Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 6 LW 3/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 LW 9/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 LW 4/13 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
übereinstimmende Erledigungserklärung
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 16.7.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungs- und Beitragspflicht zur Alterssicherung der Landwirte (AdL) für den Zeitraum vom 9.7.2010 bis 20.10.2011.
Die am 00.00.1981 geborene Klägerin heiratete am 00.00.2010 den beigeladenen Landwirt J, dessen Versicherungspflicht als Landwirt mit Bescheid vom 31.5.2002 festgestellt worden war. Die Klägerin erzielte im Streitzeitraum aus ihrer bei der Bundesagentur für Arbeit seit dem 23.10.2003 ausgeübten abhängigen Beschäftigung ein Arbeitsentgelt in Höhe von mehr als 4.800,00 Euro jährlich bzw. mehr als 400,00 Euro monatlich.
Im Verlaufe eines Telefongesprächs am 21.10.2011 erfuhr die Beklagte erstmals von der Eheschließung der Klägerin und wies diese auf die hieraus folgende Versicherungs- und Beitragspflicht in der landwirtschaftlichen Alterssicherung hin. Daraufhin beantragte die Klägerin am 21.10.2011 die Befreiung von der Versicherungspflicht wegen Erzielung außerlandwirtschaftlichen Einkommens. Mit Bescheid vom 22.11.2011 befreite die Beklagte die Klägerin ab dem 21.10.2011 von der Versicherungspflicht. Mit weiterem Bescheid vom 22.11.2011 stellte sie die Versicherungs- und Beitragspflicht für die Zeit vom 9.7.2010 bis zum 20.10.2011 fest und forderte Beiträge in Höhe von 3.462,00 Euro.
Hiergegen richtete sich der am 12.12.2011 bei der Beklagten eingegangene Widerspruch der Klägerin, mit dem sie die Befreiung von der Versicherungspflicht bereits ab dem 9.7.2010 begehrte. Zur Begründung verwies sie auf ihre außerlandwirtschaftliche Erwerbstätigkeit, aus der sie mehr als 4.800,00 Euro pro Jahr erziele. Eine zweifache Versicherungspflicht zur allgemeinen Rentenversicherung und zur landwirtschaftlichen Alterssicherung könne nicht bestehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.1.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Antrag auf Befreiung hätte innerhalb von drei Monaten nach Eheschließung bzw. spätestens bis zum 30.11.2010 gestellt werden müssen, um bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen vom Beginn der Versicherungspflicht an befreit zu werden. Auf eine Kenntnis hiervon komme es nicht an.
Mit ihrer am 16.2.2012 zum Sozialgericht (SG) Aachen erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Sie hat auf ihre Pflichtversicherung in der allgemeinen Rentenversicherung wegen einer von ihr ausgeübten außerlandwirtschaftlichen Beschäftigung verwiesen. Eine doppelte Versicherung entspreche nicht der Intention des Gesetzgebers.
Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.1.2012 zu verurteilen, sie ab dem 9.7.2010 von der Versicherungspflicht zur Beklagten zu befreien, sowie die Bescheide vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.1.2012 hinsichtlich der Beitragsforderung in Höhe von 3.462,00 EUR aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide weiterhin für rechtmäßig gehalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 16.7.2012 hat das SG Aachen die Klage abgewiesen. Auf dessen Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen den ihr am 20.7.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 20.8.2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, dass der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zufolge die Versicherungspflicht nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) auch dann nicht gegen das Grundgesetz (GG) verstoße, wenn der Ehegatte nicht im landwirtschaftlichen Unternehmen mitarbeite (Hinweis auf BVerfG, Beschluss v. 9.12.2003, 1 BvR 1558/99; Nichtannahmebeschluss v. 1.3.2004, 1 BvR 2099/03). Gegen die Gefahr der Übersicherung sei er dabei ausreichend durch die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 ALG geschützt. Genau dies sei falsch. Wenn Versicherte bereits nicht wüssten, dass es eine Inanspruchnahme aufgrund des ALG geben könne, sei auch kein ausreichender Schutz durch § 3 ALG gegeben. Im Übrigen habe das BVerfG zur Frage der doppelten Inanspruchnahme keinerlei Ausführungen gemacht. Diese sei verfassungswidrig. Die Grundsätze des § 22 SGB IV würden nicht beachtet. Es liege im vorliegenden Fall eine Regelungslücke vor, die durch Richterrecht geschlossen werden könne.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 16.7.2012 zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.1.2012 zu verurteilen, sie ab dem 9.7.2010 von der Versicherungspflicht zur Beklagten zu befreien, sowie die Bescheide vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.1.2012 hinsichtlich der Beitragsforderung in Höhe von 3.462,00 EUR aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid und beruft sich auf den Beschluss des Senats vom 16.11.2011, L 8 LW 20/11 B ER.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Zu Recht hat die Beklagte für den Streitzeitraum die Versicherungspflicht der Klägerin zur AdL festgestellt und Beiträge in Höhe von 3.462,00 Euro gefordert. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der AdL für den Zeitraum vom 9.7.2010 bis 20.10.2011.
