Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 1 R 1753/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 2417/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26.02.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die ungekürzte Bewertung zurückgelegter Beschäftigungszeiten in der U. nach dem Fremdrentengesetz (FRG) sowie die Anerkennung weiterer Ersatzzeiten.
Der 1938 geborene Kläger stammt aus St. (früher: S.) in der U./U ... Am 09.08.1944 wurde er mit seiner Mutter und seinen beiden Brüdern zunächst in den sog. W., später nach B. umgesiedelt. Von dort wurde die Familie am 15.06.1945 von den s. Streitkräften zurück in die ehemalige U. gebracht und im Gebiet K., K., zwangsangesiedelt, wo sich der Kläger bis zu seinem Zuzug nach Deutschland am 25.02.1995 aufhielt. Er war vom 04.10.1953 bis 18.08.1958, vom 14.06.1960 bis 26.06.1961 als Dreher und ab 04.01.1962 als Zimmermann beschäftigt. Teilweise berufsbegleitend absolvierte er ab 01.09.1958 eine Ausbildung zum Bautechniker, die er im Juli/Oktober 1963 beendete. Vom 03.04.1963 bis 16.08.1963 befand er sich nach eigenen Angaben im "Urlaub (nach dem Studium)". Vom 17.08.1963 bis 20.09.1964 war er als Montage- und Vorarbeiter und vom 21.09.1964 bis 14.06.1970 als Meister, Bauleiter und Oberbauleiter tätig. Nach Abschluss eines berufsbegleitenden Hochschulstudiums vom 01.10.1964 bis 15.06.1970 war er ab 15.06.1970 bis 20.02.1995 als Chefingenieur bzw. Leiter der Bauverwaltung beschäftigt.
Ein Bruder des Klägers reiste am 25.01.1990 ins Bundesgebiet ein und erhielt den Vertriebenenausweis A. Der Kläger siedelte am 25.02.1995 in die Bundesrepublik Deutschland über. Ihm wurde am 07.07.1995 vom Ausgleichsamt der Stadt und des Landkreises H. bescheinigt, dass er Spätaussiedler nach § 4 BVFG ist. Mit Bescheid vom 24.01.1997 erkannte die Beklagte nach den Bestimmungen des Fremd-rentengesetzes (FRG) vom Kläger in der ehemaligen S. zurückgelegte Beitragszeiten an, und merkte glaubhafthaft gemachte Zeiten der Berufsausbildung, Beitragszeiten aufgrund von Beschäftigung, Ersatzzeiten der Internierung/Verschleppung und Ausbildungs-Anrechnungszeit im Versicherungskonto vor. Abgelehnt wurde u.a. die Anerkennung einer Zeit vom 01.01.1944 bis 18.08.1957 als Ersatzzeit, weil sie vor Vollendung des 14. Lebensjahres liege.
Mit Bescheid vom 07.08.1998 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (1.418,80 DM) ab dem 01.09.1998. Der Rentenberechnung wurden zugrunde gelegt die Zeiten vom 19.08.1952 bis 03.10.1953 als Zeiten der Internierung und Verschleppung sowie Beitrags- und Ausbildungszeiten ab 04.10.1953 bis 26.02.1995 nach den Bestimmungen des FRG. Dabei wurden die Entgeltpunkte für die glaubhaft gemachten Beitragszeiten um ein Sechstel gekürzt.
Auf einen Überprüfungsantrag des Klägers aus dem Jahr 2002 erkannte die Beklagte im dazu geführten Klageverfahren (S 4 RA 908/03) aufgrund nunmehr vorgelegter Bescheinigungen nachgewiesene Beitragszeiten vom 01.01.1973 bis 31.12.1994 an und berücksichtigte diese ohne Kürzung bei der Rentenberechnung (Rentenzahlbetrag ab 01.01.2004: 821,09 EUR - Bescheid vom 7.11.2003).
Am 08.12.2006 beantragte der Kläger erneut die Überprüfung der Rente. Zum einen sei zu prüfen, ob ein Rentenabschlag für die Rente bis zum 65. Lebensjahr zulässig sei. Zum anderen sei er bereits am 09.08.1944 umgesiedelt worden und habe sich in Deutschland aufgehalten. Seine Zeit als Verschleppter und Kriegsgefangener (unechte Kriegsgefangenschaft) müsse als Ersatzzeit voll berücksichtigt werden.
Am 24.01.2007 berechnete die Beklagte die Rente ab 01.01.2002 neu; sie berücksichtigte nunmehr Zeiten ab 01.01.1965 als nachgewiesene Beitragszeiten. Gleichzeitig lehnte sie die Rücknahme des Bescheides vom 24.01.1997 und eine Berücksichtigung von Ersatzzeiten für die Zeit vom 09.08.1944 bis 18.08.1952 ab, weil der Kläger sein 14. Lebensjahr erst am 18.08.1952 vollendet habe und erst danach Ersatzzeittatbestände zurückgelegt werden könnten.
Hiergegen erhob der Kläger am 25.02.2007 Widerspruch. Er trug vor, eine Kürzung der Rente komme hier nicht in Betracht, weil er bereits vor dem Stichtag seinen Wohnsitz im Deutschland gehabt habe und erst danach nach R. verschleppt worden sei. Er sei Heimkehrer und ein sog. "unechter" Kriegsgefangener. Bis zur Heimschaffung 1995 seien Ersatzzeiten anzuerkennen.
Mit am 02.04.2007 übersandten Widerspruchsbescheid wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie führte aus, anzuwenden sei § 22 Absatz 4 FRG in der Fassung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG), weil der Kläger erst im Jahr 1995 und damit nach dem vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestimmten Stichtag am 31.12.1990 zugezogen sei. Danach sei die Absenkung der nach dem FRG ermittelten Entgeltpunkte auf 60% verfassungsgemäß (BVerfG, Beschluss vom 13.06.2006, 1 BvL 9/00). Zusätzliche Ersatzzeiten seien ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Gem. § 250 Absatz 2 Nr. 1 bis 3 des Sozialgesetzbuchs, Sechstes Buch (SGB VI) könnten Ersatzzeiten über den 31.12.1956 hinaus nicht mehr berücksichtigt werden, wenn die dort genannten Ausschlusstatbestände vorlägen. Der Kläger habe eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit aus anderen als den dort genannten Gründen nicht ausgeübt; evtl. Lücken in seiner Versicherungsbiographie beruhten nicht auf den Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 SGB VI. So sei z.B. die Zeit vom 03.04.1963 bis 16.08.1963 nicht belegt; dazu habe der Kläger 1996 aber selbst angegeben, dass er in dieser Zeit nach dem Studium Urlaub genommen habe.
