Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 562/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bestehen auf Grund der Gesamtumstände Anzeichen für einen Missbrauch einer Arzneimittelverordnung, ist es dem Apotheker zuzumuten, das Rezept auch auf formale Mängel hin zu überprüfen.
Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die nicht bezahlte Vergütung für ein vom Kläger nach Maßgabe des anwendbaren Arzneimittelvertrages abgegebenes und abgerechnetes Arzneimittel in Höhe von 18.130,12 EUR nebst Zinsen im Streit.
Der Kläger ist Apotheker. Er betreibt die XXX-Apotheke, XXX und ist Mitglied des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg e.V. Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg ist Mitglied des Deutschen Apothekerverbandes e.V ...
Am Freitag, den 09.04.2010, legte eine Kundin dem Kläger am frühen Nachmittag in der Apotheke eine ärztliche Verordnung vom 09.04.2010 über 20 Fertigspritzen Norditropin Nordiflex 15 mg/1,5 ml N1 vor. Die Verordnung war am gleichen Tag auf XXX, geb. am 17.01.2002, ausgestellt. Als Krankenkasse war hierauf die "XXX" (die Rechtsvorgängerin der Beklagten) angegeben. Die Verordnung war auf einem Vordruck nach Muster 16 des Bundesmantelvertrages-Ärzte aufgedruckt und trug die Unterschrift und den Vertragsarztstempel des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin XXX. Für die Einzelheiten der Verordnung wird auf die sich in der Gerichtsakte befindliche Kopie hiervon Bezug genommen. Das Arzneimittel Norditropin Nordiflex des pharmazeutischen Unternehmers Novo Nordisk enthält als Wirkstoff das Wachstumshormon Somatropin, das unter anderem zur Behandlung von Kleinwuchs bei Kindern und Jugendlichen indiziert ist. Das Arzneimittel ist ferner zur Behandlung des bei Mädchen auftretenden Ullrich-Turner-Syndroms zugelassen. Das Arzneimittel Norditropin Nordiflex wird vorgefüllt in einem dosierbaren Injektor in den Verkehr gebracht und darf nach erstmaliger Anwendung bei Aufbewahrung im Kühlschrank in einem Zeitraum bis zu vier Wochen aufgebracht werden.
Das Arzneimittel war beim Kläger nicht vorrätig, weshalb er es für die Kundin bestellte. Sein Personal gab das Arzneimittel am folgenden Montag, den 12.04.2010, ab. Der Kläger reichte die Verordnung bei der VSA Verrechnungsstelle der XXX, zur Abrechnung ein, woraufhin die Beklagte den GKV-Preis von 19.052,84 EUR bezahlte.
Die vom Kläger belieferte Verordnung erwies sich im Nachhinein als Fälschung heraus. Das vom Kläger gelieferte Arzneimittel wurde zwar sichergestellt und an ihn zurückgegeben, war jedoch aufgrund der nicht nachgewiesenen Kühlung nunmehr unbrauchbar. Die Großhändlerin des Klägers verweigerte deshalb die Rücknahme.
Mit Schreiben vom 11.04.2011 beanstandete die Beklagte die Verordnung vom 09.04.2010 unter der Berichtigungsnummer 63945247 mit dem Verweis auf die Fälschung der Verordnung. Der Gesamtbetrag der Retaxation von 18.130,12 EUR errechnete sich aus dem Bruttoabrechnungswert von 19.052,84 EUR abzüglich 9,20 EUR Apothekerrabatt und 913,52 EUR Herstellerrabatt.
Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg erhob für den Kläger am 15.04.2011 Einspruch gegen die Retaxation. Das Abrechnungszentrum wies diesen mit Schreiben vom 24.05.2011 zurück. Es verwies vor allem darauf, dass vor dem Hintergrund der Gefahr des Missbrauchs von Wachstumshormonen in der Bodybuilder-Szene der Umstand auffällig sei, dass ein Kinderarzt aus Nagold einer Patientin aus Pforzheim Wachstumshormone verordne. Bei genauer Betrachtung des Rezepts ließen sich auch formale Unstimmigkeiten erkennen, so die Form der Kreuze in den Feldern "Gebühr frei" und "aut idem" oder die Position des Arztstempels.
Der Retaxationsbetrag wurde im Abrechnungsmonat Juni 2011 mit späteren Ansprüchen aus Arzneilieferungen verrechnet.
In einem weiteren Schreiben vom 07.09.2011 erläuterte der Landesapothekerverband eingehend, der Kläger habe trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt die Fälschung nicht erkennen können.
Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 17.11.2011, sie halte an der Retaxation gleichwohl fest.
Der Kläger verfolgt sein Begehren mit seiner am 09.02.2012 zum Sozialgericht Karlsruhe erhobenen Klage fort.
