Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 6 R 271/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 205/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Selbständige Ökotrophologen, die überwiegend auf Grund von Notwendigkeitsbescheinigungen tätig werden, unterliegen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin der Rentenversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt.
Die Verwaltungsakte über die Klägerin beginnt mit einer Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit, dass diese der Klägerin einen Existenzgründungszuschuss für maximal drei Jahre bis 14.02.2008 gewährt habe. Hierauf bat die Beklagte die Klägerin mit Schriftsatz vom 04.05.2005 um Ausfüllung eines Fragebogens zur Frage der Versicherungspflicht. Die Klägerin teilte der Beklagten daraufhin mit, dass sie zur Gruppe der Freiberufler gehöre und halbtags arbeite. Sie werde vermutlich zunächst nicht viel mehr als monatlich 400,00 EUR verdienen (Bl. 8 Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 24.05.2005 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin nach § 2 S.1 Nr. 10 SGB VI auf Grund des gewährten Existenzgründungszuschusses fest (Bl. 11 Verwaltungsakte).
Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens überreichte die Klägerin ein Diplomzeugnis der Fachhochschule ZN. mit dem Abschluss "Diplom-Ökotrophologin" vom 16.06.1993 (Bl. 45 Verwaltungsakte).
Die Beklagte gelangte sodann im Juli 2007 zur Einschätzung, dass zu prüfen sei, ob die Klägerin mit ihrer selbständigen Tätigkeit als Dozentin der Versicherungspflicht nach dem SGB VI unterfalle (Bl. 70 Verwaltungsakte).
In dem am 23.07.2007 ausgefüllten Fragebogen zur Feststellung der Pflichtversicherung kraft Gesetzes als selbständig Tätiger gab die Klägerin an, überwiegend beratend sowohl im Ernährungsbereich als auch im Bereich der Arbeitslosenbetreuung tätig zu sein. Inzwischen verdiene sie monatlich mehr als 400 EUR, wobei sie im Zusammenhang mit ihrer Arbeit keinen anderen Arbeitnehmer beschäftige. Als Auftraggeber gab die Klägerin u.a. mehrere Ärzte an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Antragsformular Bezug genommen (Bl. 75 Verwaltungsakte).
Mehreren überreichten Bescheiden der Bundesagentur für Arbeit kann entnommen werden, dass der Existenzgründungszuschuss bis 14.02.2008 weiterbewilligt wurde (Bl. 77-79 Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 23.08.2007 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin mit ihrer selbständigen Tätigkeit in der Zeit vom 01.02.2001 bis 14.02.2005 der Versicherungspflicht kraft Gesetzes in der Rentenversicherung unterliege, wobei in diesem Zeitraum die Versicherungspflicht ausscheide, weil die Klägerin nur eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt habe, so dass Versicherungsfreiheit im Sinne des § 5 Abs. 2 SGB VI bestehe. Unabhängig hiervon bestehe aber ab 15.02.2005 Versicherungspflicht gem. § 2 S.1 Nr. 10 SGB VI. Auf den hierzu ergangenen Bescheid werde Bezug genommen (Bl. 84 Verwaltungsakte).
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 07.09.2007 Widerspruch ein. Da sie Diplom-Ökotrophologin sei, sei sie ihren Auftraggebern gegenüber nicht weisungsgebunden. Sie habe verschiedene Auftraggeber (Privatpersonen und Firmen) und könne sich ihre Zeit frei einteilen und gehöre daher zur Gruppe der Freiberufler und unterliege damit nicht der Versicherungspflicht (Bl. 85 Verwaltungsakte).
Hierauf erwiderte die Beklagte, dass sie auf Grund der Angaben der Klägerin davon ausgegangen sei, dass diese eine beratende Tätigkeit im Rahmen eines Dozentenvertrages ausübe. Zur weiteren Klärung der Angelegenheit werde die Klägerin gebeten, ihre Tätigkeit zu beschreiben (Bl. 87 Verwaltungsakte).
Mit Schriftsatz vom 29.10.2007 teilte die Klägerin daraufhin mit, dass es sich bei ihrer Tätigkeit nicht um eine Dozententätigkeit handele. Sie sei niedergelassene Ökotrophologin und habe sich im näheren Umkreis Kontakte zu Arztpraxen aufgebaut, die im Bedarfsfalle ihre Adresse an ihre Patienten weitergäben. In der Regel rechne sie dann direkt mit den Patienten ab. Außerdem berate sie übergewichtige Arbeitslosengeld II-Empfänger. Hier leite ein Bildungsträger Interessierte an sie weiter. Außerdem werde ihre Adresse über Krankenkassen an interessierte Versicherte weitergeben, woraus sich auch ein Teil ihrer Klienten rekrutierte. Ihre Tätigkeit sei als individuelle Ernährungsberatung zu beschreiben. Sie berate bei sämtlichen ernährungsbedingten Erkrankungen und unterliege bei den Beratungen keinen vorgeschriebenen Abläufen. Da die Krankenkassen für übergewichtige Patienten länger andauernde Kurse als präventive Maßnahmen verschreiben würden, führe sie auch diese durch. Außerdem sei sie für einen Bildungsträger tätig, für den sie bei Bedarf Arbeitslosen bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen helfe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin sei als Lehrerin im Sinne des § 2 S.1 Nr. 1 SGB VI anzusehen. Auf den Widerspruchsbescheid, der bestandskräftig wurde, wird Bezug genommen.
Im Januar 2008 wandte sich die Klägerin telefonisch erneut an die Beklagte. Sie arbeite inzwischen mit Krankenkassen zusammen und sei nicht überwiegend lehrend tätig. Ihre Tätigkeit sei überwiegend Beratung (Bl. 109 Verwaltungsakte). Die Beklagte übersandte der Klägerin daraufhin erneut den Fragebogen zur Feststellung der Pflichtversicherung kraft Gesetzes als selbständig Tätige. Dem von der Klägerin am 01.02.2008 eingereichten Fragebogen kann u.a. entnommen werden, dass die Klägerin Menschen, die ernährungsabhängige gesundheitliche Probleme hätten, berate. Sie verdiene monatlich mehr als 400,00 EUR, habe aber keine Arbeitnehmer beschäftigt. Ihre Auftraggeber seien Privatpersonen und Arztpraxen, die sie empfehlen würden (Bl. 112 f. Verwaltungsakte).
Dem Fragebogen war eine Registrierungsurkunde "Ernährungstherapie" beigefügt, der entnommen werden kann, dass die Klägerin die Qualifikationsanforderungen für die Ernährungsberatung und Ernährungstherapie des Instituts QW. e.V. erfülle. Dies entspreche den empfohlenen Qualifikationen der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 20 Abs. 1 und 2 und § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (Bl. 116 Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 04.03.2008 stellte die Beklagte fest, dass bei der Klägerin im Zeitraum vom 15.02.2005 bis 14.02.2008 Versicherungspflicht auf Grund des Bezugs eines Existenzgründungszuschusses nach § 2 S.1 Nr. 10 SGB VI vorliege. Ab dem 15.02.2008 bestehe nunmehr Versicherungspflicht nach § 2 S.1 Nr. 1-2 SGB VI, da die Klägerin keinen Existenzsicherungszuschuss mehr erhalte, jedoch die selbständige Tätigkeit weiterhin ausübe (Bl. 136 Verwaltungsakte).
