S 12 KA 833/11

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 833/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Vertrauensschutz hinsichtlich einer Honorarrückforderung wegen Überschreitens der für ein Job-Sharing-Verhältnis geltenden Punktzahlobergrenze kann nicht durch die Zuweisung praxisbezogener Regelleistungsvolumina ohne jegliche Einschränkung und ohne den Vorbehalt der Punktzahlvolumenobergrenze im Job-Sharing entstehen (s. bereits SG Marburg, Urt. v. 05.12.2012 - S 12 KA 636/11 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Rdnr. 59 ff. bzgl. der Erhöhung des Regelleistungsvolumens, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 1/13).
2. Ein Vertragsarzt kennt die Punktzahlobergrenze im Rahmen eines sog. Job-Sharings und kann den Honorarabrechnungen ohne weiteres entnehmen, dass auch die diese Grenze überschreitenden Punkte abgerechnet worden sind. Bei einem Auseinanderdriften von Job-Sharing-Punktzahlvolumenobergrenze und Regelleistungsvolumen besteht Anlass, bei der KV nachzufragen, welche Punktzahlen denn tatsächlich vergütet werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 24.10.2012 - L 5 KA 5778/11 - juris Rdnr. 105, Revision anhängig: B 6 KA 50/12 R).
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Honorarberichtigung wegen Überschreitung des Praxisumfangs im Rahmen eines sog. Job-Sharings in Höhe von 38.687,41 Euro netto für die vier Quartale IV/08 bis III/09 (1. Leistungsjahr), soweit ein über den Betrag in Höhe von 4.788,39 Euro netto hinausgehender Betrag als Rückforderung festgesetzt wurde.

Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis mit zwei Internisten mit dem Schwerpunkt Pneumologie. Der Zulassungsausschuss genehmigte ihnen mit Beschluss vom 26.08.2008 die gemeinsame vertragsärztliche Tätigkeit gem. § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V i. V. m. Abschnitt 5 § 23a Bedarfsplanungs-Richtlinie-Ärzte mit Wirkung zum 01.10.2008 mit Praxissitz in A-Stadt. Den Praxisumfang der Vertragsarztpraxis legte er auf der Grundlage des Gesamtpunktzahlvolumens in den vier vorausgegangenen Quartalen (II/07 bis I/08) aufgrund der Abrechnungen der bereits zuvor bestehenden Praxis des Herrn Dr. C. wie folgt fest:

Jahresquartal Punktzahl des Erstzugelassenen 3 % der Punktzahl der Fachgruppe Gesamtpunktzahlvolumen für das 1. Leistungsjahr
I 1.702.934,1 74.357,1 1.777.291,2
II 1.273.074,0 65.914,9 1.338.988,9
III 1.330.295,1 64.326,8 1.394.621,9
IV 1.530.266,8 61.816,1 1.592.082,9

Der Zulassungsausschuss setzte mit Beschluss vom 28.07.2009 die quartalsbezogenen Gesamtpunktzahlvolumina wie folgt neu fest:

Jahresquartal Punktzahl des Erstzugelassenen 3 % der Punktzahl der Fachgruppe Gesamtpunktzahlvolumen für das 1. Leistungsjahr
I 1.702.934,1 74.357,1 1.777.291,2
II 1.330.295,1 64.326,8 1.492.385,0
III 1.273.074,0 61.816,1 1.428.465,9
IV 1.530.266,8 66.790,0 1.709.010,5

Ab dem 2. Leistungsjahr werde das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen entsprechend den Richtlinien angepasst. Der Beschluss wurde bestandskräftig. Zur Begründung wies er darauf hin, Berechnungsbasis seien die Quartale II bis IV/07 gewesen. Der Vorstand der Beklagten habe daher eine Transcodierung der Leistungen vom EBM 2005 in den EBM 2008 beantragt. Als Basis des Antrags auf Anhebung der Punktzahlobergrenze im 1. Leistungsjahr sollten die im Rahmen der RLV-Erhöhung ermittelten Steigerungsprozentsätze bei der Transcodierung des EBM 2005 zum EBM 2008 dienen.

Der Zulassungsausschuss setzte mit Beschluss vom 24.08.2010 die quartalsbezogenen Gesamtpunktzahlvolumina wie folgt neu fest:

Jahresquartal Punktzahl des Erstzugelassenen 3 % der Punktzahl der Fachgruppe Gesamtpunktzahlvolumen für das 1. Leistungsjahr
I 1.702.934,1 74.357,1 1.777.291,2
II 1.330.295,1 71.005,3 1.499.063,5
III 1.273.074,0 68.138,1 1.434.787,9
IV 1.530.266,8 69.585,2 1.711.805,7

Zur Begründung führte er an, die Ausgangsquartale II bis IV/07 seien bereits mit dem durchschnittlichen Steigerungsfaktor 7,01 % transcodiert worden. Nunmehr würden die 3 % der Punktzahlen der Fachgruppe transcodiert werden. Deshalb habe er die Anpassung der Punktzahlobergrenzen unter Beachtung des 3 %-igen Zuschlags vorgenommen.

