahres. Die einstweilige Anordnung dient der vorläufigen Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile und ist deshalb grundsätzlich in die Zukunft gerichtet (vgl. Beschluss des Senats vom 17.08.2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B -, FEVS 57, 164) Angesichts der Schwierigkeit der Materie und der Verzahnung mit heimaufsichtsrechtlichen Fragen, die vor den Verwaltungsgerichten zu klären sind, wäre allerdings die sonst übliche Begrenzung auf sechs Monate zu knapp.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 VwGO und § 64 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Als Unterlegener hat der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. Die Antragstellerin hat - vom Antragsgegner unbestritten - die jährlichen Mehrkosten, um die es letztlich in diesem Verfahren geht, mit 500.000,00 EUR beziffert. Angesichts der Tatsache, dass es noch nicht direkt um die Vergütung und auch nur um eine vorläufige Regelung geht, ist eine Festsetzung auf ein Viertel dieses Betrages angemessen.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 125.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes den Abschluss einer vorläufigen Leistungsvereinbarung für vier Wohnbereiche des Leistungstyps "Wohnen für erwachsene Menschen mit geistiger/Mehrfachbehinderung die tagsüber eine Besetzung mit zwei Betreuungspersonen erlaubt.
Die Antragstellerin betreibt in S. ein Wohnheim mit 118 Wohnplätzen für Menschen mit Behinderung. Die Betreuung erfolgt überwiegend mit interner Tagesstruktur. Darüber hinaus werden auch Plätze für das Wohnen von Menschen mit externer Tagesstruktur in Werkstätten für behinderte Menschen oder im sog. Förder- und Betreuungsbereich bereitgestellt.
Die Beteiligten schlossen am 01.04.2010 Vereinbarungen gem. §§ 75 ff. SGB XII getrennt für die Häuser I bis III und das Haus IV mit einer Laufzeit bis 30.06.2011 ab. Insoweit wurde u.a. die personelle Besetzung für die Tagesstruktur jeweils mit 1:7,88 vereinbart.
Mit Leistungsbeschreibung vom 09.06.2011 und dem zugehörigen Leistungs- und Vergütungsangebot beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner einen Personalschlüssel für die interne Tagesstruktur von 1:3 zusätzlich zu der rahmenvertraglichen Personalrelation. Mit Leistungsbeschreibung vom 12.12.2011 stellte die Antragstellerin vereinbarungsgemäß die Konzeption für die Leistungen im Bereich der internen Tagesstruktur nochmals dar.
Nach Begehung im Mai 2012 hat die Landesdirektion Sachsen, Dienststelle Leipzig, Fachbereich Heimaufsicht mit Bescheid vom 21.11.2012 folgende Anordnung erlassen:
" 1. Durch den Träger des Heimes, die C. S. gGmbH, ist eine doppelte Personalbesetzung (ständige Anwesenheit von zwei Mitarbeitern) für die Betreuung der Bewohner im Haus 3, Wohnbereich 7 und Haus 4, Wohnbereiche 8 und 10a und 10b des Wohnheimes S. M. während der Zeiten von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr täglich ab dem 07.01.2012 zu gewährleisten. 2. Der Personaleinsatz auf dem intensivpädagogischen Wohnbereich hat entsprechend des dafür verhandelten Personalschlüssels zu erfolgen. 3. "
In den betroffenen Wohnbereichen erfolgt die Betreuung ausschließlich in interner Tagesstruktur. Dabei verbleiben die Menschen mit Behinderung tagsüber auf ihrer Wohngruppe und werden nur zeitweise zu individuellen Fördermaßnahmen einzeln oder in Kleingruppen abgeholt.
Mit Schreiben vom 30.11.2012 forderten die Bevollmächtigten der Antragstellerin den Antragsgegner auf, auf Grundlage der heimaufsichtsrechtlichen Anordnung und eines daraus resultierenden Mehrbedarfes von 13,69 Vollkraftstellen für die genannten Wohnbereiche eine entsprechende Leistungs- und Vergütungsvereinbarung abzuschließen.