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 28.03.2008 Widerspruch ein. Sie gehöre nicht zur Gruppe der nach § 2 S.1-2 Nr. 1-3 SGB VI zugehörigen Berufsgruppen. Sie arbeite als Diplom-Ökotrophologin in eigener Praxis. Ihre Auftraggeber seien Privatpersonen, Ärzte- bzw. Kinderarztpraxen oder Firmen, die ihre Dienstleistungen als Ernährungstherapeutin für die individuelle Betreuung ihrer Klientel nutzten. Für diese Auftraggeber führe sie Ernährungsberatungen durch, in denen es immer um einen Einzelfall gehe, für den nach individuellen Lösungsansätzen für das akute Problem gesucht und Ernährungstherapie abgestimmt werde. Somit unterscheide sich ihre Tätigkeit von einer dozierenden Person, die vom Einzelfall losgelöst abstraktes Wissen vermittele. Es seien vielmehr Parallelen zur Berufsgruppe der Psychotherapeuten zu sehen. So stelle der Arzt beispielsweise einem Patienten eine Notwendigkeitsbescheinigung nach § 43 SGB V aus, worauf sie als Ernährungstherapeutin nach der Erhebung einer Ernährungsanamnese den Therapieverlauf nach Art und Inhalten, Umfang sowie Beratungsfrequenzen individuell gestalten müsse. Damit sei auch eine Parallele zur Berufsgruppe der Physiotherapeuten hinfällig (Bl. 130 f. Verwaltungsakte).
In der Verwaltungsakte befindet sich des Weitern ein Auszug aus der Berufsordnung für Diplom-Ökotrophologen in der Ernährungsberatung und -therapie (Bl. 134 ff.).
Mit Schriftsatz vom 30.03.2009 wandte sich die Beklagte an die Klägerin. Man vertrete weiterhin die Auffassung, dass die Klägerin versicherungspflichtig sei; zu klären sei nur, nach welcher Vorschrift. Grundsätzlich könnten nämlich Ökotrophologen auf Grund ihrer vielseitigen Ausbildung im Themenkomplex "gesunde Ernährung" in unterschiedlichen Bereichen tätig sein. Für die Beurteilung sei daher maßgebend, wie sich die Tätigkeit der zu beurteilenden Person gestalte. Die Klägerin habe angegeben, Ernährungsberatungskurse und Einzelberatungen für Übergewichtige mit therapeutischer Zielsetzung, bei denen die Linderung oder Behebung von Essstörungen im Mittelpunkt stünden, durchzuführen. Ihre Tätigkeit sei nicht in erster Linie durch die Vermittlung von Wissen und Kenntnissen geprägt. Man teile die Auffassung der Klägerin, dass diese überwiegend selbst therapeutisch tätig werde. Voraussetzung für eine therapeutische Tätigkeit sei immer auch das Diagnostizieren von Krankheitssymptomen mit dem Ziel, die Krankheit zu beheben oder zu lindern. Die ständige Rechtsprechung unterscheide versicherungsrechtlich immer zwischen denen, die selbst Heilkunde ausüben (z.B. Ärzte und Heilpraktiker) und denen, die bei der Krankenbehandlung auf Verordnung eines Heilkundigen tätig würden (z.B. Physiotherapeuten, Masseure). Nur die Personenkreise, die in Abhängigkeit von einem Heilkundigen und überwiegend auf Grund von ärztlicher An- oder Verordnung tätig seien, würden der Versicherungspflicht unterliegen. Auch bei Ökotrophologen erfolge die ernährungstherapeutische Tätigkeit in Kooperation mit dem beratenden Arzt, dessen medizinische Diagnose zugrunde liege. Entsprechend der Berufsordnung müsse der Ökotrophologe über den gesamten Verlauf der Therapie bei Unklarheiten und Auffälligkeiten den Arzt kontaktieren und mit diesem geeignete Maßnahmen absprechen. Am Ende der Therapie solle der Arzt einen Bericht erhalten. Ökotrophologen seien damit nicht wie Heilkundige befähigt, selbst die Diagnose zu stellen, sondern könnten nur in Abhängigkeit von einem Heilkundigen tätig werden und seien daher der versicherungspflichtigen Gruppe der Pflegepersonen im Sinne des § 2 S.1 Nr. 2 SGB VI zuzuordnen, sofern sie überwiegend aufgrund ärztlicher An- und Verordnung tätig würden und keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigten. Sofern die Klägerin ohne Verordnung eines Arztes tätig werde, handele es sich um Wissenschaftsvermittlung, die unter § 2 S.1 Nr. 1 SGB VI falle. Die Klägerin werde insoweit um erneute Auskunft gebeten.
Hierauf erwiderte die Klägerin, dass sie ihren Widerspruch aufrecht erhalte. In nahezu 100 % der Fälle würden ihre Patienten mit einer Notwendigkeitsbescheinigung der Krankenkasse nach § 43 SGB V zu ihr kommen. Häufig würden bei den Patienten multiple ernährungsbedingte Erkrankungen vorliegen. Nicht selten erhalte sie bei der Durchführung der Ernährungstherapie Hinweise auf das Essverhalten, die der Arzt bei seiner Diagnose gar nicht sehen könne, die aber ursächlich für die Erkrankung seien und die nur sie in der Ernährungsberatung therapieren könne. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit mit ca. 95 % liege in der Einzeltherapie. Auf Nachfrage habe ihr der Berufsverband der Ökotrophologen mitgeteilt, dass ihre Tätigkeit nicht auf Grund einer ärztlichen Verordnung erfolge, sondern auf der Basis einer Notwendigkeitsbescheinigung, die von ärztlicher Seite die Diagnose im Hinblick auf das Krankheitsbild wiedergebe und wichtige Laborparameter mitteile. Die Anamnese des Ernährungsstatus und die daraus abzuleitende Ernährungstherapie stelle der Ökotrophologe dagegen selbständig fest und versuche, seine Therapie bezogen auf das Krankheitsbild anzupassen. Der Austausch zwischen dem Arzt und dem Ökotrophologen sei nichts anderes als der Austausch unter Fachkollegen, wie er auch zwischen Ärzten verschiedener Fachrichtung vorkomme.
Mit Bescheid vom 22.09.2009 stellte die Beklagte eine Versicherungspflicht der Klägerin nach § 2 S.1 Nr.1-2 SGB VI ab 15.02.2008 fest. Der Bescheid werde Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Mit Schriftsatz vom 05.12.2009 ergänzte die Klägerin den Widerspruch dahingehend, dass sie mit den Ärzten kooperativ zusammenarbeite, diesen gegenüber aber nicht weisungsgebunden sei und nahm Bezug auf die Berufsordnung der Ökotrophologen. Auch werde sie ohne sachlichen Grund im Verhältnis zu Logopäden benachteiligt.
Die Beklagte legte den Schriftsatz ihrem Grundsatzreferat vor, welches in seiner Stellungnahme vom 11.05.2010 ausführt, dass die Entscheidung anhand der von der Rechtsprechung entwickelten Unterscheidung von Heilkundigen (z.B. Ärzte und Heilpraktiker) und denen, die bei der Krankenbehandlung auf Verordnung eines Heilkundigen tätig würden (z.B. Physiotherapeuten, Masseure), vorzunehmen sei. Die Klägerin habe ihre Tätigkeit als Ökotrophologin beschrieben. Dabei habe sie darauf hingewiesen, dass sie nicht auf ärztliche Verordnung tätig werde, sondern lediglich auf der Basis einer durch den Arzt ausgestellten Notwendigkeitsbescheinigung gem. § 43 SGB V. Sie erläutere, dass diese die Diagnose eines Krankheitsbildes sowie die Laborwerte enthalte. Die Berufsordnung für Ökotrophologen beschreibe im Anhang I, Artikel I.6 die Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt. Dort werde bestätigt, dass der ernährungstherapeutischen Tätigkeit die medizinische Diagnose zugrunde liege. Des Weiteren werde beschrieben, dass der Ökotrophologe bei Unklarheiten den Arzt kontaktieren solle und am Ende der Therapie einen kurzen Bericht über den Verlauf und das Ergebnis für diesen erstellen solle. Der Schlussfolgerung der Klägerin, dass dies lediglich ein Austausch unter Fachkollegen sei, wie bei Ärzten unterschiedlicher Berufsgruppen, könne man sich nicht anschließen. Das Wort Kooperation in dem Artikel der Berufsordnung bedeute zunächst einmal lediglich das Zusammenwirken, also die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Ökotrophologen. Die Weisungsabhängigkeit ergebe sich jedoch auf Grund der weiteren Ausführungen im Artikel I.6. Die Tatsache, dass die medizinische Diagnose Grundlage der ernährungstherapeutischen Tätigkeit sei und der Ökotrophologe bei Unklarheiten und Auffälligkeiten in der Notwendigkeitsbescheinigung oder im Krankheitsverlauf den behandelnden Arzt kontaktieren solle sowie am Ende der Therapie einen Bericht über den Verlauf und das Ergebnis an den Arzt erstellen solle, mache die Abhängigkeit vom Heilkundigen deutlich. Anders als der Logopäde und ähnlich wie der Physiotherapeut erstelle der Ökotrophologe auch keinen medizinischen Befund, was auch nicht Gegenstand des Studiums sei. Natürlich könne die Klägerin – wie auch ein Physiotherapeut – ohne eine Notwendigkeitsbescheinigung (Verordnung) tätig werden. Maßgebend sei jedoch, dass die Klägerin überwiegend nicht ohne tätig werde. Soweit die Klägerin sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 10.03.2005 berufe (V R 54/05), müsse festgestellt werden, dass es in diesem Urteil um Fragen der Umsatzsteuer gehe, wobei der BFH Ärzte, Heilpraktiker, Krankengymnasten, Hebammen und andere heilberuflich Tätige steuerlich gleich behandele, so dass hieraus keine Schlussfolgerungen zu ziehen seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es sei von einer Versicherungspflicht nach § 2 S.1 Nr.2 SGB VI auszugehen.
