Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 30 KR 3332/06
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 1128/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Widerspruch eines Versicherungsträgers gegen einen ihn belastenden Verwaltungsakt ist nicht zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 23.06.1994 - 4 RK 3/93).
2. Ein unzulässiger Widerspruch führt nicht zur Anwendung des § 49 SGB X.
3. Zur Auferlegung von Verschuldenskosten auf einen Versicherungsträger.
2. Ein unzulässiger Widerspruch führt nicht zur Anwendung des § 49 SGB X.
3. Zur Auferlegung von Verschuldenskosten auf einen Versicherungsträger.
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Alten-burg vom 4. September 2009 und der Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. November 2006 aufgehoben. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge sowie die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3. für das Berufungsverfahren. Die Beklagte hat Gerichtskosten in Höhe von 500,00 Euro an die Staatskasse zu zahlen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers in dem Zeitraum vom 9. Januar 1996 bis 31. Dezember 2006 aufgrund seiner Tätigkeit bei der Beige-ladenen zu 3. streitig.
Der 1966 geborene Kläger war seit dem 1. Juli 1991 bei der Beklagten pflichtversichert. Er arbeitete seit 1982 zunächst beim "Autohaus H. K. - V. T.", danach bei der Beigeladenen zu 3. Diese wurde am 1. November 1995 mit einem Stammkapital in Höhe von 300.000,- DM in das Handelsregister eingetragen. Alleingesellschafter war V. T., der Vater des Klägers. Mit notariellem Vertrag vom 9. Januar 1996 trat der Alleingesellschafter im Wege der vorwegge-nommenen Erbfolge an den Kläger und dessen Bruder, M. T., jeweils einen Geschäftsanteil von nominal 72.000,- DM mit Gewinnbezugsrecht ab. Die Abtretung erfolgte unter der auflö-senden Bedingung des Ablebens des Erwerbers vor dem Veräußerer und der Ausübung eines eingeräumten Rückforderungsrechts binnen sechs Monaten nach der Beendigung arbeits- oder dienstvertraglicher Beziehungen zwischen dem Unternehmen und dem Erwerber. Alleiniger Geschäftsführer blieb V. T ... Am 12. April 2005 wurde im Handelsregister die Erteilung von Einzelprokura für den Kläger und dessen Bruder M. T. eingetragen.
Am 30. Dezember 2005 beantragte der Kläger zusammen mit der Beigeladenen zu 3. und seinem Bruder bei der Beklagten die Überprüfung seines versicherungsrechtlichen Status we-gen der leitenden Stellung im Unternehmen.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2006 teilte die Beklagte ihm mit, dass es sich bei seinem Be-schäftigungsverhältnis nicht um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im sozialversiche-rungsrechtlichen Sinne handele. Vielmehr gehöre er seit dem 9. Januar 1996 zum Personen-kreis der Selbstständigen. Es sei beabsichtigt ihn für den Zeitraum ab 9. Januar 1996 als frei-williges Mitglied einzustufen. Ihm werde hiermit die Möglichkeit eingeräumt, sich nochmals bis zum 7. Februar 2006 zur beabsichtigten Umstufung zu äußern. Mit Bescheid vom 8. Feb-ruar 2006 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger seit dem 9. Januar 1996 zum Personenkreis der Selbstständigen gehört.
Am 21. März 2006 wandte sich die Beigeladene zu 2. aufgrund eines Antrags des Klägers auf Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen, dem eine Feststellung über das Nichtbestehen von Versicherungs- und Beitragspflicht beigelegen habe, an die Beklagte und wies darauf hin, dass nach Punkt 8 der Niederschrift der Besprechung der Spitzenorganisationen der Sozial-versicherung vom 5./6. Juli 2005 vereinbart wurde, dass sich die Krankenkassen mit dem für die Betriebsprüfung des betreffenden Betriebes zuständigen Rentenversicherungsträger hin-sichtlich der versicherungsrechtlichen Beurteilung von u.a. mitarbeitenden Gesellschaftern einer GmbH vor einer Bescheiderteilung abstimmen, wenn nach Auffassung der Krankenkas-se keine Versicherungspflicht vorliegt/vorgelegen hat und ein Anspruch auf Beitragserstat-tung entstehen könnte, der ganz oder teilweise verjährt wäre. Aus ihren Unterlagen gehe nicht hervor, dass bereits eine versicherungsrechtliche Beurteilung eines Rentenversicherungsträ-gers abgegeben worden sei. Insoweit werde um Übersendung der entsprechenden Unterlagen gebeten. Falls noch keine solche Beurteilung ergangen sei, werde um Übersendung des Be-scheides sowie der Unterlagen gebeten, die der Beurteilung des Versicherungsverhältnisses zu Grunde lägen. Diese Unterlagen gingen am 31. März 2006 bei der Beigeladenen zu 2. ein. Mit am 21. April 2006 zugegangenem Schreiben vom 18. April 2006 teilte die Beigeladene zu 2. der Beklagten mit, dass sie die Auffassung, wonach der Kläger dem Personenkreis der selb-ständig Tätigen zuzuordnen sei, nicht teile. Es handele sich vielmehr um ein gelebtes Be-schäftigungsverhältnis, das nach einem Motivwechsel des Klägers rückwirkend als selbstän-dige Tätigkeit dargestellt werde. Hintergrund sei das Begehren einer Erstattung vermeintlich zu Unrecht gezahlter Pflichtbeiträge. Es werde gebeten, eine Aufhebung des Bescheids vom 8. Februar 2006 zu prüfen und festzustellen, dass der Versicherte der Rentenversicherungs-pflicht unterliege. Mit weiterem Schreiben vom 29. Mai 2006 bat die Beigeladene zu 2. die Beklagten um Mitteilung, ob der Feststellungsbescheid bereits aufgehoben worden sei.