Dies lehnte der Antragsgegner mit Schreiben vom 12.12.2012 unter Verweis auf den am 11.12.2012 gegen die heimaufsichtsrechtliche Anordnung eingelegten Widerspruch ab. Mit diesem Widerspruch beantragte der Antragsgegner gleichzeitig dessen aufschiebende Wirkung herzustellen bzw. die Vollziehung auszusetzen. Eine Entscheidung hierzu ist noch nicht ergangen.
Am 02.01.2013 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.
Sie trägt vor, das Ermessen des Antragsgegners zum Abschluss einer Vereinbarung auf Grundlage des vorgelegten Leistungsangebotes sei auf Null reduziert. Sie sei durch die heimaufsichtsrechtliche Anordnung gezwungen, im Bereich der internen Tagesstruktur innerhalb der gegenständlichen Wohngruppen eine Doppelbetreuung sicherzustellen. Dies bedinge, dass eine entsprechende Personalausstattung vorzuhalten und einzusetzen sei. Der Antragsgegner habe sich in diesem Verfahren trotz ausdrücklicher Anhörung gegenüber der Heimaufsicht auch nicht geäußert. Darüber hinaus dürften behinderte Menschen mit Förder- und Betreuungsbedarf in der internen Tagesstruktur nicht schlechter gestellt werden, wie diejenigen in Förder- und Betreuungsbereichen, für die ein Personalschlüssel von 1:3 vom Antragsgegner bereits vielfach vereinbart worden sei. Bislang habe der Antragsgegner auch keine fachlichen Einwände formuliert.
Die begehrte Leistungsvereinbarung sei erforderlich, um die Schiedsstelle gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zur Höhe einer künftigen Vergütung anrufen zu können. Der erforderliche Mehreinsatz von 13,69 Vollkräften bedinge Personalkosten von zusätzlichen mehr als 500.000,00 EUR. Setze sie die Anordnung der Heimaufsicht nicht um, so sei sie Ordnungsmitteln bzw. Vollstreckungsmaßnahmen der Heimaufsicht ausgesetzt.
Die Antragstellerin beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, mit der Antragstellerin vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Hauptsache eine Leistungsvereinbarung gem. §§ 75 Abs. 3, 76 Abs. 1 SGB XII für die Wohnbereiche 7 (Haus 3) sowie die Wohnbereiche 8, 10a und 10b (Haus 4) im Wohnbereich für behinderte Menschen S. M. in S., abzuschließen, welche tagsüber in der Zeit von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr die Doppelbesetzung der genannten Wohnbereiche mit zwei Betreuungspersonen erlaubt.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.
Er trägt vor, eine Ermessensreduzierung auf Null, mit der Folge, dass für ihn der Zwang zum Abschluss der von der Antragstellerin gewünschten Vereinbarung bestünde, liege nicht vor. Der zugunsten der Antragstellerin vereinbarte Personalschlüssel für die interne Tagesstruktur von 1:7,88 bewege sich bereits am oberen Ende der Bandbreite, die nach gesetzlichen Vorgaben zur Durchführung eines sog. externen Leistungs- und Vergütungsvergleichs mit anderen Leistungsanbietern vereinbart worden sei, ohne dass es dort zu Defiziten in der Leistungserbringung gekommen sei. Die Notwendigkeit der Doppelbesetzung mit einem Personalmehrbedarf von 13,69 Vollzeitkräften lasse sich auch nicht aus der Bedarfserhebung der Antragstellerin entnehmen. Auch die Heranziehung des höheren Personalschlüssels im Förder- und Betreuungsbereich sei nicht möglich, da diesem eine andere Zielrichtung zu Grunde liege. Im Gegensatz zum Förder- und Betreuungsbereich habe die interne Tagesstruktur nicht das Erreichen der Aufnahmevoraussetzungen der Werkstatt für behinderte Menschen zum Ziel. Die heimaufsichtsrechtliche Anordnung könne ebenfalls keine Ermessensreduzierung begründen. Hiergegen habe er Widerspruch eingelegt und die Anordnung seiner aufschiebenden Wirkung beantragt. Ferner sei dem ordnungsrechtlichen Heimrecht gegenüber dem sozialhilferecht kein Vorrang eingeräumt.