1. Nach dem hier allein in Betracht kommenden § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG können Landwirte und mitarbeitende Familienangehörige auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit werden, solange sie regelmäßig Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen (Absatz 4) beziehen, das ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft jährlich 4.800 Euro überschreitet. Nach § 3 Abs. 2 ALG wirkt die Befreiung vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an (Satz 1). § 34 Abs. 2 Satz 3 und 4 gilt entsprechend (§ 3 Abs. 2 Satz 4 1. Halbsatz ALG). Nach § 34 Abs. 2 Satz 3 ALG i. V. m. § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG beginnt die Dreimonatsfrist erst ab Bekanntgabe des Bescheides, es sei denn, die Versicherungspflicht beginnt nach § 1 Abs. 3 wegen erfolgter Eheschließung mit einem Landwirt nach § 1 Abs. 2, dessen Versicherungspflicht zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits festgestellt war (§ 3 Abs. 2 Satz 4 2. Halbsatz ALG, der am 11.8.2010 mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze [3. SGB IV-ÄndG ] in Kraft trat, BGBl. I S. 1127). § 94 Abs. 1 Satz 1 ALG bestimmt, dass die Vorschriften dieses Gesetzes von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden sind, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Durch dieses Gesetz aufgehobene und ersetzte Vorschriften sind auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird (§ 94 Abs. 2 ALG). Die Voraussetzungen der vorgenannten Bestimmungen für eine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht liegen nicht vor.
a) Die Versicherungspflicht der Klägerin ist aufgrund der Heirat mit dem Beigeladenen, einem Landwirt nach § 1 Abs. 2 ALG, am 9.7.2010 gemäß § 1 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 ALG eingetreten. Von diesem Zeitpunkt an erfüllte die Klägerin die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG, da sie ein Arbeitsentgelt erzielte, das ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft jährlich 4.800,00 Euro überschritt.
b) Die Befreiung wirkt vorliegend vom Eingang des Antrags der Klägerin bei der Beklagten am 21.10.2011 und nicht rückwirkend vom Zeitpunkt der Versicherungspflicht an.
aa) Maßgebend ist gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 ALG die seit dem 11.8.2010 geltende Fassung (n.F.) des § 3 ALG, denn die Voraussetzungen nach § 94 Abs. 2 ALG für die Anwendbarkeit der bis zum 10.8.2010 geltenden Fassung des § 3 ALG liegen nicht vor. Die Weitergeltung der aufgehobenen Fassung hätte eine Antragstellung bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung erfordert. Da die Aufhebung mit Wirkung zum 11.8.2010 erfolgte, war demnach der Antrag bis zum 30.11.2010 zu stellen. Diese Frist hat die Klägerin mit der Antragstellung am 21.10.2011 ersichtlich nicht eingehalten.
bb) Die danach anzuwendende Regelung im 1. Halbsatz des § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG n.F. i.V.m. § 34 Abs. 2 Satz 3 ALG, wonach die Dreimonatsfrist erst ab Bekanntgabe des Bescheides beginnen würde, greift nicht ein, weil zum Zeitpunkt der Eheschließung am 9.7.2010 die Versicherungspflicht des Beigeladenen bereits festgestellt war (Bescheid v. 31.5.2002; § 3 Abs. 2 Satz 4 2. Halbsatz ALG n.F.). Somit konnte die Befreiung von der Versicherungspflicht rückwirkend nur bei einer Antragstellung innerhalb von drei Monaten vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen, hier dem 9.7.2010, an, d.h. bis zum 9.10.2010 erfolgen, wobei sich diese Frist gemäß § 94 Abs. 2 ALG bis zum 30.11.2010 verlängerte. Wie bereits ausgeführt, erfolgte die Antragstellung nach Ablauf dieser Frist.
c) Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.
aa) Welche Grundsätze des § 22 SGB IV nicht beachtet worden sein sollen, wird von der Klägerin nicht ausgeführt und ist auch nicht erkennbar. Nach § 22 SGB IV, der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB IV auch in der AdL gilt, entstehen Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Dies ist von der Beklagten bei Erlass des Beitragsbescheides vom 22.11.2011 beachtet worden. Mit der Heirat eines Landwirts ist die Versicherungspflicht der Klägerin gemäß § 1 Abs. 3 ALG und ihre Beitragspflicht gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ALG entstanden. Die übrigen Regelungen des § 22 SGB IV betreffen einkommensabhängige Beiträge. Bei den Beiträgen zur Alterssicherung der Landwirte handelt es sich hingegen um einkommensunabhängige feste Monatsbeiträge, so dass aus § 22 SGB IV hierzu nichts herzuleiten ist. Das Arbeitseinkommen ist erst bei der - nicht streitgegenständlichen - Bemessung des Beitragszuschusses gem. § 34 ALG von Bedeutung.
bb) Eine durch Richterrecht zu schließende Regelungslücke liegt nicht vor. Im Gegenteil: § 3 Abs. 2 ALG soll genau das verhindern, was die Klägerin begehrt, nämlich eine unbefristete Befreiungsmöglichkeit, die es nach dem GAL noch gab (vgl. BSG, Urteil v. 17.8.2000, B 10 LW 22/99 R, juris). Im Übrigen besteht nach dem ALG ein differenziertes System von Regel (Versicherungspflicht) und Ausnahme (Versicherungsfreiheit bzw. Befreiung auf Antrag), das grundsätzlich keiner gesetzesergänzenden, lückenschließenden Auslegung zugänglich ist (vgl. BSG, Beschluss v. 20.1.2009, B 10 LW 9/08 B; Urteil v. 25.7.2002, B 10 LW 12/01 R, juris).
2. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen dieses Ergebnis bestehen nicht.
a) Die rückwirkende Begründung der Versicherungspflicht in der AdL neben einer gleichzeitigen Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung verletzt die Klägerin nicht in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG; vgl. bereits Senat, Beschluss v. 16.11.2011, L 8 LW 20/11 B ER, juris).
aa) § 3 ALG eröffnet dem betroffenen Personenkreis gerade die Möglichkeit, sich in diesem Fall von der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Alterssicherung befreien zu lassen. Wie der Senat jedoch bereits im Zusammenhang mit der vergleichbaren Vorschrift des § 6 Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entschieden hat, ist es nicht grundrechtlich geboten, dieses "Wahlrecht" unbeschränkt lange offen zu lassen. Mit dem Befreiungsrecht nach § 3 ALG hat der Gesetzgeber als Ausnahme von der Versicherungspflicht nach § 1 ALG dem von ihm als berechtigt angesehenen Interesse des in der Vorschrift angesprochenen Personenkreises, die Solidargemeinschaft der gesetzlich versicherten Landwirte zu verlassen, bereits Rechnung getragen. Diesem durch § 3 ALG geschützten Interesse steht andererseits das ebenfalls schützenswerte Interesse der Versichertengemeinschaft an Rechtsklarheit gegenüber. Damit ist es unvereinbar, dass ein Versicherter die Frage, ob er die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten verlässt, unangemessen lange in der Schwebe hält (vgl. im Einzelnen Senat, Urteil v. 24.11.2010, L 8 R 187/09, m.w.N., juris und sozialgerichtsbarkeit.de). Diese im Zusammenhang mit der vergleichbaren Vorschrift des § 6 Abs. 4 SGB VI maßgeblichen Grundsätze gelten für das Befreiungsrecht gemäß § 3 ALG umso mehr, als die Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG, nach der bei noch nicht erfolgter Feststellung der Versicherungspflicht des Landwirts zum Zeitpunkt der Eheschließung die Dreimonatsfrist erst ab Bekanntgabe des Bescheides über die Feststellung der Versicherungspflicht zu laufen beginnt, gegenüber § 6 Abs. 4 SGB VI als Regelung der gesetzlichen Rentenversicherung eine Privilegierung des Adressatenkreises des § 3 ALG enthält, die der Gesetzgeber dem Adressatenkreis des § 6 SGB VI nicht eingeräumt hat.