Zur Begründung trägt er vor, ihm sei im Zusammenhang mit der Einlösung der Verordnung vom 09.04.2011 kein Sorgfaltspflichtverstoß vorzuwerfen. Das äußere Erscheinungsbild der Verordnung sei ordnungsgemäß. Es enthalte die wesentlichen Angaben zur Versicherten, Krankenversicherung, verordnetem Arzneimittel und verordnetem Arzt. Das Arzneimittel sei exakt bezeichnet gewesen. Die Verordnung trage zudem einen Vertragsarztstempel und sei unterschrieben. Die behauptete optische Abweichung der maschinellen Kreuze in den Kästchen "Gebühr frei" und "aut idem" könne beispielsweise von dem verwendeten Rezeptdrucker abhängig sein. Auch sei die Position des Arztstempels nicht auffällig. Es gäbe keine kollektivvertraglichen Regelungen, die einem Vertragsarzt vorschrieben, seinen Arztstempel in einen bestimmten Millimeterabstand zum rechten und unteren Rand der Verordnung aufzusetzen. Ein Sorgfaltspflichtverstoß sei auch nicht aus dem Umstand herzuleiten, dass die beiden Vertragsarztnummern nicht vollkommen identisch seien. Die ersten sieben Stellen beider Nummern würden nicht voneinander abweichen. Mit den erst zum 01.07.2008 umgestellten Nummernformat, sei nicht zwingend ein inhaltlicher Unterschied verbunden. Vor diesem Hintergrund könnten zwei fehlende Nullen der Vertragsarztnummer kein berechtigtes Misstrauen begründen, zumal der Apotheker rechtlich nicht zur Prüfung und zum Abgleich dieser Nummern verpflichtet sei. Auch aus der Kleinschreibung des Krankenkassennamens könne keine andere Bewertung erfolgen. Die steigende Zahl der Neufirmierungen ließen ein solches Misstrauen nicht zu. Zudem sei es üblich, dass manche Krankenkassen Teile ihres Namens konsequent kleinschrieben. Außerdem sei der Inhalt der Verordnung plausibel. Bei einem Untersuchungsintervall von 5 Monaten sei die verordnete Menge nicht besonders hoch. Die Verordnung sei nicht offensichtlich medizinisch unsinnig. Es sei nicht Aufgabe des Apothekers, sich zum Obergutachter des Vertragsarztes aufzuschwingen. Die Überprüfung erstattungsrechtlicher Formalien gehöre gerade nicht zum im Übrigen umfangreichen Pflichtenkatalog des Apothekers. Deshalb habe er auch nicht die Angabe des Versichertenstatus auf seine Richtigkeit überprüfen müssen. Ebenso rechtfertige die Entfernung von 60 km zur Arztpraxis kein besonderes Misstrauen. Bei besorgten Eltern sei es normal, dass diese weitere Wegstrecken in Kauf nehmen würden. Den Apotheker treffe keine Pflicht, die Existenz des verordneten Arztes zu überprüfen. Erst recht müsse er kein Misstrauen hegen, wenn die typische Indikation des verordneten Arzneimittels in die allgemeine Fachrichtung des vermeintlich verordneten Arztes falle. Auch der Wert eines Arzneimittels erlaube keinerlei Rückschlüsse auf besondere misstrauenserweckende Umstände. Es gehöre zum alltäglichen Aufgabenbereich des Apothekers auch hochpreisige Arzneimittel abzugeben. Ihm sei schließlich das Missbrauchspotential von Wachstumshormonen bekannt gewesen. Aus diesem Grund habe er sich nach der Rezepteinreichung diskret um Nachforschungen per Internet und Telefon bemüht. Er habe noch am gleichen Abend einen Kontrollanruf beim Vertragsarzt vorgenommen, dort jedoch niemanden erreicht. Würde von jedem Apotheker tatsächlich gefordert, bei einer noch so banalen formalen Abweichung auf der Verordnung, Kontrollanrufe bei den verordneten Ärzten durchzuführen, würde dies einen vollkommen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand erzeugen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 18.113,12 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, die gefälschte Verordnung sei als solche erkennbar gewesen. Der Kläger habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt bei der Abgabe nicht gewahrt. Es hätte ihm auffällig erscheinen müssen, dass ein im fast 60 km entfernten Nagold praktizierender Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin für eine Patienten aus Pforzheim Wachstumshormone verordne. Auffällig in diesem Zusammenhang sei ebenfalls die sehr große verordnete Menge von 20 Fertigspritzen bei einem Arzneimittelmissbrauchspotenzial und hohem Schwarzmarktwert. Typisch in diesem Zusammenhang sei auch, dass immer wieder an Freitagen oder Sonnabenden versucht werde, entsprechend gefälschte Verordnungen einzulösen, also an Tagen, an denen die Erreichbarkeit von Ärzten erschwert sei. So sei es auch vorliegend gewesen. Die verordnete Menge, die für fast zwei Quartale reiche, sei eher ungewöhnlich. Der Arzt belaste sein Budget immer für das Quartal, in dem er die Verordnung ausgestellt habe. Weiter sei auch die Art der verordneten Menge auffällig. Die Verordnung von "N 1" bei 20 Fertigspritzen sei absolut ungewöhnlich. Üblich sei eine Verordnung von 4 x N 2. Bei der Betrachtung der Verordnung hätte auch auffallen müssen, dass die Position und das Format der Angabe im Feld "Versichertenstatus" unrichtig sei. Auch sei die unterschiedlich angegebene Länge der Betriebsstättennummer des Arztes auffällig. Der Arztstempel weise außerdem nur die Fax-, aber nicht die Telefonnummer auf. Auch die Schreibweise der Krankenkasse "XXX" sei nicht korrekt. Der Wohnort der Patientin sei 60 km vom Praxissitz des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin entfernt. Sowohl die Position des Arztstempeleindruckes, als auch die Form der Kreuze in den Feldern "Gebühr frei" und "aut idem" sei ungewöhnlich. Bei Würdigung all dieser Auffälligkeiten in der Gesamtschau habe das pharmazeutische Fachpersonal des Klägers bzw. der Kläger selbst die Fälschung des Rezeptes erkennen müssen. Entsprechend habe die Verordnung ja auch beim Kläger umgehend zu Zweifeln geführt, denn er habe nach seinen eigenen Angaben eine Internetrecherche nach dem Arzt durchgeführt und in der Arztpraxis angerufen, um sich zweifelsfrei Gewissheit über die Echtheit der Verordnung zu verschaffen. Eine Auswertung habe ergeben, dass der Kläger in der Zeit von Oktober 2010 bis November 2011 mit der Beklagten 2463 Verordnungen abgerechnet habe und nur eine davon im 5-stelligen Bereich gewesen sei. Es habe sich deshalb um ein selten verordnetes, hochpreisiges Medikament gehandelt, welches auf dem Schwarzmarkt gehandelt werde und deshalb beim Kläger hätte zu Misstrauen führen müssen. Es sei dem Kläger ohne weiteres und ohne großen Aufwand möglich gewesen, den bei ihm unbekannten Kunden nach Vorlage des Personalausweises oder der Krankenversicherungskarte der Patientin zu fragen, gerade, wenn die hochpreisige Verordnung erstmals eingelöst werde.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der gerichtlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung des abgegebenen und abgerechneten Arzneimittel Norditropin Nordiflex in Höhe von 18.130,12 EUR nebst Zinsen.