Am 07.05.2007 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Heilbronn, mit der er erneut geltend macht, er sei am 26.11.1944 mit seiner Familie eingebürgert und danach von russischen Truppen verschleppt worden. Ab diesem Zeitpunkt der Verschleppung aus Deutschland seien Ersatzzeiten der Kriegsgefangenschaft, Vertreibung und Flucht zu berücksichtigen. Er sei auch als Heimkehrer und Kriegsgefangener anzusehen. Die Vorschriften des FRG in der ab 01.01.1993 geltenden Fassung seien nicht anwendbar. Gemäß § 100 Absatz 1 BVFG würden für Personen im Sinne der §§ 1 bis 3 die Vorschriften gelten, die vor dem 01.01.1993 gegolten hätten. Hierzu gehörten auch die FRG-Vorschriften. Er sei von den nachträglichen Gesetzesänderungen schon deshalb nicht betroffen, weil er als deutscher Staatsangehöriger seinen Wohnsitz von 1944 in Deutschland auch nach der Verschleppung beibehalten habe. Daher seien die in der U. zurückgelegten Zeiten ohne Kürzung um den Faktor 0,6 anzuerkennen. Die Rechtsprechung des BVerfG zu den Kürzungsvorschriften beziehe sich auf Spätaussiedler aus R ... Vorliegend gehe es um Kriegsgefangene bzw. Vertriebene, die erst nach dem Ende der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen in Kriegsgefangenschaft geraten und erst später heimgeschafft worden seien. Die Vorschriften des Heimkehrergesetzes sowie des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes seien in diesem Fall weiterhin anwendbar. Eine andere Rechtsauffassung halte er für verfassungswidrig.
Die Beklagte wies darauf hin, dass der Beschluss des BVerfG vom 13.06.2006 den Kläger nicht betreffe, weil er nicht vor dem 01.01.1991 in das Bundesgebiet zugezogen sei. Die Regelung des § 22 Abs. 4 FRG sei daher in seinem Fall als verfassungsgemäß zu betrachten.
Im Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht am 26.02.2010 erkannte die Beklagte weitere Ersatzzeiten der Verschleppung/Vertreibung an (31.12.1957 bis 02.01.1958 und 19. bis 31.08.1958).
Mit Urteil vom 26.02.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2007 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf (teilweise) Rücknahme des Rentenbescheides vom 07.11.2003, mit welchem seine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit seit ihrem Beginn am 01.09.1998 neu berechnet worden sei. Nach § 44 Absatz 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch (SGB X) sei ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergebe, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. § 44 Absatz 4 SGB X bestimme, dass Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme (bzw. dem Antrag auf Rücknahme) erbracht würden, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden sei. Auf die Überprüfungsregelung stütze der Kläger sein Begehren, unter teilweiser Rücknahme des Rentenbescheides vom 07.11.2003, der die zuvor ergangenen Bescheide ersetzt habe, ihm unter Berücksichtigung der Zeit vom 19.08.1952 bis 20.02.1995 als Ersatzzeit eine höhere Altersrente ab 01.01.2002 und ohne Kürzung der Entgeltpunkte um den Faktor 0,6 zu gewähren. Neben den bereits im Vormerkungsbescheid vom 24.01.1997 sowie in den nachfolgend erteilten Rentenbescheiden vom 07.08.1998, 31.07.2003, 07.11.2003 und 24.01.2007 und mit dem angenommenen Anerkenntnis der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 26.02.2010 anerkannten Ersatzzeiten könne der Kläger keine zusätzliche Berücksichtigung von Ersatzzeiten beanspruchen. Nach § 250 Absatz 1 SGB VI seien Ersatzzeiten Zeiten vor dem 01.01.1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden habe und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr interniert oder verschleppt gewesen seien, wenn sie als Deutsche wegen ihrer Volks- oder Staatszugehörigkeit oder in ursächlichem Zusammenhang mit den Kriegsereignissen außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland interniert oder in ein ausländisches Staatsgebiet verschleppt waren, nach dem 08.05.1945 entlassen wurden und innerhalb von zwei Monaten nach der Entlassung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ständigen Aufenthalt genommen hätten, (Nummer 2), während oder nach dem Ende eines Krieges, ohne Kriegsteilnehmer zu sein, durch feindliche Maßnahmen bis zum 30. Juni 1945 an der Rückkehr aus Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereiches der Reichsversicherungsgesetze oder danach aus Gebieten außerhalb des Geltungsbereiches dieser Gesetze, soweit es sich nicht um das Beitrittsgebiet handelt, verhindert gewesen oder dort festgehalten worden seien (Nummer 3), vertrieben, umgesiedelt oder ausgesiedelt worden oder auf der Flucht oder im Anschluss an solche Zeiten wegen Krankheit arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos gewesen seien, mindestens aber die Zeit vom 01.01.1945 bis 31.12.1946, wenn sie zum Personenkreis der §§ 1 bis 4 des BVFG gehören (Nummer 6). Diese sogenannte pauschale Ersatzzeit vom 01.01.1945 bis 31.12.1946 sei nicht zu berücksichtigen, weil der Kläger damals sein 14. Lebensjahr nicht vollendet gehabt habe. Ein danach liegender Zeitraum der Vertreibung sei mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit beendet. Die noch streitigen Zeiten würden nach der Aufnahme der ersten Erwerbstätigkeit am 04.10.1953 liegen. Nach § 250 Absatz 2 Nummer 3 SGB VI seien Ersatzzeiten nicht Zeiten, in denen nach dem 31.12.1956 die Voraussetzungen nach Absatz 1 Nummer 2, 3 und 5 vorliegen würden und Versicherte eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit auch aus anderen als den dort genannten Gründen nicht ausgeübt hätten. Diese mit Wirkung vom 01.07.1993 durch Artikel 1 Nummer 10 des Gesetzes vom 24.06.1993 (BGBl. I, 1038) eingefügte Vorschrift sei anzuwenden, wenn der Rentenbeginn, wie hier, nach dem 30.06.1993 liege. Mit dieser Vorschrift solle sichergestellt werden, dass Ersatzzeiten nur noch dann angerechnet würden, wenn Versicherte aus Gründen, die den Ersatzzeittatbeständen zu Grunde liegen würden, eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht hätten ausüben können (vgl. KassKomm-Niesel, § 250 SGB VI, Rdnr. 113 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung). Diese negative Anspruchsvoraussetzung sei in den als Beitrags- und Beschäftigungszeiten im Sinne der §§ 15, 16 FRG nicht anerkannten Zeiträumen (01.09.1958 bis 13.06.1960 (Fachschulausbildung), 27.06.1061 bis 03.01.1962 (Studium) und 03.04.1963 bis 16.08.1963 (Urlaub) nicht erfüllt. Alleinige Ursache für die Beschäftigungslosigkeit in diesen Zeiten seien die Ausbildung bzw. der sich anschließende Urlaub des Klägers gewesen. Ein Ersatzzeittatbestand sei nicht, auch nicht teilweise ursächlich dafür gewesen, dass eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht ausgeübt worden sei. Die Beitragszeiten bis 31.12.1964 seien, was unter den Beteiligten nicht streitig sei, nicht nachgewiesen und deshalb die dafür ermittelten Entgeltpunkte nach § 22 Absatz 3 FRG um ein Sechstel gekürzt worden. Zu Recht habe die Beklagte auch die bei der Rentenberechnung des Klägers nach § 22 Absatz 1 und Absatz 3 FRG ermittelten maßgeblichen Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt, wie dies in § 22 Absatz 4 FRG in der seit 07.05.1996 geltenden