Das Job-Sharing-Verhältnis wurde am 30.04.2010 beendet (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 27.04.2010).

Die Beklagte setzte das Honorar der klägerischen Gemeinschaftspraxis in den streitbefangenen Quartalen wie folgt fest:
IV/08 I/09 II/09 III/09
Honorarbescheid vom 30.03.2009 20.07.2009 11.10.2009 23.12.2009
Nettohonorar gesamt in EUR 53.222,70 55.351,02 53.361,80 52.933,24
Bruttohonorar PK + EK in EUR 53.521,46 55.779,54 53.999,83 53.558,26
Fallzahl PK + EK 1.188 1.313 1.216 1.252
Regelleistungsvolumen ab I/09 46.463,86 50.040,87 47.843,01
Quotiertes Regelleistungsvolumen in EUR 4.470,29 1.941,51 1.570,79
Übrige Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) 728,52 813,72 1.105,03
Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (AMG) 4.116,87 1.203,73 3.039,43

Regelleistungsvolumen IV/08
Praxisbezogenes RLV in Punkten 1.782.992,7
Überschreitung in Punkten 105.017,3

Praxisbezogenes RLV in EUR ab I/09 48.683,08 52.421,72 50.126,66
Angefordertes Honorar 72.821,20 69.012,65 69.835,17
Überschreitung 24.138,12 16.590,93 19.708,51

Ausgleichsregelung § 5 Abs. 4 HVV -

Für alle streitbefangenen Quartale wies die Beklagte die Klägerin (unter Datum vom 18.05., 26.08., 02.12.2009 und 22.02.2010) darauf hin, dass die Prüfung, ob die maximalen Punktzahlobergrenzen eingehalten worden seien, jeweils bezogen auf ein Leistungsjahr erfolge; Überschreitungen könnten sich mit möglichen Unterschreitungen innerhalb eines (Jahres-)Blocks von vier aufeinander folgenden Quartalen ausgleichen.

Die Beklagte informierte die Klägerin ferner mit Schreiben vom 30.07. und 27.11.2009 für die Quartale IV/08 und I/09, dass es im ersten Leistungsjahr zu einer Überschreitung des Gesamtpunktzahlvolumens gekommen sei.

Mit Bescheid vom 06.10.2010 nahm die Beklagte eine sachlich-rechnerische Honorarberichtigung für die Quartale IV/08 bis III/09 - 1. Leistungsjahr - wegen Überschreitung des Praxisumfangs vor und forderte Honorar in Höhe von 38.687,41 Euro netto (40.122,60 Euro brutto abzgl. 1.435,19 Euro Verwaltungskosten) zurück.

Hiergegen legte die Klägerin unter Datum vom 27.09.2010 Widerspruch ein. Zur Begründung ihres Widerspruchs führte sie aus, gegen die festgelegte Punktzahl von im Durchschnitt 1.605.737 Punkte pro Quartal bestünden ihrerseits keine Einwände, zumal diese Punktzahl von ihr bereits früher anerkannt worden sei. Nicht einverstanden sei sie jedoch mit der Berechnung der Rückforderungssumme. Bis zum Quartal IV/08 habe es keinen festen Punktwert gegeben, sodass die Berechnung der Rückforderung rechtmäßig sein möge. Ab dem Quartal I/09 werde jedoch ein fester Punktwert von 3,5 Cent innerhalb eines individuellen praxisbezogenen Regelleistungsvolumens garantiert. Dieser Punktwert gelte jedoch nur innerhalb des praxisbezogenen Regelleistungsvolumens. Dies bedeute für die Quartale I/09 bis III/09 einen Betrag von 151.231,46 Euro. Tatsächlich sei nach Abzug extrabudgetärer Leistungen ein Betrag von insgesamt 154.978,11 Euro ausgezahlt worden. Ziehe man hiervon die geforderte Rückzahlung von pro Quartal durchschnittlich 9.500,00 Euro ab, so komme man für die drei Quartale auf einen Betrag von 126.478,11 Euro. Dies seien 24.753,35 Euro weniger, als wäre nur die genehmigte Punktzahl von 1.605.737 Punkten zur Abrechnung gekommen. Sie bitte daher um Neuberechnung. Abschließend weise sie darauf hin, dass die Leistungssteigerung auf einer ausgeprägten Patientennachfrage beruhe. Sie hätten eine weitere Ausdehnung der schon bei drei Monaten liegenden Wartezeiten damit auch verhindert. Dabei sei es nicht so, dass sie Neupatienten nicht bereits an andere Kollegen verwiesen hätten.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2011 den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie verwies auf die Beschlüsse des Zulassungsausschusses. Soweit die Klägerin Leistungen über das zulässige Maß hinaus erbringe, würden diese, bei Überschreitung des Regelleistungsvolumens, abgestaffelt vergütet werden. Bei Überschreitung der Punktzahlobergrenze des Job-Sharings erfolge eine Rückforderung. Darin sei keine Bestrafung zu sehen, auch wenn die Leistungen unter diesen Umständen eventuell nicht kostendeckend erbracht werden könnten. Die im Rahmen des Job-Sharings festgestellten Punktzahlobergrenzen seien Sonderregelungen, die als solche Vorrang zu den allgemeinen Regelungen zu den Regelleistungsvolumina hätten. Es treffe nicht zu, dass für die Berechnung der Euro-Rückforderungssumme bei Überschreitung der Punktzahlobergrenze im Job-Sharing der im Rahmen der RLV-Vergütungssystematik garantierte Punktwert von 3,5 Cent zu Grunde zu legen sei. Der gemittelte rechnerische Punktwert für Überschreitungen der Punktzahlobergrenze betrage für die Quartale IV/08 bis III/09 2,564 Cent. Bei der Berechnung dieses Punktwertes würden die von der Punktzahlobergrenze im Job-Sharing nicht erfassten Leistungen der Leistungsgruppe 14 herausgerechnet werden und die wegen Überschreitung des Regelleistungsvolumens entstehenden Verzerrungen durch die Quotierung von Teilen der Vergütung entsprechend berücksichtigt werden. Soweit die Gesamtvergütung für die Quartale I/09 bis III/09 nach Abzug der Job-Sharing-Rückforderungssumme unter der Summe der zugewiesenen Regelleistungsvolumina liege, liege das daran, dass der Klägerin nach den soweit vorrangigen Bestimmungen des Job-Sharings ein geringeres Leistungsvolumen zustehe als es hier nach dem zum ersten Quartal 2009 eingeführten Vergütungsrecht zustehen würde. Es treffe nicht zu, dass die Job-Sharing-Punktzahlobergrenze mit dem Regelleistungsvolumen des jeweiligen Quartals verknüpft sei. Die Job-Sharing-Punktzahlobergrenze sei auch nicht auf regelleistungsvolumenrelevante Leistungen beschränkt. Tatsächlich würden durch das Job-Sharing sämtliche Leistungen der Praxis bis auf die Leistungen der Leistungsgruppe 14 (vgl. Gesamtstatistik PK und EK vor Wirtschaftlichkeitsprüfung in dem jeweiligen Honorarbescheid) erfasst werden. Die Rückforderung erstrecke sich damit auch auf extrabudgetär vergütete Leistungen, wodurch sich die Höhe erkläre.