Statthafte Klageart ist die Leistungsklage; denn der Kläger begehrt mit seiner Klage die gerichtliche Prüfung, ob die Beklagte berechtigt war, die Vergütung der gefälschten Verschreibung von Arzneimitteln zu verweigern. Sein Klagebegehren geht damit letztlich auf Zahlung. Hierüber hat kein Verwaltungsakt zu ergehen, d. h. keine einseitig hoheitliche Regelung der handelnden Behörde durch Verwaltungsakt gegenüber einem Adressaten. Vielmehr besteht ein Gleichordnungsverhältnis zwischen den Beteiligten im Sinne einer echten Leistungsklage. Dies schließt eine Klage nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aus (BSG SozR 3-2200, § 376 d Nr. 1). Die Krankenkassen sind demnach nicht zum Erlass von Verwaltungsakten gegenüber freiberuflich tätigen Apothekern ermächtigt, zumal das Gesetz in § 129 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) eine vertragliche Regelung der Rechtsbeziehungen von Krankenkassen und Apothekern in einem Gleichordnungsverhältnis vorsieht. Rechtsgrundlage für den Zahlungsanspruch ist § 129 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch (SGB V) iVm § 3 Absatz 1 und Absatz 2 des Rahmenvertrages nach § 129 Absatz 2 SGB V(Rahmenvertrag) und § 3 Absatz 8 Satz 1 des zwischen dem Landesapothekerverband Baden-Württemberg eV einerseits und der IKK Baden-Württemberg, dem BKK Landesverband Baden-Württemberg und der Bundesknappschaft Verwaltungsstelle München andererseits abgeschlossenen Arzneiliefervertrages vom 01.04.2004 (ALV) gemäß § 129 Absatz 5 Satz 1 SGB V. Ein Zahlungsanspruch ist jedoch nach § 3 Absatz 8 des ALV ausgeschlossen. Danach dürfen gefälschte Verordnungen oder Verordnungen auf missbräuchlich benutzten Verordnungsblättern nicht beliefert werden, wenn die Fälschung oder der Missbrauch bei Wahrung der erforderlichen Sorgfalt erkennbar war. Es besteht keine Verpflichtung der Krankenkassen, Lieferungen auf Grund erkennbar gefälschter Verordnungen zu bezahlen. Da lediglich die Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt vorausgesetzt wird, reicht einfache Fahrlässigkeit. Eine Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße wird mithin nicht vorausgesetzt. Maßgebend hierfür ist die Begriffsbestimmung in § 276 Absatz 1 Satz 2 BGB: Danach handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Hierfür ist ein objektiver Sorgfaltsmaßstab heranzuziehen (vgl. SG Koblenz, Urteil vom 31.05.2007, Az: S 11 KR 47/06, SG Leipzig, Urteil vom 22.04.2008, Az.: S 8 KR 164/07, beides zitiert nach juris), d. h. ein Sorgfaltsmaßstab, wie er in der maßgeblichen Vergleichsgruppe möglich ist. Dem Leistungserbringer ist es nicht möglich, sich unter Verweis auf individuelle Nachlässigkeiten oder ähnliche, vom Vergleichsmaßstab abweichende, Gesichtspunkte vom Vorwurf der Fahrlässigkeit zu befreien; denn aus § 278 BGB folgt, dass der Apothekenleiter für fahrlässiges Verhalten seiner Mitarbeiter ebenso haftet wie für eigenes. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und sämtlicher Umstände des Einzelfalles hat der Kläger bei Herausgabe des Medikaments seine erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Bei Einhaltung seiner Sorgfaltspflichten hätte er nämlich die missbräuchliche Verwendung des Verordnungsblattes erkennen können und müssen. Zuzugeben ist dem Kläger zunächst, dass weder die Position des Arztstempeleindrucks noch die Form der Kreuze in den Feldern "Gebühr frei" und "aut idem" solche Abweichungen ausweisen, dass bereits hieraus auf eine missbräuchliche Verwendung hätte geschlossen werden können. So hängt die Position der Kreuze vom genauen Einlegen des Verordnungsblattes in den Rezeptdrucker ab. Dass es in der alltäglichen ärztlichen Praxis hierbei und ebenso beim Stempelaufdrucken zu Ungenauigkeiten kommen kann, hält die Kammer weder für ausgeschlossen noch für selten. Ungeachtet dessen enthält die Verordnung jedoch weitere bedeutungsrelevante formale Mängel, die beim Anlegen des für den Kläger erforderlichen Sorgfaltsmaßstabes als solche zu erkennen gewesen wären bzw. zumindest Anlass zur weiteren Aufklärung hätten geben müssen. So war die Verordnung auf ein im Jahr 2002 geborenes Kind ausgestellt. Als Versichertenstatus war "1" angegeben, welcher grundsätzlich einem zahlenden Mitglied über 18 Jahren entspricht. Für ein Kind eines zahlenden Krankenversicherten hätte hingegen der Status mit "30001" angegeben sein müssen. Formal war zudem auch auffällig, dass die beiden auf der Verordnung angegebenen Betriebsstättennummern nicht identisch sind. Während diejenige über dem Arztstempel fehlerhaft lediglich 7-stellig ist, ist diejenige rechts unterhalb des Arztstempels befindliche Nummer 9-stellig. Ebenso war zu festzustellen, dass die Schreibweise der Krankenkasse mit "XXX" nicht korrekt war. Soweit sich der Kläger darauf beruft, er habe als Apotheker bezüglich dieser formalen Unrichtigkeiten keine Prüfungspflichten, weshalb auch kein Sorgfaltspflichtverstoß abgeleitet werden