Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 3707/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 1966/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 28.03.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer großen Witwenrente.
Die 1944 geborene Klägerin hatte am 19.11.2010 mit der am 27.10.1943 geborenen und bei der Beklagten Versicherten A. K. (im Folgenden: die Versicherte) eine Lebenspartnerschaft begründet. Die Versicherte war - vermutlich im Jahr 2007 - an einem Ovarialkarzinom erkrankt. Nach zunächst guter Prognose verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand Anfang November 2010. Am 26.11.2010 verstarb die Versicherte.
Am 28.04.2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Bewilligung von Hinterbliebenenrente als große Witwenrente. Die Versicherte sei zwar kurz nach Begründung der Lebenspartnerschaft verstorben. Die Lebenspartnerschaft sei aber nicht aus Gründen einer ausschließlichen oder überwiegenden Versorgungsabsicht eingegangen worden. Die seit den 60er Jahren bestehende Beziehung sei von Anfang an nicht von einer Versorgungsabsicht geprägt gewesen. Sie und die Versicherte hätten in den 60er Jahren mehrere Jahre gemeinsam in L. und P. zusammen gelebt und im Anschluss daran die Welt bereist. Ab Mitte/Ende der 70er Jahre hätten sie gemeinsame Wohnungen in N. und H. bewohnt. In N. hätten sie gemeinsam die Mutter der Klägerin versorgt. Die Begründung der Lebenspartnerschaft sei ausschließlich aus dem Grund des sehr innigen, eng miteinander verbundenen gemeinsamen Lebens und Wirtschaftens als abschließendes Zeichen der Verbundenheit erfolgt. Sie hätten gemeinsam in dem Cafe der Versicherten gearbeitet, gemeinsame Wohnungen bewohnt und die Mutter der Klägerin im Alter gemeinsam versorgt. Ein ausschließlicher bzw. überwiegender Versorgungszweck der Begründung der Lebenspartnerschaft könne nicht aus der Tatsache geschlossen werden, dass sich ihre finanzielle Situation durch die Gewährung der Witwenrente verbessern würde. Sie sei wirtschaftlich gut abgesichert, da sie unter anderem über eigene Renteneinkünfte und Einkünfte aus Mieteinnahmen verfüge, weiter besitze sie ein eigenes schuldenfreies Haus in D ... Bereits im Jahre 2007 hätten sich beide Lebenspartnerinnen wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt.
Die Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 12.05.2011 auf, medizinische Unterlagen über die zum Tod der Versicherten führenden Erkrankungen vorzulegen. Diese Anfrage blieb unbeantwortet.
Mit Bescheid vom 14.07.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Nach § 46 Abs. 2a SGB VI i.V.m. § 242a Abs. 3 SGB VI sei bei Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften, die nach dem 31.12.2001 geschlossen worden seien, ein Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn ein Ehegatte innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung versterbe. Bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr gehe der Gesetzgeber davon aus, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Eheschließung der Anspruch auf Hinterbliebenenrente sei. Die Lebenspartnerschaft der Klägerin und der Versicherten habe zum Zeitpunkt des Todes der Versicherten weniger als ein Jahr gedauert. Die Klägerin habe die gesetzliche Vermutung, dass die Lebenspartnerschaft aus alleinigen oder überwiegenden Versorgungsgründen geschlossen worden sei, nicht widerlegt. Die Tatsache, dass die Klägerin durchaus in der Lage sei, ihren Lebensunterhalt alleine zu bestreiten, sei für die Frage der Versorgungsehe/Versorgungspartnerschaft unerheblich.
Dagegen erhob die Klägerin am 09.08.2011 Widerspruch, zu dessen Begründung sie geltend machte, die Beklagte habe ihre besonderen Gründe für den Abschluss der Lebenspartnerschaft, die von einer Versorgungsabsicht verschieden seien, nicht ausreichend gewürdigt. Eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft sei jahrzehntelang gesellschaftlich sanktioniert gewesen. Aus diesem Grund hätten die Klägerin und die Versicherte lange Zeit im Ausland gelebt. Die Rückkehr nach Deutschland sei im Wesentlichen aus Gründen des gemeinsamen Wirtschaftens im Familienunternehmen der Versicherten erfolgt. Dass die Begründung der Lebenspartnerschaft erfolgt sei, um dem in inniger Weise eng verbundenen gemeinsamen Leben ein abschließendes Zeichen der innigen Verbundenheit zu geben, sei auch gegenüber dem die Eheschließung bekundenden Standesbeamten zum Ausdruck gekommen. Bei der Ablehnung des Rentenantrags sei unberücksichtigt geblieben, dass die Versicherte seit 1978 bis zu ihrem Tod am Wohnsitz der Mutter der Klägerin gemeldet gewesen sei, um die Mutter der Klägerin im Alter zu versorgen. Dies habe der Versorgung eines gemeinsamen Kindes entsprochen. Die langjährige Verbundenheit trotz gesellschaftlicher Nachteile und die gemeinsame Pflege der Mutter rechtfertigten die Annahme, dass die Begründung der Lebenspartnerschaft Ausdruck einer echten persönlichen Bindung gewesen sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2011 zurück. Die Angaben der Klägerin im Rentenantrag und in der Widerspruchsbegründung könnten die Annahme einer Versorgungspartnerschaft nicht widerlegen. Beide Lebenspartnerinnen hätten sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt, damit die Klägerin wirtschaftlich gut abgesichert sei. Eine ärztliche Bestätigung darüber, dass der Tod der Versicherten bei der Begründung der Lebenspartnerschaft nicht abzusehen gewesen sei, sei trotz Aufforderung bisher nicht vorgelegt worden.