Fassung durch Artikel 3 Nummer 4 Buchstabe b WFG vom 25.09.1996 (BGBl. I, S. 1461) vorgeschrieben sei. Der Kläger habe vor dem 07.05.1996, nämlich am 25.02.1995 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen. Seine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit habe nicht vor dem 01.10.1996 begonnen, sondern erst am 01.09.1998. Demnach seien die Übergangsregelungen des Artikels 6 § 4c des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) nicht anzuwenden, die der Gesetzgeber mit den RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I, S. 554) mit Wirkung vom 01.10.1996 neu eingefügt habe, nachdem das BVerfG durch Beschluss vom 13.06.2006 (BVerfGE 116, 69-135) die bisherige Regelung insoweit für verfassungswidrig erklärt habe, soweit keine vorübergehende Abmilderung des abgesenkten Rentenniveaus für die davon kurzfristig Betroffenen vorgesehen sei. Die Rentenkürzung durch die Multiplikation mit dem Faktor 0,6 sei als solche vom BVerfG verfassungsrechtlich nicht beanstandet worden. § 22 Absatz 4 FRG 1996 sei nicht an Artikel 14 GG zu messen, soweit danach Renten betroffen seien, die ausschließlich auf Beitrags- und Beschäftigungszeiten außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland beruhten, wie dies beim Kläger der Fall sei. Das BVerfG habe dem Gesetzgeber zwar die nähere Gestaltung der erforderlichen Übergangsregelung und die Bestimmung des Kreises der Berechtigten ("rentennahe Jahrgänge") überlassen, das Postulat einer Übergangsregelung aber auf den Personenkreis beschränkt, der vor dem 01.01.1991 nach Deutschland eingereist sei. Der Kläger zähle mit seinem Zuzug nach dem 31.12.1990 und einem Rentenbeginn nach Inkrafttreten des WFG zu einem Personenkreis, für den nach den Ausführungen des BVerfG keine Übergangsregelung für die Anwendung des § 22 Absatz 4 FRG 1996 erforderlich gewesen sei. Der Kläger habe zwar darauf abgestellt, dass er zu dem Personenkreis der §§ 1 bis 3 BVFG a.F. zähle, für den sowohl das BVFG als auch das FRG in der vor 1992 geltenden Fassung anzuwenden sei. Dafür enthielten die gesetzlichen Bestimmungen und die mit ihnen verfolgten Ziele aber keinerlei Anhaltspunkte. Nach der Übergangsregelung des § 100 Absatz 1 BVFG in der seit 02.01.1993 geltenden Fassung vom 02.06.1993, die im Zeitpunkt des Zuzugs des Klägers maßgeblich gewesen sei, seien die vor dem 01.01.1993 geltenden Vorschriften auf Personen im Sinne der §§ 1 bis 3 BVFG nicht anzuwenden, wenn sie nach Abschluss der allgemeinen Vertreibungsmaßnahme weder vor dem 01.07.1990 noch danach im Wege des Aufnahmeverfahrens vor dem 01.01.1993 die Aussiedlungsgebiete verlassen hätten. Der Kläger habe am 15.12.1994 einen Aufnahmebescheid erhalten und 1995 als Spätaussiedler Aufnahme in Deutschland gefunden. Er könne keine Rechte als Vertriebener aus dem vor dem 01.01.1993 geltenden BVFG a.F. herleiten. Eine Weitergeltung der vor 1993 geltenden Regelungen für die nach diesem Zeitpunkt zugezogenen Vertriebenen sei weder gesetzlich angeordnet noch mit den Zielen vereinbar, die der Gesetzgeber mit den Neuregelungen des BVFG und des FRG verfolgt habe.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 14.04.2010 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 12.05.2010 Berufung eingelegt. Er lässt ausführen, es handele sich in seinem Fall um ein völlig anderes Verfahren, als es vom BVerfG entschieden worden sei. Das BVerfG habe sich mit Personen befasst, die vor dem 01.01.1990 als Aussiedler in die Bundesrepublik Deutschland eingereist seien und es selbst in der Hand gehabt hätten, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet zu nehmen. Der Kläger sei aber als Betroffener des 2. Weltkrieges in der ehemaligen S. gegen seinen Willen festgehalten worden und hätte auch nachher seinen Wohnsitz nicht frei in Deutschland nehmen dürfen. Der Bund habe die Verpflichtung, solche Personen, die nach dem Ende des Krieges unschuldig außerhalb der Bundesrepublik Deutschland festgehalten worden seien und damit stellvertretend Reparationsleistungen in anderen Staaten hätten verrichten müssen, mit den Personen, die im Bundesgebiet lebten, gleichzustellen. Auch die Spätaussiedler hätten eine Rentenanwartschaft erworben, die einer willkürlichen Kürzung der Entgeltpunkte entgegenstehe. Eine Kürzung der Entgeltpunkte um 40 % verstoße auch gegen Art. 3 Grundgesetz - GG -. Zwischen den Vertriebenen, die in Deutschland hätten verbleiben dürfen und denen, die aus Deutschland verschleppt und zur Zwangsarbeit verbracht worden seien, bestehe kein Unterschied. Die verspätete Rückkehr vor allem der Spätaussiedler aus der ehemaligen U. beruhe alleine auf den anschließenden besonderen Umständen (kalter Krieg). Sie selbst hätten den Willen gehabt, sich wie alle anderen Vertriebenen und Flüchtlinge in Deutschland niederzulassen. Der Kläger sei allein wegen seiner deutschen Volkszugehörigkeit und nur deshalb, weil Deutschland die S. überfallen und die Volksdeutschen vereinnahmt habe, verfolgt worden. Dies führe dazu, dass er die gleichen Rechte haben müsse, wie alle anderen Vertriebenen auch und zwar unabhängig davon, wann er in Deutschland wieder aufgenommen worden sei, es sei denn, er hätte es "in der Hand" gehabt, vorher auszureisen, wie das BVerfG in der genannten Entscheidung differenziert habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26.02.2010 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 24.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2007 abzuändern und die Beklagte unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 07.11.2003 zu verurteilen, ihm unter zusätzlicher Berücksichtigung der Zeit vom 19.08.1952 bis 20.02.1995 als Ersatzzeit und ohne Kürzung der Entgeltpunkte um den Faktor 0,6 eine höhere Altersrente ab 01.01.2002 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Mit der Regelung zur Absenkung der Entgeltpunkte in § 22 Abs. 4 FRG werde das Eingliederungsprinzip des FRG geändert. Die Leistungen an die FRG-Berechtigten erfolgten nicht mehr nach den auf Durchschnittsverdiensten beruhenden Tabellenwerten, sondern nur auf einem Anteil davon, der sich an den Lebensbedingungen in strukturschwachen Gebieten der Bundesrepublik orientiere. Der Umfang der Absenkung der FRG-Entgeltpunkte sei von ursprünglich 70 % auf nunmehr 60 % der durch die Tabellenwerte erzielten Entgeltpunkte gesunken. Auch diese verstärkte Absenkung sei bereits verfassungsrechtlich bestätigt worden. Mit Beschluss vom 13.06.2006 habe das BVerfG (1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01, 1 BvL 10/04) über mehrere Vorlagebeschlüsse des BSG entschieden. Danach sei die Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG in der Fassung des WFG (60%-Absenkung) grundsätzlich mit dem Grundgesetz vereinbar. Lediglich für Berechtigte, die vordem 01.01.1991 nach Deutschland gekommen seien und deren Rente nach dem 30.09.1996 beginne, habe das BVerfG noch eine zusätzliche Übergangsregelung gefordert. Diese sein vom Gesetzgeber mit Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG nachgeholt worden. Es komme deshalb nicht darauf an, aus welchen Gründen der Zuzug in das Bundesgebiet erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sei.