Hiergegen hat die Klägerin am 07.11.2011 die Klage erhoben.

Die Beklagte hat ferner mit Bescheid vom 23.05.2011 einen Rückforderungsbescheid für das 2. Leistungsjahr – Quartale IV/09 bis I/10 – über 19.384,72 Euro (brutto) erlassen. Für die Quartale IV/09 und I/10 wies die Beklagte ebenfalls unter Datum vom 31.05.2010 und 20.09.2010 auf einen Vorbehalt eventueller Honorarrückforderungen durch die Job-Sharing-Berechnung hin. Die Beklagte wies unter Datum vom 10.11.2010 für das Quartal IV/09 auf eine Überschreitung des Gesamtpunktzahlvolumens im Umfang vom 328.386,8 Punkten hin. Die Klägerin legte gegen den Rückforderungsbescheid unter Datum vom 25.05.2011 Widerspruch ein, mit dem sie sich wiederum gegen die Berechnungsweise des Rückforderungsbetrages wandte. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.03.2012 als unbegründet zurück. Die hiergegen am 06.04.2012 zum Az.: S 12 KA 170/12 erhobene Klage hat die Kammer auf Antrag der Beteiligten mit Beschluss vom 21.05.2012 im Hinblick auf den hier strittigen Rückforderungsbescheid zum Ruhen gebracht.

Die Klägerin ist der Auffassung, durch die Zuweisung praxisbezogener Regelleistungsvolumina ohne jegliche Einschränkung und ohne den Vorbehalt der Punktzahlvolumenobergrenze im Job-Sharing habe sie darauf vertrauen können, dass die Beklagte in Kenntnis des Job-Sharings bei der Berechnung des praxisbezogenen Regelleistungsvolumens bereits die entsprechende Punktzahlvolumenobergrenzen berücksichtigt habe. In den Quartalen I/09 bis III/09 habe das Brutto-Honorar für Primär- und Ersatzkassen vermindert um die Leistungsgruppe 14 (Kostenpauschalen) 51.030,23 Euro, 52.303,91 Euro und 49.499,24 Euro, insgesamt 152.833,38 Euro betragen. Unter Berücksichtigung der RLV-Zuweisungsbescheide für die Quartale I/09 bis III/09 in Höhe von insgesamt 151.231,46 Euro habe sie das praxisbezogene Regelleistungsvolumen um insgesamt 1.601,92 Euro überschritten, sodass maximal dieser Betrag als Rückforderungssumme in Betracht komme. Die Beklagte müsse sich die fehlerhafte Zuweisung der praxisbezogenen Regelleistungsvolumina ab dem Quartal I/09 in vollem Umfang zurechnen lassen. Der Rückforderung stehe ihr Vertrauensschutz entgegen. Für die Quartale I/09 bis III/09 käme daher maximal ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 1.601,92 Euro in Betracht. Insgesamt komme allenfalls ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 4.788,39 Euro in Betracht.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 06.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2011 insoweit aufzuheben, als ein über den Betrag in Höhe von 4.788,39 Euro netto hinausgehender Betrag als Rückforderung festgesetzt wurde,