Am 26.07.2010 hat die Klägerin gegen die Bescheide in Gestalt des Widerspruchsbescheids Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben.
Mit Bescheid vom 13.01.2011, der Gegenstand des Klageverfahrens werde, hat die Beklagte eine Änderung der Beitragshöhe geregelt.
Mit Schriftsatz vom 22.10.2012 hat der Bevollmächtigte der Klägerin die aktualisierte Fassung der Berufsordnung für Ökotrophologen übersandt, auf die Bezug genommen wird (Bl. 88 ff. Gerichtsakte).
Mit ihrer Klagebegründung hat die Klägerin an ihren Einwänden gegen die fehlende Gleichstellung von Ökotrophologen und Logopäden festgehalten und eine Stellungnahme des Verbandes der Ökotrophologen vom 15.08.2010 überreicht, in der ausgeführt wird, dass Ökotrophologen nicht auf Grund einer ärztlichen Verordnung, sondern auf Grund einer Notwendigkeitsbescheinigung, in der die medizinische Diagnose gestellt werde, tätig würden. Den Ernährungsstatus stelle der Ökotrophologe im Rahmen der Anamnese selbständig fest. Auch seien Ökotrophologen weisungsfrei. Die Zusammenarbeit zwischen Ökotrophologen und Ärzten sei nichts anderes als der Austausch unter Fachkollegen, wie bei Ärzten verschiedener Fachrichtungen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 04.03.2008 in der Fassung des Bescheids vom 22.09.2009 und des Widerspruchsbescheids vom 06.07.2010 sowie des Bescheids vom 13.01.2011 aufzuheben und festzustellen, dass ab 15.02.2008 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass eine Weisungsgebundenheit schon vorliege, wenn jemand auf Grund einer ärztlichen An- und Verordnung tätig werde. Der Begriff sei weit auszulegen. Weiterhin werde hinsichtlich der Frage der Gleichbehandlung mit Logopäden auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12.01.2007 Bezug genommen (12 R 14/06 B). Hier habe das BSG ausgeführt, dass von der rentenversicherungsrechtlichen Behandlung anderer Leistungserbringer (Logopäden) nicht auf das eigene Bestehen oder Nichtbestehen von Versicherungspflicht geschlossen werden dürfe. Auch sei es denkbar, eine Ungleichbehandlung dadurch zu beheben, andere Personengruppen in den Kreis der Pflichtversicherten einzubeziehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin unterliegt ab 15.02.2008 der Rentenversicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 S.1 Nr. 2 SGB VI.
Nach § 2 S.1 Nr. 2 SGB VI sind selbständige Pflegepersonen, die in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- oder Kinderpflege tätig sind und im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, versicherungspflichtig.
1. Zunächst ist die Klägerin im Bereich der Krankenpflege tätig.
Der Begriff der Krankenpflege ist weit auszulegen und kann als Tätigwerden zur Heilung einer Krankheit, zur Verhütung ihrer Verschlimmerung oder zur Linderung der Krankheitsbeschwerden verstanden werden (vgl. Fichte in: Hauck & Haines, SGB VI, Lfg. 2/07, § 2 Rn. 46; Gürtner in: Kasseler Kommentar, SGB VI, 74. Lfg 2012, nach beck-online, § 2 Rn. 13).
Vorliegend arbeitet die Klägerin als Selbständige mit Patienten, die nach Auffassung der behandelnden Ärzte auf Grund pathologischer Körperfunktionen oder der Gefahr von ernährungsbedingten Krankheiten einer Beratung bzw. einer Therapie bei der Ernährung bedürften. Die Klägerin kümmert sich also um kranke oder von Krankheit bedrohte Menschen im Bereich der Krankenpflege.
2. Auch hat die Klägerin im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen Arbeitnehmer beschäftigt.
3. Weiterhin handelt es sich bei der Klägerin um eine Pflegeperson im Sinne des § 2 S.1 Nr. 2 SGB VI.
Gürtner führt (im Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VI, § 2 Rn. 12, 64. Auflage 2010, beck-online) zum betreffenden Personenkreis aus:
"Bei den in Nr. 2 genannten Pflegepersonen handelt es sich um solche Selbständige, die in grundsätzlicher Weisungsabhängigkeit (und insoweit arbeiternehmerähnlich) in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- und Kinderpflege tätig sind ( ). Da die nach Nr. 2 versicherungspflichtig selbständig Tätigen geraden nicht als Arbeitnehmer beschäftigt sind, kann sich die in der Gesetzesbegründung genannte Weisungsabhängigkeit nur darauf beziehen, dass die Pflegepersonen grundsätzliche auf ärztliche Anordnung bzw. Verordnung tätig sind. Die Abgrenzung der versicherungsfreien von den versicherungspflichtigen Heilberufen ist zwischen denjenigen zu treffen, die Heilkunde ausüben und denen, die bei der Krankenbehandlung auf Verordnung des Heilkundigen tätig werden. Die Heilkundigen stellen die Diagnose und bestimmen die Art und den Umfang der medizinisch erforderlichen Behandlung des kranken Menschen. Sie gehören nicht zu den versicherungspflichtigen Pflegepersonen. Im Unterschied dazu werden die in der Krankenpflege tätigen Personen auf Verordnung des Heilkundigen tätig und sind dabei von dessen Weisung abhängig. Diese Weisungsabhängigkeit ( ) schließt nicht aus, dass die Arbeiten zwar auf Grund ärztlicher Verordnung verrichtet werden, die Pflegepersonen jedoch bei der Durchführung von ärztlichen Weisungen je nach Lage des Gepflegten oder Betreuten weitgehend frei sind."
Der Begriff der ärztlichen Verordnung ist dabei untechnisch dahingehend zu verstehen, ob die heilkundige Person eine Diagnose stellt und Art und Umfang einer Behandlung festlegt (vgl. Pietrek in: Juris-PK, SGB VI, Stand 30.07.2012, § 2 Rn. 116).
