L 5 R 9/10

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 4 R 151/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 9/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. November 2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die (teilweise) Rücknahme der Entscheidung über die Gewährung von Witwenrente für die Zeit vom 1. Oktober 2002 bis zum 30. Juni 2005 wegen anzurechnenden eigenen Einkommens sowie über die Erstattung eines Überzahlungsbetrages in Höhe von 11.583,90 EUR.

Die 1959 geborene Klägerin ist die Witwe des 1955 geborenen und zwischen dem xx. Juni 2002 und dem xx. Juni 2002 verstorbenen Versicherten B. A. Sie war in der Zeit ab 1. Januar 1999 versicherungspflichtig beschäftigt bei dem Betriebsärztlichen Dienst Q Stadt und übte daneben auch eine selbstständige Erwerbstätigkeit als Ärztin aus.

Nach dem Tode des Ehemannes beantragte die Klägerin am 3. Juli 2002 bei der Beklagten die Gewährung von Witwenrente. Der Antrag wurde von dem Versichertenältesten QQ. aufgenommen. Dabei blieb im Antragsformular "R660" die Frage nach einem etwaigen Arbeitseinkommen der Witwe aus selbstständiger Tätigkeit unbeantwortet. Hinsichtlich des aus der Beschäftigung beim Betriebsärztlichen Dienst Q Stadt erzielten Arbeitsentgelts wurde unter Verwendung des Formulars "R665" eine Entgeltbescheinigung des Arbeitgebers vom 13. August 2002 über das im Jahre 2001 und im Juni 2002 erzielte Bruttoarbeitsentgelt vorgelegt.

Auf der Grundlage der eingereichten Unterlagen bewilligte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 13. September 2002 für die Zeit ab 1. Juli 2002 eine große Witwenrente aus der Versicherung des Ehemannes. Als anzurechnendes Einkommen wurde das aus dem abhängigen Beschäftigungsverhältnis erzielte Arbeitsentgelt der Klägerin nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen berücksichtigt.

Im Bewilligungsbescheid vom 13. September 2002 heißt es – ebenso wie sinngemäß auch in den nachfolgenden Neuberechnungsbescheiden – im Abschnitt "Mitteilungspflichten" unter anderem:

"Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen können Einfluss auf die Rentenhöhe haben. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns den Bezug, das Hinzutreten oder die Veränderung von Erwerbseinkommen, das sind
- Arbeitsentgelt,
- Arbeitseinkommen (Gewinne aus ... selbstständiger Arbeit),
- vergleichbares Einkommen,
oder von Erwerbsersatzeinkommen unverzüglich mitzuteilen.
... Soweit Änderungen Einfluss auf den Rentenanspruch oder die Rentenhöhe haben, werden wir den Bescheid – auch rückwirkend – ganz oder teilweise aufheben und zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückfordern.

Größere Überzahlungen könne vermieden werden, wenn sie uns entsprechend den Mitteilungspflichten umgehend benachrichtigen."

Unter dem 27. Februar 2003 forderte die Beklagte bei der Klägerin unter Übersendung des Formulars "R665" eine aktuelle Entgeltbescheinigung des Arbeitgebers an. Die Klägerin übersandte daraufhin am 31. März 2003 eine Entgeltbescheinigung des Betriebsärztlichen Dienstes Q-Stadt vom 24. März 2003 über das im Jahre 2002 und im Januar 2003 erzielte Bruttoarbeitsentgelt. Durch Bescheid vom 14. April 2003 nahm die Beklagte daraufhin für die Zeit ab 1. Januar 2003 – unter anderem wegen einer Änderung hinsichtlich des auf die Rente anzurechnenden Einkommens – eine Neuberechnung der Witwenrente vor.

Im Rahmen der Rentenanpassung zum 1. Juli 2003 übersandte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 22. April 2003 erneut das Formular "R665" mit der Bitte um Vorlage einer aktuellen Entgeltbescheinigung. Die Klägerin übersandte daraufhin mit Schreiben vom 12. Mai 2003 eine Bescheinigung des Betriebsärztlichen Dienstes Q-Stadt vom 9. Mai 2003 über das im Jahre 2002 und im Juli 2003 erzielte Bruttoarbeitsentgelt. Auf der Grundlage dieser Entgeltbescheinigung nahm die Beklagte durch Bescheid vom 15. Mai 2003 – unter anderem wegen einer Änderung hinsichtlich des auf die Rente anzurechnenden Einkommens – für die Zeit ab 1. Juli 2003 eine Neuberechnung der Witwenrente vor.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2005 übersandte die Beklagte der Klägerin schließlich mit der Bitte um Rücksendung sowohl das (ausführliche) Formular "R660" als auch das für eine Entgeltbescheinigung zu verwendende Formular "R665". Die Klägerin legte daraufhin eine Bescheinigung des Betriebsärztlichen Dienstes Q-Stadt vom 26. Juli 2005 über das im Jahre 2004 erzielte Bruttoarbeitsentgelt sowie das vollständig ausgefüllte Formular "R660" vor, in welchem sie unter dem 15. August 2005 (erstmals) angab, Arbeitseinkommen aus "freiberuflicher ärztlicher Tätigkeit" zu erzielen. Zugleich übersandte die Klägerin eine Kopie ihrer Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2001, 2002 und 2003. Die Beklagte erlangte dadurch erstmals Kenntnis von dem seitens der Klägerin zusätzlich zum Arbeitsentgelt aus abhängiger Beschäftigung erzielten Arbeitseinkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit.

Zunächst nahm die Beklagte daraufhin durch in der Sache bindend gewordenen Bescheid vom 11. August 2005 unter Berücksichtigung des gesamten Einkommens der Klägerin eine Neuberechnung der Witwenrente für die Zeit ab 1. Juli 2005 vor und stellte fest, dass im Hinblick auf das anzurechnende Einkommen keine Rente zu zahlen sei.