bb) Die Beiträge zur AdL sind für die Klägerin zudem nicht verloren. Sie kann mit diesen allein zwar nicht die Wartezeit von 15 Jahren für eine Regelaltersrente gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 ALG erfüllen. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ALG werden aber auf diese Wartezeit auch Zeiten angerechnet, für die Pflichtbeiträge nach den Vorschriften des SGB VI gezahlt sind. Dies gilt nach § 17 Abs. 1 Satz 3 ALG zwar nicht für Zeiten nach Satz 2, wenn diese Zeiten bereits mit Beiträgen belegt sind oder nur deshalb nicht mit Beiträgen belegt sind, weil der Versicherte von der nach § 1 Abs. 2 ALG bestehenden Versicherungspflicht befreit worden ist. Diese Sperrwirkung greift jedoch nicht bei der Befreiung von der Versicherungspflicht - wie vorliegend - als Ehegatte ein (vgl. Verbandskommentar, ALG, § 17 S. 1.4).
b) Die Klägerin wird auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt (vgl. Senat, Beschluss vom 13.2.2013, L 8 LW 20/12 B ER, sozialgerichtsbarkeit.de).
aa) Zunächst kann sie sich nicht auf ihre Unkenntnis der Gesetzeslage berufen. Denn nach dem Grundsatz der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen gelten diese mit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese individuell und tatsächlich Kenntnis erlangt haben (BSG, Urteil v. 24.11.2005, SozR 4-2600 § 6 Nr. 5 m.w.N.).
bb) Demgegenüber konnte sie zwar bis zur Änderung des § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG davon ausgehen, dass die Dreimonatsfrist für den Befreiungsantrag erst ab Bekanntgabe des Bescheides über die Feststellung der Versicherungspflicht lief, und diese "Vertrauensposition" ist durch das Inkrafttreten des 3. SGB IV-ÄndG "entwertet" worden. Indessen folgt hieraus kein schützenswertes Vertrauen, bis zur Bekanntgabe des Bescheides über die Versicherungspflicht keine Beiträge zahlen zu müssen. Wie bereits dargestellt, ist ein zeitliches Auseinanderfallen von Beginn der Versicherungspflicht und Aufnahmebescheid nur möglich, wenn die Pflicht zur Mitteilung nach § 1 Abs. 3 Satz 3 ALG verletzt worden ist. Aus einer Verletzung gesetzlich normierter Pflichten kann aber kein geschütztes Vertrauen erwachsen. Es kommt hinzu, dass der Gesetzgeber mit § 94 Abs. 2 ALG eine Übergangsregelung geschaffen hat, die es den Betroffenen noch innerhalb einer angemessenen Frist von drei Kalendermonaten ab Inkrafttreten der Neuregelung ermöglichte, eine rückwirkende Befreiung zu erhalten.
c) Es liegt keine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) darin, dass der Gesetzgeber Ehegatten von Landwirten nach § 1 Abs. 2 ALG, deren Versicherungspflicht zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits festgestellt war, nur innerhalb der Dreimonatsfrist ein auf den Beginn der Versicherungspflicht zurückwirkendes Befreiungsrecht einräumt, während bei anderen versicherungspflichtigen Landwirten nach wie vor eine rückwirkende Befreiung über die Dreimonatsfrist hinaus möglich ist (vgl. Senat, Beschluss vom 16.11.2011, L 8 LW 20/11 B ER, juris). Wie bereits dargelegt, verfolgt der Gesetzgeber mit der Dreimonatsgrenze das legitime Ziel, in einem überschaubaren Zeitraum Rechtsklarheit über die Versicherungspflicht des Landwirts bzw. seines Ehegatten zu gewinnen. Er durfte dabei unbedenklich davon ausgehen, dass Ehegatten von Landwirten, deren Versicherungspflicht bereits festgestellt ist, aufgrund dessen ihre eigene Versicherungspflicht vergleichsweise unproblematisch erkennen und eine Entscheidung über den Verbleib in der Alterskasse innerhalb einer angemessenen Frist von drei Monaten zumutbar treffen können, während dies typischerweise wesentlich schwieriger sein kann, wenn beispielsweise noch nicht feststeht, ob die für eine Versicherungspflicht erforderliche Mindestgröße des Betriebs erreicht ist (vgl. hierzu die Gegenäußerung des Bundesrates zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze, BT-Drs. 17/1684, S. 23 Ziff. 10, die sich der Ausschuss für Arbeit und Soziales zu Eigen gemacht hat, BT-Drs. 17/2169, Ziff. 8 Buchst. b) der Beschlussempfehlung, Begründung S. 10 zu Art. 7 Nr. 1 Buchst. b)). Zudem durfte er in zulässiger Weise daran anknüpfen, dass sich die Problematik einer über drei Monate hinaus rückwirkenden Feststellung der Versicherungspflicht und Beitragserhebung bei dem Personenkreis, zu dem die Klägerin gehört, nur dann stellt, wenn - wie auch hier - die aus § 1 Abs. 3 Satz 3 ALG folgende Verpflichtung verletzt worden ist, innerhalb von drei Monaten nach Eheschließung der Alterskasse mitzuteilen, welcher Ehegatte das Unternehmen als Landwirt betreibt (vgl. zu dieser Erwägung BT-Drs. 17/1684, S. 17 zu Art. 7 Nr. 1 Buchst. a)).