Bei der streitigen Abgrenzung, ob es sich bei der Klägerin um eine Heilkundige oder um eine versicherungspflichtige Pflegeperson handelt, sind von der Kammer zunächst die tatsächlichen Arbeitsabläufe der Klägerin einschließlich der Abrechnung der erbrachten Dienstleistungen mit der Krankenkasse (a) und weiterhin die berufsrechtlichen Vorschriften des Berufsbildes des Ökotrophologen (b) zu berücksichtigen.
a) Vorliegend ist die Klägerin nach Auffassung der Kammer zunächst deshalb als Pflegeperson anzusehen, da diese überwiegend auf der Grundlage von ärztlichen Notwendigkeitsbescheinigungen im Sinne des § 43 SGB V tätig wird.
aa) Der typische Ablauf einer Ernährungstherapie auf der Grundlage einer Notwendigkeitsbescheinigung ist derjenige, dass ein behandelnder Arzt seine Patienten an den Ökotrophologen verweist. In der Notwendigkeitsbescheinigung bescheinigt der behandelnde Arzt einen Behandlungsbedarf auf Grund einer vorherigen Untersuchung des jeweiligen Patienten. Das Gericht hat verschiedenen Formularen über Notwendigkeitsbescheinigungen entnommen, dass diese typischerweise mit einer Diagnose verbunden sind. Weiterhin werden in der Notwendigkeitsbescheinigung im Einzelfall Laborparameter, die für die Ernährungstherapie von Bedeutung sein können, mitgeteilt. Solche Laborparameter des Blutes dürften Ökotrophologen nicht selbständig erheben. Auch ist in der Notwendigkeitsbescheinigung, soweit dies für die Ernährungstherapie von Bedeutung ist, die beratungs- bzw. therapierelevante Medikation anzugeben (vgl. Formular einer Notwendigkeitsbescheinigung Bl. 87 Gerichtsakte). Des Weiteres kann einem von der Klägerin überreichten Formular einer Notwendigkeitsbescheinigung entnommen werden, dass der behandelnde Arzt auch den Umfang der Ernährungsberatung festgelegt hatte (vgl. Bl. 121 Gerichtsakte).
Zwar hat die Klägerin angegeben, den Therapieplan in eigener Verantwortung zu erstellen und dass die Angaben der behandelnden Ärzte in den Notwendigkeitsbescheinigungen häufig allgemein gehalten seien ("Übergewicht", "Nahrungsmittelallergie"), die Kammer hat jedoch zu konstatieren, dass die Klägerin in tatsächlicher Hinsicht überwiegend erst tätig wird, nachdem ein Arzt und damit ein Heilkundiger den jeweiligen Patienten untersucht und eine Diagnose gestellt hat. Ökotropholgen sind des Weiteren im Einzelfall von erhobenen Laborparametern durch die behandelnden Ärzte abhängig. Sämtliche Aspekte sprechen für ein Tätigwerden auf Grund einer ärztlichen Versordnung.
bb) Auch handelt es sich bei den Leistungen, die auf Grund der ärztlichen Notwendigkeitsbescheinigung erfolgen, nach der Vorstellung des Gesetzgebers um ergänzende Leistungen (vgl. Überschrift des § 43 SGB V), die also letztlich in einem engen Zusammenhang mit der Hauptleistung stehen bzw. anlässlich einer chronischen Erkrankung, die zuvor ein Arzt festgestellt hat (vgl. Waßner in: Juris-PK, SGB VI, 2012, § 43 Rn. 7, 9, 11), erbracht werden. So werden Patientenschulungen gem. § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erbracht, wenn dies aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Dies ist eine Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots (vgl. Waßner in: Juris-PK, SGB VI, 2012, § 43 Rn. 16). Will die Klägerin also eine entsprechende Schulung bzw. Ernährungstherapie gegenüber der Krankenkasse abrechnen, besteht eine Abhängigkeit von einem Arzt, der eine entsprechnde Notwendigkeit bescheinigt; in der Sache ist dies nichts anderes als eine Verordnung.
cc) Bei der Beurteilung, ob die Klägerin eine (weisungsgebundene) Pflegeperson im Sinne der Vorschrift ist, kommt es weiterhin nicht darauf an, ob die Klägerin auch ohne eine ärztliche Verordnung berechtigt und in der Lage wäre, eine Diagnose und einen Therapieplan zu erstellen. Entscheidend ist nämlich vielmehr, ob der betreffende Selbständige in tatsächlicher Hinsichtlich überwiegend auf Grund ärztlicher Verordnung seine Behandlungen vornimmt (BSG, Urteil v. 30.01.1997, 12 RK 31/96; Gürtner in: Kasseler Kommentar, SGB VI, 74. Lfg 2012, nach beck-online, § 2 Rn. 12).
Dies ist vorliegend der Fall. Die Klägerin hat selbst angegeben, bei nahezu 100 % ihrer Patienten auf der Grundlage einer Notwendigkeitsbescheinigung tätig zu werden
b) Auch eine Würdigung der berufsrechtlichen Vorschriften spricht dafür, dass die Klägerin als eine Pflegeperson im Sinne § 2 Abs. 1 S.1 Nr. SGB VI anzusehen ist und der Rentenversicherungspflicht unterfällt.
Das BSG hat in seinem Urteil vom 30.01.1997 (12 RK 31/96, juris, Rn. 14) bei der Frage der Vereinbarung der Versicherungspflicht von Physiotherapeuten mit dem Gleichheitssatz vor dem Hintergrund der fehlenden Versicherungspflicht von Logopäden maßgeblich damit argumentiert, auf welcher Rechtsgrundlage ein jeweiliger Beruf fuße und die Prüfungsvorschriften des jeweiligen Berufsbildes herangezogen. Es ist seitdem allgemein anerkannt, dass bei der Frage des Bestehens der Versicherungspflicht von Heilberufen u.a. darauf abzustellen ist, welche berufsbezogenen Aufgaben nach den gesetzlich geltenden Ausbildungs- und Prüfungsanordnungen für bestimmte Berufsgruppen prägend sind (Pietrek in: Juris-PK, SGB VI, Stand 30.07.2012, § 2 Rn. 118).
Die berufsrechtlichen Vorschriften für Ökotrophologen befinden sich im Anhang I vom 15.06.2002 in der geänderten Fassung vom 22.06.2007 zur Berufsordnung der Ökotrophologen.
aa) Dort heißt es bereits in der Präambel, dass die Ökotrophologen in der Ernährungstherapie in enger Kooperation mit dem behandelnden Arzt oder im Rahmen einer ärztlichen Notwendigkeitsbescheinigung tätig werden.
bb) Art. I.6 Nr. 1 kann abermals die Notwendigkeit der Kooperation mit dem behandelnden Arzt entnommen werden, wobei der ernährungstherapeutischen Tätigkeit des Ökotropholgen eine medizinische Diagnose zugrunde liegt.
Hieraus wird für die Kammer eindeutig die Abhängigkeit des Ökotrophologen vom Mediziner deutlich. Da der Ökotropholge kein Heilkundiger ist, ist er im Rahmen seiner Tätigkeit auf den Heilkundigen angewiesen.
cc) Diese Abhängigkeit vom Arzt und die daraus abzuleitende fehlende eigene Eigenschaft als Heilkundiger wird zudem aus Punkt I.3 deutlich. Dort heißt es:
"Bei Unklarheiten und Auffälligkeiten in der Notwendigkeitsbescheinigung oder im Krankheitsverlauf sollte der Ökotrophologe mit dem behandelnden Arzt Kontakt aufnehmen und entsprechend seiner Fachkenntnisse Vorschläge zur Therapie machen. Am Ende der Therapie sollte ein kurzer Bericht über den Verlauf und das Ergebnis an den Arzt erfolgen."
Die berufsrechtlichen Vorschriften führen damit in der Sache aus, dass der Ökotrophologe nicht berechtigt ist, bei gesundheitlichen Komplikationen kraft eigener Sachkunde tätig zu werden bzw. die Therapie fortzusetzen. Vielmehr muss der Ökotropholge sich dann an einen Heilkundigen, nämlich einen Arzt, wenden, woraus für die Kammer deutlich wird, dass der Ökotrophologe nach den eigenen berufsrechtlichen Vorschriften kein Heilkundiger ist und damit als Pflegeperson im Sinne des § 2 Abs. 1 S.1 Nr. 2 SGB VI anzusehen ist.