Nach vorheriger Anhörung nahm die Beklagte sodann durch Bescheid vom 23. September 2005 unter Berufung auf § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) "den Rentenbescheid vom 13. September 2002" wegen des auf die Witwenrente anzurechnenden Einkommens der Klägerin "hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 1. Juli 2002" (teilweise) zurück und forderte von der Klägerin die Erstattung der hinsichtlich der Zeit vom 1. Juli 2002 bis zum 30. Juni 2005 entstandenen Überzahlung in Höhe von insgesamt 11.583,90 EUR. Den gegen diesen Bescheid am 20. Oktober 2005 erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2006 als unbegründet zurück.

Die Klägerin erhob daraufhin am 5. Juli 2006 Klage bei dem Sozialgericht Marburg und machte geltend, dass ihr weder vorsätzliches noch grob fahrlässiges Verhalten zu Last gelegt werden könne. Sie habe das Ausfüllen der Rentenantragsformulare dem Versichertenältesten QQ. überlassen und bei Unterschrift der Formulare darauf vertraut, dass alles vollständig ausgefüllt sei. Die Beklagte habe auch nicht wegen irgendwelcher Unvollständigkeiten bei ihr Rückfrage gehalten. Dem Bewilligungsbescheid habe sie nicht entnehmen können, dass ihre Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit nicht als Einkommen berücksichtigt worden waren. Bei der Aufhebungsentscheidung habe die Beklagte im Übrigen auch das ihr zustehende Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt, sondern sich auf bloße Floskeln beschränkt.

Die Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, dass die Klägerin infolge ihrer unvollständigen Angaben bösgläubig sei. Wenn sie den Rentenantrag "blind" unterschrieben habe, dann gehe dies zu ihren Lasten.

Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 24. November 2009 den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2006 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Rentenbescheides vom 13. September 2002 weder nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X noch nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X erfüllt seien.

Ein Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X sei nicht gegeben, weil die Klägerin weder vorsätzlich noch grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht habe. Sie habe vielmehr anlässlich der Antragstellung gegenüber dem Versichertenältesten QQ. alle erforderlichen Angaben gemacht und ihre Einkommensverhältnisse offen gelegt. Dies sei von der Beklagten nicht widerlegt worden und auch nicht zu widerlegen. Eine Befragung des Versichertenältesten QQ. sei nicht mehr möglich, weil dieser 2009 verstorben sei. Die Beklagte müsse gegen sich gelten lassen, dass von der Klägerin alle bei ihr angeforderten Unterlagen vorgelegt worden seien.

Auch eine Rückforderung auf der Grundlage von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X scheide aus, weil der Klägerin nicht vorgehalten werden könne, dass sie die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 13. September 2002 gekannt bzw. infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt habe. Sie habe diesbezüglich auch die erforderliche Sorgfalt nicht in besonders schwerem Maße verletzt. Der eigentliche Bescheid bestehe aus sechs Seiten, wovon vier Seiten sehr eng beschrieben sind, was zu einem erheblichen Aufwand des Lesens führe. Dem Bescheid beigefügt seien acht Anlagen, worin die Berechnung des Zahlbetrages erfolge. Dies nachzuvollziehen sei – wie in der Klagebegründung ausgeführt – einem Rentenempfänger praktisch nicht möglich. Auch der Hinweis der Beklagtenseite auf den Beruf der Klägerin als Ärztin und einen daraus zu entnehmenden höheren Intelligenzgrad könne zu keinem anderen Ergebnis führen, denn zum ersten könne nicht nach Berufen unterschieden werden, wie hoch die "erforderliche Sorgfalt" im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X angesetzt werden muss und zum zweiten sei nicht zwingend zu folgern, dass eine Bescheidempfängerin mit akademischem Abschluss die Details einer Rentenberechnung und die daraus folgenden Konsequenzen leichter nachvollziehen könne als ein vergleichbarer Bescheidempfänger mit geringerem Ausbildungsgrad.

Schließlich müsse die Beklagte gegen sich gelten lassen, dass sie ihren sich aus § 16 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) erwachsenen Pflichten nicht nachgekommen sei. Danach seien Leistungsträger verpflichtet darauf hinzuwirken, dass unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden. Bei Prüfung des Rentenantrags vom 7. August 2002 sei die Beklagte demnach zwingend ("sind") verpflichtet gewesen, auf eine Nachholung der fehlenden Angaben zu einem etwaigen Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit in Ziffer 4 des Antragsformulars hinzuwirken. Dies habe die Beklagte allerdings pflichtwidrig unterlassen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 14. Dezember 2000 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 8. Januar 2010 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen und macht geltend, dass die Klägerin im Rentenbewilligungsbescheid vom 13. September 2002 ausdrücklich auf die ihr hinsichtlich des Erzielens von Arbeitseinkommen obliegenden Mitteilungspflichten hingewiesen worden sei. Aus der Darstellung der Einkommensanrechnung in Anlage 8 des Rentenbewilligungsbescheides habe die Klägerin auch ersehen können, dass nur das Arbeitsentgelt aus dem abhängigen Beschäftigungsverhältnis berücksichtigt worden sei.

Es sei im Übrigen auch nicht ermessensfehlerhaft, dass die Frage des Mitverschuldens der Beklagten am Zustandekommen der streitigen Überzahlung nicht in die Ermessensausübung mit eingeflossen sei. Dennoch werde (vorsorglich) das Ergebnis der Ermessensausübung im angefochtenen Bescheid vom 23. September 2005 entsprechend der gesetzlichen Ermächtigung in § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB X – wie folgt ergänzt:

"Auch unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens hält die Beklagte eine vollumfängliche Rücknahme der Bescheide vom 13. September 2002 und vom 15. Mai 2003 für gerechtfertigt. Das private Interesse der Klägerin, den überzahlten Betrag nicht zurückzahlen zu müssen, wiegt nach der Auffassung der Beklagten nicht so schwer wie das öffentliche Interesse beziehungsweise das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Rückforderung überzahlter Beträge."