könne, so kann dies jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn auf Grund sonstiger Umstände Anzeichen für einen Missbrauch gegeben sind. In einem solchen Fall ist einem Apotheker auch zuzumuten, sich die Verordnung genauer anzusehen So lag es im vorliegenden Fall. Bereits der hohe Wert des verordneten Medikaments hätte beim Kläger zu besonderen Sorgfaltsanstrengungen führen müssen. Bei ihm wurde binnen eines Jahres nämlich lediglich ein weiteres Mal eine Verordnung eingelöst, welche ein Medikament zu einem 5-stelligen Betrag auswies. Demnach ist die Einlösung solch hochpreisiger Rezepte für den Kläger kein Alltagsgeschäft, so dass bereits dieser Umstand den Kläger zu besonderen Nachforschungen und Sorgfaltspflichten veranlassen konnte. Auffällig war des Weiteren, dass der verordnende Arzt 60 km vom Wohnort der Patientin entfernt lag. Auch waren weder die Patientin noch der verordnende Arzt dem Kläger bekannt. Insbesondere jedoch die Tatsache, dass das verordnete Medikament bzw. der darin enthaltende Wirkstoff einem hohem Missbrauchspotential unterliegt, führt zu gesteigerten Sorgfaltspflichten des Klägers. Als Apotheker muss von ihm grundsätzlich erwartet werden können, dass er von der Missbrauchsgefahr bei Wachstumshormonen Kenntnis hat und bei der Herausgabe solcher Medikamente besondere Sorgfalt walten lässt, vgl. SG Koblenz, Urteil vom 31l.05.2007, Az.: S 11 KR 47/06, zitiert nach juris. Letztlich kann sich der Kläger aber ohnehin nicht darauf berufen, um die Missbrauchsgefahr nicht gewusst zu haben. In einem Rundschreiben der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg auch wurde er hierüber konkret informiert. Hierin wird vor der Belieferung von Rezepten, die bestimmte missbrauchsgefährdete Wirkstoffe enthalten, gewarnt. Gleichzeitig werden Indizien, die auf eine Fälschung schließen lassen, genannt. So sind Formfehler auf der Verordnung, größere Mengen des verordneten Medikaments, unbekannte Patienten, ein entfernt liegender verordnender Arzt sowie der Zeitpunkt der Rezepteinlösung als Kriterien für einen potentiellen Missbrauch aufgelistet. Die dort genannten Indizien waren im vorliegenden Fall alle erfüllt. So wies die Verordnung auch eine ungewöhnlich große Menge des Medikaments aus. Eingelöst wurde es an einem Freitagnachmittag, somit zu einem Zeitpunkt, zu dem in der Regel kein Arzt mehr zu erreichen ist. Gleichzeitig enthielt diese Warnung aber auch Hinweise für den Umgang mit solchen Rezepten. So wird beispielsweise aufgeführt, man solle versuchen, den verordneten Arzt zu erreichen bzw. bis zur Klärung zunächst eine kleine Menge des Medikament abgeben. Der Kläger selbst gesteht seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verordnung ein, indem er die Existenz des Arztes recherchiert und dort einen erfolglos gebliebenen Anruf getätigt hat. Wenn der Kläger nun aber zugesteht, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verordnung gehabt zu haben, so ist es unter Berücksichtigung der Kenntnis des Klägers vom Rundschreiben der Landesapothekerkammer nicht nachvollziehbar, dass er nach einem einzigen erfolglos gebliebenen Anruf, keine weiteren Anstrengungen zur Überprüfung der Verordnung unternommen hat. Dem Kläger war es bei Zweifel zuzumuten, sich am Montag vor Abgabe des Medikaments beim Arzt die Rechtmäßigkeit der Verordnung telefonisch bestätigen zu lassen. Auch hätte der Kläger sich von der Patientin die Versichertenkarte vorlegen lassen können und sich hierdurch ohne großen Aufwand von seinen Zweifeln befreien können. Schließlich war zu berücksichtigen, dass dem Kläger auf Grund der Tatsache, dass das Medikament bestellt werden musste und erst am darauffolgenden Montag abgegeben werden konnte, genügend Zeit blieb, mehr als nur eine summarische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verordnung vorzunehmen. Hierbei hätten ihm dann auch die formalen Unstimmigkeiten der Verordnung auffallen müssen. Nicht zuletzt wäre es ihm auch möglich gewesen, den Hinweisen im Rundschreiben der Landesapothekerkammer zu folgen und bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit der Verordnung zunächst nur eine der verordneten 20 Packungen auszugeben. Dadurch hätte er den potentiellen Schaden möglichst gering halten können. Da mithin aufgrund des tatsächlichen Sachverhalts erhebliche Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die Arzneimittelverordnung gefälscht war, haben dem Kläger weitere Kontrollpflichten oblegen, denen er nicht nachgekommen ist. Bietet sowohl die vorgelegte Arzneimittelverordnung wie auch die Art des verordneten Arzneimittels im Rahmen einer Gesamtschau Anlass zu Zweifeln an einer ordnungsgemäßen Verordnung, hat der Apotheker, auch wenn ausdrückliche entsprechende Regelungen im Arzneiliefervertrag fehlen, Kontrollmaßnahmen durchzuführen, wie sie jedem Leistungserbringer im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung obliegen, vgl. auch SG Koblenz, aaO.