Am 02.11.2011 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mannheim. Sie ließ vortragen, ihr sei zwar grundsätzlich bekannt gewesen, dass die Versicherte erkrankt gewesen sei, Ausmaß und Prognose dagegen nicht. Sie habe auch keine ärztlichen Befunde oder Behandlungsunterlagen einholen können, dies sei ihr unter Berufung auf die ärztliche Schweigepflicht verweigert worden. Sie und die Versicherte seien nahezu ein gesamtes Menschenleben auf das Engste miteinander verbunden gewesen. Die Beklagte sei nicht berechtigt, ausschließlich auf eine mögliche Versorgungsabsicht abzustellen. Desweiteren sei unberücksichtigt geblieben, dass gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften zwischen Frauen bis heute gesellschaftlich sanktioniert seien. Erst seit 2005 sei die Begründung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften rechtlich zulässig. Da sie und die Versicherte sich jedoch über Jahrzehnte außerhalb üblicher gesellschaftlicher Normen bewegt hätten, habe insofern, insbesondere auch aus Versorgungsgesichtspunkten, kein Bedarf der Legalisierung der Beziehung bestanden. Der Wunsch nach einer quasi gesetzlichen Bestätigung der innigen Verbindung der Klägerin mit der Versicherten habe darin bestanden, dieser Kraft und Hoffnung in der Bewältigung ihrer Erkrankung zu vermitteln und ein Zeichen der innigen Verbindung zu setzen. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe erscheine damit widerlegt.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und wies darauf hin, dass die Versicherte acht Tage nach Begründung der Lebenspartnerschaft an ihrer Erkrankung verstorben sei. Sofern Versicherte zum Zeitpunkt der Begründung der Lebenspartnerschaft an einer bereits offenkundig lebensbedrohenden Krankheit litten, sei der Ausnahmetatbestand für die Widerlegung einer Versorgungsehe regelmäßig nicht erfüllt. Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung sei in diesem Fall zwar nicht ausgeschlossen, mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit der Krankheit und dem Grad ihrer Offenkundigkeit steige aber der Grad des Zweifels an den zu beweisenden besonderen Umständen.
Im Erörterungstermin vom 28.02.2012 gab die Klägerin an, die Entscheidung, die Lebenspartnerschaft eintragen zu lassen, sei auf Anregung der Ärzte gekommen. Sie hätten zwar zuvor schon einmal darüber gesprochen, es aufgrund der äußeren Umstände aber nicht getan. Die Krebserkrankung der Versicherten sei vermutlich im Jahr 2007 diagnostiziert worden. Damals habe man der Versicherten eine hoffnungsvolle Prognose gegeben und es sei ihr über längere Phasen auch wieder gut gegangen. Etwa drei Wochen vor ihrem Tod habe sich ihr Zustand dann plötzlich verschlechtert. Es sei eine andere Therapie versucht worden und sie seien insoweit auch sehr hoffnungsvoll gewesen. Die Ärzte hätten die Anregung zur Eintragung der Lebenspartnerschaft gegeben, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Es sei sehr überraschend gewesen, dass die Versicherte dann so schnell verstorben sei. Die Ärzte hätten dies nicht prognostiziert. Vielmehr habe Prof. Dr. S. immer gesagt, er sei sehr zufrieden mit dem ganzen Verlauf. Sie hätten keinen Anlass gehabt, an der Einschätzung der Ärzte zu zweifeln. Sie hätten von den Ärzten die Information erhalten, dass das Krebsleiden zwar nicht zu heilen sei, dass aber das Leben verlängert werden könne. Krankenunterlagen über die Versicherte habe sie nicht mehr.
Die Klägerin ließ mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 22.03.2012 mitteilen, es sei ihr persönlich nicht zumutbar, eine Stellungnahme der behandelnden Ärzte über die damalige Situation und die Prognose des Krankheitsverlaufs einzuholen. Solche Erkundigungen dürften auch nicht im mutmaßlichen Interesse der verstorbenen Versicherten sein und seien damit auch nicht von einer mutmaßlichen Schweigepflichtentbindung gedeckt. Das Gericht möge entscheiden.
Mit Gerichtsbescheid vom 28.03.2012 wies das Sozialgericht Mannheim die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente. Nach § 46 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) würden für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe oder Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner gelten. Diese hätten keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen (§ 46 Abs. 2a SGB VI). Der Ausschluss von Hinterbliebenenversorgung bei einer so genannten Versorgungsehe sei grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar (Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 05.05.2009 - B 13 R 53/08 R -). Die Vermutung des § 46 Abs. 2 a SGB VI sei widerlegt, wenn besondere Umstände (insbesondere Unfalltod der Versicherten, vgl. Bundestagsdrucksache 14/4595, Seite 44) vorliegen würden, aufgrund derer trotz kurzer Dauer der Lebenspartnerschaft die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Lebenspartnerschaft gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Für die Widerlegung der Vermutung sei grundsätzlich der volle Beweis des Gegenteils erforderlich (§ 202 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 292 Zivilprozessordnung - ZPO -). Der Vollbeweis setze voraus, dass ein Grad der Wahrscheinlichkeit vorliege, der der Gewissheit nahekomme. Die Vermutung des § 46 Abs. 2 a SGB VI sei nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit widerlegt. Eine Versorgungsehe sei nicht anzunehmen bei plötzlichem unvorhersehbaren Tod, wenn die tödlichen Folgen einer Krankheit bei der Eheschließung nicht vorhersehbar gewesen seien und wenn die Heirat zur Sicherung der erforderlichen Betreuung oder Pflege des anderen Lebenspartners gedient habe (Urteil des LSG Hessen vom 16.11.2011 - L 5 R 320/10 -). Ein plötzlicher Tod der Versicherten am 26.11.2010 sei nach den Angaben der Klägerin im Erörterungstermin am 28.02.2012 nicht anzunehmen. Danach habe die Versicherte an einem Ovarialkarzinom gelitten, das wahrscheinlich im Jahre 2007 diagnostiziert worden sei. Trotz der damals von den Ärzten geäußerten hoffnungsvollen Prognose sei es nicht ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Tod am 26.11.2010 plötzlich und unerwartet eingetreten sei. Medizinische Unterlagen und Einschätzungen der behandelnden Ärzte über den Krankheitsverlauf der Versicherten stünden nicht zur Verfügung. Wegen der fehlenden Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht hätten auch keine weiteren Ermittlungen erfolgen können. Die ärztliche Schweigepflicht reiche grundsätzlich über den Tod des Patienten hinaus, ob der Patient den Arzt mutmaßlich von der Schweigepflicht entbunden hätte, bleibe alleine dessen Entscheidung überlassen (vgl. Beschluss des OLG München vom 19.09.2011 - 1 W 1320/11 -). Die Klägerin habe aber selbst im Schriftsatz vom 22.03.2012 betont, es habe nicht im mutmaßlichen Interesse der Versicherten gelegen, dass entsprechende Erkundigungen über die Umstände und den Ablauf ihrer Erkrankung nach ihrem Tode eingeholt würden. Es könne daher nicht überzeugen, dass die Lebenspartnerschaft kurz vor dem Tode der Versicherten völlig unabhängig von Versorgungsinteressen eingegangen worden sein solle. Die Klägerin habe im Erörterungstermin daraufhin gewiesen, dass die Anregung, die Lebenspartnerschaft eintragen zu lassen, durch die behandelnden Ärzte erfolgt sei, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Dies sei zwar ein verständlicher Gesichtspunkt, könne aber nicht ausreichen, um Versorgungsinteressen objektiv völlig auszuschließen. Für die Klägerin würde die Gewährung einer Hinterbliebenenrente bei einer Altersrente der Versicherten in Höhe von zuletzt 1.099,26 EUR ihre finanzielle Situation nicht unerheblich verbessern. Nach ihren Angaben verfüge die Klägerin zur Zeit über eine monatliche Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von circa 220,00 EUR und über Einkünfte aus Vermietung in Höhe von 600,00 EUR. Weitere 950,00 EUR verdiene sie durch Erwerbstätigkeit. Da die Klägerin nunmehr fast 68 Jahre alt sei, werde sie diese Erwerbstätigkeit auch nicht mehr unbegrenzt weiterführen können. Die Hinterbliebenenrente würde deshalb ihr monatliches Einkommen langfristig verbessern. Wenn die Klägerin und die Versicherte ihre langjährige Verbundenheit unabhängig von materiellen Interessen hätten nach außen hin auch dokumentieren wollen, so wäre dies bereits ab dem Jahre 2001, dem Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes, möglich gewesen. Die Regelvermutung nach § 46 Abs. 2 a SGB VI sei bei der kurzen Dauer der Lebenspartnerschaft daher nicht widerlegt.