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. November 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie sieht sich in ihrer Auffassung durch das erstinstanzliche Urteil bestätigt.

Abgesehen davon, dass die Beklagte auch durch ihre ergänzenden Ausführungen zur Ermessenausübung keine an den Einzelaspekten des vorliegenden Falles orientierte ordnungsgemäße Ermessensbetätigung vorgenommen, sondern schlicht Behauptungen mit Leerformeln aufgestellt habe, greife zu ihren Gunsten auch § 41 Abs. 1 Ziff. 2 SGB X nicht. Da die Beklagte vorgerichtlich kein Ermessen ausgeübt habe, liege ein Ermessensfehlgebrauch vor. Dies ist kein Fehler der Ermessensbegründung im Sinne von § 41 Abs. 1 Ziff. 2 SGB X, sondern ein Mangel der Ermessensbetätigung gemäß § 39 Abs. 1 SGB X und damit im Prozess nicht mehr nachholbar.

Der Senat hat mit Schreiben vom 6. April 2010 einen rechtlichen Hinweis erteilt und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Versicherten betreffenden Rentenakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. November 2009 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2006 kann keinen Bestand haben, weil er die Klägerin in ihren Rechten verletzt.

Ausgangspunkt für das Tätigwerden der Beklagten ist im vorliegenden Fall die gesetzliche Regelung des § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), wonach das Einkommen (§§ 18a bis 18e Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)) von Berechtigten, das mit einer Witwenrente oder Witwerrente zusammentrifft, hierauf grundsätzlich angerechnet wird.

Nach § 18a Abs. 1 Nr. 1 SGB IV ist bei einer Rente wegen Todes unter anderem das Erwerbseinkommen zu berücksichtigen, welches in § 18a Abs. 2 Satz 1 SGB IV näher als Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen und vergleichbares Einkommen definiert wird. Maßgebend für die Einkommensanrechnung ist gemäß § 18b Abs. 1 SGB IV grundsätzlich das monatliche Einkommen, bei Erwerbseinkommen allerdings das Einkommen des letzten Kalenderjahres, geteilt durch die Zahl der Kalendermonate, in denen es erzielt wurde (§ 18b Abs. 2 Satz 1 SGB IV) und gekürzt um die Beträge nach § 18b Abs. 5 Nr. 1 SGB IV. Arbeitsentgelt wird aus einer abhängigen Beschäftigung erzielt (§ 14 SGB IV), wogegen das Arbeitseinkommen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV (früher nur Satz 1) in der seit Inkrafttreten des SGB IV unveränderten Definition "der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit" ist.

Wie sich aus § 18a Abs. 1 Nr. 2 SGB IV ergibt, sind auf Renten wegen Todes außerdem als Einkommen diejenigen Leistungen anzurechnen, die erbracht werden um Erwerbseinkommen zu ersetzen (Erwerbsersatzeinkommen). Zum Erwerbsersatzeinkommen zählen der Vorschrift des § 18a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB IV zufolge neben anderen Leistungen auch die Renten der Rentenversicherung wegen Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit, wobei Kinderzuschuss, Kinderzulage und vergleichbare kindbezogene Leistungen gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2 SGB IV außer Betracht bleiben.

Mehrere zu berücksichtigende Einkommen sind nach der Vorschrift des § 18b Abs. 1 Satz 2 SGB IV zusammenzurechnen.

Die gesetzlichen Bestimmungen über die Anrechnung von Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen auf die Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 18. Februar 1998 - 1 BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86 = BVerfGE 97, 271 = SozR 3-2940 § 58 Nr. 1) hat ausdrücklich hervorgehoben, dass die Hinterbliebenenversorgung nicht auf einer den Hinterbliebenen zurechenbaren Eigenleistung (vgl. BVerfG vom 4. Juli 1995 - 1 BvF 2/86 = BVerfGE 92, 365, 405) beruht und dass Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung auf Hinterbliebenenversorgung demgemäß auch nicht dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unterliegen. Die Hinterbliebenenrente stellt vielmehr eine vorwiegend fürsorgerisch motivierte Leistung dar, zumal sie ohne eigene Beitragsleistung des Rentenempfängers und ohne erhöhte Beitragsleistung des Versicherten gewährt wird (vgl. BVerfG vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 = BVerfGE 76, 256, 300 f.). Insgesamt dient sie damit der Sicherung der Familienangehörigen im Rahmen des dem Sozialversicherungssystem eigenen Gedankens des sozialen Ausgleichs. Da die Hinterbliebenenrente Unterhaltsersatzfunktion hat, ist die Berücksichtigung des eigenen Einkommens der Hinterbliebenen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) sachgerecht und unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Im Hinblick darauf, dass Hinterbliebenenrenten die Berücksichtigung einer typisierten Bedarfslage ohne die genauere Festlegung eines individuellen Bedarfs unter Berücksichtigung des jeweiligen Einkommens eigen ist, war der Gesetzgeber nicht gehindert, die Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung im Hinblick auf anrechenbares Einkommen abweichend von anderen Rentenleistungen zu regeln. Insoweit handelt es sich nicht einmal um eine Systemwidrigkeit, die einen Gleichheitsverstoß indizieren könnte. Auch das im System der Sozialversicherung angelegte Prinzip des sozialen Ausgleichs rechtfertigt die Anrechnungsregelung, die einen kleinen Teil aller Hinterbliebenenrenten voll zum Ruhen bringt, um den sozial Schwächeren eine relativ höhere Sicherung zukommen zu lassen. Die in § 18a SGB IV getroffene Unterscheidung zwischen anzurechnenden und nicht anzurechnenden Arten von Einkommen verletzt dabei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) insbesondere auch nicht den Gleichheitssatz, weil die Abgrenzung nach sachgerechten Kriterien erfolgt (vgl. BVerfG vom 12. März 1996 1 BvR 609/90 = BVerfGE 94, 241, 260).