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, der Berechnung für die strittige Rückforderung lägen die Werte aus dem Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte vom 24.08.2010 zu Grunde. Die Klägerin habe die vom Zulassungsausschuss festgesetzten Obergrenzen auch nach Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des Sozialgerichts Marburg überschritten. Der bestandskräftige Beschluss des Zulassungsausschusses vom 24.08.2010 sei für alle Beteiligten bindend. Die Neuberechung auf der Grundlage zeitgleicher Werte habe einen Überschreitungsbetrag in Höhe von 41.007,96 Euro ergeben. Dieser Betrag liege um 885,36 Euro über dem festgesetzten Bruttobetrag. Maßgeblich für die Vergleichsberechnung seien die Werte im Beschluss des Zulassungsausschusses vom 26.08.2008, also vor der Durchführung der Transcodierung. Es habe daher ein Vergleich zwischen der Berechnung der Rückforderung mit den durch die Transcodierung ermittelten Werten unter Berechnung der Rückforderung auf Grund der Neuberechnung der Anpassungsfaktoren stattzufinden. Ein besonderer Vertrauensschutz bestehe nicht. Bei der Zulassung eines Job-Sharing-Verhältnisses handele es sich um eine Ausnahmegenehmigung für Planungsbereiche, für die Zulassungsbeschränkung angeordnet seien. Die Partner der Berufsausübungsgemeinschaft müssten sich verpflichten, den bisherigen Praxisumfang nicht wesentlich zu überschreiten. Hierzu sei die vom Zulassungsausschuss festgelegte Leistungsbeschränkung schriftlich anzuerkennen. Das sei hier geschehen. Mit dem Regelleistungsvolumen werde lediglich festgelegt, in welcher Höhe die Leistungen innerhalb des Regelleistungsvolumens ohne Quotierung vergütet werden könnten. Dies spiele damit für die Höhe des Honorars eine Rolle. Sie habe ferner die Klägerin mit der Übersendung der Honorarunterlagen auf die gesonderte Prüfung der Überschreitung der Obergrenze hingewiesen. Darüber hinaus sei es auch fraglich, ob angesichts der Tatsache, dass sich die Kläger freiwillig der Gesamtpunktzahlobergrenze unterworfen hätten, überhaupt Vertrauen entstehen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist aber unbegründet. Der Bescheid vom 06.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2011 ist, soweit er noch angefochten wird, rechtmäßig und war nicht aufzuheben. Die Beklagte war berechtigt, auch einen über den Betrag in Höhe von 4.788,39 Euro netto hinausgehenden Betrag als Rückforderung festzusetzen. Die Klage war daher abzuweisen.

Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.

Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die Arzt bezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Es obliegt deshalb nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen.

Nach den hier maßgeblichen Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungs-Richtlinie) in der Neufassung vom 15. Februar 2007, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2007, S. 3491, in Kraft getreten am 1. April 2007, zuletzt geändert am 18. Februar 2010, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2010, S. 1641, in Kraft getreten am 8. Mai 2010) (im Folgenden: BedarfsplRL-Ä) legt der Zulassungsausschuss vor der Zulassung des Antragstellers in einer verbindlichen Feststellung zur Beschränkung des Praxisumfangs auf der Grundlage der gegenüber dem Vertragsarzt (den Vertragsärzten) in den vorausgegangenen mindestens vier Quartalen ergangenen Abrechnungsbescheiden quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumina fest, welche bei der Abrechnung der ärztlichen Leistungen im Rahmen der Gemeinschaftspraxis von dem Vertragsarzt sowie dem Antragsteller nach seiner Zulassung gemeinsam als Leistungsbeschränkung maßgeblich sind (Obergrenze). Diese Gesamtpunktzahlvolumina sind so festzulegen, dass die in einem entsprechenden Vorjahresquartal gegenüber dem erstzugelassenen Vertragsarzt anerkannten Punktzahlanforderungen um nicht mehr als 3 v. H. überschritten werden. Das Überschreitungsvolumen von 3 v. H. wird jeweils auf den Fachgruppendurchschnitt des Vorjahresquartals bezogen. Das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen (Punktzahlvolumen zuzüglich Überschreitungsvolumen) wird nach § 23f BedarfsplRL-Ä durch die Kassenärztliche Vereinigung angepasst. Bei Internisten ist zur Ermittlung des Fachgruppendurchschnittes auf die Entscheidung des bereits zugelassenen Vertragsarztes zur hausärztlichen oder fachärztlichen Versorgung abzustellen. Im Übrigen gilt für Anpassungen § 23e. Außergewöhnliche Entwicklungen im Vorjahr, wie z. B. Krankheit eines Arztes, bleiben außer Betracht; eine Saldierung von Punktzahlen innerhalb des Jahresbezugs der Gesamtpunktzahlen im Vergleich zum Vorjahresvolumen ist zulässig. Der Zulassungsausschuss trifft seine Festlegungen auf der Grundlage der ihm durch die Kassenärztliche Vereinigung übermittelten Angaben (§ 23c BedarfsplRL-Ä).