Die Klägerin hat gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 02.04.2012 zugestellte Urteil am 02.05.2012 Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts und der Beklagten sei die Widerlegung der Vermutung einer Versorgungsehe ungeachtet der kurzen Ehedauer und der bekannten schweren Erkrankung mit ungewisser Prognose nicht ausgeschlossen. Die Dauer der innigen Verbindung der Lebenspartnerinnen seit der Zeit des gemeinsamen Besuchs der Hotel- und Gaststättenschule könne durch Arbeitszeugnisse und Lebensläufe belegt werden. Dass sich beide Lebenspartnerinnen über 50 Jahre lang gegenseitig unterstützt und auch gemeinsam gewirtschaftet hätten, werde auch durch die Führung eines gemeinsamen Wertpapierkontos belegt, dessen Wert sich zum Zeitpunkt des Todes der Versicherten auf 500.000 EUR belaufen habe. Versorgungsinteressen seien daher als überwiegende Beweggründe für die Legalisierung der Partnerschaft ausgeschlossen. Die Klägerin und die Versicherte hätten im Übrigen wegen der mit dem Traditionscafe der Versicherten verbundenen sehr konservativen Kundenstruktur die Begründung einer Lebenspartnerschaft gefürchtet, insbesondere die öffentliche Bekanntmachung durch Aushängen des Aufgebots. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften würden nach wie vor in traditionsgebundenen Kreisen nicht akzeptiert. Die Klägerin und die Versicherte hätten ihre Partnerschaft daher im Verborgenen gelebt. Sie sei nur sehr wenigen Menschen bekannt gewesen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 28.03.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 14.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2011 aufzuheben, und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin rückwirkend vom 01.12.2010 an Hinterbliebenenrente als große Witwenrente gem. § 46 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 SGB VI zu zahlen,
hilfsweise, Frau Sch. als Zeugin zu vernehmen, zum Beweis der Tatsache, dass die Klägerin und ihre Partnerin ihre Partnerschaft im Verborgenen gelebt haben, wobei zwar ein Wusch bestanden habe, die Partnerschaft zu legalisieren, man davon aber wegen der Angst vor sozialer Diskriminierung abgesehen habe.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin eine Witwenrente nach § 46 Abs. 2 und 4 SGB VI zu gewähren. Sie hat darauf keinen Anspruch. Denn es greift die gesetzliche Vermutung einer diesen Anspruch ausschließenden Versorgungsehe, ohne dass besondere Umstände zur Widerlegung dieser gesetzlichen Vermutung vorliegen. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet haben. Nach § 46 Abs. 4 Satz 1 SGB VI gelten für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner.
Nach § 46 Abs. 2a SGB VI ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Lebenspartnerschaft zwischen der Klägerin und der Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert (vom 19.11.2010 bis zum 26.11.2010), so dass der Tatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 1 SGB VI erfüllt ist.
Der Senat vermag - wie bereits das Sozialgericht - keine Tatsachen dafür festzustellen, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat darin bestand, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen (§ 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI). Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe ist nicht widerlegt.
Die Frage, ob besondere Umstände im Sinne des Ausnahmetatbestands vorliegen, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechen, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vorrangig anhand aller vorhandenen objektiven Ermittlungsmöglichkeiten (§ 103 SGG) auf tatsächlicher Ebene zu beantworten (BSG, zuletzt im Urteil vom 19.11.2011 - B 13 R 33/11 R mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 15.09.2009 - B 5 R 282/09 B -, jeweils in Juris). Dabei ist nach Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen und unter Würdigung aller Indizien zur Überzeugung des Gerichts festzustellen, ob im Einzelfall die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass die Erlangung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war (BSG, Urteil vom 27.08.2009 - B 13 R 101/08 R - in Juris). Eine abschließende Typisierung und Bewertung einzelner von den Tatsacheninstanzen festgestellter Ehemotive hat das Bundessozialgericht abgelehnt. Nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI sind als "besondere Umstände des Falles" alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls zu prüfen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Die vom Gesetzgeber selbst intendierte Einzelfallprüfung lässt eine abschließende abstrakt-generelle (normgleiche) Einordnung einzelner denkbarer Ehemotive nicht zu. Vielmehr kommt es nach dem Gesetz auf die - gegebenenfalls auch voneinander abweichenden - Beweggründe beider Ehegatten im konkreten Einzelfall an. Dabei sind die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu bewerten (BSG, Urteil vom 06.05.2010 - B 13 R 134/08 R - in Juris).
Der Senat geht im Rahmen dieser Gesamtwürdigung davon aus, dass bei der Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt ist (hierzu BSG, Urteil vom 06.05.2010, a.a.O.; vgl. auch Bayerisches LSG, Urteil vom 08.08.2012 - L 13 R 555/10 - in Juris). Zwar ist bei einer schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet zumindest gleichwertig aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet worden ist. Mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit steigt jedoch der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die zu einer Widerlegung der gesetzlichen Vermutung führen (BSG, a.a.O).