Mit Schreiben vom 22. Juni 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Beigeladene zu 2. habe ihre Entscheidung angezweifelt, woraufhin sie nochmals Unterlagen angefordert und geprüft habe. Er verfüge weder über eine Stimmrechtsmehrheit, noch über eine Sperrminori-tät. Entscheidungen innerhalb der Gesellschaft könnten durch ihn nicht verhindert werden; er habe somit keinen entscheidenden Einfluss auf die Beigeladene zu 3. Auch steuerrechtlich werde von einer nicht selbstständigen Arbeit ausgegangen, weil das Arbeitsentgelt als Be-triebsausgabe gebucht und vom Arbeitsentgelt Lohnsteuer bezahlt worden sei. Es sei beab-sichtigt den Bescheid vom 8. Februar 2006 aufzuheben. Hierzu erhalte er nochmals Gelegen-heit zur Äußerung.
Mit Bescheid vom 6. Juli 2006 hob die Beklagte den Bescheid vom 8. Februar 2006 auf. Mit Schreiben vom 20. Juli 2006 legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. November 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Rücknahme des Be-scheides vom 8. Februar 2006 nach Beteiligung der Beigeladenen zu 2. sei nicht zu beanstan-den. Diese habe sich mit Schreiben vom 21. April 2006 gegen den Bescheid vom 8. Februar 2006 gewandt. Insoweit finde § 49 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) Anwen-dung, wonach § 45 Abs. 1 bis 4 SGB X nicht gelte, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten wurde, während des Vorverfahrens aufgehoben werde, soweit dadurch dem Widerspruch abgeholfen werde. Hier habe sich die Beigeladene zu 2. als Dritter sinngemäß gegen den ihn begünstigenden Bescheid vom 8. Februar 2006 gewandt.
Mit der am 4. Dezember 2006 vor dem Sozialgericht Altenburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Mit Beschluss vom 25. Februar 2009 hat das SG die Beigeladenen zu 1. bis 3. nach § 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beigeladen und mit Gerichtsbescheid vom 4. September 2009 die Klage abgewiesen. Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bescheids vom 8. Feb-ruar 2006 sei § 49 SGB X. Bei dem Schreiben der Beigeladenen zu 2. vom 18. April 2006 handele es sich um einen Widerspruch im Sinne des § 49 SGB X. Der Bescheid vom 8. Feb-ruar 2006 sei rechtswidrig gewesen. Die überwiegende Zahl der relevanten Indizien spreche für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Es spreche nichts dafür, dass die formale Situa-tion - das Bestehen eines Arbeitsvertrages - durch die tatsächlichen Verhältnisse so entschei-dend überlagert worden sei, dass von einer selbstständigen Tätigkeit des Klägers auszugehen sei.
Mit seiner am 23. Dezember 2009 eingelegten Berufung gegen den seinen Bevollmächtigten am 2. Dezember 2009 zugestellten Gerichtsbescheid wiederholt der Kläger sein erstinstanzli-ches Vorbringen.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 4. September 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheids vom 1. November 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 1. beantragt schriftsätzlich, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen zu 2. hat keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladene zu 3. schließt sich dem Antrag des Klägers und die Beigeladene zu 4. dem Antrag der Beklagten an.
Mit Beschluss vom 2. August 2010 hat der Senat die Beigeladene zu 4. beigeladen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegens-tand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet, denn die zulässige Klage war begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. November 2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, denn die Vor-aussetzungen für die Rücknahme des Bescheids vom 8. Februar 2006 lagen nicht vor.
Die Beklagte kann gegenüber dem Kläger eine unanfechtbar gewordene Entscheidung nur nach Maßgabe der §§ 44 ff. SGB X zurücknehmen oder aufheben. Hieran ändert auch nichts, dass sie es in dem auf Antrag des Klägers und der Beigeladenen zu 3. eingeleiteten Verwal-tungsverfahren bezüglich der Feststellung des versicherungsrechtlichen Status des Klägers, also vor Erlass des Bescheides vom 8. Februar 2006, unterlassen hat, die in diesem Rechts-streit Beigeladenen zu 1., 2. und 4. nach § 12 Abs. 2 SGB X hinzuzuziehen. Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist nicht der Bescheid vom 8. Februar 2006, sondern der Be-scheid vom 6. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. November 2006.
Der Bescheid vom 8. Februar 2006 ist gegenüber dem Kläger nach § 77 SGG in der Sache bindend geworden. Die zutreffende Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bescheids ergibt sich somit nicht aus §§ 45 i.V.m. 49 SGB X.