Sowohl für die Berechnung des Ausgangspunktzahlvolumens als auch des Vergleichspunktzahlvolumens nach § 23c BedarfsplRL-Ä ist das im Zeitpunkt der Abrechnung jeweils geltende Berechnungssystem für die vertragsärztlichen Leistungen maßgeblich. Auf Antrag des Vertragsarztes sind die Gesamtpunktzahlvolumina neu zu bestimmen, wenn Änderungen des EBM oder vertragliche Vereinbarungen, die für das Gebiet der Arztgruppe maßgeblich sind, spürbare Auswirkungen auf die Berechnungsgrundlagen haben. Die Kassenärztlichen Vereinigungen oder die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen können eine Neuberechnung beantragen, wenn Änderungen der Berechnung der für die Obergrenzen maßgeblichen Faktoren eine spürbare Veränderung bewirken und die Beibehaltung der durch den Zulassungsausschuss festgestellten Gesamtpunktzahlvolumina im Verhältnis zu den Ärzten der Fachgruppe eine nicht gerechtfertigte Bevorzugung/Benachteiligung darstellen würde (§ 23e BedarfsplRL-Ä).

Die Gesamtpunktzahlvolumina zur Beschränkung des Praxisumfangs folgen der Entwicklung des Fachgruppendurchschnitts durch Festlegung eines quartalsbezogenen Prozentwertes (Anpassungsfaktor). Die Anpassungsfaktoren werden im ersten Leistungsjahr von der Kassenärztlichen Vereinigung errechnet. Die dafür maßgebliche Rechenformel lautet: PzVol (Quartalsbezogenes Gesamtpunktzahlvolumen der Praxis)./. PzFg (Quartalsbezogener Punktzahlvolumendurchschnitt der jeweiligen Fachgruppe ) = Fakt (Quartalsbezogener Anpassungsfaktor). Sie stellen die Grundlage zur Ermittlung der Gesamtpunktzahlvolumina für die Folgejahre dar. Der jeweilige Anpassungsfaktor wird ab dem zweiten Leistungsjahr mit dem Punktzahlvolumendurchschnitt der Fachgruppe multipliziert und ergibt die quartalsbezogene Obergrenze für die Praxis (die Saldierungsregelung nach Nr. 23c Satz 6 bzw. § 23c Satz 6 BedarfsplRL-Ä bleibt hiervon unberührt). Die Kassenärztliche Vereinigung teilt dem Vertragsarzt die für ihn verbindlichen Anpassungsfaktoren mit (§ 23f BedarfsplRL-Ä).

Damit können die ab dem zweiten Leistungsjahr maßgeblichen Gesamtpunktzahlvolumina erst nach Abschluss der Honorarverteilung für das letzte Quartal des jeweiligen Leistungsjahrs errechnet werden.

Die Berechnung des Anpassungsfaktors setzt aber voraus, dass das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen der Praxis und der quartalsbezogene Punktzahlvolumendurchschnitt der jeweiligen Fachgruppe jedenfalls dann gleichen Zeiträumen entnommen werden müssen, wenn wesentliche Umstrukturierungen im EBM vorgenommen werden. Fehlt es an solchen Veränderungen, so trägt einem allgemeinen Wachstum im Regelfall der Zuschlag von 3 % Rechnung. Die Einführung des EBM 2008 ab dem Quartal I/08 hat aber zu erheblichen Änderungen geführt, die alle Mitglieder einer Fachgruppe und alle Fachgruppen betreffen. Die Kammer hat mit Urteil vom 10.11.2010 S 12 KA 841/09 - bei einer "Ungleichzeitigkeit" auch eine Anpassung für das erste Leistungsjahr für erforderlich gehalten. Dies betrifft im vorliegenden Fall insofern die Quartale II bis IV/08, da in diesen Quartalen der EBM 2008 erstmals galt und die Festsetzung ursprünglich auf der Grundlage der Quartale II bis IV/07 erfolgte. Die Beklagte bzw. der Zulassungsausschuss haben mit der sog. Transcodierung diesen Vorgaben ausreichend Rechnung getragen, da maßgeblich der Beschluss des Zulassungsausschusses vom 24.08.2010 ist. Soweit der im Übrigen bestandskräftige Beschluss Additionsfehler enthält, wirken sich diese nur zu Gunsten der Klägerin aus. Für die Quartale II bis IV liegen folgende Fehler vor:

Jahresquartal Punktzahl des Erstzugelassenen 3 % der Punktzahl der Fachgruppe Gesamtpunktzahlvolumen für das 1. Leistungsjahr Richtige Addition
II 1.330.295,1 71.005,3 1.499.063,5 1.401.300,4
III 1.273.074,0 68.138,1 1.434.787,9 1.341.212,1
IV 1.530.266,8 69.585,2 1.711.805,7 1.599.852

Von daher brauchte die Kammer dem nicht weiter nachzugehen. Die Beklagte hat die Berichtigung auch auf Grundlage dieses Beschlusses vorgenommen.