Die Beklagte ist in Anbetracht dieser gesetzlichen Regelung zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin von Rechts wegen in der vorliegend streitigen Zeit vom 1. Juli 2002 bis zum 30. Juni 2005 jedenfalls der Höhe nach keinen Anspruch auf eine ohne Berücksichtigung ihrer Einkünfte aus abhängiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit berechneten Witwenrente in der ihr tatsächlich gezahlten Höhe haben konnte und dass der ungeachtet des anzurechnenden Arbeitseinkommens ergangene Rentenbewilligungsbescheid vom 13. September 2002 sowie die Neuberechnungsbescheide vom 14. April 2003 und vom 15. Mai 2003 deshalb hinsichtlich der Rentenhöhe von Anfang an rechtswidrig waren. Dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen in der Sache auch ebenso unstreitig wie der Gesamtbetrag der hier insgesamt in Rede stehenden Überzahlung von 11.583,90 EUR. Das Rechenwerk der Beklagten als solches ist in den Einzelheiten nicht umstritten, so dass es insoweit keiner weiteren Darlegungen bedarf.

Unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen ein solcher rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt grundsätzlich zurückgenommen werden kann, ist in § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) geregelt. Auf diese gesetzliche Bestimmung hat sich die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zu Recht berufen.

Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er der Vorschrift des § 45 Abs. 1 SGB X zufolge, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X der Begünstigte nicht berufen, soweit

1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,

2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder

3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

In den Fällen des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung der Vorschrift des § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X zufolge auch nach Ablauf der Frist von 10 Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde.

Gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X wird der Verwaltungsakt nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

Soweit ein Verwaltungsakt nach Maßgabe der vorstehend genannten Bestimmungen aufgehoben worden ist, sind gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X die bereits erbrachten Leistungen zu erstatten. Die zu erstattende Leistung ist der Vorschrift des § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X zufolge durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 SGB X soll die Festsetzung, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsaktes erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

Wie das Sozialgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat, steht der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2006 nicht im Einklang mit diesen gesetzlichen Bestimmungen.

Soweit die Beklagte unter Berufung auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X von der Klägerin die Erstattung der gesamten für die Zeit vom 1. Juli 2002 bis zum 30. Juni 2005 überzahlten Witwenrente in Höhe von insgesamt 11.583,90 EUR beansprucht, fehlt es zum überwiegenden Teil bereits an einer ordnungsgemäßen Aufhebung des Verwaltungsakts, auf dessen Grundlage die in Rede stehenden Rentenleistungen erbracht worden sind.

Die Zahlung von Witwenrente an die Klägerin beruhte

- auf dem Bescheid der Beklagten vom 13. September 2002 (erstmalige Bewilligung von Witwenrente ab 1. Juli 2002),

- auf dem Bescheid der Beklagten vom 14. April 2003 (Neuberechnung der Witwenrente ab 1. Januar 2003 unter anderem "weil sich das auf die Rente anzurechnende Einkommen geändert hat")

sowie

- auf dem Neuberechnungsbescheid vom 15. Mai 2003 (Neuberechnung der Witwenrente ab 1. Juli 2003 unter anderem "weil sich das auf die Rente anzurechnende Einkommen geändert hat")

Zwar ist mit dem Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 13. September 2002 das nachfolgend nicht mehr in Frage gestellte sog. Stammrecht der Klägerin auf Gewährung von Witwenrente begründet worden. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten handelt es sich bei den Neuberechnungsbescheiden vom 14. April 2003 und vom 15. Mai 2003 allerdings nicht bloß um sog. wiederholende Verfügungen, sondern alle drei Bescheide enthalten eine jeweils eigenständige Regelung hinsichtlich der Rentenhöhe, also genau in jenem Punkt, auf welchen sich die vorliegend streitige Aufhebungsentscheidung der Beklagten bezieht. Der Verfügungssatz des streitgegenständlichen Bescheides vom 23. September 2009 lautet demgegenüber jedoch lediglich:

"Der Rentenbescheid vom 13. September 2002 wird hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 1. Juli 2002 nach § 45 SGB X zurückgenommen; die entstandene Überzahlung (vgl. Anlage 1) ist von Ihnen nach § 50 SGB X zu erstatten."

Es erscheint angesichts dessen zweifelhaft, ob der geltend gemachte Erstattungsanspruch sich überhaupt auch auf die in der Zeit ab 1. Januar 2003 gezahlte Witwenrente beziehen kann oder ob insoweit nicht die in den Bescheiden vom 14. April 2003 und vom 15. Mai 2003 jeweils zur Rentenhöhe getroffene Regelung einen Rechtsgrund zum Behalten der empfangenen Leistungen darstellt.

Welche Regelung in einem Bescheid getroffen wird, ergibt sich aus dessen Verfügungssatz, wobei nach dem Bestimmtheitsgebot des § 33 SGB X zu fordern ist, dass ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt zu sein hat. Das Bestimmtheitsgebot dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Hinblick auf das Interesse des Betroffenen an einer exakten Kenntnisnahme dessen, was ihm gegenüber geregelt wird. Daneben ist die inhaltlich hinreichende Bestimmtheit aber auch deshalb unentbehrlich, weil der Verwaltungsakt gegebenenfalls als Vollstreckungstitel der Behörde Grundlage der Zwangsvollstreckung sein kann. Er muss daher zumindest den Adressaten eindeutig bezeichnen und die ihm gegenüber im sog. Verfügungssatz (vgl. § 37 Abs. 4 Satz 1 SGB X: "verfügender Teil") getroffene Regelung unmissverständlich formulieren. Letzteres ist nur dann der Fall, wenn der Adressat aus dem Wortlaut eindeutig und ohne Schwierigkeiten entnehmen kann, welche inhaltliche Regelung der Verwaltungsakt unter Bezugnahme auf welchen Sachverhalt trifft. Der Adressat muss insbesondere wissen, was von ihm bis wann verlangt wird, was er ab wann zu unterlassen hat, was ihm gestattet oder untersagt wird, welche Feststellungen getroffen werden, welche Leistungen ihm nach Art, Höhe und Dauer gewährt werden bzw. welche Beiträge er für welchen Zeitraum aus welchem Grund zu zahlen hat.

Wie die Beklagte selbst eingeräumt hat, bezieht sich der angefochtene Bescheid vom 23. September 2005 dem unmissverständlichen Wortlaut nach in seinem verfügenden Teil lediglich auf eine Aufhebung des Rentenbescheids vom 13. September 2002, nicht aber auf die nachfolgenden Neuberechnungsbescheide vom 14. April 2003 und vom 15. Mai 2003. Zwar hat die Beklagte auf den entsprechenden Hinweis des Senats klargestellt, dass in Wirklichkeit auch eine Aufhebung der Folgebescheide gewollt (gewesen) sei. Die Einlassung der Beklagten, es sei "für den verständigen Empfänger unzweifelhaft der Wille der Beklagten zum Ausdruck (gekommen), dass die bisher verlautbarten Verwaltungsakte über die "Rentenhöhe" (insgesamt) nicht mehr gelten und zurückgenommen werden", hilft insoweit allerdings nicht weiter. Denn ein Verwaltungsakt ist nur dann im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn sein Regelungsgehalt für die Betroffenen ohne weitere Rückfrage bei der Behörde eindeutig und unschwer erkennbar ist. Es ist zwar zu berücksichtigen, dass der Verwaltungsakt als zugangsbedürftige Erklärung des hoheitlichen Behördenwillens vom Empfängerhorizont her auszulegen ist und dass der Adressat sich in aller Regel zunächst redlich bemühen muss, den wirklichen Willen der Behörde durch Auslegung zu erkennen, wobei er nicht am buchstäblichen Ausdruck haften darf (vgl. § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)).

Die Grenzen einer möglichen Auslegung sind zur Überzeugung des Senats jedoch überschritten, wenn eine tatsächlich erklärte Regelung (vorliegend: Zurücknahme der die Rentenhöhe betreffenden Regelung in einem einzelnen, datumsmäßig genau bezeichneten Verwaltungsakt) in Widerspruch zum eindeutigen Wortlaut des Verfügungssatzes uminterpretiert werden soll in eine gänzlich andere Regelung (hier: Zurücknahme auch der die Rentenhöhe betreffenden Regelung in mehreren weiteren, nicht genau bezeichneten Verwaltungsakten), die sich bei verständiger Betrachtungsweise als wesensverschiedenes aliud darstellt. Ausgehend von Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgebots (vgl. oben) darf nämlich nicht übersehen werden, dass es sich bei dem jeweiligen auslegungsbedürftigen Verwaltungsakt auch um einen gemäß § 77 SGG mit dem tatsächlichen Verfügungssatz, nicht hingegen mit dem vielleicht Gewollten in der Sache bindend werdenden – Vollstreckungstitel handelt und dass die Behörde nicht zuletzt im Interesse der Rechtssicherheit gehalten ist, das Verwaltungsverfahren nicht durch vermeidbare Unklarheiten zu belasten (BVerwGE 41, 306 sowie BVerwG NJW 1972, 1682 unter Hinweis auf Art. 19 Abs. 4 GG; vgl. ferner Meyer, NVwZ 1986, 513, 517).

Die von der Beklagten zitierten Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG vom 22. März 1995 - 10 Rkg 10/89, BSG vom 11. Dezember 1992 in SozR 3-1300 § 48 Nr. 22 und BSG vom 13. Dezember 2000 - B 5 RJ 42/99 R) gebieten insoweit schon bereits deshalb keine andere Sicht der Dinge, weil im vorliegenden Fall eben gerade nicht für jeden verständigen Empfänger ohne jeglichen Zweifel klar sein muss, dass die Beklagte drei Rentenbescheide zurückgenommen hat, obwohl im Verfügungssatz ihres Aufhebungsbescheides ausdrücklich nur ein einziger Bescheid genannt ist. Dem Senat ist aus einer Vielzahl gleichgelagerter Aufhebungs- und Erstattungsfälle bekannt, dass die Beklagte – anders als im vorliegenden Fall – sehr wohl in der Lage ist, diejenigen Bescheide, die von einer Aufhebungsentscheidung erfasst werden sollen, exakt zu bezeichnen. Gleichwohl hat sie jedoch im Falle der Klägerin auch von der ihr ausdrücklich eingeräumten Möglichkeit zum Erlass eines die tatsächlich gewollte Regelung klarstellenden Ergänzungsbescheides keinen Gebrauch gemacht. Im Ergebnis kann der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2006 damit schon bereits deshalb keinen Bestand haben, weil dessen Verfügungssatz ("Rücknahme des Rentenbescheides vom 13. September 2002") lediglich die in der Zeit vom 1. Juli 2002 bis zum 31. Dezember 2002 überzahlte Witwenrente in Höhe von 869,88 EUR erfasst, wohingegen es hinsichtlich der Erstattungsforderung im Übrigen an einer die Rentengewährung ab 1. Januar 2003 betreffenden Rücknahmeentscheidung fehlt.

Selbst wenn man der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung folgt und den angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2006 dahingehend auslegt, dass hierdurch nicht nur der Bescheid vom 13. September 2002 hinsichtlich der Rentenhöhe zurückgenommen worden ist, sondern auch die Neuberechungsbescheide vom 14. April 2003 und vom 15. Mai 2003, so ändert dies im Ergebnis nichts an der Rechtswidrigkeit der seitens der Beklagten getroffenen Regelung. Denn die Beklagte hat bei ihrer Aufhebungsentscheidung keine den Anforderungen des § 45 Abs. 2 SGB X genügende Vertrauensschutzprüfung vorgenommen.