Nach § 49 SGB X gelten zwar § 45 Abs. 1 bis 4 SGB X sowie die §§ 47 und 48 SGB X nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfah-rens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch abgeholfen oder der Klage stattge-geben wird. Diese Vorschrift setzt die Regelungen, die eine Aufhebung begünstigender - rechtswidriger oder rechtmäßiger - Verwaltungsakte nur in beschränktem Umfange zulassen, für den Fall außer Kraft, dass ein Dritter den Verwaltungsakt in zulässiger Weise anficht. Be-lastet ein begünstigender Verwaltungsakt auf Grund einer Drittwirkung zugleich einen Dritten und ficht dieser den Verwaltungsakt an, kann der Begünstigte keinen Vertrauensschutz bean-spruchen, soweit er wegen des schwebenden Anfechtungsverfahrens mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes rechnen muss. § 49 SGB X schließt dabei jedoch nicht die Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes nach der Vorschrift des § 45 SGB X aus, es entfällt viel-mehr nur der dort für begünstigende Verwaltungsakte normierte Bestandsschutz, das heißt die Aufhebung wird in weitem Umfang möglich. Da der Verwaltungsakt zugleich belastend ist, soll die Behörde bei der Aufhebung nur an die Beschränkungen gebunden sein, die für die Aufhebung belastender Verwaltungsakte gelten (vgl. Schulze in: von Wulffen, SGB X - Sozi-alverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz, Kommentar, 7. Aufl. 2010, § 49 Rdnr. 2).
Der Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2006, der dem Begehren des Klägers auf Fest-stellung der Versicherungsfreiheit seiner Tätigkeit seit dem 9. Januar 1996 entsprach, diesen also begünstigt, belastet zwar gleichzeitig die Sozialversicherungsträger, also die Beigelade-nen zu 1., 2. und 4., weil diese gegebenenfalls Beiträge erstatten müssen (vgl. z.B. Bundesso-zialgericht (BSG), Urteil vom 29. August 1962 - Az.: 3 RK 76/58, nach juris).
Im vorliegenden Fall durfte die Beklagte ihren Bescheid vom 8. Februar 2006 dennoch nicht nach den §§ 45 i.V.m. 49 SGB X aufgrund eines Widerspruchs oder einer Klage der Beigela-denen zu 2. aufheben. Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Ein Widerspruch lässt sich dem Schreiben vom 21. März 2006, mit dem die Beigeladene zu 2., unter anderem darum bat, mitzuteilen, ob bereits eine versicherungsrechtlichen Beurtei-lung eines Rentenversicherungsträgers abgegeben wurde und diese gegebenenfalls mit einer Kopie des Bescheides und weiteren Unterlagen zu übersenden, nicht entnehmen. Gleiches gilt für ihr Schreiben vom 18. April 2006. Mit diesem Schreiben wandte sich die Beigeladene zu 2. zwar ausdrücklich und mit ausführlicher Begründung gegen die Auffassung der Beklagten, der Kläger sei dem Personenkreis der selbständig Tätigen zuzuordnen. Gleichzeitig regte sie jedoch lediglich an, eine Aufhebung des Bescheids vom 8. Februar 2006 zu prüfen und fest-zustellen, dass der Kläger der Rentenversicherungspflicht unterliege. Dieses Begehren kann nach verständiger Würdigung nur als Antrag auf Überprüfung des Bescheids der Beklagten vom 8. Februar 2006 und nicht als Widerspruch ausgelegt werden. Auch eine - sinngemäße - Auslegung dieses Schreibens als Widerspruch nach dem vom BSG entwickelten Meistbe-günstigungsgrundsatz (vgl. z.B. Urteil vom 1. Juni 2010 - Az.: B 4 AS 89/09 R, nach juris) scheidet aus, da die Beigeladenen zu 2. als Sozialversicherungsträger unzweifelhaft die ent-sprechenden Unterschiede zwischen einem Überprüfungsantrag und einem Widerspruch kennt und damit um die entsprechende Diktion weiß. Aber selbst wenn hier die Einlegung eines Widerspruchs angenommen werden könnte, wäre er nach § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG nicht zulässig gewesen. Nach dieser Vorschrift bedarf es eines Vorverfahrens u.a. dann nicht, wenn ein Versicherungsträger klagen will. Aus dieser Bestimmung folgt nicht nur die Zuläs-sigkeit einer Klage ohne die vorherige Durchführung eines Vorverfahrens, sondern auch die Unzulässigkeit der Durchführung eines Vorverfahrens (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - Az.: 4 RK 3/93, nach juris). Die Beigeladene zu 2. hatte mithin kein Wahlrecht zwischen der Erhebung einer Klage und der Einlegung eines Widerspruchs. Zudem führte auch ein unzu-lässiger Widerspruch nicht zur Anwendbarkeit des § 49 SGB X, da diese Bestimmung nur den Teil eines Verwaltungsakts erfasst, der zulässigerweise angefochten worden ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. April 2011 - Az.: L 11 KR 965/09, nach juris).
Die Beigeladene zu 2. hat auch keine Klage erhoben, weshalb es hier keiner Ausführungen dazu bedarf, welche Rechtsbehelfsfrist mangels oder trotz unterbliebener Rechtsbehelfsbeleh-rung gegolten hätte. Insbesondere kann die vom Kläger erhobene Klage nicht als Klage i.S.d. § 49 SGB X angesehen werden, da dieser kein Dritter gemäß der genannten Vorschrift ist und sich seine Klage zudem nicht gegen den Bescheid vom 8. Februar 2006 gerichtet hat. Nur zu Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte bei ihrer Entscheidung auch nicht das Ermessen ausgeübt hat (vgl. Wiesner in von Wulffen, SGB X, 5. Auflage 2005 Rdnr. 2).