Die Klage war somit unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin der Rentenversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt.
Die Verwaltungsakte über die Klägerin beginnt mit einer Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit, dass diese der Klägerin einen Existenzgründungszuschuss für maximal drei Jahre bis 14.02.2008 gewährt habe. Hierauf bat die Beklagte die Klägerin mit Schriftsatz vom 04.05.2005 um Ausfüllung eines Fragebogens zur Frage der Versicherungspflicht. Die Klägerin teilte der Beklagten daraufhin mit, dass sie zur Gruppe der Freiberufler gehöre und halbtags arbeite. Sie werde vermutlich zunächst nicht viel mehr als monatlich 400,00 EUR verdienen (Bl. 8 Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 24.05.2005 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin nach § 2 S.1 Nr. 10 SGB VI auf Grund des gewährten Existenzgründungszuschusses fest (Bl. 11 Verwaltungsakte).
Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens überreichte die Klägerin ein Diplomzeugnis der Fachhochschule ZN. mit dem Abschluss "Diplom-Ökotrophologin" vom 16.06.1993 (Bl. 45 Verwaltungsakte).
Die Beklagte gelangte sodann im Juli 2007 zur Einschätzung, dass zu prüfen sei, ob die Klägerin mit ihrer selbständigen Tätigkeit als Dozentin der Versicherungspflicht nach dem SGB VI unterfalle (Bl. 70 Verwaltungsakte).
In dem am 23.07.2007 ausgefüllten Fragebogen zur Feststellung der Pflichtversicherung kraft Gesetzes als selbständig Tätiger gab die Klägerin an, überwiegend beratend sowohl im Ernährungsbereich als auch im Bereich der Arbeitslosenbetreuung tätig zu sein. Inzwischen verdiene sie monatlich mehr als 400 EUR, wobei sie im Zusammenhang mit ihrer Arbeit keinen anderen Arbeitnehmer beschäftige. Als Auftraggeber gab die Klägerin u.a. mehrere Ärzte an. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Antragsformular Bezug genommen (Bl. 75 Verwaltungsakte).
Mehreren überreichten Bescheiden der Bundesagentur für Arbeit kann entnommen werden, dass der Existenzgründungszuschuss bis 14.02.2008 weiterbewilligt wurde (Bl. 77-79 Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 23.08.2007 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin mit ihrer selbständigen Tätigkeit in der Zeit vom 01.02.2001 bis 14.02.2005 der Versicherungspflicht kraft Gesetzes in der Rentenversicherung unterliege, wobei in diesem Zeitraum die Versicherungspflicht ausscheide, weil die Klägerin nur eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt habe, so dass Versicherungsfreiheit im Sinne des § 5 Abs. 2 SGB VI bestehe. Unabhängig hiervon bestehe aber ab 15.02.2005 Versicherungspflicht gem. § 2 S.1 Nr. 10 SGB VI. Auf den hierzu ergangenen Bescheid werde Bezug genommen (Bl. 84 Verwaltungsakte).
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 07.09.2007 Widerspruch ein. Da sie Diplom-Ökotrophologin sei, sei sie ihren Auftraggebern gegenüber nicht weisungsgebunden. Sie habe verschiedene Auftraggeber (Privatpersonen und Firmen) und könne sich ihre Zeit frei einteilen und gehöre daher zur Gruppe der Freiberufler und unterliege damit nicht der Versicherungspflicht (Bl. 85 Verwaltungsakte).
Hierauf erwiderte die Beklagte, dass sie auf Grund der Angaben der Klägerin davon ausgegangen sei, dass diese eine beratende Tätigkeit im Rahmen eines Dozentenvertrages ausübe. Zur weiteren Klärung der Angelegenheit werde die Klägerin gebeten, ihre Tätigkeit zu beschreiben (Bl. 87 Verwaltungsakte).
Mit Schriftsatz vom 29.10.2007 teilte die Klägerin daraufhin mit, dass es sich bei ihrer Tätigkeit nicht um eine Dozententätigkeit handele. Sie sei niedergelassene Ökotrophologin und habe sich im näheren Umkreis Kontakte zu Arztpraxen aufgebaut, die im Bedarfsfalle ihre Adresse an ihre Patienten weitergäben. In der Regel rechne sie dann direkt mit den Patienten ab. Außerdem berate sie übergewichtige Arbeitslosengeld II-Empfänger. Hier leite ein Bildungsträger Interessierte an sie weiter. Außerdem werde ihre Adresse über Krankenkassen an interessierte Versicherte weitergeben, woraus sich auch ein Teil ihrer Klienten rekrutierte. Ihre Tätigkeit sei als individuelle Ernährungsberatung zu beschreiben. Sie berate bei sämtlichen ernährungsbedingten Erkrankungen und unterliege bei den Beratungen keinen vorgeschriebenen Abläufen. Da die Krankenkassen für übergewichtige Patienten länger andauernde Kurse als präventive Maßnahmen verschreiben würden, führe sie auch diese durch. Außerdem sei sie für einen Bildungsträger tätig, für den sie bei Bedarf Arbeitslosen bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen helfe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin sei als Lehrerin im Sinne des § 2 S.1 Nr. 1 SGB VI anzusehen. Auf den Widerspruchsbescheid, der bestandskräftig wurde, wird Bezug genommen.
Im Januar 2008 wandte sich die Klägerin telefonisch erneut an die Beklagte. Sie arbeite inzwischen mit Krankenkassen zusammen und sei nicht überwiegend lehrend tätig. Ihre Tätigkeit sei überwiegend Beratung (Bl. 109 Verwaltungsakte). Die Beklagte übersandte der Klägerin daraufhin erneut den Fragebogen zur Feststellung der Pflichtversicherung kraft Gesetzes als selbständig Tätige. Dem von der Klägerin am 01.02.2008 eingereichten Fragebogen kann u.a. entnommen werden, dass die Klägerin Menschen, die ernährungsabhängige gesundheitliche Probleme hätten, berate. Sie verdiene monatlich mehr als 400,00 EUR, habe aber keine Arbeitnehmer beschäftigt. Ihre Auftraggeber seien Privatpersonen und Arztpraxen, die sie empfehlen würden (Bl. 112 f. Verwaltungsakte).
Dem Fragebogen war eine Registrierungsurkunde "Ernährungstherapie" beigefügt, der entnommen werden kann, dass die Klägerin die Qualifikationsanforderungen für die Ernährungsberatung und Ernährungstherapie des Instituts QW. e.V. erfülle. Dies entspreche den empfohlenen Qualifikationen der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 20 Abs. 1 und 2 und § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V (Bl. 116 Verwaltungsakte).
Mit Bescheid vom 04.03.2008 stellte die Beklagte fest, dass bei der Klägerin im Zeitraum vom 15.02.2005 bis 14.02.2008 Versicherungspflicht auf Grund des Bezugs eines Existenzgründungszuschusses nach § 2 S.1 Nr. 10 SGB VI vorliege. Ab dem 15.02.2008 bestehe nunmehr Versicherungspflicht nach § 2 S.1 Nr. 1-2 SGB VI, da die Klägerin keinen Existenzsicherungszuschuss mehr erhalte, jedoch die selbständige Tätigkeit weiterhin ausübe (Bl. 136 Verwaltungsakte).