Das Sozialgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass ein den Vertrauensschutz nach Maßgabe des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB X vernichtender Tatbestand im Falle der Klägerin ganz offenkundig nicht gegeben ist, weil sie den Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts weder durch Täuschung oder Drohung noch durch Bestechung erwirkt hat.

Es erscheint darüber hinaus auch fraglich, ob die hinsichtlich der Rentenhöhe getroffene Verwaltungsentscheidung der Beklagten entsprechend der Vorschrift des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X auf Angaben beruht, welche die Klägerin vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Hinsicht unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Dass die Angaben der Klägerin objektiv unrichtig bzw. unvollständig waren, weil sie hinsichtlich ihres Arbeitseinkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit zunächst keinerlei Einkünfte deklariert hat, kann nicht ernstlich in Zweifel gezogen werden. Hierin liegt ein Verstoß gegen die generell für jeden Empfänger von Sozialleistungen bestehenden Mitwirkungspflichten, denn wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. In diesem Sinne ist auch der im Rentenbewilligungsbescheid der Beklagten vom 13. September 2002 enthaltene Hinweis zu verstehen, dass Arbeitseinkommen einen Einfluss auf die Rentenhöhe haben kann und dass deshalb die gesetzliche Verpflichtung besteht, etwaige Einkünfte aus einer selbstständigen Erwerbstätigkeit unverzüglich mitzuteilen. Dieser Hinweis ist so klar und eindeutig, dass die Klägerin nicht mit dem Einwand gehört werden kann, sie habe keine Kenntnis von den ihr obliegenden Mitwirkungspflichten gehabt.

Es reicht allerdings nicht aus, dass die Angaben der Klägerin objektiv unrichtig bzw. unvollständig waren. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, kann sich nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X auf ein schutzwürdiges Vertrauen nur derjenige nicht berufen, der auch in subjektiver Hinsicht ("vorsätzlich oder grob fahrlässig") unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt der in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X enthaltenen Legaldefinition zufolge vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und wenn das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BSG vom 31. August 1976 - 7 RAr 112/74 = BSGE 42, 184, 187 und BSG vom 28. November 1978 - 4 RJ 130/77 = SozR 2200 § 1301 RVO Nr. 8 m.w.N). Bezogen auf den vorliegenden Fall hat das Sozialgericht insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass die Klägerin glaubhaft versichern konnte, anlässlich der Antragstellung gegenüber dem Versichertenältesten alle erforderlichen Angaben gemacht und ihre Einkommensverhältnisse komplett (also auch hinsichtlich der Einkünfte aus selbstständiger Erwerbstätigkeit) offen gelegt zu haben. Anhaltspunkte dahingehend, dass die Klägerin einen Teil ihrer Einkünfte vorsätzlich oder grob fahrlässig verschwiegen haben könnte, sind demgegenüber weder von der Beklagten aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich. Für die Ehrlichkeit der Klägerin spricht vielmehr, dass sie ihr Arbeitseinkommen nach Erhalt der entsprechenden Aufforderung der Beklagten vom 29. Juli 2005 sogleich ohne irgendwelche Verschleierungsversuche ordnungsgemäß offen gelegt hat.

Wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, kann der Klägerin auch nicht auf der Grundlage von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vorgehalten werden, dass sie die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 13. September 2002 gekannt bzw. infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt habe. Denn auch insoweit kann bei verständiger Würdigung aller Begleitumstände nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße (also: zumindest grob fahrlässig) verletzt hat. Das komplizierte Rechenwerk zur Ermittlung des auf die Hinterbliebenenrente anzurechnenden eigenen Einkommens der Klägerin erstreckt sich im Bewilligungsbescheid vom 13. September 2002 ebenso wie in den Neuberechnungsbescheiden vom 14. April 2003 bzw. vom 15. Mai 2003 über mehrere Seiten, so dass in der Tat nicht ohne weiteres die Annahme gerechtfertigt erscheinen kann, es habe jedem aufgrund einfachster und ganz nahe liegender Überlegungen einleuchten müssen, dass bei den Berechnungen der Beklagten das Einkommen der Klägerin aus selbstständiger Erwerbstätigkeit unberücksichtigt geblieben sei. Unter Berücksichtigung der Urteils- und Kritikfähigkeit sowie des Einsichtsvermögens der Klägerin erscheint es zur Überzeugung des Senats unangemessen, ihr gegenüber in einer Situation, in welcher der Rentenversicherungsträger selbst hinsichtlich der Umsetzung des rechtlich gebotenen Verwaltungshandelns in erratischer Weise vorgegangen ist, den Vorwurf einer besonderen schwerwiegenden, schlechthin unentschuldbaren Nachlässigkeit zu erheben.

Selbst wenn man trotz der soeben aufgezeigten Gesichtspunkte einen grundsätzlich zur rückwirkenden Bescheidkorrektur berechtigenden Fall des § 45 SGB X als gegeben ansehen will, ist der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juni 2006 im Übrigen jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte im Rahmen ihrer Rücknahmeentscheidung nicht das ihr nach dem Gesetz eingeräumte Ermessen entsprechend der gesetzlichen Ermächtigung ausgeübt hat.