Da somit § 49 SGB X nicht eingreift, muss sich die Rücknahme des Bescheids vom 8. Febru-ar 2006 an § 45 SGB X messen lassen. Dessen Voraussetzungen für eine Rücknahme liegen jedoch nicht vor, selbst wenn man an dieser Stelle unterstellt, dass - worauf vieles hindeutet - der Bescheid vom 8. Februar 2006 von Anfang an rechtswidrig war. Allein der Umstand, dass die Beklagte die Rücknahme auf § 49 SGB X gestützt hat, ist grundsätzlich alleine nicht kla-gebegründend. Das sogenannte "Nachschieben von Gründen" ist zulässig, soweit der Verwal-tungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen in nicht zulässiger Weise beeinträchtigt oder er-schwert wird. Weil die §§ 45, 49 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung oder Rücknahme eines Verwaltungsakts gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundla-gen grundsätzlich zulässig und durch den Senat auch zu überprüfen (vgl. BSG, Urteile vom 21. Juni 2011 - Az.: B 4 AS 21/10 R m.w.N. sowie vom 29. Juni 2000 - B 11 AL 85/99 R, nach juris).
Die Rücknahme des Bescheids vom 8. Februar 2006 mit Wirkung für die Vergangenheit scheitert bereits am Nichtvorliegen der Voraussetzungen nach § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 SGB X. Nach § 45 Abs. 4 SGB X wird der Verwaltungsakt nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit (1) er den Ver-waltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, (2) der Ver-waltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in we-sentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder (3) er die Rechtswidrig-keit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahr-lässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Es ist nicht ersichtlich und wird von der Beklagten auch nicht vorgetragen, dass sich der Kläger aus den in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Gründen auf Vertrau-ensschutz nicht berufen kann.
Soweit eine Rücknahme des Bescheids vom 8. Februar 2006 durch den angefochtenen Be-scheid für die Zukunft, das heißt für die Zeit ab Bekanntgabe des Bescheids vom 6. Juli 2006 erfolgt ist, scheitert ein Auswechseln der Rechtsgrundlage daran, dass die Beklagte bei einer Rücknahme nach § 45 Abs. 1 SGB X eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, die sie hier nicht - auch nicht im Widerspruchsbescheid vom 1. November 2006 - getroffen hat (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juni 2011 a.a.O. sowie Urteil vom 22. Juni 1988 - Az.: 9/9a RV 3/86, nach juris). Eine Nachholung der Mitteilung der bei Erlass des Bescheids vom 6. Juli 2006 und des Widerspruchsbescheids vom 1. November 2006 maßgebenden Ermessensgründe scheidet aus, weil im vorliegenden Fall kein Fehler in der Ermessensbegründung, sondern in der Ermessensbetätigung vorliegt (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. April 2011, a.a.O., m.w.N.).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Die Erstattungsfähigkeit der außer-gerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3. hat der Senat nur für die Berufungsinstanz als billig erachtet.
Die Auferlegung von Verschuldenskosten für die Beklagte beruht auf § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Danach kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferle-gen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vor-sitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hinge-wiesen worden ist. Der Senatsvorsitzende hat die Beklagte bereits mit der Ladungsverfügung auf die offensichtliche Fehlerhaftigkeit ihrer Entscheidung hingewiesen. Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2013 hat sie ein Anerkenntnis für den Fall angekündigt, dass die Beigeladene zu 2. dem zustimmt, was diese aber abgelehnt hat. Auf den nochmaligen Hinweis des Senatsvorsit-zenden in der Verhandlung am 28. Januar 2013 und die Möglichkeit der Auferlegung von Verschuldenskosten hat die Sitzungsvertreterin - nach Rücksprache mit ihrer Zentrale - wie im zuvor entschiedenen Parallelverfahren (Az.: L 6 KR 1139/09) auf einer Entscheidung be-standen. Sie könne zwar keine Gründe gegen die richterlichen Hinweise des Senatsvorsitzen-den angeben, wolle jedoch der Beigeladenen zu 2. die Möglichkeit der Nichtzulassungsbe-schwerde zum BSG einräumen.
Die Rechtsverfolgung der Beklagten ist damit missbräuchlich. Ein solcher Missbrauch wird u.a. dann angenommen, wenn ein Beteiligter zu erkennen gibt, dass er weiß, eine positive Entscheidung nicht erhalten zu können und trotzdem auf einem Urteil besteht und dabei ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit zeigt. Nach dem Schriftsatz vom 15. Januar 2013 hat die Be-klagte keine Argumente gegen die Rechtsansicht des Senatsvorsitzenden, was sie in der Ver-handlung auch zugegeben hat.
Dass die offensichtliche Aussichtslosigkeit für den Tatbestand des Missbrauchs genügt, ergibt sich aus dem Willen des Gesetzgebers, wie er bei der Novellierung des Sozialgerichtsgesetzes im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommen ist: Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 14/5943, S. 60 zu Nr. 65) rechtfertigen die Aussichtslosig-keit des Rechtsstreits und ein entsprechender Hinweis des Vorsitzenden auf eine mögliche Kostentragungspflicht die Auferlegung von Kosten.
Zu den Kosten des Gerichts zählen auch die allgemeinen Gerichtskosten. Nach Auskunft der Gerichtsverwaltung des Thüringer Landessozialgerichts belaufen sich die Kosten für ein Ver-fahren in zweiter Instanz für Personal, Material, Entschädigungen, Miete, Nebenkosten, Technik und Literatur im Durchschnitt auf über 2.000,00 EUR pro Verfahren (Auskunft vom 22. April 2004, Az.: 5600 E – 1/04). Das Bayerische Landessozialgericht ging im Jahre 1996 von durchschnittlichen Verfahrenskosten in Höhe von 6.000,00 DM aus (vgl. Urteil vom 10. Ok-tober 1996 - Az.: L 8 Ar 640/95). Die Auferlegung von Kosten in Höhe von 500,00 Euro er-scheint daher im Verhältnis zu den Gesamtkosten eines durchschnittlichen Verfahrens auf jeden Fall berechtigt.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers in dem Zeitraum vom 9. Januar 1996 bis 31. Dezember 2006 aufgrund seiner Tätigkeit bei der Beige-ladenen zu 3. streitig.