Die Klage war nach alledem abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die nicht bezahlte Vergütung für ein vom Kläger nach Maßgabe des anwendbaren Arzneimittelvertrages abgegebenes und abgerechnetes Arzneimittel in Höhe von 18.130,12 EUR nebst Zinsen im Streit.
Der Kläger ist Apotheker. Er betreibt die XXX-Apotheke, XXX und ist Mitglied des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg e.V. Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg ist Mitglied des Deutschen Apothekerverbandes e.V ...
Am Freitag, den 09.04.2010, legte eine Kundin dem Kläger am frühen Nachmittag in der Apotheke eine ärztliche Verordnung vom 09.04.2010 über 20 Fertigspritzen Norditropin Nordiflex 15 mg/1,5 ml N1 vor. Die Verordnung war am gleichen Tag auf XXX, geb. am 17.01.2002, ausgestellt. Als Krankenkasse war hierauf die "XXX" (die Rechtsvorgängerin der Beklagten) angegeben. Die Verordnung war auf einem Vordruck nach Muster 16 des Bundesmantelvertrages-Ärzte aufgedruckt und trug die Unterschrift und den Vertragsarztstempel des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin XXX. Für die Einzelheiten der Verordnung wird auf die sich in der Gerichtsakte befindliche Kopie hiervon Bezug genommen. Das Arzneimittel Norditropin Nordiflex des pharmazeutischen Unternehmers Novo Nordisk enthält als Wirkstoff das Wachstumshormon Somatropin, das unter anderem zur Behandlung von Kleinwuchs bei Kindern und Jugendlichen indiziert ist. Das Arzneimittel ist ferner zur Behandlung des bei Mädchen auftretenden Ullrich-Turner-Syndroms zugelassen. Das Arzneimittel Norditropin Nordiflex wird vorgefüllt in einem dosierbaren Injektor in den Verkehr gebracht und darf nach erstmaliger Anwendung bei Aufbewahrung im Kühlschrank in einem Zeitraum bis zu vier Wochen aufgebracht werden.
Das Arzneimittel war beim Kläger nicht vorrätig, weshalb er es für die Kundin bestellte. Sein Personal gab das Arzneimittel am folgenden Montag, den 12.04.2010, ab. Der Kläger reichte die Verordnung bei der VSA Verrechnungsstelle der XXX, zur Abrechnung ein, woraufhin die Beklagte den GKV-Preis von 19.052,84 EUR bezahlte.
Die vom Kläger belieferte Verordnung erwies sich im Nachhinein als Fälschung heraus. Das vom Kläger gelieferte Arzneimittel wurde zwar sichergestellt und an ihn zurückgegeben, war jedoch aufgrund der nicht nachgewiesenen Kühlung nunmehr unbrauchbar. Die Großhändlerin des Klägers verweigerte deshalb die Rücknahme.
Mit Schreiben vom 11.04.2011 beanstandete die Beklagte die Verordnung vom 09.04.2010 unter der Berichtigungsnummer 63945247 mit dem Verweis auf die Fälschung der Verordnung. Der Gesamtbetrag der Retaxation von 18.130,12 EUR errechnete sich aus dem Bruttoabrechnungswert von 19.052,84 EUR abzüglich 9,20 EUR Apothekerrabatt und 913,52 EUR Herstellerrabatt.
Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg erhob für den Kläger am 15.04.2011 Einspruch gegen die Retaxation. Das Abrechnungszentrum wies diesen mit Schreiben vom 24.05.2011 zurück. Es verwies vor allem darauf, dass vor dem Hintergrund der Gefahr des Missbrauchs von Wachstumshormonen in der Bodybuilder-Szene der Umstand auffällig sei, dass ein Kinderarzt aus Nagold einer Patientin aus Pforzheim Wachstumshormone verordne. Bei genauer Betrachtung des Rezepts ließen sich auch formale Unstimmigkeiten erkennen, so die Form der Kreuze in den Feldern "Gebühr frei" und "aut idem" oder die Position des Arztstempels.
Der Retaxationsbetrag wurde im Abrechnungsmonat Juni 2011 mit späteren Ansprüchen aus Arzneilieferungen verrechnet.
In einem weiteren Schreiben vom 07.09.2011 erläuterte der Landesapothekerverband eingehend, der Kläger habe trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt die Fälschung nicht erkennen können.
Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 17.11.2011, sie halte an der Retaxation gleichwohl fest.
Der Kläger verfolgt sein Begehren mit seiner am 09.02.2012 zum Sozialgericht Karlsruhe erhobenen Klage fort.
Zur Begründung trägt er vor, ihm sei im Zusammenhang mit der Einlösung der Verordnung vom 09.04.2011 kein Sorgfaltspflichtverstoß vorzuwerfen. Das äußere Erscheinungsbild der Verordnung sei ordnungsgemäß. Es enthalte die wesentlichen Angaben zur Versicherten, Krankenversicherung, verordnetem Arzneimittel und verordnetem Arzt. Das Arzneimittel sei exakt bezeichnet gewesen. Die Verordnung trage zudem einen Vertragsarztstempel und sei unterschrieben. Die behauptete optische Abweichung der maschinellen Kreuze in den Kästchen "Gebühr frei" und "aut idem" könne beispielsweise von dem verwendeten Rezeptdrucker abhängig sein. Auch sei die Position des Arztstempels nicht auffällig. Es gäbe keine kollektivvertraglichen Regelungen, die einem Vertragsarzt vorschrieben, seinen Arztstempel in einen bestimmten Millimeterabstand zum rechten und unteren Rand der Verordnung aufzusetzen. Ein Sorgfaltspflichtverstoß sei auch nicht aus dem Umstand herzuleiten, dass die beiden Vertragsarztnummern nicht vollkommen identisch seien. Die ersten sieben Stellen beider Nummern würden nicht voneinander abweichen. Mit den erst zum 01.07.2008 umgestellten Nummernformat, sei nicht zwingend ein inhaltlicher Unterschied verbunden. Vor diesem Hintergrund könnten zwei fehlende Nullen der Vertragsarztnummer kein berechtigtes Misstrauen begründen, zumal der Apotheker rechtlich nicht zur Prüfung und zum Abgleich dieser Nummern verpflichtet sei. Auch aus der Kleinschreibung des Krankenkassennamens könne keine andere Bewertung erfolgen. Die steigende Zahl der Neufirmierungen ließen ein solches Misstrauen nicht zu. Zudem sei es üblich, dass manche Krankenkassen Teile ihres Namens konsequent kleinschrieben. Außerdem sei der Inhalt der Verordnung plausibel. Bei einem Untersuchungsintervall von 5 Monaten sei die verordnete Menge nicht besonders hoch. Die Verordnung sei nicht offensichtlich medizinisch unsinnig. Es sei nicht Aufgabe des Apothekers, sich zum Obergutachter des Vertragsarztes aufzuschwingen. Die Überprüfung erstattungsrechtlicher Formalien gehöre gerade nicht zum im Übrigen umfangreichen Pflichtenkatalog des Apothekers. Deshalb habe er auch nicht die Angabe des Versichertenstatus auf seine Richtigkeit überprüfen müssen. Ebenso rechtfertige die Entfernung von 60 km zur Arztpraxis kein besonderes Misstrauen. Bei besorgten Eltern sei es normal, dass diese weitere Wegstrecken in Kauf nehmen würden. Den Apotheker treffe keine Pflicht, die Existenz des verordneten Arztes zu überprüfen. Erst recht müsse er kein Misstrauen hegen, wenn die typische Indikation des verordneten Arzneimittels in die allgemeine Fachrichtung des vermeintlich verordneten Arztes falle. Auch der Wert eines Arzneimittels erlaube keinerlei Rückschlüsse auf besondere misstrauenserweckende Umstände. Es gehöre zum alltäglichen Aufgabenbereich des Apothekers auch hochpreisige Arzneimittel abzugeben. Ihm sei schließlich das Missbrauchspotential von Wachstumshormonen bekannt gewesen. Aus diesem Grund habe er sich nach der Rezepteinreichung diskret um Nachforschungen per Internet und Telefon bemüht. Er habe noch am gleichen Abend einen Kontrollanruf beim Vertragsarzt vorgenommen, dort jedoch niemanden erreicht. Würde von jedem Apotheker tatsächlich gefordert, bei einer noch so banalen formalen Abweichung auf der Verordnung, Kontrollanrufe bei den verordneten Ärzten durchzuführen, würde dies einen vollkommen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand erzeugen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 18.113,12 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, die gefälschte Verordnung sei als solche erkennbar gewesen. Der Kläger habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt bei der Abgabe nicht gewahrt. Es hätte ihm auffällig erscheinen müssen, dass ein im fast 60 km entfernten Nagold praktizierender Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin für eine Patienten aus Pforzheim Wachstumshormone verordne. Auffällig in diesem Zusammenhang sei ebenfalls die sehr große verordnete Menge von 20 Fertigspritzen bei einem Arzneimittelmissbrauchspotenzial und hohem Schwarzmarktwert. Typisch in diesem Zusammenhang sei auch, dass immer wieder an Freitagen oder Sonnabenden versucht werde, entsprechend gefälschte Verordnungen einzulösen, also an Tagen, an denen die Erreichbarkeit von Ärzten erschwert sei. So sei es auch vorliegend gewesen. Die verordnete Menge, die für fast zwei Quartale reiche, sei eher ungewöhnlich. Der Arzt belaste sein Budget immer für das Quartal, in dem er die Verordnung ausgestellt habe. Weiter sei auch die Art der verordneten Menge auffällig. Die Verordnung von "N 1" bei 20 Fertigspritzen sei absolut ungewöhnlich. Üblich sei eine Verordnung von 4 x N 2. Bei der Betrachtung der Verordnung hätte auch auffallen müssen, dass die Position und das Format der Angabe im Feld "Versichertenstatus" unrichtig sei. Auch sei die unterschiedlich angegebene Länge der Betriebsstättennummer des Arztes auffällig. Der Arztstempel weise außerdem nur die Fax-, aber nicht die Telefonnummer auf. Auch die Schreibweise der Krankenkasse "XXX" sei nicht korrekt. Der Wohnort der Patientin sei 60 km vom Praxissitz des Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin entfernt. Sowohl die Position des Arztstempeleindruckes, als auch die Form der Kreuze in den Feldern "Gebühr frei" und "aut idem" sei ungewöhnlich. Bei Würdigung all dieser Auffälligkeiten in der Gesamtschau habe das pharmazeutische Fachpersonal des Klägers bzw. der Kläger selbst die Fälschung des Rezeptes erkennen müssen. Entsprechend habe die Verordnung ja auch beim Kläger umgehend zu Zweifeln geführt, denn er habe nach seinen eigenen Angaben eine Internetrecherche nach dem Arzt durchgeführt und in der Arztpraxis angerufen, um sich zweifelsfrei Gewissheit über die Echtheit der Verordnung zu verschaffen. Eine Auswertung habe ergeben, dass der Kläger in der Zeit von Oktober 2010 bis November 2011 mit der Beklagten 2463 Verordnungen abgerechnet habe und nur eine davon im 5-stelligen Bereich gewesen sei. Es habe sich deshalb um ein selten verordnetes, hochpreisiges Medikament gehandelt, welches auf dem Schwarzmarkt gehandelt werde und deshalb beim Kläger hätte zu Misstrauen führen müssen. Es sei dem Kläger ohne weiteres und ohne großen Aufwand möglich gewesen, den bei ihm unbekannten Kunden nach Vorlage des Personalausweises oder der Krankenversicherungskarte der Patientin zu fragen, gerade, wenn die hochpreisige Verordnung erstmals eingelöst werde.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der gerichtlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung des abgegebenen und abgerechneten Arzneimittel Norditropin Nordiflex in Höhe von 18.130,12 EUR nebst Zinsen.
Statthafte Klageart ist die Leistungsklage; denn der Kläger begehrt mit seiner Klage die gerichtliche Prüfung, ob die Beklagte berechtigt war, die Vergütung der gefälschten Verschreibung von Arzneimitteln zu verweigern. Sein Klagebegehren geht damit letztlich auf Zahlung. Hierüber hat kein Verwaltungsakt zu ergehen, d. h. keine einseitig hoheitliche Regelung der handelnden Behörde durch Verwaltungsakt gegenüber einem Adressaten. Vielmehr besteht ein Gleichordnungsverhältnis zwischen den Beteiligten im Sinne einer echten Leistungsklage. Dies schließt eine Klage nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aus (BSG SozR 3-2200, § 376 d Nr. 1). Die Krankenkassen sind demnach nicht zum Erlass von Verwaltungsakten gegenüber freiberuflich tätigen Apothekern ermächtigt, zumal das Gesetz in § 129 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) eine vertragliche Regelung der Rechtsbeziehungen von Krankenkassen und Apothekern in einem Gleichordnungsverhältnis vorsieht. Rechtsgrundlage für den Zahlungsanspruch ist § 129 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch (SGB V) iVm § 3 Absatz 1 und Absatz 2 des Rahmenvertrages nach § 129 Absatz 2 SGB V(Rahmenvertrag) und § 3 Absatz 8 Satz 1 des zwischen dem Landesapothekerverband Baden-Württemberg eV einerseits und der IKK Baden-Württemberg, dem BKK Landesverband Baden-Württemberg und der Bundesknappschaft Verwaltungsstelle München andererseits abgeschlossenen Arzneiliefervertrages vom 01.04.2004 (ALV) gemäß § 129 Absatz 5 Satz 1 SGB V. Ein Zahlungsanspruch ist jedoch nach § 3 Absatz 8 des ALV ausgeschlossen. Danach dürfen gefälschte Verordnungen oder Verordnungen auf missbräuchlich benutzten Verordnungsblättern nicht beliefert werden, wenn die Fälschung oder der Missbrauch bei Wahrung der erforderlichen Sorgfalt erkennbar war. Es besteht keine Verpflichtung der Krankenkassen, Lieferungen auf Grund erkennbar gefälschter Verordnungen zu bezahlen. Da lediglich die Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt vorausgesetzt wird, reicht einfache Fahrlässigkeit. Eine Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße wird mithin nicht vorausgesetzt. Maßgebend hierfür ist die Begriffsbestimmung in § 276 Absatz 1 Satz 2 BGB: Danach handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Hierfür ist ein objektiver Sorgfaltsmaßstab heranzuziehen (vgl. SG Koblenz, Urteil vom 31.05.2007, Az: S 11 KR 47/06, SG Leipzig, Urteil vom 22.04.2008, Az.: S 8 KR 164/07, beides zitiert nach juris), d. h. ein Sorgfaltsmaßstab, wie er in der maßgeblichen Vergleichsgruppe möglich ist. Dem Leistungserbringer ist es nicht möglich, sich unter Verweis auf individuelle Nachlässigkeiten oder ähnliche, vom Vergleichsmaßstab abweichende, Gesichtspunkte vom Vorwurf der Fahrlässigkeit zu befreien; denn aus § 278 BGB folgt, dass der Apothekenleiter für fahrlässiges Verhalten seiner Mitarbeiter ebenso haftet wie für eigenes. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und sämtlicher Umstände des Einzelfalles hat der Kläger bei Herausgabe des Medikaments seine erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Bei Einhaltung seiner Sorgfaltspflichten hätte er nämlich die missbräuchliche Verwendung des Verordnungsblattes erkennen können und müssen. Zuzugeben ist dem Kläger zunächst, dass weder die Position des Arztstempeleindrucks noch die Form der Kreuze in den Feldern "Gebühr frei" und "aut idem" solche Abweichungen ausweisen, dass bereits hieraus auf eine missbräuchliche Verwendung hätte geschlossen werden können. So hängt die Position der Kreuze vom genauen Einlegen des Verordnungsblattes in den Rezeptdrucker ab. Dass es in der alltäglichen ärztlichen Praxis hierbei und ebenso beim Stempelaufdrucken zu Ungenauigkeiten kommen kann, hält die Kammer weder für ausgeschlossen noch für selten. Ungeachtet dessen enthält die Verordnung jedoch weitere bedeutungsrelevante formale Mängel, die beim Anlegen des für den Kläger erforderlichen Sorgfaltsmaßstabes als solche zu erkennen gewesen wären bzw. zumindest Anlass zur weiteren Aufklärung hätten geben müssen. So war die Verordnung auf ein im Jahr 2002 geborenes Kind ausgestellt. Als Versichertenstatus war "1" angegeben, welcher grundsätzlich einem zahlenden Mitglied über 18 Jahren entspricht. Für ein Kind eines zahlenden Krankenversicherten hätte hingegen der Status mit "30001" angegeben sein müssen. Formal war zudem auch auffällig, dass die beiden auf der Verordnung angegebenen Betriebsstättennummern nicht identisch sind. Während diejenige über dem Arztstempel fehlerhaft lediglich 7-stellig ist, ist diejenige rechts unterhalb des Arztstempels befindliche Nummer 9-stellig. Ebenso war zu festzustellen, dass die Schreibweise der Krankenkasse mit "XXX" nicht korrekt war. Soweit sich der Kläger darauf beruft, er habe als Apotheker bezüglich dieser formalen Unrichtigkeiten keine Prüfungspflichten, weshalb auch kein Sorgfaltspflichtverstoß abgeleitet werden könne, so kann dies jedenfalls dann keine Geltung beanspruchen, wenn auf Grund sonstiger Umstände Anzeichen für einen Missbrauch gegeben sind. In einem solchen Fall ist einem Apotheker auch zuzumuten, sich die Verordnung genauer anzusehen So lag es im vorliegenden Fall. Bereits der hohe Wert des verordneten Medikaments hätte beim Kläger zu besonderen Sorgfaltsanstrengungen führen müssen. Bei ihm wurde binnen eines Jahres nämlich lediglich ein weiteres Mal eine Verordnung eingelöst, welche ein Medikament zu einem 5-stelligen Betrag auswies. Demnach ist die Einlösung solch hochpreisiger Rezepte für den Kläger kein Alltagsgeschäft, so dass bereits dieser Umstand den Kläger zu besonderen Nachforschungen und Sorgfaltspflichten veranlassen konnte. Auffällig war des Weiteren, dass der verordnende Arzt 60 km vom Wohnort der Patientin entfernt lag. Auch waren weder die Patientin noch der verordnende Arzt dem Kläger bekannt. Insbesondere jedoch die Tatsache, dass das verordnete Medikament bzw. der darin enthaltende Wirkstoff einem hohem Missbrauchspotential unterliegt, führt zu gesteigerten Sorgfaltspflichten des Klägers. Als Apotheker muss von ihm grundsätzlich erwartet werden können, dass er von der Missbrauchsgefahr bei Wachstumshormonen Kenntnis hat und bei der Herausgabe solcher Medikamente besondere Sorgfalt walten lässt, vgl. SG Koblenz, Urteil vom 31l.05.2007, Az.: S 11 KR 47/06, zitiert nach juris. Letztlich kann sich der Kläger aber ohnehin nicht darauf berufen, um die Missbrauchsgefahr nicht gewusst zu haben. In einem Rundschreiben der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg auch wurde er hierüber konkret informiert. Hierin wird vor der Belieferung von Rezepten, die bestimmte missbrauchsgefährdete Wirkstoffe enthalten, gewarnt. Gleichzeitig werden Indizien, die auf eine Fälschung schließen lassen, genannt. So sind Formfehler auf der Verordnung, größere Mengen des verordneten Medikaments, unbekannte Patienten, ein entfernt liegender verordnender Arzt sowie der Zeitpunkt der Rezepteinlösung als Kriterien für einen potentiellen Missbrauch aufgelistet. Die dort genannten Indizien waren im vorliegenden Fall alle erfüllt. So wies die Verordnung auch eine ungewöhnlich große Menge des Medikaments aus. Eingelöst wurde es an einem Freitagnachmittag, somit zu einem Zeitpunkt, zu dem in der Regel kein Arzt mehr zu erreichen ist. Gleichzeitig enthielt diese Warnung aber auch Hinweise für den Umgang mit solchen Rezepten. So wird beispielsweise aufgeführt, man solle versuchen, den verordneten Arzt zu erreichen bzw. bis zur Klärung zunächst eine kleine Menge des Medikament abgeben. Der Kläger selbst gesteht seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verordnung ein, indem er die Existenz des Arztes recherchiert und dort einen erfolglos gebliebenen Anruf getätigt hat. Wenn der Kläger nun aber zugesteht, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verordnung gehabt zu haben, so ist es unter Berücksichtigung der Kenntnis des Klägers vom Rundschreiben der Landesapothekerkammer nicht nachvollziehbar, dass er nach einem einzigen erfolglos gebliebenen Anruf, keine weiteren Anstrengungen zur Überprüfung der Verordnung unternommen hat. Dem Kläger war es bei Zweifel zuzumuten, sich am Montag vor Abgabe des Medikaments beim Arzt die Rechtmäßigkeit der Verordnung telefonisch bestätigen zu lassen. Auch hätte der Kläger sich von der Patientin die Versichertenkarte vorlegen lassen können und sich hierdurch ohne großen Aufwand von seinen Zweifeln befreien können. Schließlich war zu berücksichtigen, dass dem Kläger auf Grund der Tatsache, dass das Medikament bestellt werden musste und erst am darauffolgenden Montag abgegeben werden konnte, genügend Zeit blieb, mehr als nur eine summarische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verordnung vorzunehmen. Hierbei hätten ihm dann auch die formalen Unstimmigkeiten der Verordnung auffallen müssen. Nicht zuletzt wäre es ihm auch möglich gewesen, den Hinweisen im Rundschreiben der Landesapothekerkammer zu folgen und bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit der Verordnung zunächst nur eine der verordneten 20 Packungen auszugeben. Dadurch hätte er den potentiellen Schaden möglichst gering halten können. Da mithin aufgrund des tatsächlichen Sachverhalts erhebliche Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die Arzneimittelverordnung gefälscht war, haben dem Kläger weitere Kontrollpflichten oblegen, denen er nicht nachgekommen ist. Bietet sowohl die vorgelegte Arzneimittelverordnung wie auch die Art des verordneten Arzneimittels im Rahmen einer Gesamtschau Anlass zu Zweifeln an einer ordnungsgemäßen Verordnung, hat der Apotheker, auch wenn ausdrückliche entsprechende Regelungen im Arzneiliefervertrag fehlen, Kontrollmaßnahmen durchzuführen, wie sie jedem Leistungserbringer im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung obliegen, vgl. auch SG Koblenz, aaO.
Die Klage war nach alledem abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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