Der Senat teilt insoweit die Auffassung des Sozialgerichts, dass der Klägerin und der Versicherten zum Zeitpunkt der Begründung der Lebenspartnerschaft die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung der Versicherten bewusst war und dass sie die Lebenspartnerschaft im Hinblick darauf geschlossen haben, dass die Versicherte an dieser Erkrankung versterben werde. Die Klägerin hat im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht hierzu angegeben, die seit mehreren Jahren bekannte Krebserkrankung der Versicherten habe sich drei Wochen vor deren Tod plötzlich verschlechtert. Die Ärzte hätten sie und die Versicherte darüber informiert, dass die Krebserkrankung nicht heilbar und lediglich lebensverlängernde Maßnahmen möglich seien. Auch wenn eine konkrete Prognose über die Lebenserwartung der Versicherten von den Ärzten nicht geäußert worden ist, so stellt der Senat aufgrund dieser Angaben der Klägerin fest, dass sie und die Versicherte zum Zeitpunkt der Begründung der Lebenspartnerschaft sich über das lebensbedrohliche Ausmaß der Erkrankung durchaus im Klaren waren. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Verschlechterung der Erkrankung Anfang November 2010 und der Begründung der Lebenspartnerschaft am 19.11.2010 ist eindeutig erkennbar. Zudem hat die Klägerin auch vorgetragen, man habe den Entschluss hierzu auf Anraten der Ärzte gefasst. Auch wenn dieser Rat mit dem Ziel eines positiven Einflusses auf den Krankheitsverlauf gegeben worden sein soll, so spricht der Zeitpunkt dieses Rates eher dafür, dass sich die Klägerin und die Versicherte über den tödlichen Verlauf der Erkrankung bewusst waren. Auch von der Prozessbevollmächtigten wurde insoweit mehrfach betont, dass man der jahrzehntelangen innigen Lebensbeziehung ein abschließendes Zeichen der Verbundenheit habe geben wollen.
Allein der Umstand, dass die Lebensbeziehung der Klägerin und der Versicherten jahrzehntelang angedauert habe, worauf die Klägerin im Berufungsverfahren maßgeblich abstellt, begründet keinen Ausnahmetatbestand zur Widerlegung der gesetzlich vermuteten Versorgungsehe. Die Zweifel an der Behauptung, angesichts dieser langjährigen Beziehung sei die Lebenspartnerschaft als ein abschließendes Zeichen der Verbundenheit gedacht gewesen, wiegen angesichts des Zeitpunkts, zu dem die Entscheidung für die Eintragung der Lebenspartnerschaft getroffen wurde, schwer. Die Eintragung einer solchen Lebenspartnerschaft war nach dem Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz) vom 16.02.2001 (BGBl. I S. 266), gültig ab 01.08.2001, bereits seit August 2001 möglich. Die Klägerin und die Versicherte hätten deshalb bereits Jahre zuvor die Möglichkeit gehabt, ihre Lebenspartnerschaft auch rechtlich zu fixieren.
Wenn die Klägerin darauf abstellt, wegen der gesellschaftlichen Vorbehalte gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften habe man die eigene Lebenspartnerschaft im Verborgenen gelebt und insbesondere wegen der konservativ geprägten Kundschaft des Traditionscafes der Versicherten, in dem beide Lebenspartnerinnen tätig gewesen seien, eine Legalisierung zu einem früheren Zeitpunkt gefürchtet, so leuchtet dies vor dem Hintergrund der zeitlichen Angaben der Klägerin im Erörterungstermin nicht ein. Die Klägerin hatte dort angegeben, das Cafe habe bis vor sechs Jahren bestanden. Demzufolge wurde das Cafe bis zum Jahr 2006 betrieben, die Krebserkrankung der Versicherten wurde im Jahr 2007 festgestellt. Vor diesem Hintergrund ist nicht verständlich, warum die Klägerin und die Versicherte bis zur Verschlechterung der Krebserkrankung im November 2010 abgewartet haben und sich erst auf den Hinweis der behandelnden Ärzte hin zur Begründung der Lebenspartnerschaft entschlossen haben. Die Entscheidung zu diesem Zeitpunkt spricht eher für als gegen die gesetzlich vermutete Versorgungsehe. Ein Ausnahmetatbestand für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung ist damit nicht dargetan.
Der hilfsweise beantragten Vernehmung der in die Sitzung gestellten Zeugin Sch. bedurfte es nicht. Der Senat unterstellt dabei die unter Beweis gestellten Tatsachen als wahr, dass man aus Angst vor sozialer Diskriminierung von einer Legalisierung der Partnerschaft lange Zeit abgesehen habe. Hinzu kommt, dass nicht entscheidungserheblich ist, warum die Klägerin und ihre Partnerin nicht schon in der Vergangenheit eine Partnerschaft eingegangen sind, maßgebend ist vielmehr, warum sie erst eine Woche vor dem Tod der Versicherten diesen vorher offenbar bewusst vermiedenen Schritt getan haben. Dass auch noch nach Ausbruch der Erkrankung der Versicherten im Jahre 2007 die Sorge vor sozialer Diskriminierung ausschlaggebend gewesen sein könnte, lässt sich nach Aufgabe des gemeinsam geführten Cafebetriebs im Jahre 2006 - wie oben dargelegt - zudem nicht nachvollziehen.
Zu weiteren Ermittlungen insbesondere über den Krankheitsverlauf der Versicherten sah sich der Senat nicht veranlasst, da die Klägerin selbst derartige Ermittlungen wegen der fehlenden Schweigepflichtentbindung von Seiten der Versicherten ausdrücklich für nicht erfolgversprechend erachtet hat. Eigene Anfragen bei den behandelnden Ärzten hat sie aus persönlichen Gründen abgelehnt. Ein Nachweis darüber, dass die Lebenspartnerschaft in der Annahme begründet worden sei, dass sich die Krankheit positiv entwickeln werde, ist damit nicht geführt.
Das Argument der eigenen finanziellen Absicherung der Klägerin muss unbeachtet bleiben, da andernfalls gutsituierte Hinterbliebene bei der Prüfung der gesetzlichen Vermutung und deren Widerlegung bevorzugt würden (vgl. Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 15.12.2006 - L 4 R 3372/05 -‚ vom 16.05.2008 - L 4 R 3254/07 -‚ vom 06.03.2008 - L 2 R 4994/07 - und vom 06.03.2009 - L 4 R 3663/07 -). Eine Versorgungsabsicht kann auch schon dann bestehen, wenn die finanzielle Situation des Hinterbliebenen durch den Bezug der Hinterbliebenenrente verbessert werde. Das wäre auch hier, wie bereits das Sozialgericht dargelegt hat, der Fall gewesen.
Auf eine Pflegeehe hat sich die Klägerin nicht berufen. Sie hat hierzu im Erörterungstermin beim Sozialgericht vielmehr angegeben, die Versicherte sei 14 Tage im Krankenhaus, aber nicht pflegebedürftig gewesen.
Ist die Vermutung des § 46 Abs. 2a 1. Halbsatz SGB VI damit im Ergebnis nicht widerlegt, konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer großen Witwenrente.