Der 1966 geborene Kläger war seit dem 1. Juli 1991 bei der Beklagten pflichtversichert. Er arbeitete seit 1982 zunächst beim "Autohaus H. K. - V. T.", danach bei der Beigeladenen zu 3. Diese wurde am 1. November 1995 mit einem Stammkapital in Höhe von 300.000,- DM in das Handelsregister eingetragen. Alleingesellschafter war V. T., der Vater des Klägers. Mit notariellem Vertrag vom 9. Januar 1996 trat der Alleingesellschafter im Wege der vorwegge-nommenen Erbfolge an den Kläger und dessen Bruder, M. T., jeweils einen Geschäftsanteil von nominal 72.000,- DM mit Gewinnbezugsrecht ab. Die Abtretung erfolgte unter der auflö-senden Bedingung des Ablebens des Erwerbers vor dem Veräußerer und der Ausübung eines eingeräumten Rückforderungsrechts binnen sechs Monaten nach der Beendigung arbeits- oder dienstvertraglicher Beziehungen zwischen dem Unternehmen und dem Erwerber. Alleiniger Geschäftsführer blieb V. T ... Am 12. April 2005 wurde im Handelsregister die Erteilung von Einzelprokura für den Kläger und dessen Bruder M. T. eingetragen.
Am 30. Dezember 2005 beantragte der Kläger zusammen mit der Beigeladenen zu 3. und seinem Bruder bei der Beklagten die Überprüfung seines versicherungsrechtlichen Status we-gen der leitenden Stellung im Unternehmen.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2006 teilte die Beklagte ihm mit, dass es sich bei seinem Be-schäftigungsverhältnis nicht um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im sozialversiche-rungsrechtlichen Sinne handele. Vielmehr gehöre er seit dem 9. Januar 1996 zum Personen-kreis der Selbstständigen. Es sei beabsichtigt ihn für den Zeitraum ab 9. Januar 1996 als frei-williges Mitglied einzustufen. Ihm werde hiermit die Möglichkeit eingeräumt, sich nochmals bis zum 7. Februar 2006 zur beabsichtigten Umstufung zu äußern. Mit Bescheid vom 8. Feb-ruar 2006 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger seit dem 9. Januar 1996 zum Personenkreis der Selbstständigen gehört.
Am 21. März 2006 wandte sich die Beigeladene zu 2. aufgrund eines Antrags des Klägers auf Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen, dem eine Feststellung über das Nichtbestehen von Versicherungs- und Beitragspflicht beigelegen habe, an die Beklagte und wies darauf hin, dass nach Punkt 8 der Niederschrift der Besprechung der Spitzenorganisationen der Sozial-versicherung vom 5./6. Juli 2005 vereinbart wurde, dass sich die Krankenkassen mit dem für die Betriebsprüfung des betreffenden Betriebes zuständigen Rentenversicherungsträger hin-sichtlich der versicherungsrechtlichen Beurteilung von u.a. mitarbeitenden Gesellschaftern einer GmbH vor einer Bescheiderteilung abstimmen, wenn nach Auffassung der Krankenkas-se keine Versicherungspflicht vorliegt/vorgelegen hat und ein Anspruch auf Beitragserstat-tung entstehen könnte, der ganz oder teilweise verjährt wäre. Aus ihren Unterlagen gehe nicht hervor, dass bereits eine versicherungsrechtliche Beurteilung eines Rentenversicherungsträ-gers abgegeben worden sei. Insoweit werde um Übersendung der entsprechenden Unterlagen gebeten. Falls noch keine solche Beurteilung ergangen sei, werde um Übersendung des Be-scheides sowie der Unterlagen gebeten, die der Beurteilung des Versicherungsverhältnisses zu Grunde lägen. Diese Unterlagen gingen am 31. März 2006 bei der Beigeladenen zu 2. ein. Mit am 21. April 2006 zugegangenem Schreiben vom 18. April 2006 teilte die Beigeladene zu 2. der Beklagten mit, dass sie die Auffassung, wonach der Kläger dem Personenkreis der selb-ständig Tätigen zuzuordnen sei, nicht teile. Es handele sich vielmehr um ein gelebtes Be-schäftigungsverhältnis, das nach einem Motivwechsel des Klägers rückwirkend als selbstän-dige Tätigkeit dargestellt werde. Hintergrund sei das Begehren einer Erstattung vermeintlich zu Unrecht gezahlter Pflichtbeiträge. Es werde gebeten, eine Aufhebung des Bescheids vom 8. Februar 2006 zu prüfen und festzustellen, dass der Versicherte der Rentenversicherungs-pflicht unterliege. Mit weiterem Schreiben vom 29. Mai 2006 bat die Beigeladene zu 2. die Beklagten um Mitteilung, ob der Feststellungsbescheid bereits aufgehoben worden sei.