Mit Schreiben vom 12.08.2010 und vom 12.10.2010 haben die Beteiligten einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat die für die FRG-Zeiten des Klägers ermittelten Entgeltpunkte zu Recht unter Anwendung des in § 22 Abs. 4 FRG geregelten Kürzungsfaktors um 40 v. H. gekürzt. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgelehnt. Der Senat nimmt auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Der Kläger wendet sich mit der Berufung ersichtlich nur noch gegen die Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG. Danach werden die für FRG-Zeiten (nach §§ 15, 16 FRG) ermittelten Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt, also um 40 v. H. gekürzt. Die Beklagte hat diese Vorschrift, worüber die Beteiligten auch nicht streiten, zutreffend angewendet.
§ 22 Abs. 4 FRG ist verfassungsgemäß und gilt auch für den Kläger. Das BVerfG hat § 22 Abs. 4 FRG für verfassungsmäßig erklärt, insbesondere eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG und des Art. 14 GG verneint, und im Hinblick auf den Vertrauensschutz lediglich eine Übergangsregelung für Berechtigte gefordert, die vor dem 01.01.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Rente nach dem 30.09.1996 beginnt (Beschl. v. 13.06.2006, - 1 BvL 9/00 - u.a.). Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger, der erst am 25.02.1995 in die Bundesrepublik Deutschland kam, nicht.
Der Kläger-Vertreter verkennt mit seinem Vortrag im Berufungsverfahren, dass das BVerfG in seinem Beschluss vom 13.06.2006 (a.a.O.) die Reduzierung der Entgeltpunkte durch die Multiplikation mit dem Faktor 0,6 als solche einer Prüfung auf ihre Verfassungsmäßigkeit unterzogen hat und lediglich im Hinblick auf den Vertrauensschutz für rentennahe Jahrgänge eine Übergangsregelung gefordert hat, die der Gesetzgeber mit Art. 6 § 4a Abs. 2 FANG geschaffen hat und die ebenfalls verfassungsmäßig ist (BVerfG, Beschl. v. 15.07.2010, - 1 BvR 1201/10 -; BSG, Urt. v. 20.10.2009, - B 5 R 38/08 R -). Das BVerfG hat die Kürzungsregelung des § 22 Abs. 4 FRG im Hinblick auf die vom Gesetzgeber bezweckte Sicherung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung als verhältnismäßig angesehen und dem Gesetzgeber eine größere Gestaltungsfreiheit gerade für Eingriffe in Positionen zugestanden, die - wie die Rentenanwartschaften nach dem FRG - nicht auf Eigenbeiträgen beruhen, sondern Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge sind. Die unterschiedliche Behandlung der nach dem FRG Berechtigten im Vergleich zu anderen Gruppen hat das BVerfG mit den unterschiedlichen Versicherungsbiografien begründet.
Vor diesem Hintergrund geht auch die vom Kläger-Vertreter vertretene Auffassung, es bedürfe einer Gleichstellung von Personen wie dem Kläger, die in die S. verschleppt worden seien und ihren Wohnsitz nicht frei in der Bundesrepublik Deutschland hätten nehmen können, mit denjenigen, die als deutsche Volkszugehörige in ihrem Herkunftsland ein Vertreibungsschicksal erlitten hätten, ins Leere. Die Kürzung der Entgeltpunkte nach § 22 Abs. 4 FRG betrifft alle Berechtigten des FRG unabhängig von der Art ihres Vertreibungs- und Verfolgungsschicksals in gleicher Weise. Zu differenzieren war nach der Vorgabe des BVerfG lediglich für die Anwartschaftsinhaber aus den rentennahen Jahrgängen, die bereits vor dem 01.01.1991 in die Bundesrepublik übergesiedelt waren, da ihnen ein schützenswertes Vertrauen auf die Höhe der von ihnen erwarteten Rente zumindest insoweit zugestanden worden war, dass ihnen die Einstellung ihrer Lebensführung auf eine auf Dauer niedrigere Rente, als zuvor mit Rentenauskünften in Aussicht gestellt worden war, ermöglicht werden sollte. Eine entsprechende Vertrauensposition hat der Kläger von vorneherein nicht erworben, da er erst nach dem Stichtag des 01.01.1991 ins Bundesgebiet eingereist ist. Warum ihm eine frühere Einreise verwehrt gewesen sein soll, worauf sein Prozessvertreter offenbar abstellt, ist nicht ersichtlich. Insbesondere zeigt der Umstand, dass ein Bruder des Klägers bereits im Jahr 1990 in die Bunderepublik Deutschland zugezogen war, dass eine Übersiedlung durchaus auch zu einem früheren Zeitpunkt hätte erfolgen können.
Das Vorbringen des Klägers ändert deshalb nichts an der vom BVerfG - im Hinblick auf die Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und 14 GG sowie den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz - festgestellten Verfassungsmäßigkeit und Gültigkeit des § 22 Abs. 4 FRG. Diese Regelung ist auf den Kläger anzuwenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die ungekürzte Bewertung zurückgelegter Beschäftigungszeiten in der U. nach dem Fremdrentengesetz (FRG) sowie die Anerkennung weiterer Ersatzzeiten.