Eine vom Zulassungsausschuss vorgenommene bestandskräftige Festsetzung ist für alle Beteiligten und das Gericht bindend (vgl. LSG Hessen, Urt. v. 12.12.2007 – L 4 KA 62/06 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschl. vom 28.01.2009 – B 6 KA 17/08 B – BeckRS; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 26.09.2012 - L 5 KA 4604/11 - juris Rdnr. 50, Revision anhängig: B 6 KA 43/12 R; v. 24.10.2012 - L 5 KA 5778/11 - juris Rdnr. 66, Revision anhängig: B 6 KA 50/12 R).

Die vom Zulassungsausschuss festgesetzte Leistungsobergrenze gilt für alle Bereiche der ärztlichen Tätigkeit. Eine Leistungsausweitung ist, solange diese Obergrenze nicht geändert wird, einer Job-Sharing-Praxis nur im Rahmen der 3-%-Grenze bzw. im Rahmen der Erhöhung durch den sog. Anpassungsfaktor möglich. Das Landessozialgericht Hessen (Urt. v. 12.12.2007, a.a.O.) hat bereits dargelegt, dass ein Vertragsarzt nicht mit dem Vortrag, es sei ihm weder möglich noch zumutbar gewesen, den Umfang seiner allgemeinen ärztlichen Tätigkeit zu verringern, gehört werden kann. Selbstverständlich sei er immer zu Behandlungen von Notfällen verpflichtet. Gleichwohl habe er die Möglichkeit den Umfang seiner ärztlichen Tätigkeit zu steuern. Eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen Ärzten liege nicht vor. Denn allein die Leistungsobergrenze aufgrund der Job-Sharing-Partnerschaft schließt weitergehende Honoraransprüche aus. Von daher ist es unerheblich, ob die Leistungssteigerung auf einer ausgeprägten Patientennachfrage beruhte.

Die Klägerin kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

Aufgrund des Job-Sharing-Verhältnisses war der Klägerin das Bestehen einer Leistungsbegrenzung grundsätzlich bekannt und musste sie davon ausgehen, dass ihr eine darüber hinausgehende Leistungsvermehrung nicht möglich war. Soweit die aktuellen Gesamtpunktzahlobergrenzen wiederholt zu ihren Gunsten korrigiert wurden und im Vorhinein nicht bekannt waren, musste sie sich an den bisherigen Festsetzungen orientieren. Ggf. hätte sie die Beklagte hierzu um Auskunft ersuchen können.

Die Beklagte hat allen quartalsmäßig ergehenden Honorarbescheiden ein Schreiben beigefügt, in dem sie u. a. ausführte: "Die Prüfung, ob die im Bescheid des Zulassungsausschusses für Ärzte angegebenen maximalen Punktzahlobergrenzen eingehalten worden sind, erfolgt jeweils bezogen auf ein Leistungsjahr. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass sich Überschreitungen mit möglichen Unterschreitungen jeweils innerhalb eines (Jahres )Blocks von vier aufeinanderfolgenden Quartalen ausgleichen. Anbei erhalten Sie Ihre Honorarunterlagen des o. g. Quartals vorbehaltlich eventueller Honorarrückforderungen durch die Job-Sharing-Berechnung. Bezüglich der Prüfung ihrer Abrechnung im Hinblick auf die Einhaltung der Punktzahlobergrenze im Rahmen des Job-Sharings werden wir Sie jeweils nach Ablauf eines kompletten Leistungsjahres mit einem gesonderten Schreiben informieren."

Soweit die Kammer in ihrem Urteil vom 09.09.2010 - S 12 KA 126/10 -, Berufung anhängig beim LSG Hessen - L 4 KA 71, 72 u 73/10 - aufgrund dieser Schreiben Vertrauensschutz zugebilligt hat, hat sie wesentlich darauf abgestellt, dass die Beklagte gerade trotz Ankündigung einer Überprüfung über Jahre hinweg untätig geblieben war. Im Fall der dortigen Klägerin lagen jedenfalls wenigstens auch im dritten und vierten Leistungsjahr nicht unerhebliche Überschreitungen der Leistungsbegrenzung vor, die die Beklagte nicht zu einer Rückforderung veranlasst hatten, bzw. es war bei einer Überprüfung dann wegen Überschreitens der vierjährigen Verjährungsfrist eine Rückforderung nicht mehr möglich. Damit habe die Beklagte auch für die Job-Sharing-Praxis einen Vertrauenstatbestand gesetzt, als sie eine – letztlich unmittelbare – Prüfung nach Ablauf eines kompletten Leistungsjahres angekündigt habe. Soweit die Beklagte aber dann untätig geblieben sei, habe sich das Vertrauen bilden können, die Prüfung der Beklagten habe ergeben, dass eine Leistungsüberschreitung nicht vorliege oder aber die Beklagte werde von einer Rückforderung absehen. Dies gelte insbesondere für die Klägerin, die über Jahre bzw. 28 Quartale hinweg solche Schreiben erhalten habe, ohne dass eine weitere Reaktion der Beklagten erfolgt sei.

Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Von daher war der Klägerin im Hinblick auf die genannten Schreiben kein Vertrauensschutz zuzubilligen.

Die Beklagte war zur Rückforderung auch nicht wegen Überschreitens einer Ausschlussfrist gehindert. Es gilt die vierjährige Ausschlussfrist. Die Ausschlussfrist beginnt in allen Fällen der Richtigstellung von Honorarbescheiden mit dem Tag nach der Bekanntgabe des für den Abrechnungszeitraum maßgeblichen Honorarbescheids zu laufen (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 23.06.2010 - B 6 KA 7/09 R - BSGE 106, 222 = SozR 4 5520 § 32 Nr. 4 = GesR 2010, 615 = ZMGR 2010, 370 = USK 2010-73 = MedR 2011, 298 = Breith 2011, 522, juris Rdnr. 60 m.w.N.). Diese Frist war nicht abgelaufen, was insoweit auch zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist.

Vertrauensschutz kann schließlich auch nicht durch die Zuweisung praxisbezogener Regelleistungsvolumina ohne jegliche Einschränkung und ohne den Vorbehalt der Punktzahlvolumenobergrenze im Job-Sharing entstehen (s. bereits SG Marburg, Urt. v. 05.12.2012 - S 12 KA 636/11 - www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris, Rdnr. 59 ff. bzgl. der Erhöhung des Regelleistungsvolumens, Berufung anhängig: LSG Hessen - L 4 KA 1/13).

Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zuweisung eines Regelleistungsvolumens und der Punktzahlobergrenze besteht nicht. Dies folgt bereits aus einer unterschiedlichen Zuständigkeit. Die Zuweisung des Regelleistungsvolumens erfolgt ausschließlich durch die Beklagte. Die Festsetzung der Punktzahlobergrenze liegt im Zuständigkeitsbereich der Zulassungsgremien. Auch erfasst das Regelleistungsvolumen nicht alle Leistungen, die unter die Punktzahlobergrenze fallen. Dies ist auch bei der Klägerin der Fall, bei der allerdings ein Großteil des Honoraranspruchs in das Regelleistungsvolumen fällt.

Die Klägerin trägt auch nicht vor, im Zusammenhang mit der Zuweisung eines Regelleistungsvolumens sei ein Hinweis erfolgt, dass eine nachträgliche Rückforderung nicht erfolgen könne. Damit wird nicht vorgetragen, es sei ihr versichert worden, eine nachträgliche Rückforderung werde nicht erfolgen. Die Bescheide zur Zuweisung eines Regelleistungsvolumens stellen keinen Zusammenhang zu dem Job-Sharing bzw. der Punktzahlobergrenze her. Eines ausdrücklichen Hinweises bedurfte es auch nicht. Bereits aus den genannten Regelungen folgt, dass eine Rückforderung erst nach Abschluss eines Leistungsjahres erfolgen kann. Hinzu kommt, dass die Klägerin durch die genannten Schreiben zu den Honorarbescheiden ausdrücklich auf eine nachträgliche Überprüfung hingewiesen worden ist. Aber auch unterstellt, es läge eine Falsch- oder unzureichende Beratung vor, kann hieraus keine Zusicherung erfolgen, die Beklagte werde von einer Honorarrückforderung absehen. Hierfür ist ferner eine Schriftform erforderlich (§ 34 Satz 1 SGB X). Auch bei "richtiger" Beratung hätte die vom Zulassungsausschuss festgesetzte Obergrenze weiter gegolten (vgl. SG Marburg, Urt. v. 10.01.2010 - S 12 KA 841/09 - juris); ebenso bei einer Falschberatung, die allenfalls Amtshaftungsansprüche auslösen könnte.

Ein Vertragsarzt kennt die Punktzahlobergrenze im Rahmen eines sog. Job-Sharings und kann den Honorarabrechnungen ohne weiteres entnehmen, dass auch die diese Grenze überschreitenden Punkte abgerechnet worden sind. Bei einem Auseinanderdriften von Job-Sharing-Punktzahlvolumenobergrenze und Regelleistungsvolumen besteht Anlass, bei der KV nachzufragen, welche Punktzahlen denn tatsächlich vergütet werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 24.10.2012 - L 5 KA 5778/11 - a.a.O., Rdnr. 105).

Wenn auch aus den vorgenannten Gründen ein gesonderter Hinweis auf die Fortgeltung der Punktzahlobergrenze unabhängig von der Festsetzung des Regelleistungsvolumens rechtlich nicht zwingend geboten ist, so hält die mit einer Vertragsärztin und einem Vertragsarzt besetzte Kammer dies jedoch wenigsten für sehr sinnvoll.

Nicht zu beanstanden war auch die Berechnung der Honoraranforderung. Eine fehlerhafte Berechnung ist nicht zu erkennen.