Die 1944 geborene Klägerin hatte am 19.11.2010 mit der am 27.10.1943 geborenen und bei der Beklagten Versicherten A. K. (im Folgenden: die Versicherte) eine Lebenspartnerschaft begründet. Die Versicherte war - vermutlich im Jahr 2007 - an einem Ovarialkarzinom erkrankt. Nach zunächst guter Prognose verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand Anfang November 2010. Am 26.11.2010 verstarb die Versicherte.
Am 28.04.2011 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Bewilligung von Hinterbliebenenrente als große Witwenrente. Die Versicherte sei zwar kurz nach Begründung der Lebenspartnerschaft verstorben. Die Lebenspartnerschaft sei aber nicht aus Gründen einer ausschließlichen oder überwiegenden Versorgungsabsicht eingegangen worden. Die seit den 60er Jahren bestehende Beziehung sei von Anfang an nicht von einer Versorgungsabsicht geprägt gewesen. Sie und die Versicherte hätten in den 60er Jahren mehrere Jahre gemeinsam in L. und P. zusammen gelebt und im Anschluss daran die Welt bereist. Ab Mitte/Ende der 70er Jahre hätten sie gemeinsame Wohnungen in N. und H. bewohnt. In N. hätten sie gemeinsam die Mutter der Klägerin versorgt. Die Begründung der Lebenspartnerschaft sei ausschließlich aus dem Grund des sehr innigen, eng miteinander verbundenen gemeinsamen Lebens und Wirtschaftens als abschließendes Zeichen der Verbundenheit erfolgt. Sie hätten gemeinsam in dem Cafe der Versicherten gearbeitet, gemeinsame Wohnungen bewohnt und die Mutter der Klägerin im Alter gemeinsam versorgt. Ein ausschließlicher bzw. überwiegender Versorgungszweck der Begründung der Lebenspartnerschaft könne nicht aus der Tatsache geschlossen werden, dass sich ihre finanzielle Situation durch die Gewährung der Witwenrente verbessern würde. Sie sei wirtschaftlich gut abgesichert, da sie unter anderem über eigene Renteneinkünfte und Einkünfte aus Mieteinnahmen verfüge, weiter besitze sie ein eigenes schuldenfreies Haus in D ... Bereits im Jahre 2007 hätten sich beide Lebenspartnerinnen wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt.
Die Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 12.05.2011 auf, medizinische Unterlagen über die zum Tod der Versicherten führenden Erkrankungen vorzulegen. Diese Anfrage blieb unbeantwortet.
Mit Bescheid vom 14.07.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Nach § 46 Abs. 2a SGB VI i.V.m. § 242a Abs. 3 SGB VI sei bei Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften, die nach dem 31.12.2001 geschlossen worden seien, ein Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn ein Ehegatte innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung versterbe. Bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr gehe der Gesetzgeber davon aus, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Eheschließung der Anspruch auf Hinterbliebenenrente sei. Die Lebenspartnerschaft der Klägerin und der Versicherten habe zum Zeitpunkt des Todes der Versicherten weniger als ein Jahr gedauert. Die Klägerin habe die gesetzliche Vermutung, dass die Lebenspartnerschaft aus alleinigen oder überwiegenden Versorgungsgründen geschlossen worden sei, nicht widerlegt. Die Tatsache, dass die Klägerin durchaus in der Lage sei, ihren Lebensunterhalt alleine zu bestreiten, sei für die Frage der Versorgungsehe/Versorgungspartnerschaft unerheblich.
Dagegen erhob die Klägerin am 09.08.2011 Widerspruch, zu dessen Begründung sie geltend machte, die Beklagte habe ihre besonderen Gründe für den Abschluss der Lebenspartnerschaft, die von einer Versorgungsabsicht verschieden seien, nicht ausreichend gewürdigt. Eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft sei jahrzehntelang gesellschaftlich sanktioniert gewesen. Aus diesem Grund hätten die Klägerin und die Versicherte lange Zeit im Ausland gelebt. Die Rückkehr nach Deutschland sei im Wesentlichen aus Gründen des gemeinsamen Wirtschaftens im Familienunternehmen der Versicherten erfolgt. Dass die Begründung der Lebenspartnerschaft erfolgt sei, um dem in inniger Weise eng verbundenen gemeinsamen Leben ein abschließendes Zeichen der innigen Verbundenheit zu geben, sei auch gegenüber dem die Eheschließung bekundenden Standesbeamten zum Ausdruck gekommen. Bei der Ablehnung des Rentenantrags sei unberücksichtigt geblieben, dass die Versicherte seit 1978 bis zu ihrem Tod am Wohnsitz der Mutter der Klägerin gemeldet gewesen sei, um die Mutter der Klägerin im Alter zu versorgen. Dies habe der Versorgung eines gemeinsamen Kindes entsprochen. Die langjährige Verbundenheit trotz gesellschaftlicher Nachteile und die gemeinsame Pflege der Mutter rechtfertigten die Annahme, dass die Begründung der Lebenspartnerschaft Ausdruck einer echten persönlichen Bindung gewesen sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2011 zurück. Die Angaben der Klägerin im Rentenantrag und in der Widerspruchsbegründung könnten die Annahme einer Versorgungspartnerschaft nicht widerlegen. Beide Lebenspartnerinnen hätten sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt, damit die Klägerin wirtschaftlich gut abgesichert sei. Eine ärztliche Bestätigung darüber, dass der Tod der Versicherten bei der Begründung der Lebenspartnerschaft nicht abzusehen gewesen sei, sei trotz Aufforderung bisher nicht vorgelegt worden.
Am 02.11.2011 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mannheim. Sie ließ vortragen, ihr sei zwar grundsätzlich bekannt gewesen, dass die Versicherte erkrankt gewesen sei, Ausmaß und Prognose dagegen nicht. Sie habe auch keine ärztlichen Befunde oder Behandlungsunterlagen einholen können, dies sei ihr unter Berufung auf die ärztliche Schweigepflicht verweigert worden. Sie und die Versicherte seien nahezu ein gesamtes Menschenleben auf das Engste miteinander verbunden gewesen. Die Beklagte sei nicht berechtigt, ausschließlich auf eine mögliche Versorgungsabsicht abzustellen. Desweiteren sei unberücksichtigt geblieben, dass gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften zwischen Frauen bis heute gesellschaftlich sanktioniert seien. Erst seit 2005 sei die Begründung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften rechtlich zulässig. Da sie und die Versicherte sich jedoch über Jahrzehnte außerhalb üblicher gesellschaftlicher Normen bewegt hätten, habe insofern, insbesondere auch aus Versorgungsgesichtspunkten, kein Bedarf der Legalisierung der Beziehung bestanden. Der Wunsch nach einer quasi gesetzlichen Bestätigung der innigen Verbindung der Klägerin mit der Versicherten habe darin bestanden, dieser Kraft und Hoffnung in der Bewältigung ihrer Erkrankung zu vermitteln und ein Zeichen der innigen Verbindung zu setzen. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe erscheine damit widerlegt.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und wies darauf hin, dass die Versicherte acht Tage nach Begründung der Lebenspartnerschaft an ihrer Erkrankung verstorben sei. Sofern Versicherte zum Zeitpunkt der Begründung der Lebenspartnerschaft an einer bereits offenkundig lebensbedrohenden Krankheit litten, sei der Ausnahmetatbestand für die Widerlegung einer Versorgungsehe regelmäßig nicht erfüllt. Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung sei in diesem Fall zwar nicht ausgeschlossen, mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit der Krankheit und dem Grad ihrer Offenkundigkeit steige aber der Grad des Zweifels an den zu beweisenden besonderen Umständen.