Der 1938 geborene Kläger stammt aus St. (früher: S.) in der U./U ... Am 09.08.1944 wurde er mit seiner Mutter und seinen beiden Brüdern zunächst in den sog. W., später nach B. umgesiedelt. Von dort wurde die Familie am 15.06.1945 von den s. Streitkräften zurück in die ehemalige U. gebracht und im Gebiet K., K., zwangsangesiedelt, wo sich der Kläger bis zu seinem Zuzug nach Deutschland am 25.02.1995 aufhielt. Er war vom 04.10.1953 bis 18.08.1958, vom 14.06.1960 bis 26.06.1961 als Dreher und ab 04.01.1962 als Zimmermann beschäftigt. Teilweise berufsbegleitend absolvierte er ab 01.09.1958 eine Ausbildung zum Bautechniker, die er im Juli/Oktober 1963 beendete. Vom 03.04.1963 bis 16.08.1963 befand er sich nach eigenen Angaben im "Urlaub (nach dem Studium)". Vom 17.08.1963 bis 20.09.1964 war er als Montage- und Vorarbeiter und vom 21.09.1964 bis 14.06.1970 als Meister, Bauleiter und Oberbauleiter tätig. Nach Abschluss eines berufsbegleitenden Hochschulstudiums vom 01.10.1964 bis 15.06.1970 war er ab 15.06.1970 bis 20.02.1995 als Chefingenieur bzw. Leiter der Bauverwaltung beschäftigt.
Ein Bruder des Klägers reiste am 25.01.1990 ins Bundesgebiet ein und erhielt den Vertriebenenausweis A. Der Kläger siedelte am 25.02.1995 in die Bundesrepublik Deutschland über. Ihm wurde am 07.07.1995 vom Ausgleichsamt der Stadt und des Landkreises H. bescheinigt, dass er Spätaussiedler nach § 4 BVFG ist. Mit Bescheid vom 24.01.1997 erkannte die Beklagte nach den Bestimmungen des Fremd-rentengesetzes (FRG) vom Kläger in der ehemaligen S. zurückgelegte Beitragszeiten an, und merkte glaubhafthaft gemachte Zeiten der Berufsausbildung, Beitragszeiten aufgrund von Beschäftigung, Ersatzzeiten der Internierung/Verschleppung und Ausbildungs-Anrechnungszeit im Versicherungskonto vor. Abgelehnt wurde u.a. die Anerkennung einer Zeit vom 01.01.1944 bis 18.08.1957 als Ersatzzeit, weil sie vor Vollendung des 14. Lebensjahres liege.
Mit Bescheid vom 07.08.1998 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (1.418,80 DM) ab dem 01.09.1998. Der Rentenberechnung wurden zugrunde gelegt die Zeiten vom 19.08.1952 bis 03.10.1953 als Zeiten der Internierung und Verschleppung sowie Beitrags- und Ausbildungszeiten ab 04.10.1953 bis 26.02.1995 nach den Bestimmungen des FRG. Dabei wurden die Entgeltpunkte für die glaubhaft gemachten Beitragszeiten um ein Sechstel gekürzt.
Auf einen Überprüfungsantrag des Klägers aus dem Jahr 2002 erkannte die Beklagte im dazu geführten Klageverfahren (S 4 RA 908/03) aufgrund nunmehr vorgelegter Bescheinigungen nachgewiesene Beitragszeiten vom 01.01.1973 bis 31.12.1994 an und berücksichtigte diese ohne Kürzung bei der Rentenberechnung (Rentenzahlbetrag ab 01.01.2004: 821,09 EUR - Bescheid vom 7.11.2003).
Am 08.12.2006 beantragte der Kläger erneut die Überprüfung der Rente. Zum einen sei zu prüfen, ob ein Rentenabschlag für die Rente bis zum 65. Lebensjahr zulässig sei. Zum anderen sei er bereits am 09.08.1944 umgesiedelt worden und habe sich in Deutschland aufgehalten. Seine Zeit als Verschleppter und Kriegsgefangener (unechte Kriegsgefangenschaft) müsse als Ersatzzeit voll berücksichtigt werden.
Am 24.01.2007 berechnete die Beklagte die Rente ab 01.01.2002 neu; sie berücksichtigte nunmehr Zeiten ab 01.01.1965 als nachgewiesene Beitragszeiten. Gleichzeitig lehnte sie die Rücknahme des Bescheides vom 24.01.1997 und eine Berücksichtigung von Ersatzzeiten für die Zeit vom 09.08.1944 bis 18.08.1952 ab, weil der Kläger sein 14. Lebensjahr erst am 18.08.1952 vollendet habe und erst danach Ersatzzeittatbestände zurückgelegt werden könnten.
Hiergegen erhob der Kläger am 25.02.2007 Widerspruch. Er trug vor, eine Kürzung der Rente komme hier nicht in Betracht, weil er bereits vor dem Stichtag seinen Wohnsitz im Deutschland gehabt habe und erst danach nach R. verschleppt worden sei. Er sei Heimkehrer und ein sog. "unechter" Kriegsgefangener. Bis zur Heimschaffung 1995 seien Ersatzzeiten anzuerkennen.
Mit am 02.04.2007 übersandten Widerspruchsbescheid wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie führte aus, anzuwenden sei § 22 Absatz 4 FRG in der Fassung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG), weil der Kläger erst im Jahr 1995 und damit nach dem vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestimmten Stichtag am 31.12.1990 zugezogen sei. Danach sei die Absenkung der nach dem FRG ermittelten Entgeltpunkte auf 60% verfassungsgemäß (BVerfG, Beschluss vom 13.06.2006, 1 BvL 9/00). Zusätzliche Ersatzzeiten seien ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Gem. § 250 Absatz 2 Nr. 1 bis 3 des Sozialgesetzbuchs, Sechstes Buch (SGB VI) könnten Ersatzzeiten über den 31.12.1956 hinaus nicht mehr berücksichtigt werden, wenn die dort genannten Ausschlusstatbestände vorlägen. Der Kläger habe eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit aus anderen als den dort genannten Gründen nicht ausgeübt; evtl. Lücken in seiner Versicherungsbiographie beruhten nicht auf den Voraussetzungen des § 250 Abs. 1 SGB VI. So sei z.B. die Zeit vom 03.04.1963 bis 16.08.1963 nicht belegt; dazu habe der Kläger 1996 aber selbst angegeben, dass er in dieser Zeit nach dem Studium Urlaub genommen habe.