Es sei auch keine besondere Dringlichkeit gegeben. Insoweit sei insbesondere maßgeblich, dass es sich um eine Vorwegnahme der Hauptsache handeln würde, die de facto nicht mehr rückabgewickelt werden könne.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte mit den Schriftsätzen nebst Anlagen sowie den Inhalt der vom Gericht beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig. Für die hier zu entscheidende Frage ist keine vorrangige Zuständigkeit der nach § 80 SGB XII gebildeten Schiedsstelle vorgesehen, die einen direkten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig machen würde. Die Schiedsstelle hat ausschließlich über Streitigkeiten um Vergütungsvereinbarungen (§ 75 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII) zu entscheiden. Die jeweils zugrunde liegende Leistungsvereinbarung (§ 75 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII) muss vor Anrufung der Schiedsstelle vereinbart und notfalls vor Gericht erstritten werden (Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, § 77 Rdnr. 8; LSG Baden-Würtemberg, Beschluss vom 13.07.2006, L 7 SO 1902/06).
Der Antrag ist auch begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG können die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auf Antrag schon vor Klageerhebung (§ 86b Abs. 3 SGG) eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sowohl der geltend gemachte materielle Rechtsanspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung so dringlich ist, dass dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gesichert oder geregelt werden muss (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen.
Ein Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht aufgrund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die Antragstellerin ein Rechtsanspruch auf die begehrte Leistung zusteht und sie deshalb in einem Hauptsacheverfahren mit dem gleichen Begehren voraussichtlich Erfolg haben würde. Dabei wird der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten ermittelt, soweit dies unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens geboten ist (Krodel, NZS 2002, 234 ff.; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, Rn. 152, 338; jeweils m. w. N.).
Unter Berücksichtigung dessen hat die Antragstellerin einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Abschluss einer Leistungsvereinbarung für die Wohnbereiche 7, 8, 10a und 10b des von ihr betriebenen Wohnheimes "S. M." in S. unter Berücksichtigung einer Doppelbesetzung in den Wohnbereichen in der Zeit von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr glaubhaft gemacht. Außerdem ist eine vorläufige gerichtliche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich.
§ 75 Abs. 2 SGB XII formuliert ein Nachrangprinzip (vgl. Münder in Rothkegel, Sozialhilferecht, Teil III Kap. 33 Rdnr. 9) in dem Sinn, dass der Sozialhilfeträger grundsätzlich keine eigenen Einrichtungen betreiben soll, sondern dass die vorhandenen Einrichtungen Dritter vorrangig in Anspruch zu nehmen sind (vgl. hierzu Münder in LPK-SGB XII, § 75 RdNr. 7 bis 10). Erbringt ein privater Träger Eingliederungshilfeleistungen aufgrund eines mit dem Behinderten bestehenden Heimvertrages, kann dieser eine Übernahme der Vergütung nur auf der Grundlage von nach § 75 Abs. 3 SGB XII geschlossenen Verträgen verlangen. Das bedeutet, dass er in dem durch die Aufnahme des Behinderten entstandenen sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis Erstattungsansprüche gegen den Träger der Sozialhilfe nur auf der Grundlage solcher (ggf. individuell zu vereinbarender) Verträge hat. Dieses Dreiecksverhältnis wird wesentlich gestaltet durch die genannten Verträge (Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung). Insofern hat der Träger der Sozialhilfe auf ein Angebot eines Einrichtungsträgers hin eine an den Zielen der Eingliederungshilfe einschließlich des genannten Nachranggrundsatzes ausgerichtete Ermessensentscheidung über den Abschluss von Verträgen zu treffen (BVerwG, Urteil vom 03.09.1993, BVerwGE 94, 202; VG Hannover, Beschluss vom 29.12.2004 - 7 B 4953/04 -, NordÖR 2005, 275 und Hessisches LSG, Beschluss vom 20.06.2005, FEVS 57, 153).