Im Erörterungstermin vom 28.02.2012 gab die Klägerin an, die Entscheidung, die Lebenspartnerschaft eintragen zu lassen, sei auf Anregung der Ärzte gekommen. Sie hätten zwar zuvor schon einmal darüber gesprochen, es aufgrund der äußeren Umstände aber nicht getan. Die Krebserkrankung der Versicherten sei vermutlich im Jahr 2007 diagnostiziert worden. Damals habe man der Versicherten eine hoffnungsvolle Prognose gegeben und es sei ihr über längere Phasen auch wieder gut gegangen. Etwa drei Wochen vor ihrem Tod habe sich ihr Zustand dann plötzlich verschlechtert. Es sei eine andere Therapie versucht worden und sie seien insoweit auch sehr hoffnungsvoll gewesen. Die Ärzte hätten die Anregung zur Eintragung der Lebenspartnerschaft gegeben, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Es sei sehr überraschend gewesen, dass die Versicherte dann so schnell verstorben sei. Die Ärzte hätten dies nicht prognostiziert. Vielmehr habe Prof. Dr. S. immer gesagt, er sei sehr zufrieden mit dem ganzen Verlauf. Sie hätten keinen Anlass gehabt, an der Einschätzung der Ärzte zu zweifeln. Sie hätten von den Ärzten die Information erhalten, dass das Krebsleiden zwar nicht zu heilen sei, dass aber das Leben verlängert werden könne. Krankenunterlagen über die Versicherte habe sie nicht mehr.
Die Klägerin ließ mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 22.03.2012 mitteilen, es sei ihr persönlich nicht zumutbar, eine Stellungnahme der behandelnden Ärzte über die damalige Situation und die Prognose des Krankheitsverlaufs einzuholen. Solche Erkundigungen dürften auch nicht im mutmaßlichen Interesse der verstorbenen Versicherten sein und seien damit auch nicht von einer mutmaßlichen Schweigepflichtentbindung gedeckt. Das Gericht möge entscheiden.
Mit Gerichtsbescheid vom 28.03.2012 wies das Sozialgericht Mannheim die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente. Nach § 46 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) würden für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe oder Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner gelten. Diese hätten keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen (§ 46 Abs. 2a SGB VI). Der Ausschluss von Hinterbliebenenversorgung bei einer so genannten Versorgungsehe sei grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar (Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 05.05.2009 - B 13 R 53/08 R -). Die Vermutung des § 46 Abs. 2 a SGB VI sei widerlegt, wenn besondere Umstände (insbesondere Unfalltod der Versicherten, vgl. Bundestagsdrucksache 14/4595, Seite 44) vorliegen würden, aufgrund derer trotz kurzer Dauer der Lebenspartnerschaft die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Lebenspartnerschaft gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Für die Widerlegung der Vermutung sei grundsätzlich der volle Beweis des Gegenteils erforderlich (§ 202 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 292 Zivilprozessordnung - ZPO -). Der Vollbeweis setze voraus, dass ein Grad der Wahrscheinlichkeit vorliege, der der Gewissheit nahekomme. Die Vermutung des § 46 Abs. 2 a SGB VI sei nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit widerlegt. Eine Versorgungsehe sei nicht anzunehmen bei plötzlichem unvorhersehbaren Tod, wenn die tödlichen Folgen einer Krankheit bei der Eheschließung nicht vorhersehbar gewesen seien und wenn die Heirat zur Sicherung der erforderlichen Betreuung oder Pflege des anderen Lebenspartners gedient habe (Urteil des LSG Hessen vom 16.11.2011 - L 5 R 320/10 -). Ein plötzlicher Tod der Versicherten am 26.11.2010 sei nach den Angaben der Klägerin im Erörterungstermin am 28.02.2012 nicht anzunehmen. Danach habe die Versicherte an einem Ovarialkarzinom gelitten, das wahrscheinlich im Jahre 2007 diagnostiziert worden sei. Trotz der damals von den Ärzten geäußerten hoffnungsvollen Prognose sei es nicht ohne weiteres nachvollziehbar, dass der Tod am 26.11.2010 plötzlich und unerwartet eingetreten sei. Medizinische Unterlagen und Einschätzungen der behandelnden Ärzte über den Krankheitsverlauf der Versicherten stünden nicht zur Verfügung. Wegen der fehlenden Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht hätten auch keine weiteren Ermittlungen erfolgen können. Die ärztliche Schweigepflicht reiche grundsätzlich über den Tod des Patienten hinaus, ob der Patient den Arzt mutmaßlich von der Schweigepflicht entbunden hätte, bleibe alleine dessen Entscheidung überlassen (vgl. Beschluss des OLG München vom 19.09.2011 - 1 W 1320/11 -). Die Klägerin habe aber selbst im Schriftsatz vom 22.03.2012 betont, es habe nicht im mutmaßlichen Interesse der Versicherten gelegen, dass entsprechende Erkundigungen über die Umstände und den Ablauf ihrer Erkrankung nach ihrem Tode eingeholt würden. Es könne daher nicht überzeugen, dass die Lebenspartnerschaft kurz vor dem Tode der Versicherten völlig unabhängig von Versorgungsinteressen eingegangen worden sein solle. Die Klägerin habe im Erörterungstermin daraufhin gewiesen, dass die Anregung, die Lebenspartnerschaft eintragen zu lassen, durch die behandelnden Ärzte erfolgt sei, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Dies sei zwar ein verständlicher Gesichtspunkt, könne aber nicht ausreichen, um Versorgungsinteressen objektiv völlig auszuschließen. Für die Klägerin würde die Gewährung einer Hinterbliebenenrente bei einer Altersrente der Versicherten in Höhe von zuletzt 1.099,26 EUR ihre finanzielle Situation nicht unerheblich verbessern. Nach ihren Angaben verfüge die Klägerin zur Zeit über eine monatliche Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung von circa 220,00 EUR und über Einkünfte aus Vermietung in Höhe von 600,00 EUR. Weitere 950,00 EUR verdiene sie durch Erwerbstätigkeit. Da die Klägerin nunmehr fast 68 Jahre alt sei, werde sie diese Erwerbstätigkeit auch nicht mehr unbegrenzt weiterführen können. Die Hinterbliebenenrente würde deshalb ihr monatliches Einkommen langfristig verbessern. Wenn die Klägerin und die Versicherte ihre langjährige Verbundenheit unabhängig von materiellen Interessen hätten nach außen hin auch dokumentieren wollen, so wäre dies bereits ab dem Jahre 2001, dem Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes, möglich gewesen. Die Regelvermutung nach § 46 Abs. 2 a SGB VI sei bei der kurzen Dauer der Lebenspartnerschaft daher nicht widerlegt.