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 28.03.2008 Widerspruch ein. Sie gehöre nicht zur Gruppe der nach § 2 S.1-2 Nr. 1-3 SGB VI zugehörigen Berufsgruppen. Sie arbeite als Diplom-Ökotrophologin in eigener Praxis. Ihre Auftraggeber seien Privatpersonen, Ärzte- bzw. Kinderarztpraxen oder Firmen, die ihre Dienstleistungen als Ernährungstherapeutin für die individuelle Betreuung ihrer Klientel nutzten. Für diese Auftraggeber führe sie Ernährungsberatungen durch, in denen es immer um einen Einzelfall gehe, für den nach individuellen Lösungsansätzen für das akute Problem gesucht und Ernährungstherapie abgestimmt werde. Somit unterscheide sich ihre Tätigkeit von einer dozierenden Person, die vom Einzelfall losgelöst abstraktes Wissen vermittele. Es seien vielmehr Parallelen zur Berufsgruppe der Psychotherapeuten zu sehen. So stelle der Arzt beispielsweise einem Patienten eine Notwendigkeitsbescheinigung nach § 43 SGB V aus, worauf sie als Ernährungstherapeutin nach der Erhebung einer Ernährungsanamnese den Therapieverlauf nach Art und Inhalten, Umfang sowie Beratungsfrequenzen individuell gestalten müsse. Damit sei auch eine Parallele zur Berufsgruppe der Physiotherapeuten hinfällig (Bl. 130 f. Verwaltungsakte).
In der Verwaltungsakte befindet sich des Weitern ein Auszug aus der Berufsordnung für Diplom-Ökotrophologen in der Ernährungsberatung und -therapie (Bl. 134 ff.).
Mit Schriftsatz vom 30.03.2009 wandte sich die Beklagte an die Klägerin. Man vertrete weiterhin die Auffassung, dass die Klägerin versicherungspflichtig sei; zu klären sei nur, nach welcher Vorschrift. Grundsätzlich könnten nämlich Ökotrophologen auf Grund ihrer vielseitigen Ausbildung im Themenkomplex "gesunde Ernährung" in unterschiedlichen Bereichen tätig sein. Für die Beurteilung sei daher maßgebend, wie sich die Tätigkeit der zu beurteilenden Person gestalte. Die Klägerin habe angegeben, Ernährungsberatungskurse und Einzelberatungen für Übergewichtige mit therapeutischer Zielsetzung, bei denen die Linderung oder Behebung von Essstörungen im Mittelpunkt stünden, durchzuführen. Ihre Tätigkeit sei nicht in erster Linie durch die Vermittlung von Wissen und Kenntnissen geprägt. Man teile die Auffassung der Klägerin, dass diese überwiegend selbst therapeutisch tätig werde. Voraussetzung für eine therapeutische Tätigkeit sei immer auch das Diagnostizieren von Krankheitssymptomen mit dem Ziel, die Krankheit zu beheben oder zu lindern. Die ständige Rechtsprechung unterscheide versicherungsrechtlich immer zwischen denen, die selbst Heilkunde ausüben (z.B. Ärzte und Heilpraktiker) und denen, die bei der Krankenbehandlung auf Verordnung eines Heilkundigen tätig würden (z.B. Physiotherapeuten, Masseure). Nur die Personenkreise, die in Abhängigkeit von einem Heilkundigen und überwiegend auf Grund von ärztlicher An- oder Verordnung tätig seien, würden der Versicherungspflicht unterliegen. Auch bei Ökotrophologen erfolge die ernährungstherapeutische Tätigkeit in Kooperation mit dem beratenden Arzt, dessen medizinische Diagnose zugrunde liege. Entsprechend der Berufsordnung müsse der Ökotrophologe über den gesamten Verlauf der Therapie bei Unklarheiten und Auffälligkeiten den Arzt kontaktieren und mit diesem geeignete Maßnahmen absprechen. Am Ende der Therapie solle der Arzt einen Bericht erhalten. Ökotrophologen seien damit nicht wie Heilkundige befähigt, selbst die Diagnose zu stellen, sondern könnten nur in Abhängigkeit von einem Heilkundigen tätig werden und seien daher der versicherungspflichtigen Gruppe der Pflegepersonen im Sinne des § 2 S.1 Nr. 2 SGB VI zuzuordnen, sofern sie überwiegend aufgrund ärztlicher An- und Verordnung tätig würden und keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigten. Sofern die Klägerin ohne Verordnung eines Arztes tätig werde, handele es sich um Wissenschaftsvermittlung, die unter § 2 S.1 Nr. 1 SGB VI falle. Die Klägerin werde insoweit um erneute Auskunft gebeten.
Hierauf erwiderte die Klägerin, dass sie ihren Widerspruch aufrecht erhalte. In nahezu 100 % der Fälle würden ihre Patienten mit einer Notwendigkeitsbescheinigung der Krankenkasse nach § 43 SGB V zu ihr kommen. Häufig würden bei den Patienten multiple ernährungsbedingte Erkrankungen vorliegen. Nicht selten erhalte sie bei der Durchführung der Ernährungstherapie Hinweise auf das Essverhalten, die der Arzt bei seiner Diagnose gar nicht sehen könne, die aber ursächlich für die Erkrankung seien und die nur sie in der Ernährungsberatung therapieren könne. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit mit ca. 95 % liege in der Einzeltherapie. Auf Nachfrage habe ihr der Berufsverband der Ökotrophologen mitgeteilt, dass ihre Tätigkeit nicht auf Grund einer ärztlichen Verordnung erfolge, sondern auf der Basis einer Notwendigkeitsbescheinigung, die von ärztlicher Seite die Diagnose im Hinblick auf das Krankheitsbild wiedergebe und wichtige Laborparameter mitteile. Die Anamnese des Ernährungsstatus und die daraus abzuleitende Ernährungstherapie stelle der Ökotrophologe dagegen selbständig fest und versuche, seine Therapie bezogen auf das Krankheitsbild anzupassen. Der Austausch zwischen dem Arzt und dem Ökotrophologen sei nichts anderes als der Austausch unter Fachkollegen, wie er auch zwischen Ärzten verschiedener Fachrichtung vorkomme.
Mit Bescheid vom 22.09.2009 stellte die Beklagte eine Versicherungspflicht der Klägerin nach § 2 S.1 Nr.1-2 SGB VI ab 15.02.2008 fest. Der Bescheid werde Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Mit Schriftsatz vom 05.12.2009 ergänzte die Klägerin den Widerspruch dahingehend, dass sie mit den Ärzten kooperativ zusammenarbeite, diesen gegenüber aber nicht weisungsgebunden sei und nahm Bezug auf die Berufsordnung der Ökotrophologen. Auch werde sie ohne sachlichen Grund im Verhältnis zu Logopäden benachteiligt.
Die Beklagte legte den Schriftsatz ihrem Grundsatzreferat vor, welches in seiner Stellungnahme vom 11.05.2010 ausführt, dass die Entscheidung anhand der von der Rechtsprechung entwickelten Unterscheidung von Heilkundigen (z.B. Ärzte und Heilpraktiker) und denen, die bei der Krankenbehandlung auf Verordnung eines Heilkundigen tätig würden (z.B. Physiotherapeuten, Masseure), vorzunehmen sei. Die Klägerin habe ihre Tätigkeit als Ökotrophologin beschrieben. Dabei habe sie darauf hingewiesen, dass sie nicht auf ärztliche Verordnung tätig werde, sondern lediglich auf der Basis einer durch den Arzt ausgestellten Notwendigkeitsbescheinigung gem. § 43 SGB V. Sie erläutere, dass diese die Diagnose eines Krankheitsbildes sowie die Laborwerte enthalte. Die Berufsordnung für Ökotrophologen beschreibe im Anhang I, Artikel I.6 die Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt. Dort werde bestätigt, dass der ernährungstherapeutischen Tätigkeit die medizinische Diagnose zugrunde liege. Des Weiteren werde beschrieben, dass der Ökotrophologe bei Unklarheiten den Arzt kontaktieren solle und am Ende der Therapie einen kurzen Bericht über den Verlauf und das Ergebnis für diesen erstellen solle. Der Schlussfolgerung der Klägerin, dass dies lediglich ein Austausch unter Fachkollegen sei, wie bei Ärzten unterschiedlicher Berufsgruppen, könne man sich nicht anschließen. Das Wort Kooperation in dem Artikel der Berufsordnung bedeute zunächst einmal lediglich das Zusammenwirken, also die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Ökotrophologen. Die Weisungsabhängigkeit ergebe sich jedoch auf Grund der weiteren Ausführungen im Artikel I.6. Die Tatsache, dass die medizinische Diagnose Grundlage der ernährungstherapeutischen Tätigkeit sei und der Ökotrophologe bei Unklarheiten und Auffälligkeiten in der Notwendigkeitsbescheinigung oder im Krankheitsverlauf den behandelnden Arzt kontaktieren solle sowie am Ende der Therapie einen Bericht über den Verlauf und das Ergebnis an den Arzt erstellen solle, mache die Abhängigkeit vom Heilkundigen deutlich. Anders als der Logopäde und ähnlich wie der Physiotherapeut erstelle der Ökotrophologe auch keinen medizinischen Befund, was auch nicht Gegenstand des Studiums sei. Natürlich könne die Klägerin – wie auch ein Physiotherapeut – ohne eine Notwendigkeitsbescheinigung (Verordnung) tätig werden. Maßgebend sei jedoch, dass die Klägerin überwiegend nicht ohne tätig werde. Soweit die Klägerin sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 10.03.2005 berufe (V R 54/05), müsse festgestellt werden, dass es in diesem Urteil um Fragen der Umsatzsteuer gehe, wobei der BFH Ärzte, Heilpraktiker, Krankengymnasten, Hebammen und andere heilberuflich Tätige steuerlich gleich behandele, so dass hieraus keine Schlussfolgerungen zu ziehen seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es sei von einer Versicherungspflicht nach § 2 S.1 Nr.2 SGB VI auszugehen.