Die hier zwischen den Beteiligten streitige Leistungsvereinbarung (vgl. § 75 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII) ist wesentliche Voraussetzung dafür, dass in einem zweiten Schritt eine Vergütungsvereinbarung geschlossen werden kann, die den unter den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit errechneten Aufwand der Einrichtungsträger deckt. Da § 77 Abs. 1 SGB XII den Grundsatz der Vereinbarung mit Wirkung für die Zukunft festschreibt - verbunden mit der Begrenzung der Rückwirkung von Vergütungsvereinbarungen in § 77 Abs. 2 SGB XII - haben die Einrichtungsträger ein Interesse am zeitnahen Abschluss solcher Leistungsvereinbarungen, sofern eine von ihnen angebotene Betreuungsleistung nicht oder nicht mehr von den bestehenden Verträgen erfasst ist.
Die Ermessensentscheidung des Sozialhilfeträgers hat sich dabei an den in § 75 Abs. 3 SGB XII genannten Grundsätzen zu orientieren.
Maßgeblich beschränkt ist der Ermessensspielraum des Antragsgegners vorliegend durch die gegenüber der Antragstellerin ergangenen heimaufsichtsrechtlichen Anordnungen vom 21.11.2012, die der Antragstellerin den Betreuungsumfang in den Wohnbereichen 7, 8 ,10a und 10 b mit ausschließlich interner Tagesstruktur im Zeitraum von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr vorgeben. Allein der hiergegen eingelegte Widerspruch des Antragsgegners lässt die Vollziehbarkeit der Anordnung unberührt, da deren sofortige Vollziehbarkeit nach § 11 Abs. 4 SächsBeWoG gesetzlich angeordnet ist. Über einen Antrag des Antragsgegners auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs wurde seitens der Landesdirektion Sachsen bislang nicht entschieden, so dass es bei der Vollziehbarkeit bleibt.
Die Bindungswirkung der heimaufsichtsrechtlichen Anordnung wirkt nicht nur gegenüber dem Heimträger sondern erstreckt sich auch auf den Sozialhilfeträger. Insofern ist diesen ordnungsrechtlichen Vorgaben der Vorrang gegenüber sozialrechtlichen Überlegungen einzuräumen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die heimaufsichtsrechtliche Anordnung konkrete kostenrelevante Regelungen trifft (vgl. BVerwG, Beschl. vom 30.12.1998, Az.: 5 B 26/98). So liegt der Fall hier. Mit der heimaufsichtsrechtlichen Anordnung wird der Antragstellerin konkret vorgeschrieben, mit welchem konkreten personellem Aufwand – hier Doppelbesetzung – die Wohnbereiche mit ausschließlich interner Tagesstruktur in der Zeit von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr zu betreuen sind. Diese Anordnung muss demnach 1:1 in die zu schließende Leistungsvereinbarung einfließen, womit der Ermessenspielraum des Antragsgegners insoweit auf "Null" reduziert ist.