Wie sich aus § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X ergibt, ist im Rahmen der Rücknahmeentscheidung jeweils im Einzelfall eine Abwägung vorzunehmen zwischen dem Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsaktes einerseits und dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte andererseits. Zweck der Ermächtigung in § 45 SGB X ist es, in Anbetracht der Besonderheiten des Einzelfalls von einer dem Grunde nach vorliegenden Rücknahmemöglichkeit zugunsten des Betroffenen ganz oder teilweise Abstand nehmen zu können. Es handelt sich insoweit nicht lediglich um einen auf Ausnahmefälle beschränktes "Soll"-Ermessen (vgl. BSG vom 4. Februar 1988 - 11 RAr 26/87 = BSGE 63, 37 = SozR 1300 § 45 Nr. 34; BSG vom 17. Oktober 1990 – 11 Rar 3/88 = SozR 3 1300 § 45 Nr. 5), sondern um eine regelmäßige Pflicht zur Ermessensausübung (vgl. BSG vom 9. September 1998 - B 13 RJ 41/97 R - m.w.N.), die auch in den Fällen der Bösgläubigkeit im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 nicht von vornherein kraft Gesetzes ausgeschlossen ist (BSG vom 25. Januar 1994 - 4 RA 16/92 = SozR 3-1300 § 50 Nr. 16; BSG vom 24. Januar 1995 - 8 RKn 11/93 = BSGE 75, 291 = SozR 3-1300 § 50 Nr. 17). Auf die pflichtgemäße Ausübung eines dementsprechenden Ermessens besteht vielmehr der Vorschrift des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I zufolge ein genereller Rechtsanspruch.

Es steht der Behörde in den Grenzen ihres Ermessens in der Regel frei, auf welche Umstände sie im Rahmen der Ermessensbetätigung abstellen will (vgl. BSG vom 21. März 1990 - 7 RAr 112/88 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 2). Die Ermessensausübung ist jedoch gerichtlich dahingehend zu überprüfen, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (vgl. BSG vom 10. August 1993 - 9 BV 4/93 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 18). Zu den in diesem Sinne bei der Ermessenausübung zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalles gehört anerkanntermaßen auch die Frage danach, auf wessen Verschulden das Zustandekommen der fehlerhaften Entscheidung beruht (vgl. BSG vom 21. März 1990 - 7 RAr 112/88 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 2; BSG vom 8. Februar 1996 - 13 RJ 35/94 = BSGE 77, 295 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 27). Ein Mitverschulden oder gar ein alleiniges Verschulden des Rentenversicherungsträgers bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Umfang der Bescheidrücknahme und damit die Höhe der Überzahlung zu reduzieren sind. Vielmehr sind auch bei einem Mitverschulden des Rentenversicherungsträgers Fälle denkbar, in denen andere Ermessensgründe – insbesondere ein überwiegendes öffentliches Interesse der Versichertengemeinschaft an der Korrektur rechtswidriger Verwaltungsentscheidungen – so schwer wiegen, dass dennoch eine vollumfängliche Bescheidrücknahme als geboten erscheinen kann. Unabhängig von der Frage, wie die Ermessensentscheidung der Behörde im Ergebnis ausfällt, ist jedoch in jedem Falle zu fordern, dass die Behörde tatsächlich und nach außen erkennbar ihr Ermessen ausübt. Aus dem jeweiligen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid muss angesichts dessen ersichtlich sein, dass die Behörde sich ihres Ermessensspielraums erkennbar bewusst war, sich also nicht allein wegen der Erfüllung der tatsächlichen Voraussetzungen des § 45 SGB X zur Rücknahme gezwungen gesehen hat, dass die Behörde keine besondere Härte beim Versicherten als gegeben ansieht und dass die Behörde im Übrigen entweder das Vorhandensein von weiteren Umständen, die nach ihrer Auffassung eine Ausübung des Ermessens zu Gunsten des Bürgers nach sich ziehen könnten, verneint oder ausführt, dass bestimmte benannte Umstände ein teilweises Absehen von der Rücknahme nicht rechtfertigen (vgl. KassKomm-Steinwedel § 45 SGB X Rdnr. 56 m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen muss sich die Beklagte im vorliegenden Fall entgegenhalten lassen, dass die Frage ihres eigenen Mitverschuldens am Zustandekommen der rechtswidrigen Rentenzahlung sowohl im Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23. September 2009 als auch im endgültigen Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2006 unberücksichtigt geblieben ist. Dabei war sich die Beklagte aufgrund der Aktenlage offenkundig sehr wohl darüber im Klaren, dass sie nach § 16 Abs. 3 SGB I verpflichtet gewesen wäre, auf eine unverzügliche Ergänzung des hinsichtlich des Arbeitseinkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit unvollständigen Rentenantrags der Klägerin hinzuwirken, und dass die rechtswidrige Rentenzahlung vermeidbar gewesen wäre, wenn die Beklagte nicht pflichtwidrig auf der Grundlage eines unvollständigen Leistungsantrags eine Bewilligungsentscheidung getroffen und damit überhaupt erst einen Fall entstehen lassen hätte, in welchem Leistungen für die Vergangenheit zurückzufordern sind, die von der Versicherten jedenfalls nicht offenkundig bösgläubig in Empfang genommen worden sind. Anders als im verlautbarten Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2006 findet sich nämlich im ursprünglichen Entwurf (Bl. 357 Rentenakten Bd. II) zu diesem Widerspruchsbescheid insoweit noch eine Passage mit folgendem Wortlaut:

"Die Frage, ob die Behörde ein Verschulden am Zustandekommen des rechtswidrigen Verwaltungsaktes trifft, ist sekundär. Es kommt entscheidend darauf an, wie das Verhalten des Begünstigten zu werten ist."

Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Passage dahingehend zu verstehen ist, dass die Beklagte bereits überhaupt gar kein Erfordernis zur Ermessensbetätigung für gegeben beachtet hat oder aber davon ausgegangen ist, dass auch unter Berücksichtigung ihres eigenen Verschuldens eine Ermessensausübung zu Gunsten der Klägerin jedenfalls im Ergebnis nicht in Betracht kommen könne. Denn verlautbart worden ist in den der Klägerin bekannt gegebenen Bescheiden hinsichtlich der vorzunehmenden Ermessensprüfung überhaupt nichts.

Bei dieser Sachlage kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf an, ob es im Ergebnis vertretbar gewesen wäre, wenn sie nach ordnungsgemäßer Ermessensausübung entsprechend den im Urteil des Bundessozialgerichts vom 21. März 1990 (7 RAr 112/88) niedergelegten Grundsätzen zu der Ermessensentscheidung gelangt wäre, dass dem Gesichtspunkt ihres Mitverschuldens keine Bedeutung zukommt.

In den einschlägigen Arbeitsanweisungen der Beklagten (vgl. rvLiteratur, Rechtshandbuch zu § 45 SGB X Anm. 8.2. zu "Umfang und Begründung des Ermessens") wird in der Sache zutreffend und hinsichtlich der Wortwahl unmissverständlich darauf hingewiesen, dass die Ermessensausübung ausführlich zu begründen ist. Es heißt dort:

"Bei der Begründung des Ergebnisses der Ermessensausübung ist von entscheidender Bedeutung, dass im Rücknahmebescheid zum Ausdruck gebracht wird, dass sich der Rentenversicherungsträger der Erforderlichkeit einer Ermessensausübung bewusst war und Ermessen auch ausgeübt hat. Die Ermessensentscheidung - mit welchem Ergebnis auch immer - ist daher ausführlich zu begründen. Die Begründung muss alle Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen wurde (§ 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Trifft zum Beispiel den Rentenversicherungsträger ein Mitverschulden oder das alleinige Verschulden und soll von der vollumfänglichen Bescheidrücknahme nicht abgesehen werden, muss bei der Begründung der Ermessensentscheidung zum Ausdruck kommen, dass er sich des Mitverschuldens oder des alleinigen Verschuldens bewusst war, dies aber im Hinblick auf andere Ermessensgründe zurück steht."

Es heißt in den Arbeitsanweisungen weitergehend ausdrücklich, dass "Formulierungen wie »Auch im Wege des Ermessens halten wir die Bescheidrücknahme für gerechtfertigt.« oder »Gründe für eine Ermessensentscheidung zu Ihren Gunsten liegen nicht vor.« ... dem Begründungsgebot nicht (genügen)" und dass ein "Verstoß gegen die Begründungspflicht ... zur Rechtswidrigkeit des Bescheides und gegebenenfalls zur Aufhebung durch die Sozialgerichtsbarkeit" führt. Auch gemessen an diesen von der Beklagten selbst für ihr Verwaltungshandeln aufgestellten Anforderungen leiden die angefochtenen Bescheide damit ganz offenkundig an einem Begründungsdefizit und verletzen daher die Klägerin in ihren Rechten.

Ungeachtet der Frage, ob die von der Beklagten im Berufungsverfahren durch ihren Schriftsatz vom 12. Mai 2010 vorgenommene Ergänzung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 23. September 2005 durch die Passage

"Auch unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens hält die Beklagte eine vollumfängliche Rücknahme der Bescheide vom 13.09.2002 und vom 15.05.2003 für gerechtfertigt. Das private Interesse der Klägerin, den überzahlten Betrag nicht zurückzahlen zu müssen, wiegt nach der Auffassung der Beklagten nicht so schwer, wie das öffentliche Interesse beziehungsweise das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Rückforderung überzahlter Beträge."

dem Erklärungsinhalt nach geeignet sein könnte, das vorliegende Begründungsdefizit zu beheben, besteht entgegen der Auffassung der Beklagten insoweit keine Möglichkeit zur Nachholung mehr.

Soweit sich die Beklagte auf § 41 Abs.1 Nr. 2, Abs. 2 SGB X beruft, muss sie sich entgegenhalten lassen, dass die Nachholung einer fehlenden Begründung (insbesondere von Ausführungen zum Vertrauensschutz und zur Ermessensausübung) spätestens bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozialgerichtlichen Verfahrens nach Maßgabe der zum 1. Januar 2001 neu geschaffenen Vorschrift des § 41 Abs. 2 SGB X (vgl. das entsprechende Gesetz vom 21. Dezember 2000, BGBl I 1983) nur dann in Betracht kommen kann, wenn die Bekanntgabe des ergänzungsbedürftigen Widerspruchsbescheides nach dem 31. Dezember 2000 erfolgt ist. Bereits diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Eine Heilung des im angefochtenen Bescheid vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2006 anhaftenden Begründungsdefizits wäre vorliegend allenfalls durch einen neuen, ersetzenden Rücknahmebescheid der Beklagten möglich gewesen, wobei allerdings bei dessen Erlass die Fristen des § 45 SGB X abgestellt auf den Rücknahmebescheid – erneut zu beachten gewesen wären (vgl. BSG vom 6. Oktober 1984 - GS 1/91 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 23). Von der Möglichkeit zum Erlass eines solchen, nach § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des Berufungsverfahrens werdenden Bescheides hat die Beklagte freilich im vorliegenden Fall keinen Gebrauch gemacht.

Die Klägerin hat im Übrigen zu Recht darauf hingewiesen, dass die Nachholung einer fehlenden Begründung nur eine nachträgliche Mitteilung der für die Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe zum Gegenstand haben kann, dass der Regelungsumfang des ursprünglichen (streitgegenständlichen) Bescheides dabei jedoch nicht verändert werden darf. Im vorliegenden Fall bedarf der Bescheid der Beklagten vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2006 allerdings nicht lediglich einer nachträglichen vertiefenden Begründung hinsichtlich des anfänglich mitgeteilten Ergebnisses einer erkennbar vorgenommenen Ermessensprüfung. Vielmehr enthalten die angefochtenen Bescheide schlechthin gar keine Ausführungen hinsichtlich einer bezogen auf ihr eigenes Mitverschulden erfolgten Ermessensbetätigung der Beklagten, so dass ein Fall des sog. Ermessensnichtgebrauchs gegeben ist. Eine gänzlich fehlende Ermessensbetätigung ist allerdings im Prozess nicht mehr nachholbar (vgl. von Wulffen-Schütze § 41 SGB X Rdnr. 11).

Die Berufung konnte damit im Ergebnis keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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