Die Klägerin hat gegen das ihrer Prozessbevollmächtigten am 02.04.2012 zugestellte Urteil am 02.05.2012 Berufung eingelegt. Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts und der Beklagten sei die Widerlegung der Vermutung einer Versorgungsehe ungeachtet der kurzen Ehedauer und der bekannten schweren Erkrankung mit ungewisser Prognose nicht ausgeschlossen. Die Dauer der innigen Verbindung der Lebenspartnerinnen seit der Zeit des gemeinsamen Besuchs der Hotel- und Gaststättenschule könne durch Arbeitszeugnisse und Lebensläufe belegt werden. Dass sich beide Lebenspartnerinnen über 50 Jahre lang gegenseitig unterstützt und auch gemeinsam gewirtschaftet hätten, werde auch durch die Führung eines gemeinsamen Wertpapierkontos belegt, dessen Wert sich zum Zeitpunkt des Todes der Versicherten auf 500.000 EUR belaufen habe. Versorgungsinteressen seien daher als überwiegende Beweggründe für die Legalisierung der Partnerschaft ausgeschlossen. Die Klägerin und die Versicherte hätten im Übrigen wegen der mit dem Traditionscafe der Versicherten verbundenen sehr konservativen Kundenstruktur die Begründung einer Lebenspartnerschaft gefürchtet, insbesondere die öffentliche Bekanntmachung durch Aushängen des Aufgebots. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften würden nach wie vor in traditionsgebundenen Kreisen nicht akzeptiert. Die Klägerin und die Versicherte hätten ihre Partnerschaft daher im Verborgenen gelebt. Sie sei nur sehr wenigen Menschen bekannt gewesen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 28.03.2012 und den Bescheid der Beklagten vom 14.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2011 aufzuheben, und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin rückwirkend vom 01.12.2010 an Hinterbliebenenrente als große Witwenrente gem. § 46 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 2 SGB VI zu zahlen,
hilfsweise, Frau Sch. als Zeugin zu vernehmen, zum Beweis der Tatsache, dass die Klägerin und ihre Partnerin ihre Partnerschaft im Verborgenen gelebt haben, wobei zwar ein Wusch bestanden habe, die Partnerschaft zu legalisieren, man davon aber wegen der Angst vor sozialer Diskriminierung abgesehen habe.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin eine Witwenrente nach § 46 Abs. 2 und 4 SGB VI zu gewähren. Sie hat darauf keinen Anspruch. Denn es greift die gesetzliche Vermutung einer diesen Anspruch ausschließenden Versorgungsehe, ohne dass besondere Umstände zur Widerlegung dieser gesetzlichen Vermutung vorliegen. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet haben. Nach § 46 Abs. 4 Satz 1 SGB VI gelten für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner.
Nach § 46 Abs. 2a SGB VI ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Lebenspartnerschaft zwischen der Klägerin und der Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert (vom 19.11.2010 bis zum 26.11.2010), so dass der Tatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 1 SGB VI erfüllt ist.
Der Senat vermag - wie bereits das Sozialgericht - keine Tatsachen dafür festzustellen, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat darin bestand, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen (§ 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI). Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe ist nicht widerlegt.
Die Frage, ob besondere Umstände im Sinne des Ausnahmetatbestands vorliegen, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprechen, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vorrangig anhand aller vorhandenen objektiven Ermittlungsmöglichkeiten (§ 103 SGG) auf tatsächlicher Ebene zu beantworten (BSG, zuletzt im Urteil vom 19.11.2011 - B 13 R 33/11 R mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 15.09.2009 - B 5 R 282/09 B -, jeweils in Juris). Dabei ist nach Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen und unter Würdigung aller Indizien zur Überzeugung des Gerichts festzustellen, ob im Einzelfall die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass die Erlangung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war (BSG, Urteil vom 27.08.2009 - B 13 R 101/08 R - in Juris). Eine abschließende Typisierung und Bewertung einzelner von den Tatsacheninstanzen festgestellter Ehemotive hat das Bundessozialgericht abgelehnt. Nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI sind als "besondere Umstände des Falles" alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls zu prüfen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Die vom Gesetzgeber selbst intendierte Einzelfallprüfung lässt eine abschließende abstrakt-generelle (normgleiche) Einordnung einzelner denkbarer Ehemotive nicht zu. Vielmehr kommt es nach dem Gesetz auf die - gegebenenfalls auch voneinander abweichenden - Beweggründe beider Ehegatten im konkreten Einzelfall an. Dabei sind die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu bewerten (BSG, Urteil vom 06.05.2010 - B 13 R 134/08 R - in Juris).
Der Senat geht im Rahmen dieser Gesamtwürdigung davon aus, dass bei der Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt ist (hierzu BSG, Urteil vom 06.05.2010, a.a.O.; vgl. auch Bayerisches LSG, Urteil vom 08.08.2012 - L 13 R 555/10 - in Juris). Zwar ist bei einer schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet zumindest gleichwertig aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet worden ist. Mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit steigt jedoch der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die zu einer Widerlegung der gesetzlichen Vermutung führen (BSG, a.a.O).