Es besteht hinsichtlich des begehrten Vertragsabschlusses auch ein Anordnungsgrund. Selbst bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens spricht für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, dass im Rahmen der dann zu erfolgenden umfassenden Interessenabwägung, den Belangen der Antragstellerin der Vorrang einzuräumen ist. Der Antragstellerin ist nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Wegen der oben dargestellten Vertragsgrundsätze (nur Vereinbarungen für die Zukunft) läuft die Antragstellerin Gefahr, den erbrachten Aufwand seit Januar 2013 bis zu einem Vertragsschluss endgültig nicht vollständig erstattet zu bekommen. Im Lichte der Grundsätze des § 5 SGB XII ist es nicht hinnehmbar, dass ein Leistungserbringer endgültig für einen längeren Zeitraum höhere Aufwendungen als Kostenerstattungen hat und er auch im Falle eines Vertragsschlusses keine Erstattung dieser Aufwendungen für die Vergangenheit erhalten kann, da eine rückwirkende Vergütungsvereinbarung nach § 77 Abs. 2 SGB XII ausgeschlossen ist. Da eine Vergütungsvereinbarung aber eine Leistungsvereinbarung voraussetzt, führt der Stillstand der Verhandlungen auf der Ebene der Leistungsvereinbarung faktisch zu einem täglich wachsenden - nicht rückholbaren - Zuschussbedarf für die Antragstellerin. Das ist ihr nicht zuzumuten. Schließlich kann nicht unbeachtet bleiben, dass Einrichtungen nicht gezwungen werden dürfen, Leistungen unterhalb der Gestehungskosten anzubieten (BVerwG, Urteil vom 01.12.1998, BVerwGE 108, 47).
Mit der hier getroffenen Anordnung wird auch die Hauptsache nicht in unzulässiger Weise vorweggenommen. Vielmehr wird der Gefahr und dem Risiko begegnet, dass die Antragstellerin im Hinblick auf langwierige Verhandlungen mit dem Antragsgegner bzw. auf die Dauer des Hauptsacheverfahrens auch im Falle des Obsiegens in der Hauptsache erhebliche Vergütungseinbußen hinnehmen muss, die aufgrund des gesetzlich vorgesehenen Verbotes der Rückwirkung von Vergütungsvereinbarungen nicht reversibel sind. Hinzutritt, dass der vollziehbaren heimaufsichtsrechtlichen Anordnung derzeit zwingend nachzukommen ist und nur unter erhöhtem Personaleinsatz entsprochen werden kann. Ein Zuwarten bis zu einer Hauptsacheentscheidung zöge damit für die Antragstellerin erhebliche wirtschaftliche Nachteile nach sich.
Demgegenüber steht dem Antragsgegner ein Rückzahlungsanspruch für den Fall zu, dass sich in der Hauptsache erweisen sollte, dass der hier geltend gemachte Anspruch nicht bestand (vgl. Meyer-Ladewig/Kellere/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, Anm. zu § 86 b SGG, RdNr. 49). Zudem ist es dem Antragsgegner unbenommen, in die auf die vorläufige Leistungsvereinbarung folgende vorläufige Vergütungsvereinbarung einen ausdrücklichen Rückzahlungsvorbehalt aufzunehmen, sofern sich das Ansinnen der Antragstellerin in der Hauptsache als unbegründet erweisen sollte. Allein das Risiko einer eventuellen späteren Zahlungsunfähigkeit der Antragstellerin rechtfertigt unter Abwägung der widerstreitenden Interessen nicht, vom Erlass der einstweiligen Anordnung abzusehen.
Das Gericht begrenzt im Rahmen des ihm durch das Gesetz eingeräumten Ermessens (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 ZPO) die einstweilige Anordnung auf den Zeitpunkt ab Eingang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Gericht für die Dauer eines Jahres. Die einstweilige Anordnung dient der vorläufigen Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile und ist deshalb grundsätzlich in die Zukunft gerichtet (vgl. Beschluss des Senats vom 17.08.2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B -, FEVS 57, 164) Angesichts der Schwierigkeit der Materie und der Verzahnung mit heimaufsichtsrechtlichen Fragen, die vor den Verwaltungsgerichten zu klären sind, wäre allerdings die sonst übliche Begrenzung auf sechs Monate zu knapp.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 VwGO und § 64 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Als Unterlegener hat der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz. Die Antragstellerin hat - vom Antragsgegner unbestritten - die jährlichen Mehrkosten, um die es letztlich in diesem Verfahren geht, mit 500.000,00 EUR beziffert. Angesichts der Tatsache, dass es noch nicht direkt um die Vergütung und auch nur um eine vorläufige Regelung geht, ist eine Festsetzung auf ein Viertel dieses Betrages angemessen.
Rechtskraft
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