Mit Schreiben vom 22. Juni 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Beigeladene zu 2. habe ihre Entscheidung angezweifelt, woraufhin sie nochmals Unterlagen angefordert und geprüft habe. Er verfüge weder über eine Stimmrechtsmehrheit, noch über eine Sperrminori-tät. Entscheidungen innerhalb der Gesellschaft könnten durch ihn nicht verhindert werden; er habe somit keinen entscheidenden Einfluss auf die Beigeladene zu 3. Auch steuerrechtlich werde von einer nicht selbstständigen Arbeit ausgegangen, weil das Arbeitsentgelt als Be-triebsausgabe gebucht und vom Arbeitsentgelt Lohnsteuer bezahlt worden sei. Es sei beab-sichtigt den Bescheid vom 8. Februar 2006 aufzuheben. Hierzu erhalte er nochmals Gelegen-heit zur Äußerung.
Mit Bescheid vom 6. Juli 2006 hob die Beklagte den Bescheid vom 8. Februar 2006 auf. Mit Schreiben vom 20. Juli 2006 legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 1. November 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Rücknahme des Be-scheides vom 8. Februar 2006 nach Beteiligung der Beigeladenen zu 2. sei nicht zu beanstan-den. Diese habe sich mit Schreiben vom 21. April 2006 gegen den Bescheid vom 8. Februar 2006 gewandt. Insoweit finde § 49 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) Anwen-dung, wonach § 45 Abs. 1 bis 4 SGB X nicht gelte, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten wurde, während des Vorverfahrens aufgehoben werde, soweit dadurch dem Widerspruch abgeholfen werde. Hier habe sich die Beigeladene zu 2. als Dritter sinngemäß gegen den ihn begünstigenden Bescheid vom 8. Februar 2006 gewandt.
Mit der am 4. Dezember 2006 vor dem Sozialgericht Altenburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Mit Beschluss vom 25. Februar 2009 hat das SG die Beigeladenen zu 1. bis 3. nach § 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beigeladen und mit Gerichtsbescheid vom 4. September 2009 die Klage abgewiesen. Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bescheids vom 8. Feb-ruar 2006 sei § 49 SGB X. Bei dem Schreiben der Beigeladenen zu 2. vom 18. April 2006 handele es sich um einen Widerspruch im Sinne des § 49 SGB X. Der Bescheid vom 8. Feb-ruar 2006 sei rechtswidrig gewesen. Die überwiegende Zahl der relevanten Indizien spreche für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Es spreche nichts dafür, dass die formale Situa-tion - das Bestehen eines Arbeitsvertrages - durch die tatsächlichen Verhältnisse so entschei-dend überlagert worden sei, dass von einer selbstständigen Tätigkeit des Klägers auszugehen sei.
Mit seiner am 23. Dezember 2009 eingelegten Berufung gegen den seinen Bevollmächtigten am 2. Dezember 2009 zugestellten Gerichtsbescheid wiederholt der Kläger sein erstinstanzli-ches Vorbringen.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 4. September 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheids vom 1. November 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 1. beantragt schriftsätzlich, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen zu 2. hat keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladene zu 3. schließt sich dem Antrag des Klägers und die Beigeladene zu 4. dem Antrag der Beklagten an.
Mit Beschluss vom 2. August 2010 hat der Senat die Beigeladene zu 4. beigeladen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegens-tand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet, denn die zulässige Klage war begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. November 2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, denn die Vor-aussetzungen für die Rücknahme des Bescheids vom 8. Februar 2006 lagen nicht vor.
Die Beklagte kann gegenüber dem Kläger eine unanfechtbar gewordene Entscheidung nur nach Maßgabe der §§ 44 ff. SGB X zurücknehmen oder aufheben. Hieran ändert auch nichts, dass sie es in dem auf Antrag des Klägers und der Beigeladenen zu 3. eingeleiteten Verwal-tungsverfahren bezüglich der Feststellung des versicherungsrechtlichen Status des Klägers, also vor Erlass des Bescheides vom 8. Februar 2006, unterlassen hat, die in diesem Rechts-streit Beigeladenen zu 1., 2. und 4. nach § 12 Abs. 2 SGB X hinzuzuziehen. Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist nicht der Bescheid vom 8. Februar 2006, sondern der Be-scheid vom 6. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. November 2006.
Der Bescheid vom 8. Februar 2006 ist gegenüber dem Kläger nach § 77 SGG in der Sache bindend geworden. Die zutreffende Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bescheids ergibt sich somit nicht aus §§ 45 i.V.m. 49 SGB X.
Nach § 49 SGB X gelten zwar § 45 Abs. 1 bis 4 SGB X sowie die §§ 47 und 48 SGB X nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens oder während des sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfah-rens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch abgeholfen oder der Klage stattge-geben wird. Diese Vorschrift setzt die Regelungen, die eine Aufhebung begünstigender - rechtswidriger oder rechtmäßiger - Verwaltungsakte nur in beschränktem Umfange zulassen, für den Fall außer Kraft, dass ein Dritter den Verwaltungsakt in zulässiger Weise anficht. Be-lastet ein begünstigender Verwaltungsakt auf Grund einer Drittwirkung zugleich einen Dritten und ficht dieser den Verwaltungsakt an, kann der Begünstigte keinen Vertrauensschutz bean-spruchen, soweit er wegen des schwebenden Anfechtungsverfahrens mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes rechnen muss. § 49 SGB X schließt dabei jedoch nicht die Aufhebung eines begünstigenden Verwaltungsaktes nach der Vorschrift des § 45 SGB X aus, es entfällt viel-mehr nur der dort für begünstigende Verwaltungsakte normierte Bestandsschutz, das heißt die Aufhebung wird in weitem Umfang möglich. Da der Verwaltungsakt zugleich belastend ist, soll die Behörde bei der Aufhebung nur an die Beschränkungen gebunden sein, die für die Aufhebung belastender Verwaltungsakte gelten (vgl. Schulze in: von Wulffen, SGB X - Sozi-alverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz, Kommentar, 7. Aufl. 2010, § 49 Rdnr. 2).
Der Bescheid der Beklagten vom 8. Februar 2006, der dem Begehren des Klägers auf Fest-stellung der Versicherungsfreiheit seiner Tätigkeit seit dem 9. Januar 1996 entsprach, diesen also begünstigt, belastet zwar gleichzeitig die Sozialversicherungsträger, also die Beigelade-nen zu 1., 2. und 4., weil diese gegebenenfalls Beiträge erstatten müssen (vgl. z.B. Bundesso-zialgericht (BSG), Urteil vom 29. August 1962 - Az.: 3 RK 76/58, nach juris).
Im vorliegenden Fall durfte die Beklagte ihren Bescheid vom 8. Februar 2006 dennoch nicht nach den §§ 45 i.V.m. 49 SGB X aufgrund eines Widerspruchs oder einer Klage der Beigela-denen zu 2. aufheben. Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Ein Widerspruch lässt sich dem Schreiben vom 21. März 2006, mit dem die Beigeladene zu 2., unter anderem darum bat, mitzuteilen, ob bereits eine versicherungsrechtlichen Beurtei-lung eines Rentenversicherungsträgers abgegeben wurde und diese gegebenenfalls mit einer Kopie des Bescheides und weiteren Unterlagen zu übersenden, nicht entnehmen. Gleiches gilt für ihr Schreiben vom 18. April 2006. Mit diesem Schreiben wandte sich die Beigeladene zu 2. zwar ausdrücklich und mit ausführlicher Begründung gegen die Auffassung der Beklagten, der Kläger sei dem Personenkreis der selbständig Tätigen zuzuordnen. Gleichzeitig regte sie jedoch lediglich an, eine Aufhebung des Bescheids vom 8. Februar 2006 zu prüfen und fest-zustellen, dass der Kläger der Rentenversicherungspflicht unterliege. Dieses Begehren kann nach verständiger Würdigung nur als Antrag auf Überprüfung des Bescheids der Beklagten vom 8. Februar 2006 und nicht als Widerspruch ausgelegt werden. Auch eine - sinngemäße - Auslegung dieses Schreibens als Widerspruch nach dem vom BSG entwickelten Meistbe-günstigungsgrundsatz (vgl. z.B. Urteil vom 1. Juni 2010 - Az.: B 4 AS 89/09 R, nach juris) scheidet aus, da die Beigeladenen zu 2. als Sozialversicherungsträger unzweifelhaft die ent-sprechenden Unterschiede zwischen einem Überprüfungsantrag und einem Widerspruch kennt und damit um die entsprechende Diktion weiß. Aber selbst wenn hier die Einlegung eines Widerspruchs angenommen werden könnte, wäre er nach § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG nicht zulässig gewesen. Nach dieser Vorschrift bedarf es eines Vorverfahrens u.a. dann nicht, wenn ein Versicherungsträger klagen will. Aus dieser Bestimmung folgt nicht nur die Zuläs-sigkeit einer Klage ohne die vorherige Durchführung eines Vorverfahrens, sondern auch die Unzulässigkeit der Durchführung eines Vorverfahrens (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - Az.: 4 RK 3/93, nach juris). Die Beigeladene zu 2. hatte mithin kein Wahlrecht zwischen der Erhebung einer Klage und der Einlegung eines Widerspruchs. Zudem führte auch ein unzu-lässiger Widerspruch nicht zur Anwendbarkeit des § 49 SGB X, da diese Bestimmung nur den Teil eines Verwaltungsakts erfasst, der zulässigerweise angefochten worden ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. April 2011 - Az.: L 11 KR 965/09, nach juris).
Die Beigeladene zu 2. hat auch keine Klage erhoben, weshalb es hier keiner Ausführungen dazu bedarf, welche Rechtsbehelfsfrist mangels oder trotz unterbliebener Rechtsbehelfsbeleh-rung gegolten hätte. Insbesondere kann die vom Kläger erhobene Klage nicht als Klage i.S.d. § 49 SGB X angesehen werden, da dieser kein Dritter gemäß der genannten Vorschrift ist und sich seine Klage zudem nicht gegen den Bescheid vom 8. Februar 2006 gerichtet hat. Nur zu Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte bei ihrer Entscheidung auch nicht das Ermessen ausgeübt hat (vgl. Wiesner in von Wulffen, SGB X, 5. Auflage 2005 Rdnr. 2).
Da somit § 49 SGB X nicht eingreift, muss sich die Rücknahme des Bescheids vom 8. Febru-ar 2006 an § 45 SGB X messen lassen. Dessen Voraussetzungen für eine Rücknahme liegen jedoch nicht vor, selbst wenn man an dieser Stelle unterstellt, dass - worauf vieles hindeutet - der Bescheid vom 8. Februar 2006 von Anfang an rechtswidrig war. Allein der Umstand, dass die Beklagte die Rücknahme auf § 49 SGB X gestützt hat, ist grundsätzlich alleine nicht kla-gebegründend. Das sogenannte "Nachschieben von Gründen" ist zulässig, soweit der Verwal-tungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen in nicht zulässiger Weise beeinträchtigt oder er-schwert wird. Weil die §§ 45, 49 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung oder Rücknahme eines Verwaltungsakts gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundla-gen grundsätzlich zulässig und durch den Senat auch zu überprüfen (vgl. BSG, Urteile vom 21. Juni 2011 - Az.: B 4 AS 21/10 R m.w.N. sowie vom 29. Juni 2000 - B 11 AL 85/99 R, nach juris).
Die Rücknahme des Bescheids vom 8. Februar 2006 mit Wirkung für die Vergangenheit scheitert bereits am Nichtvorliegen der Voraussetzungen nach § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 SGB X. Nach § 45 Abs. 4 SGB X wird der Verwaltungsakt nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit (1) er den Ver-waltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, (2) der Ver-waltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in we-sentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder (3) er die Rechtswidrig-keit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahr-lässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Es ist nicht ersichtlich und wird von der Beklagten auch nicht vorgetragen, dass sich der Kläger aus den in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Gründen auf Vertrau-ensschutz nicht berufen kann.
Soweit eine Rücknahme des Bescheids vom 8. Februar 2006 durch den angefochtenen Be-scheid für die Zukunft, das heißt für die Zeit ab Bekanntgabe des Bescheids vom 6. Juli 2006 erfolgt ist, scheitert ein Auswechseln der Rechtsgrundlage daran, dass die Beklagte bei einer Rücknahme nach § 45 Abs. 1 SGB X eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, die sie hier nicht - auch nicht im Widerspruchsbescheid vom 1. November 2006 - getroffen hat (vgl. BSG, Urteil vom 21. Juni 2011 a.a.O. sowie Urteil vom 22. Juni 1988 - Az.: 9/9a RV 3/86, nach juris). Eine Nachholung der Mitteilung der bei Erlass des Bescheids vom 6. Juli 2006 und des Widerspruchsbescheids vom 1. November 2006 maßgebenden Ermessensgründe scheidet aus, weil im vorliegenden Fall kein Fehler in der Ermessensbegründung, sondern in der Ermessensbetätigung vorliegt (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. April 2011, a.a.O., m.w.N.).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Die Erstattungsfähigkeit der außer-gerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3. hat der Senat nur für die Berufungsinstanz als billig erachtet.
Die Auferlegung von Verschuldenskosten für die Beklagte beruht auf § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Danach kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferle-gen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vor-sitzenden in einem Termin die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hinge-wiesen worden ist. Der Senatsvorsitzende hat die Beklagte bereits mit der Ladungsverfügung auf die offensichtliche Fehlerhaftigkeit ihrer Entscheidung hingewiesen. Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2013 hat sie ein Anerkenntnis für den Fall angekündigt, dass die Beigeladene zu 2. dem zustimmt, was diese aber abgelehnt hat. Auf den nochmaligen Hinweis des Senatsvorsit-zenden in der Verhandlung am 28. Januar 2013 und die Möglichkeit der Auferlegung von Verschuldenskosten hat die Sitzungsvertreterin - nach Rücksprache mit ihrer Zentrale - wie im zuvor entschiedenen Parallelverfahren (Az.: L 6 KR 1139/09) auf einer Entscheidung be-standen. Sie könne zwar keine Gründe gegen die richterlichen Hinweise des Senatsvorsitzen-den angeben, wolle jedoch der Beigeladenen zu 2. die Möglichkeit der Nichtzulassungsbe-schwerde zum BSG einräumen.
Die Rechtsverfolgung der Beklagten ist damit missbräuchlich. Ein solcher Missbrauch wird u.a. dann angenommen, wenn ein Beteiligter zu erkennen gibt, dass er weiß, eine positive Entscheidung nicht erhalten zu können und trotzdem auf einem Urteil besteht und dabei ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit zeigt. Nach dem Schriftsatz vom 15. Januar 2013 hat die Be-klagte keine Argumente gegen die Rechtsansicht des Senatsvorsitzenden, was sie in der Ver-handlung auch zugegeben hat.
Dass die offensichtliche Aussichtslosigkeit für den Tatbestand des Missbrauchs genügt, ergibt sich aus dem Willen des Gesetzgebers, wie er bei der Novellierung des Sozialgerichtsgesetzes im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommen ist: Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 14/5943, S. 60 zu Nr. 65) rechtfertigen die Aussichtslosig-keit des Rechtsstreits und ein entsprechender Hinweis des Vorsitzenden auf eine mögliche Kostentragungspflicht die Auferlegung von Kosten.
Zu den Kosten des Gerichts zählen auch die allgemeinen Gerichtskosten. Nach Auskunft der Gerichtsverwaltung des Thüringer Landessozialgerichts belaufen sich die Kosten für ein Ver-fahren in zweiter Instanz für Personal, Material, Entschädigungen, Miete, Nebenkosten, Technik und Literatur im Durchschnitt auf über 2.000,00 EUR pro Verfahren (Auskunft vom 22. April 2004, Az.: 5600 E – 1/04). Das Bayerische Landessozialgericht ging im Jahre 1996 von durchschnittlichen Verfahrenskosten in Höhe von 6.000,00 DM aus (vgl. Urteil vom 10. Ok-tober 1996 - Az.: L 8 Ar 640/95). Die Auferlegung von Kosten in Höhe von 500,00 Euro er-scheint daher im Verhältnis zu den Gesamtkosten eines durchschnittlichen Verfahrens auf jeden Fall berechtigt.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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