Am 26.07.2010 hat die Klägerin gegen die Bescheide in Gestalt des Widerspruchsbescheids Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben.
Mit Bescheid vom 13.01.2011, der Gegenstand des Klageverfahrens werde, hat die Beklagte eine Änderung der Beitragshöhe geregelt.
Mit Schriftsatz vom 22.10.2012 hat der Bevollmächtigte der Klägerin die aktualisierte Fassung der Berufsordnung für Ökotrophologen übersandt, auf die Bezug genommen wird (Bl. 88 ff. Gerichtsakte).
Mit ihrer Klagebegründung hat die Klägerin an ihren Einwänden gegen die fehlende Gleichstellung von Ökotrophologen und Logopäden festgehalten und eine Stellungnahme des Verbandes der Ökotrophologen vom 15.08.2010 überreicht, in der ausgeführt wird, dass Ökotrophologen nicht auf Grund einer ärztlichen Verordnung, sondern auf Grund einer Notwendigkeitsbescheinigung, in der die medizinische Diagnose gestellt werde, tätig würden. Den Ernährungsstatus stelle der Ökotrophologe im Rahmen der Anamnese selbständig fest. Auch seien Ökotrophologen weisungsfrei. Die Zusammenarbeit zwischen Ökotrophologen und Ärzten sei nichts anderes als der Austausch unter Fachkollegen, wie bei Ärzten verschiedener Fachrichtungen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 04.03.2008 in der Fassung des Bescheids vom 22.09.2009 und des Widerspruchsbescheids vom 06.07.2010 sowie des Bescheids vom 13.01.2011 aufzuheben und festzustellen, dass ab 15.02.2008 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass eine Weisungsgebundenheit schon vorliege, wenn jemand auf Grund einer ärztlichen An- und Verordnung tätig werde. Der Begriff sei weit auszulegen. Weiterhin werde hinsichtlich der Frage der Gleichbehandlung mit Logopäden auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12.01.2007 Bezug genommen (12 R 14/06 B). Hier habe das BSG ausgeführt, dass von der rentenversicherungsrechtlichen Behandlung anderer Leistungserbringer (Logopäden) nicht auf das eigene Bestehen oder Nichtbestehen von Versicherungspflicht geschlossen werden dürfe. Auch sei es denkbar, eine Ungleichbehandlung dadurch zu beheben, andere Personengruppen in den Kreis der Pflichtversicherten einzubeziehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin unterliegt ab 15.02.2008 der Rentenversicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 S.1 Nr. 2 SGB VI.
Nach § 2 S.1 Nr. 2 SGB VI sind selbständige Pflegepersonen, die in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- oder Kinderpflege tätig sind und im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, versicherungspflichtig.
1. Zunächst ist die Klägerin im Bereich der Krankenpflege tätig.
Der Begriff der Krankenpflege ist weit auszulegen und kann als Tätigwerden zur Heilung einer Krankheit, zur Verhütung ihrer Verschlimmerung oder zur Linderung der Krankheitsbeschwerden verstanden werden (vgl. Fichte in: Hauck & Haines, SGB VI, Lfg. 2/07, § 2 Rn. 46; Gürtner in: Kasseler Kommentar, SGB VI, 74. Lfg 2012, nach beck-online, § 2 Rn. 13).
Vorliegend arbeitet die Klägerin als Selbständige mit Patienten, die nach Auffassung der behandelnden Ärzte auf Grund pathologischer Körperfunktionen oder der Gefahr von ernährungsbedingten Krankheiten einer Beratung bzw. einer Therapie bei der Ernährung bedürften. Die Klägerin kümmert sich also um kranke oder von Krankheit bedrohte Menschen im Bereich der Krankenpflege.
2. Auch hat die Klägerin im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen Arbeitnehmer beschäftigt.
3. Weiterhin handelt es sich bei der Klägerin um eine Pflegeperson im Sinne des § 2 S.1 Nr. 2 SGB VI.
Gürtner führt (im Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VI, § 2 Rn. 12, 64. Auflage 2010, beck-online) zum betreffenden Personenkreis aus:
"Bei den in Nr. 2 genannten Pflegepersonen handelt es sich um solche Selbständige, die in grundsätzlicher Weisungsabhängigkeit (und insoweit arbeiternehmerähnlich) in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- und Kinderpflege tätig sind ( ). Da die nach Nr. 2 versicherungspflichtig selbständig Tätigen geraden nicht als Arbeitnehmer beschäftigt sind, kann sich die in der Gesetzesbegründung genannte Weisungsabhängigkeit nur darauf beziehen, dass die Pflegepersonen grundsätzliche auf ärztliche Anordnung bzw. Verordnung tätig sind. Die Abgrenzung der versicherungsfreien von den versicherungspflichtigen Heilberufen ist zwischen denjenigen zu treffen, die Heilkunde ausüben und denen, die bei der Krankenbehandlung auf Verordnung des Heilkundigen tätig werden. Die Heilkundigen stellen die Diagnose und bestimmen die Art und den Umfang der medizinisch erforderlichen Behandlung des kranken Menschen. Sie gehören nicht zu den versicherungspflichtigen Pflegepersonen. Im Unterschied dazu werden die in der Krankenpflege tätigen Personen auf Verordnung des Heilkundigen tätig und sind dabei von dessen Weisung abhängig. Diese Weisungsabhängigkeit ( ) schließt nicht aus, dass die Arbeiten zwar auf Grund ärztlicher Verordnung verrichtet werden, die Pflegepersonen jedoch bei der Durchführung von ärztlichen Weisungen je nach Lage des Gepflegten oder Betreuten weitgehend frei sind."
Der Begriff der ärztlichen Verordnung ist dabei untechnisch dahingehend zu verstehen, ob die heilkundige Person eine Diagnose stellt und Art und Umfang einer Behandlung festlegt (vgl. Pietrek in: Juris-PK, SGB VI, Stand 30.07.2012, § 2 Rn. 116).