Am 07.05.2007 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Heilbronn, mit der er erneut geltend macht, er sei am 26.11.1944 mit seiner Familie eingebürgert und danach von russischen Truppen verschleppt worden. Ab diesem Zeitpunkt der Verschleppung aus Deutschland seien Ersatzzeiten der Kriegsgefangenschaft, Vertreibung und Flucht zu berücksichtigen. Er sei auch als Heimkehrer und Kriegsgefangener anzusehen. Die Vorschriften des FRG in der ab 01.01.1993 geltenden Fassung seien nicht anwendbar. Gemäß § 100 Absatz 1 BVFG würden für Personen im Sinne der §§ 1 bis 3 die Vorschriften gelten, die vor dem 01.01.1993 gegolten hätten. Hierzu gehörten auch die FRG-Vorschriften. Er sei von den nachträglichen Gesetzesänderungen schon deshalb nicht betroffen, weil er als deutscher Staatsangehöriger seinen Wohnsitz von 1944 in Deutschland auch nach der Verschleppung beibehalten habe. Daher seien die in der U. zurückgelegten Zeiten ohne Kürzung um den Faktor 0,6 anzuerkennen. Die Rechtsprechung des BVerfG zu den Kürzungsvorschriften beziehe sich auf Spätaussiedler aus R ... Vorliegend gehe es um Kriegsgefangene bzw. Vertriebene, die erst nach dem Ende der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen in Kriegsgefangenschaft geraten und erst später heimgeschafft worden seien. Die Vorschriften des Heimkehrergesetzes sowie des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes seien in diesem Fall weiterhin anwendbar. Eine andere Rechtsauffassung halte er für verfassungswidrig.
Die Beklagte wies darauf hin, dass der Beschluss des BVerfG vom 13.06.2006 den Kläger nicht betreffe, weil er nicht vor dem 01.01.1991 in das Bundesgebiet zugezogen sei. Die Regelung des § 22 Abs. 4 FRG sei daher in seinem Fall als verfassungsgemäß zu betrachten.
Im Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht am 26.02.2010 erkannte die Beklagte weitere Ersatzzeiten der Verschleppung/Vertreibung an (31.12.1957 bis 02.01.1958 und 19. bis 31.08.1958).
Mit Urteil vom 26.02.2010 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2007 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf (teilweise) Rücknahme des Rentenbescheides vom 07.11.2003, mit welchem seine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit seit ihrem Beginn am 01.09.1998 neu berechnet worden sei. Nach § 44 Absatz 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch (SGB X) sei ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergebe, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. § 44 Absatz 4 SGB X bestimme, dass Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme (bzw. dem Antrag auf Rücknahme) erbracht würden, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden sei. Auf die Überprüfungsregelung stütze der Kläger sein Begehren, unter teilweiser Rücknahme des Rentenbescheides vom 07.11.2003, der die zuvor ergangenen Bescheide ersetzt habe, ihm unter Berücksichtigung der Zeit vom 19.08.1952 bis 20.02.1995 als Ersatzzeit eine höhere Altersrente ab 01.01.2002 und ohne Kürzung der Entgeltpunkte um den Faktor 0,6 zu gewähren. Neben den bereits im Vormerkungsbescheid vom 24.01.1997 sowie in den nachfolgend erteilten Rentenbescheiden vom 07.08.1998, 31.07.2003, 07.11.2003 und 24.01.2007 und mit dem angenommenen Anerkenntnis der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 26.02.2010 anerkannten Ersatzzeiten könne der Kläger keine zusätzliche Berücksichtigung von Ersatzzeiten beanspruchen. Nach § 250 Absatz 1 SGB VI seien Ersatzzeiten Zeiten vor dem 01.01.1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden habe und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr interniert oder verschleppt gewesen seien, wenn sie als Deutsche wegen ihrer Volks- oder Staatszugehörigkeit oder in ursächlichem Zusammenhang mit den Kriegsereignissen außerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland interniert oder in ein ausländisches Staatsgebiet verschleppt waren, nach dem 08.05.1945 entlassen wurden und innerhalb von zwei Monaten nach der Entlassung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ständigen Aufenthalt genommen hätten, (Nummer 2), während oder nach dem Ende eines Krieges, ohne Kriegsteilnehmer zu sein, durch feindliche Maßnahmen bis zum 30. Juni 1945 an der Rückkehr aus Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereiches der Reichsversicherungsgesetze oder danach aus Gebieten außerhalb des Geltungsbereiches dieser Gesetze, soweit es sich nicht um das Beitrittsgebiet handelt, verhindert gewesen oder dort festgehalten worden seien (Nummer 3), vertrieben, umgesiedelt oder ausgesiedelt worden oder auf der Flucht oder im Anschluss an solche Zeiten wegen Krankheit arbeitsunfähig oder unverschuldet arbeitslos gewesen seien, mindestens aber die Zeit vom 01.01.1945 bis 31.12.1946, wenn sie zum Personenkreis der §§ 1 bis 4 des BVFG gehören (Nummer 6). Diese sogenannte pauschale Ersatzzeit vom 01.01.1945 bis 31.12.1946 sei nicht zu berücksichtigen, weil der Kläger damals sein 14. Lebensjahr nicht vollendet gehabt habe. Ein danach liegender Zeitraum der Vertreibung sei mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit beendet. Die noch streitigen Zeiten würden nach der Aufnahme der ersten Erwerbstätigkeit am 04.10.1953 liegen. Nach § 250 Absatz 2 Nummer 3 SGB VI seien Ersatzzeiten nicht Zeiten, in denen nach dem 31.12.1956 die Voraussetzungen nach Absatz 1 Nummer 2, 3 und 5 vorliegen würden und Versicherte eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit auch aus anderen als den dort genannten Gründen nicht ausgeübt hätten. Diese mit Wirkung vom 01.07.1993 durch Artikel 1 Nummer 10 des Gesetzes vom 24.06.1993 (BGBl. I, 1038) eingefügte Vorschrift sei anzuwenden, wenn der Rentenbeginn, wie hier, nach dem 30.06.1993 liege. Mit dieser Vorschrift solle sichergestellt werden, dass Ersatzzeiten nur noch dann angerechnet würden, wenn Versicherte aus Gründen, die den Ersatzzeittatbeständen zu Grunde liegen würden, eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht hätten ausüben können (vgl. KassKomm-Niesel, § 250 SGB VI, Rdnr. 113 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung). Diese negative Anspruchsvoraussetzung sei in den als Beitrags- und Beschäftigungszeiten im Sinne der §§ 15, 16 FRG nicht anerkannten Zeiträumen (01.09.1958 bis 13.06.1960 (Fachschulausbildung), 27.06.1061 bis 03.01.1962 (Studium) und 03.04.1963 bis 16.08.1963 (Urlaub) nicht erfüllt. Alleinige Ursache für die Beschäftigungslosigkeit in diesen Zeiten seien die Ausbildung bzw. der sich anschließende Urlaub des Klägers gewesen. Ein Ersatzzeittatbestand sei nicht, auch nicht teilweise ursächlich dafür gewesen, dass eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht ausgeübt worden sei. Die Beitragszeiten bis 31.12.1964 seien, was unter den Beteiligten nicht streitig sei, nicht nachgewiesen und deshalb die dafür ermittelten Entgeltpunkte nach § 22 Absatz 3 FRG um ein Sechstel gekürzt worden. Zu Recht habe die Beklagte auch die bei der Rentenberechnung des Klägers nach § 22 Absatz 1 und Absatz 3 FRG ermittelten maßgeblichen Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt, wie dies in § 22 Absatz 4 FRG in der seit 07.05.1996 geltenden Fassung durch Artikel 3 Nummer 4 Buchstabe b WFG vom 25.09.1996 (BGBl. I, S. 1461) vorgeschrieben sei. Der Kläger habe vor dem 07.05.1996, nämlich am 25.02.1995 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen. Seine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit habe nicht vor dem 01.10.1996 begonnen, sondern erst am 01.09.1998. Demnach seien die Übergangsregelungen des Artikels 6 § 4c des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) nicht anzuwenden, die der Gesetzgeber mit den RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I, S. 554) mit Wirkung vom 01.10.1996 neu eingefügt habe, nachdem das BVerfG durch Beschluss vom 13.06.2006 (BVerfGE 116, 69-135) die bisherige Regelung insoweit für verfassungswidrig erklärt habe, soweit keine vorübergehende Abmilderung des abgesenkten Rentenniveaus für die davon kurzfristig Betroffenen vorgesehen sei. Die Rentenkürzung durch die Multiplikation mit dem Faktor 0,6 sei als solche vom BVerfG verfassungsrechtlich nicht beanstandet worden. § 22 Absatz 4 FRG 1996 sei nicht an Artikel 14 GG zu messen, soweit danach Renten betroffen seien, die ausschließlich auf Beitrags- und Beschäftigungszeiten außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland beruhten, wie dies beim Kläger der Fall sei. Das BVerfG habe dem Gesetzgeber zwar die nähere Gestaltung der erforderlichen Übergangsregelung und die Bestimmung des Kreises der Berechtigten ("rentennahe Jahrgänge") überlassen, das Postulat einer Übergangsregelung aber auf den Personenkreis beschränkt, der vor dem 01.01.1991 nach Deutschland eingereist sei. Der Kläger zähle mit seinem Zuzug nach dem 31.12.1990 und einem Rentenbeginn nach Inkrafttreten des WFG zu einem Personenkreis, für den nach den Ausführungen des BVerfG keine Übergangsregelung für die Anwendung des § 22 Absatz 4 FRG 1996 erforderlich gewesen sei. Der Kläger habe zwar darauf abgestellt, dass er zu dem Personenkreis der §§ 1 bis 3 BVFG a.F. zähle, für den sowohl das BVFG als auch das FRG in der vor 1992 geltenden Fassung anzuwenden sei. Dafür enthielten die gesetzlichen Bestimmungen und die mit ihnen verfolgten Ziele aber keinerlei Anhaltspunkte. Nach der Übergangsregelung des § 100 Absatz 1 BVFG in der seit 02.01.1993 geltenden Fassung vom 02.06.1993, die im Zeitpunkt des Zuzugs des Klägers maßgeblich gewesen sei, seien die vor dem 01.01.1993 geltenden Vorschriften auf Personen im Sinne der §§ 1 bis 3 BVFG nicht anzuwenden, wenn sie nach Abschluss der allgemeinen Vertreibungsmaßnahme weder vor dem 01.07.1990 noch danach im Wege des Aufnahmeverfahrens vor dem 01.01.1993 die Aussiedlungsgebiete verlassen hätten. Der Kläger habe am 15.12.1994 einen Aufnahmebescheid erhalten und 1995 als Spätaussiedler Aufnahme in Deutschland gefunden. Er könne keine Rechte als Vertriebener aus dem vor dem 01.01.1993 geltenden BVFG a.F. herleiten. Eine Weitergeltung der vor 1993 geltenden Regelungen für die nach diesem Zeitpunkt zugezogenen Vertriebenen sei weder gesetzlich angeordnet noch mit den Zielen vereinbar, die der Gesetzgeber mit den Neuregelungen des BVFG und des FRG verfolgt habe.
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 14.04.2010 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 12.05.2010 Berufung eingelegt. Er lässt ausführen, es handele sich in seinem Fall um ein völlig anderes Verfahren, als es vom BVerfG entschieden worden sei. Das BVerfG habe sich mit Personen befasst, die vor dem 01.01.1990 als Aussiedler in die Bundesrepublik Deutschland eingereist seien und es selbst in der Hand gehabt hätten, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet zu nehmen. Der Kläger sei aber als Betroffener des 2. Weltkrieges in der ehemaligen S. gegen seinen Willen festgehalten worden und hätte auch nachher seinen Wohnsitz nicht frei in Deutschland nehmen dürfen. Der Bund habe die Verpflichtung, solche Personen, die nach dem Ende des Krieges unschuldig außerhalb der Bundesrepublik Deutschland festgehalten worden seien und damit stellvertretend Reparationsleistungen in anderen Staaten hätten verrichten müssen, mit den Personen, die im Bundesgebiet lebten, gleichzustellen. Auch die Spätaussiedler hätten eine Rentenanwartschaft erworben, die einer willkürlichen Kürzung der Entgeltpunkte entgegenstehe. Eine Kürzung der Entgeltpunkte um 40 % verstoße auch gegen Art. 3 Grundgesetz - GG -. Zwischen den Vertriebenen, die in Deutschland hätten verbleiben dürfen und denen, die aus Deutschland verschleppt und zur Zwangsarbeit verbracht worden seien, bestehe kein Unterschied. Die verspätete Rückkehr vor allem der Spätaussiedler aus der ehemaligen U. beruhe alleine auf den anschließenden besonderen Umständen (kalter Krieg). Sie selbst hätten den Willen gehabt, sich wie alle anderen Vertriebenen und Flüchtlinge in Deutschland niederzulassen. Der Kläger sei allein wegen seiner deutschen Volkszugehörigkeit und nur deshalb, weil Deutschland die S. überfallen und die Volksdeutschen vereinnahmt habe, verfolgt worden. Dies führe dazu, dass er die gleichen Rechte haben müsse, wie alle anderen Vertriebenen auch und zwar unabhängig davon, wann er in Deutschland wieder aufgenommen worden sei, es sei denn, er hätte es "in der Hand" gehabt, vorher auszureisen, wie das BVerfG in der genannten Entscheidung differenziert habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26.02.2010 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 24.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2007 abzuändern und die Beklagte unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 07.11.2003 zu verurteilen, ihm unter zusätzlicher Berücksichtigung der Zeit vom 19.08.1952 bis 20.02.1995 als Ersatzzeit und ohne Kürzung der Entgeltpunkte um den Faktor 0,6 eine höhere Altersrente ab 01.01.2002 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Mit der Regelung zur Absenkung der Entgeltpunkte in § 22 Abs. 4 FRG werde das Eingliederungsprinzip des FRG geändert. Die Leistungen an die FRG-Berechtigten erfolgten nicht mehr nach den auf Durchschnittsverdiensten beruhenden Tabellenwerten, sondern nur auf einem Anteil davon, der sich an den Lebensbedingungen in strukturschwachen Gebieten der Bundesrepublik orientiere. Der Umfang der Absenkung der FRG-Entgeltpunkte sei von ursprünglich 70 % auf nunmehr 60 % der durch die Tabellenwerte erzielten Entgeltpunkte gesunken. Auch diese verstärkte Absenkung sei bereits verfassungsrechtlich bestätigt worden. Mit Beschluss vom 13.06.2006 habe das BVerfG (1 BvL 9/00, 1 BvL 11/00, 1 BvL 12/00, 1 BvL 5/01, 1 BvL 10/04) über mehrere Vorlagebeschlüsse des BSG entschieden. Danach sei die Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG in der Fassung des WFG (60%-Absenkung) grundsätzlich mit dem Grundgesetz vereinbar. Lediglich für Berechtigte, die vordem 01.01.1991 nach Deutschland gekommen seien und deren Rente nach dem 30.09.1996 beginne, habe das BVerfG noch eine zusätzliche Übergangsregelung gefordert. Diese sein vom Gesetzgeber mit Art. 6 § 4c Abs. 2 FANG nachgeholt worden. Es komme deshalb nicht darauf an, aus welchen Gründen der Zuzug in das Bundesgebiet erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sei.
Mit Schreiben vom 12.08.2010 und vom 12.10.2010 haben die Beteiligten einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat die für die FRG-Zeiten des Klägers ermittelten Entgeltpunkte zu Recht unter Anwendung des in § 22 Abs. 4 FRG geregelten Kürzungsfaktors um 40 v. H. gekürzt. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgelehnt. Der Senat nimmt auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Der Kläger wendet sich mit der Berufung ersichtlich nur noch gegen die Anwendung des § 22 Abs. 4 FRG. Danach werden die für FRG-Zeiten (nach §§ 15, 16 FRG) ermittelten Entgeltpunkte mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt, also um 40 v. H. gekürzt. Die Beklagte hat diese Vorschrift, worüber die Beteiligten auch nicht streiten, zutreffend angewendet.
§ 22 Abs. 4 FRG ist verfassungsgemäß und gilt auch für den Kläger. Das BVerfG hat § 22 Abs. 4 FRG für verfassungsmäßig erklärt, insbesondere eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG und des Art. 14 GG verneint, und im Hinblick auf den Vertrauensschutz lediglich eine Übergangsregelung für Berechtigte gefordert, die vor dem 01.01.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben und deren Rente nach dem 30.09.1996 beginnt (Beschl. v. 13.06.2006, - 1 BvL 9/00 - u.a.). Zu diesem Personenkreis gehört der Kläger, der erst am 25.02.1995 in die Bundesrepublik Deutschland kam, nicht.
Der Kläger-Vertreter verkennt mit seinem Vortrag im Berufungsverfahren, dass das BVerfG in seinem Beschluss vom 13.06.2006 (a.a.O.) die Reduzierung der Entgeltpunkte durch die Multiplikation mit dem Faktor 0,6 als solche einer Prüfung auf ihre Verfassungsmäßigkeit unterzogen hat und lediglich im Hinblick auf den Vertrauensschutz für rentennahe Jahrgänge eine Übergangsregelung gefordert hat, die der Gesetzgeber mit Art. 6 § 4a Abs. 2 FANG geschaffen hat und die ebenfalls verfassungsmäßig ist (BVerfG, Beschl. v. 15.07.2010, - 1 BvR 1201/10 -; BSG, Urt. v. 20.10.2009, - B 5 R 38/08 R -). Das BVerfG hat die Kürzungsregelung des § 22 Abs. 4 FRG im Hinblick auf die vom Gesetzgeber bezweckte Sicherung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung als verhältnismäßig angesehen und dem Gesetzgeber eine größere Gestaltungsfreiheit gerade für Eingriffe in Positionen zugestanden, die - wie die Rentenanwartschaften nach dem FRG - nicht auf Eigenbeiträgen beruhen, sondern Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge sind. Die unterschiedliche Behandlung der nach dem FRG Berechtigten im Vergleich zu anderen Gruppen hat das BVerfG mit den unterschiedlichen Versicherungsbiografien begründet.
Vor diesem Hintergrund geht auch die vom Kläger-Vertreter vertretene Auffassung, es bedürfe einer Gleichstellung von Personen wie dem Kläger, die in die S. verschleppt worden seien und ihren Wohnsitz nicht frei in der Bundesrepublik Deutschland hätten nehmen können, mit denjenigen, die als deutsche Volkszugehörige in ihrem Herkunftsland ein Vertreibungsschicksal erlitten hätten, ins Leere. Die Kürzung der Entgeltpunkte nach § 22 Abs. 4 FRG betrifft alle Berechtigten des FRG unabhängig von der Art ihres Vertreibungs- und Verfolgungsschicksals in gleicher Weise. Zu differenzieren war nach der Vorgabe des BVerfG lediglich für die Anwartschaftsinhaber aus den rentennahen Jahrgängen, die bereits vor dem 01.01.1991 in die Bundesrepublik übergesiedelt waren, da ihnen ein schützenswertes Vertrauen auf die Höhe der von ihnen erwarteten Rente zumindest insoweit zugestanden worden war, dass ihnen die Einstellung ihrer Lebensführung auf eine auf Dauer niedrigere Rente, als zuvor mit Rentenauskünften in Aussicht gestellt worden war, ermöglicht werden sollte. Eine entsprechende Vertrauensposition hat der Kläger von vorneherein nicht erworben, da er erst nach dem Stichtag des 01.01.1991 ins Bundesgebiet eingereist ist. Warum ihm eine frühere Einreise verwehrt gewesen sein soll, worauf sein Prozessvertreter offenbar abstellt, ist nicht ersichtlich. Insbesondere zeigt der Umstand, dass ein Bruder des Klägers bereits im Jahr 1990 in die Bunderepublik Deutschland zugezogen war, dass eine Übersiedlung durchaus auch zu einem früheren Zeitpunkt hätte erfolgen können.
Das Vorbringen des Klägers ändert deshalb nichts an der vom BVerfG - im Hinblick auf die Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und 14 GG sowie den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz - festgestellten Verfassungsmäßigkeit und Gültigkeit des § 22 Abs. 4 FRG. Diese Regelung ist auf den Kläger anzuwenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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