Nicht zu beanstanden war ferner die Berechnung des praxisbezogenen Punktwerts, mit der die zunächst in Punkten festgestellte Leistungsüberschreitung in Euro-Beträge umgerechnet wurde. Zutreffend hat die Beklagte einen durchschnittlichen Punktwert ermittelt. Das ist der Punktwert, mit dem letztlich die Leistungen des Klägers vergütet wurden. Es besteht kein Anspruch darauf, dass zunächst die - im Rahmen der Honorarberechnung - geringer vergüteten Leistungen als Maßstab genommen werden. Für die Berechnung der Rückforderung aufgrund sachlich-rechnerischer Richtigstellung im Falle von Budgetierungen bleibt der praxisindividuelle Punktwert maßgebend, der sich auf der Grundlage des vom Arzt in Ansatz gebrachten Punktzahlvolumens ergeben hat. Es erfolgt keine Neuberechnung des Punktwerts auf der Grundlage des korrigierten Punktzahlvolumens. Eine andere Berechnungsweise kann in Ausnahmefällen zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Betracht kommen (vgl. BSG, Urt. v. 11.03.2009 - B 6 KA 62/07 R - BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr. 7 = USK 2009-11). Ein solcher Ausnahmefall setzt aber voraus, dass die fehlerhafte Honoraranforderung durch eine missverständliche oder unzutreffende Information o. ä. seitens der Kassenärztlichen Vereinigung mit verursacht wurde. Ein derartiger Sonderfall ist auch dann in Betracht zu ziehen, wenn ein Arzt in offenem Dissens mit der Kassenärztlichen Vereinigung eine Gebührennummer ansetzt, weil er die Frage ihrer Abrechenbarkeit einer gerichtlichen Klärung zuführen will (vgl. BSG, Urt. v. 11.03.2009 – B 6 KA 62/07 R -, a.a.O., juris Rdnr. 27 f.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. In diesem Sinne handelt es sich auch nicht um eine fehlerhafte Abrechnung einzelner Leistungen und kann die Leistungsüberschreitung erst nachträglich festgestellt werden. Im Übrigen dienen Budgetierungsmaßnahmen nur neben ihrer Steuerungsfunktion – der Berechnung des Honorars, bedeuten aber keine Wertigkeit der einzelnen Leistungen. Der tatsächliche Wert der Leistung kann nur praxisbezogen mit Hilfe des praxisindividuellen Punktwerts berechnet werden.

Soweit die Beklagte einen durchschnittlichen Punktwert für das jeweilige Leistungsjahr aus den Punktwerten aller Quartale und ohne Gewichtung ermittelt, ist dies, wenn auch nicht ohne Bedenken, nicht zu beanstanden. Die Bedenken beruhen darauf, dass eine sachlich-rechnerische Berichtigung quartalsweise erfolgt, weshalb der Berichtigungsbetrag anhand des jeweils neu zu berechnenden praxisindividuellen Quartalspunktwerts zu ermitteln ist. Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Kassenärztlichen Vereinigung, die Überschreitungen innerhalb eines Leistungsjahres zu saldieren (§ 23c Satz 7 BedarfsplRL-Ä), kann sie von einer quartalsweisen Berechnung absehen. Dies gilt aufgrund des Gleichbehandlungsgebots auch in den Fällen, in denen wie hier eine Überschreitung in allen Quartalen eines Leistungsjahrs vorliegt.

Die Beklagte saldiert alle Über- und Unterschreitungen eines Leistungsjahres und errechnet den Kürzungsbetrag aus dem Produkt der Summe aller Über- und Unterschreitungen und dem durchschnittlichen Punktwert. Alternativ wäre eine quartalsweise Aufteilung der Überschreitung auf die Quartale mit Überschreitung möglich, entweder gleichmäßig oder in Relation zum Abrechnungs- oder Überschreitungsvolumen, und eine anschließende quartalsweise Ermittlung der Berichtigungsbeträge. Auch bei Ermittlung des durchschnittlichen Punktwerts könnte eine Gewichtung nach dem maßgeblichen Punktzahlvolumen in den einzelnen Quartalen erfolgen. Eine wirklich exakte Ermittlung des Punktwerts ist bei jährlicher Betrachtung allerdings in keinem Fall zu erzielen. Von daher ist mangels rechtlicher Vorgaben der Beklagten ein - wenn auch geringer - Ermessensspielraum bei der Ermittlung des durchschnittlichen Punktwerts dann zuzubilligen, wenn die Ermittlung der Honorarrückforderung für das gesamte Leistungsjahr erfolgt, und zwar unabhängig davon, ob im betreffenden Leistungsjahr tatsächlich auch eine Unterschreitung vorlag. Im Übrigen führen andere Berechnungswege, wie der Kammer aus anderen Verfahren bekannt ist, in denen die Beklagte auf Anfrage Vergleichsberechnungen vorgelegt hat, zu Abweichungen, die allenfalls im Prozentbereich liegen und im Einzelfall sich auch zu Lasten des Vertragsarztes auswirken können (s. bereits SG Marburg, Urt. v. 05.12.2012 - S 12 KA 636/11-, Rdnr. 64). Von daher war die Berechnung des Kürzungsbetrages nicht zu beanstanden.

Von daher war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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