Bei der streitigen Abgrenzung, ob es sich bei der Klägerin um eine Heilkundige oder um eine versicherungspflichtige Pflegeperson handelt, sind von der Kammer zunächst die tatsächlichen Arbeitsabläufe der Klägerin einschließlich der Abrechnung der erbrachten Dienstleistungen mit der Krankenkasse (a) und weiterhin die berufsrechtlichen Vorschriften des Berufsbildes des Ökotrophologen (b) zu berücksichtigen.
a) Vorliegend ist die Klägerin nach Auffassung der Kammer zunächst deshalb als Pflegeperson anzusehen, da diese überwiegend auf der Grundlage von ärztlichen Notwendigkeitsbescheinigungen im Sinne des § 43 SGB V tätig wird.
aa) Der typische Ablauf einer Ernährungstherapie auf der Grundlage einer Notwendigkeitsbescheinigung ist derjenige, dass ein behandelnder Arzt seine Patienten an den Ökotrophologen verweist. In der Notwendigkeitsbescheinigung bescheinigt der behandelnde Arzt einen Behandlungsbedarf auf Grund einer vorherigen Untersuchung des jeweiligen Patienten. Das Gericht hat verschiedenen Formularen über Notwendigkeitsbescheinigungen entnommen, dass diese typischerweise mit einer Diagnose verbunden sind. Weiterhin werden in der Notwendigkeitsbescheinigung im Einzelfall Laborparameter, die für die Ernährungstherapie von Bedeutung sein können, mitgeteilt. Solche Laborparameter des Blutes dürften Ökotrophologen nicht selbständig erheben. Auch ist in der Notwendigkeitsbescheinigung, soweit dies für die Ernährungstherapie von Bedeutung ist, die beratungs- bzw. therapierelevante Medikation anzugeben (vgl. Formular einer Notwendigkeitsbescheinigung Bl. 87 Gerichtsakte). Des Weiteres kann einem von der Klägerin überreichten Formular einer Notwendigkeitsbescheinigung entnommen werden, dass der behandelnde Arzt auch den Umfang der Ernährungsberatung festgelegt hatte (vgl. Bl. 121 Gerichtsakte).
Zwar hat die Klägerin angegeben, den Therapieplan in eigener Verantwortung zu erstellen und dass die Angaben der behandelnden Ärzte in den Notwendigkeitsbescheinigungen häufig allgemein gehalten seien ("Übergewicht", "Nahrungsmittelallergie"), die Kammer hat jedoch zu konstatieren, dass die Klägerin in tatsächlicher Hinsicht überwiegend erst tätig wird, nachdem ein Arzt und damit ein Heilkundiger den jeweiligen Patienten untersucht und eine Diagnose gestellt hat. Ökotropholgen sind des Weiteren im Einzelfall von erhobenen Laborparametern durch die behandelnden Ärzte abhängig. Sämtliche Aspekte sprechen für ein Tätigwerden auf Grund einer ärztlichen Versordnung.
bb) Auch handelt es sich bei den Leistungen, die auf Grund der ärztlichen Notwendigkeitsbescheinigung erfolgen, nach der Vorstellung des Gesetzgebers um ergänzende Leistungen (vgl. Überschrift des § 43 SGB V), die also letztlich in einem engen Zusammenhang mit der Hauptleistung stehen bzw. anlässlich einer chronischen Erkrankung, die zuvor ein Arzt festgestellt hat (vgl. Waßner in: Juris-PK, SGB VI, 2012, § 43 Rn. 7, 9, 11), erbracht werden. So werden Patientenschulungen gem. § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V erbracht, wenn dies aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Dies ist eine Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots (vgl. Waßner in: Juris-PK, SGB VI, 2012, § 43 Rn. 16). Will die Klägerin also eine entsprechende Schulung bzw. Ernährungstherapie gegenüber der Krankenkasse abrechnen, besteht eine Abhängigkeit von einem Arzt, der eine entsprechnde Notwendigkeit bescheinigt; in der Sache ist dies nichts anderes als eine Verordnung.
cc) Bei der Beurteilung, ob die Klägerin eine (weisungsgebundene) Pflegeperson im Sinne der Vorschrift ist, kommt es weiterhin nicht darauf an, ob die Klägerin auch ohne eine ärztliche Verordnung berechtigt und in der Lage wäre, eine Diagnose und einen Therapieplan zu erstellen. Entscheidend ist nämlich vielmehr, ob der betreffende Selbständige in tatsächlicher Hinsichtlich überwiegend auf Grund ärztlicher Verordnung seine Behandlungen vornimmt (BSG, Urteil v. 30.01.1997, 12 RK 31/96; Gürtner in: Kasseler Kommentar, SGB VI, 74. Lfg 2012, nach beck-online, § 2 Rn. 12).
Dies ist vorliegend der Fall. Die Klägerin hat selbst angegeben, bei nahezu 100 % ihrer Patienten auf der Grundlage einer Notwendigkeitsbescheinigung tätig zu werden
b) Auch eine Würdigung der berufsrechtlichen Vorschriften spricht dafür, dass die Klägerin als eine Pflegeperson im Sinne § 2 Abs. 1 S.1 Nr. SGB VI anzusehen ist und der Rentenversicherungspflicht unterfällt.
Das BSG hat in seinem Urteil vom 30.01.1997 (12 RK 31/96, juris, Rn. 14) bei der Frage der Vereinbarung der Versicherungspflicht von Physiotherapeuten mit dem Gleichheitssatz vor dem Hintergrund der fehlenden Versicherungspflicht von Logopäden maßgeblich damit argumentiert, auf welcher Rechtsgrundlage ein jeweiliger Beruf fuße und die Prüfungsvorschriften des jeweiligen Berufsbildes herangezogen. Es ist seitdem allgemein anerkannt, dass bei der Frage des Bestehens der Versicherungspflicht von Heilberufen u.a. darauf abzustellen ist, welche berufsbezogenen Aufgaben nach den gesetzlich geltenden Ausbildungs- und Prüfungsanordnungen für bestimmte Berufsgruppen prägend sind (Pietrek in: Juris-PK, SGB VI, Stand 30.07.2012, § 2 Rn. 118).
Die berufsrechtlichen Vorschriften für Ökotrophologen befinden sich im Anhang I vom 15.06.2002 in der geänderten Fassung vom 22.06.2007 zur Berufsordnung der Ökotrophologen.
aa) Dort heißt es bereits in der Präambel, dass die Ökotrophologen in der Ernährungstherapie in enger Kooperation mit dem behandelnden Arzt oder im Rahmen einer ärztlichen Notwendigkeitsbescheinigung tätig werden.
bb) Art. I.6 Nr. 1 kann abermals die Notwendigkeit der Kooperation mit dem behandelnden Arzt entnommen werden, wobei der ernährungstherapeutischen Tätigkeit des Ökotropholgen eine medizinische Diagnose zugrunde liegt.
Hieraus wird für die Kammer eindeutig die Abhängigkeit des Ökotrophologen vom Mediziner deutlich. Da der Ökotropholge kein Heilkundiger ist, ist er im Rahmen seiner Tätigkeit auf den Heilkundigen angewiesen.
cc) Diese Abhängigkeit vom Arzt und die daraus abzuleitende fehlende eigene Eigenschaft als Heilkundiger wird zudem aus Punkt I.3 deutlich. Dort heißt es:
"Bei Unklarheiten und Auffälligkeiten in der Notwendigkeitsbescheinigung oder im Krankheitsverlauf sollte der Ökotrophologe mit dem behandelnden Arzt Kontakt aufnehmen und entsprechend seiner Fachkenntnisse Vorschläge zur Therapie machen. Am Ende der Therapie sollte ein kurzer Bericht über den Verlauf und das Ergebnis an den Arzt erfolgen."
Die berufsrechtlichen Vorschriften führen damit in der Sache aus, dass der Ökotrophologe nicht berechtigt ist, bei gesundheitlichen Komplikationen kraft eigener Sachkunde tätig zu werden bzw. die Therapie fortzusetzen. Vielmehr muss der Ökotropholge sich dann an einen Heilkundigen, nämlich einen Arzt, wenden, woraus für die Kammer deutlich wird, dass der Ökotrophologe nach den eigenen berufsrechtlichen Vorschriften kein Heilkundiger ist und damit als Pflegeperson im Sinne des § 2 Abs. 1 S.1 Nr. 2 SGB VI anzusehen ist.
Die Klage war somit unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved