L 1 KR 148/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 1470/10 Berlin
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 148/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung eines Zusatzbeitrages von 8,00 EUR monatlich durch die beklagte Krankenkasse ab dem 01. Februar 2010 bis 31. März 2012.

Der 1997 geborene Kläger ist Schüler. Er ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, weil er eine Halbwaisenrente in Höhe von 177,30 EUR monatlich bezieht.

Die Beklagte führte mit Wirkung vom 01. Februar 2010 für ihre Versicherten einen Zusatzbeitrag von monatlich 8,00 EUR ein. Entsprechend der Ermächtigungsgrundlage des § 242 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) änderte sie § 14 ihrer Satzung dahingehend, dass ein solcher Zusatzbeitrag erhoben wird (Beschluss des Verwaltungsrates der Beklagten vom 28. Januar 2010). Diese Satzungsänderung wurde vom Bundesversicherungsamt genehmigt und am 03. Februar 2010 im Bundesanzeiger veröffentlicht.

Die Beklagte teilte dem Kläger (persönlich) mit einem am 09. Februar 2010 versandten Schreiben mit, dass er ab 01. Februar 2010 einen Zusatzbeitrag in Höhe von 8,00 EUR monatlich zu seiner Krankenversicherung zu entrichten habe. Die Rückseite dieses Schreibens enthielt unter der Überschrift "Weitere allgemeine Hinweise" unter dem Gliederungspunkt "Rechtsgrundlage" den Wortlaut von § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V, wonach die Mitgliedschaft bei der Krankenkasse bis zur erstmaligen Fälligkeit des Zusatzbeitrages gekündigt werden könne.

Die Mutter des Klägers schrieb daraufhin unter dem Datum 18. Februar 2010 als dessen gesetzliche Vertreterin, der Kläger beziehe lediglich eine Halbwaisenrente von monatlich circa 157,00 EUR. Es sei ihm nicht möglich, den Zusatzbeitrag zu entrichten.

Mit förmlichem Bescheid vom 26. März 2010 –adressiert an den Kläger persönlich- setzte die Beklagte trotzdem den monatlichen Zusatzbeitrag ab 01. Februar 2010 auf 8,00 EUR fest. Der Betrag sei am 15. des Folgemonats fällig.

Hiergegen erhob der Kläger durch seine Erziehungsberechtigte Widerspruch. Der Kläger sei zahlungsunfähig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2010 (gerichtet an die Mutter) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Zusatzbeitrag gelte unabhängig vom Einkommen für alle Mitglieder. Ausnahmen seien nicht möglich.

Mit seiner am 05. August 2010 beim Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage bringt der Kläger vor, bei Versicherungspflichtigen mit einem Einkommen von unter 800 EUR monatlich sei eine Rechtsanwendungskorrektur geboten. Bei ihm erhöhe sich der Beitragsanteil infolge des Zusatzbeitrages auf 22,01 EUR, also um circa 58 %. Die pauschale Erhebung des Zusatzbeitrages führe zu nicht vertretbaren Härten und verstoße gegen das Sozialstaatsprinzip.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 07. April 2011 abgewiesen. Der angefochtene Beitragsbescheid sei rechtmäßig. Als Mitglied der Beklagten sei der Kläger aufgrund seines Rentenbezuges nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V gesetzlich pflichtversichert und als Mitglied verpflichtet, Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner zu entrichten. Die Beklagte erhebe den Zusatzbeitrag aufgrund § 14 ihrer Satzung in Übereinstimmung mit dem Gesetz. Sie habe auch rechtzeitig auf die Erhebung des Zusatzbeitrages und des Sonderkündigungsrechts hingewiesen. Das Existenzminimum des Klägers sei bereits deshalb nicht betroffen, weil der Kläger die Möglichkeit gehabt habe, zu einer Krankenkasse zu wechseln, die keinen Zusatzbeitrag erhebe. Sinn und Zweck der §§ 175, 242 SGB V sei es gerade gewesen, die Krankenkassen zu einem wirtschaftlichen Verhalten anzuregen, um zu vermeiden, dass ihre Versicherten kündigten. Diese Grundentscheidung des Gesetzgebers würde umgangen, wenn die Versicherten die Möglichkeit hätten, statt des Krankenkassenwechsels oder der Hinnahme des Zusatzbeitrags, gegen diesen klageweise vorgehen könnten. Die Regelung sei jedenfalls solange unbedenklich, solange es noch Krankenkassen gäbe, welche keinen Zusatzbeitrag erhöben. Die Beklagte sei auch nach der Änderung des § 242 SGB V durch das Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz - GKV-FinG) vom 22. Dezember 2010 mit Wirkung vom 01. Januar 2011 weiter berechtigt gewesen, den Zusatzbeitrag zu erheben. Gemäß § 14 Abs. 1 der Satzung in der Fassung des 7. Nachtrages sei weiterhin der Zusatzbeitrag zu erheben.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Das Informationsschreiben aus dem Februar 2010 sei an den Kläger persönlich gerichtet gewesen, nicht hingegen an die gesetzliche Vertreterin. Auch der nachfolgende Beitragsbescheid sei an ihn persönlich adressiert gewesen. Der Kläger sehe sich in der Sache nach wie vor durch die "Belastungsquote" sozial unzumutbar hart betroffen. Er erfahre weder im Hinblick auf seinen Status als Halbwaise noch auf seine Minderjährigkeit Schutz durch das Gesetz. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit zur Kündigung werde ein minderjähriger Waisenrentenempfänger benachteiligt.

Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 07. April 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 26. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat sich auf das Urteil des Senats vom 20. Januar 2012 (L 1 KR 221/11) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Der Senat hält sie einstimmig für unbegründet. Er hält auch eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, im Erörterungstermin am 7. Dezember 2012 hingewiesen worden.

Der Berufung muss Erfolg versagt bleiben. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird, abgewiesen. Der Senat hat bereits wiederholt entschieden, dass die Beklagte den Zusatzbeitrag zu Recht erhoben hat, dass insbesondere der Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht wirksam gewesen ist: Im Urteil vom 20. Januar 2012 (L 1 KR 221/11; juris-Rdnr. 20) hat er dazu ausgeführt:

"Zur Überzeugung des Senats jedoch ist der Hinweis in dem Schreiben vom Februar 2010 ausreichend, um auf das Sonderkündigungsrecht hinzuweisen. Wer Informationen seiner Krankenversicherung erhält, ist gehalten, diese vollständig zu lesen, auch Punkte, die, wie hier, als allgemeine Hinweise bezeichnet werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn solche Hinweise so versteckt sind, dass ein durchschnittlicher Versicherter nicht in der Lage ist, diese zur Kenntnis zu nehmen. Dies ist zur Überzeugung des Senats hier nicht der Fall. Vielmehr wird einem durchschnittlichen Versicherten, der das Schreiben der Beklagten vom Februar 2010 liest, deutlich, dass er wegen der Erhebung des Zusatzbeitrages die Mitgliedschaft kündigen kann. Es ist auch darauf hingewiesen, dass die erstmalige Fälligkeit des Zusatzbeitrages am 15. März 2010 erfolgen werde und die Kündigung bis zu diesem Datum zu erfolgen habe."

Hieran hält der Senat fest.

Hier haben die Schreiben der Beklagten die Erziehungsberechtigte des Klägers auch erreicht, wie dies ihre Antworten zeigen.

Zu Recht hat das SG eine verfassungsrechtliche Problematik bei der Erhebung des Zusatzbeitrages ohne Ausnahme verneint. Auch der Kläger hätte der Erhebung durch den zumutbaren Wechsel zu einer Krankenkasse ohne Zusatzbeitrag entgehen können. Grundsätzliche Fragen der Ungleichbehandlung von minderjährigen Schülern, die als Halbwaisenrentenbezieher gesetzlich Pflichtversicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung sind, im Vergleich zum Normalfall des familienversicherten minderjährigen Schülers stellen sich (deshalb) im vorliegenden Falle nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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