Der Senat teilt insoweit die Auffassung des Sozialgerichts, dass der Klägerin und der Versicherten zum Zeitpunkt der Begründung der Lebenspartnerschaft die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung der Versicherten bewusst war und dass sie die Lebenspartnerschaft im Hinblick darauf geschlossen haben, dass die Versicherte an dieser Erkrankung versterben werde. Die Klägerin hat im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht hierzu angegeben, die seit mehreren Jahren bekannte Krebserkrankung der Versicherten habe sich drei Wochen vor deren Tod plötzlich verschlechtert. Die Ärzte hätten sie und die Versicherte darüber informiert, dass die Krebserkrankung nicht heilbar und lediglich lebensverlängernde Maßnahmen möglich seien. Auch wenn eine konkrete Prognose über die Lebenserwartung der Versicherten von den Ärzten nicht geäußert worden ist, so stellt der Senat aufgrund dieser Angaben der Klägerin fest, dass sie und die Versicherte zum Zeitpunkt der Begründung der Lebenspartnerschaft sich über das lebensbedrohliche Ausmaß der Erkrankung durchaus im Klaren waren. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Verschlechterung der Erkrankung Anfang November 2010 und der Begründung der Lebenspartnerschaft am 19.11.2010 ist eindeutig erkennbar. Zudem hat die Klägerin auch vorgetragen, man habe den Entschluss hierzu auf Anraten der Ärzte gefasst. Auch wenn dieser Rat mit dem Ziel eines positiven Einflusses auf den Krankheitsverlauf gegeben worden sein soll, so spricht der Zeitpunkt dieses Rates eher dafür, dass sich die Klägerin und die Versicherte über den tödlichen Verlauf der Erkrankung bewusst waren. Auch von der Prozessbevollmächtigten wurde insoweit mehrfach betont, dass man der jahrzehntelangen innigen Lebensbeziehung ein abschließendes Zeichen der Verbundenheit habe geben wollen.
Allein der Umstand, dass die Lebensbeziehung der Klägerin und der Versicherten jahrzehntelang angedauert habe, worauf die Klägerin im Berufungsverfahren maßgeblich abstellt, begründet keinen Ausnahmetatbestand zur Widerlegung der gesetzlich vermuteten Versorgungsehe. Die Zweifel an der Behauptung, angesichts dieser langjährigen Beziehung sei die Lebenspartnerschaft als ein abschließendes Zeichen der Verbundenheit gedacht gewesen, wiegen angesichts des Zeitpunkts, zu dem die Entscheidung für die Eintragung der Lebenspartnerschaft getroffen wurde, schwer. Die Eintragung einer solchen Lebenspartnerschaft war nach dem Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz) vom 16.02.2001 (BGBl. I S. 266), gültig ab 01.08.2001, bereits seit August 2001 möglich. Die Klägerin und die Versicherte hätten deshalb bereits Jahre zuvor die Möglichkeit gehabt, ihre Lebenspartnerschaft auch rechtlich zu fixieren.
Wenn die Klägerin darauf abstellt, wegen der gesellschaftlichen Vorbehalte gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften habe man die eigene Lebenspartnerschaft im Verborgenen gelebt und insbesondere wegen der konservativ geprägten Kundschaft des Traditionscafes der Versicherten, in dem beide Lebenspartnerinnen tätig gewesen seien, eine Legalisierung zu einem früheren Zeitpunkt gefürchtet, so leuchtet dies vor dem Hintergrund der zeitlichen Angaben der Klägerin im Erörterungstermin nicht ein. Die Klägerin hatte dort angegeben, das Cafe habe bis vor sechs Jahren bestanden. Demzufolge wurde das Cafe bis zum Jahr 2006 betrieben, die Krebserkrankung der Versicherten wurde im Jahr 2007 festgestellt. Vor diesem Hintergrund ist nicht verständlich, warum die Klägerin und die Versicherte bis zur Verschlechterung der Krebserkrankung im November 2010 abgewartet haben und sich erst auf den Hinweis der behandelnden Ärzte hin zur Begründung der Lebenspartnerschaft entschlossen haben. Die Entscheidung zu diesem Zeitpunkt spricht eher für als gegen die gesetzlich vermutete Versorgungsehe. Ein Ausnahmetatbestand für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung ist damit nicht dargetan.
Der hilfsweise beantragten Vernehmung der in die Sitzung gestellten Zeugin Sch. bedurfte es nicht. Der Senat unterstellt dabei die unter Beweis gestellten Tatsachen als wahr, dass man aus Angst vor sozialer Diskriminierung von einer Legalisierung der Partnerschaft lange Zeit abgesehen habe. Hinzu kommt, dass nicht entscheidungserheblich ist, warum die Klägerin und ihre Partnerin nicht schon in der Vergangenheit eine Partnerschaft eingegangen sind, maßgebend ist vielmehr, warum sie erst eine Woche vor dem Tod der Versicherten diesen vorher offenbar bewusst vermiedenen Schritt getan haben. Dass auch noch nach Ausbruch der Erkrankung der Versicherten im Jahre 2007 die Sorge vor sozialer Diskriminierung ausschlaggebend gewesen sein könnte, lässt sich nach Aufgabe des gemeinsam geführten Cafebetriebs im Jahre 2006 - wie oben dargelegt - zudem nicht nachvollziehen.
Zu weiteren Ermittlungen insbesondere über den Krankheitsverlauf der Versicherten sah sich der Senat nicht veranlasst, da die Klägerin selbst derartige Ermittlungen wegen der fehlenden Schweigepflichtentbindung von Seiten der Versicherten ausdrücklich für nicht erfolgversprechend erachtet hat. Eigene Anfragen bei den behandelnden Ärzten hat sie aus persönlichen Gründen abgelehnt. Ein Nachweis darüber, dass die Lebenspartnerschaft in der Annahme begründet worden sei, dass sich die Krankheit positiv entwickeln werde, ist damit nicht geführt.
Das Argument der eigenen finanziellen Absicherung der Klägerin muss unbeachtet bleiben, da andernfalls gutsituierte Hinterbliebene bei der Prüfung der gesetzlichen Vermutung und deren Widerlegung bevorzugt würden (vgl. Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 15.12.2006 - L 4 R 3372/05 -‚ vom 16.05.2008 - L 4 R 3254/07 -‚ vom 06.03.2008 - L 2 R 4994/07 - und vom 06.03.2009 - L 4 R 3663/07 -). Eine Versorgungsabsicht kann auch schon dann bestehen, wenn die finanzielle Situation des Hinterbliebenen durch den Bezug der Hinterbliebenenrente verbessert werde. Das wäre auch hier, wie bereits das Sozialgericht dargelegt hat, der Fall gewesen.
Auf eine Pflegeehe hat sich die Klägerin nicht berufen. Sie hat hierzu im Erörterungstermin beim Sozialgericht vielmehr angegeben, die Versicherte sei 14 Tage im Krankenhaus, aber nicht pflegebedürftig gewesen.
Ist die Vermutung des § 46 Abs. 2a 1. Halbsatz SGB VI damit im Ergebnis nicht widerlegt, konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).
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