3. Bedenken gegen die Höhe der Beitragsforderung der Beklagte sind von Amts wegen nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht worden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
5. Die Revision hat der Senat gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, da eine höchstrichterliche Klärung der aufgeworfenen Fragen zur Verfassungsmäßigkeit des § 3 ALG n.F. bisher nicht erfolgt ist.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungs- und Beitragspflicht zur Alterssicherung der Landwirte (AdL) für den Zeitraum vom 9.7.2010 bis 20.10.2011.
Die am 00.00.1981 geborene Klägerin heiratete am 00.00.2010 den beigeladenen Landwirt J, dessen Versicherungspflicht als Landwirt mit Bescheid vom 31.5.2002 festgestellt worden war. Die Klägerin erzielte im Streitzeitraum aus ihrer bei der Bundesagentur für Arbeit seit dem 23.10.2003 ausgeübten abhängigen Beschäftigung ein Arbeitsentgelt in Höhe von mehr als 4.800,00 Euro jährlich bzw. mehr als 400,00 Euro monatlich.
Im Verlaufe eines Telefongesprächs am 21.10.2011 erfuhr die Beklagte erstmals von der Eheschließung der Klägerin und wies diese auf die hieraus folgende Versicherungs- und Beitragspflicht in der landwirtschaftlichen Alterssicherung hin. Daraufhin beantragte die Klägerin am 21.10.2011 die Befreiung von der Versicherungspflicht wegen Erzielung außerlandwirtschaftlichen Einkommens. Mit Bescheid vom 22.11.2011 befreite die Beklagte die Klägerin ab dem 21.10.2011 von der Versicherungspflicht. Mit weiterem Bescheid vom 22.11.2011 stellte sie die Versicherungs- und Beitragspflicht für die Zeit vom 9.7.2010 bis zum 20.10.2011 fest und forderte Beiträge in Höhe von 3.462,00 Euro.
Hiergegen richtete sich der am 12.12.2011 bei der Beklagten eingegangene Widerspruch der Klägerin, mit dem sie die Befreiung von der Versicherungspflicht bereits ab dem 9.7.2010 begehrte. Zur Begründung verwies sie auf ihre außerlandwirtschaftliche Erwerbstätigkeit, aus der sie mehr als 4.800,00 Euro pro Jahr erziele. Eine zweifache Versicherungspflicht zur allgemeinen Rentenversicherung und zur landwirtschaftlichen Alterssicherung könne nicht bestehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.1.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Antrag auf Befreiung hätte innerhalb von drei Monaten nach Eheschließung bzw. spätestens bis zum 30.11.2010 gestellt werden müssen, um bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen vom Beginn der Versicherungspflicht an befreit zu werden. Auf eine Kenntnis hiervon komme es nicht an.
Mit ihrer am 16.2.2012 zum Sozialgericht (SG) Aachen erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Sie hat auf ihre Pflichtversicherung in der allgemeinen Rentenversicherung wegen einer von ihr ausgeübten außerlandwirtschaftlichen Beschäftigung verwiesen. Eine doppelte Versicherung entspreche nicht der Intention des Gesetzgebers.
Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.1.2012 zu verurteilen, sie ab dem 9.7.2010 von der Versicherungspflicht zur Beklagten zu befreien, sowie die Bescheide vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.1.2012 hinsichtlich der Beitragsforderung in Höhe von 3.462,00 EUR aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide weiterhin für rechtmäßig gehalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 16.7.2012 hat das SG Aachen die Klage abgewiesen. Auf dessen Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen den ihr am 20.7.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 20.8.2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, dass der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zufolge die Versicherungspflicht nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) auch dann nicht gegen das Grundgesetz (GG) verstoße, wenn der Ehegatte nicht im landwirtschaftlichen Unternehmen mitarbeite (Hinweis auf BVerfG, Beschluss v. 9.12.2003, 1 BvR 1558/99; Nichtannahmebeschluss v. 1.3.2004, 1 BvR 2099/03). Gegen die Gefahr der Übersicherung sei er dabei ausreichend durch die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 ALG geschützt. Genau dies sei falsch. Wenn Versicherte bereits nicht wüssten, dass es eine Inanspruchnahme aufgrund des ALG geben könne, sei auch kein ausreichender Schutz durch § 3 ALG gegeben. Im Übrigen habe das BVerfG zur Frage der doppelten Inanspruchnahme keinerlei Ausführungen gemacht. Diese sei verfassungswidrig. Die Grundsätze des § 22 SGB IV würden nicht beachtet. Es liege im vorliegenden Fall eine Regelungslücke vor, die durch Richterrecht geschlossen werden könne.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 16.7.2012 zu ändern und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.1.2012 zu verurteilen, sie ab dem 9.7.2010 von der Versicherungspflicht zur Beklagten zu befreien, sowie die Bescheide vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.1.2012 hinsichtlich der Beitragsforderung in Höhe von 3.462,00 EUR aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid und beruft sich auf den Beschluss des Senats vom 16.11.2011, L 8 LW 20/11 B ER.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Zu Recht hat die Beklagte für den Streitzeitraum die Versicherungspflicht der Klägerin zur AdL festgestellt und Beiträge in Höhe von 3.462,00 Euro gefordert. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der AdL für den Zeitraum vom 9.7.2010 bis 20.10.2011.
1. Nach dem hier allein in Betracht kommenden § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG können Landwirte und mitarbeitende Familienangehörige auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit werden, solange sie regelmäßig Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen (Absatz 4) beziehen, das ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft jährlich 4.800 Euro überschreitet. Nach § 3 Abs. 2 ALG wirkt die Befreiung vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an (Satz 1). § 34 Abs. 2 Satz 3 und 4 gilt entsprechend (§ 3 Abs. 2 Satz 4 1. Halbsatz ALG). Nach § 34 Abs. 2 Satz 3 ALG i. V. m. § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG beginnt die Dreimonatsfrist erst ab Bekanntgabe des Bescheides, es sei denn, die Versicherungspflicht beginnt nach § 1 Abs. 3 wegen erfolgter Eheschließung mit einem Landwirt nach § 1 Abs. 2, dessen Versicherungspflicht zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits festgestellt war (§ 3 Abs. 2 Satz 4 2. Halbsatz ALG, der am 11.8.2010 mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze [3. SGB IV-ÄndG ] in Kraft trat, BGBl. I S. 1127). § 94 Abs. 1 Satz 1 ALG bestimmt, dass die Vorschriften dieses Gesetzes von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden sind, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Durch dieses Gesetz aufgehobene und ersetzte Vorschriften sind auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird (§ 94 Abs. 2 ALG). Die Voraussetzungen der vorgenannten Bestimmungen für eine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht liegen nicht vor.
a) Die Versicherungspflicht der Klägerin ist aufgrund der Heirat mit dem Beigeladenen, einem Landwirt nach § 1 Abs. 2 ALG, am 9.7.2010 gemäß § 1 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 ALG eingetreten. Von diesem Zeitpunkt an erfüllte die Klägerin die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG, da sie ein Arbeitsentgelt erzielte, das ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft jährlich 4.800,00 Euro überschritt.
b) Die Befreiung wirkt vorliegend vom Eingang des Antrags der Klägerin bei der Beklagten am 21.10.2011 und nicht rückwirkend vom Zeitpunkt der Versicherungspflicht an.
aa) Maßgebend ist gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 ALG die seit dem 11.8.2010 geltende Fassung (n.F.) des § 3 ALG, denn die Voraussetzungen nach § 94 Abs. 2 ALG für die Anwendbarkeit der bis zum 10.8.2010 geltenden Fassung des § 3 ALG liegen nicht vor. Die Weitergeltung der aufgehobenen Fassung hätte eine Antragstellung bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung erfordert. Da die Aufhebung mit Wirkung zum 11.8.2010 erfolgte, war demnach der Antrag bis zum 30.11.2010 zu stellen. Diese Frist hat die Klägerin mit der Antragstellung am 21.10.2011 ersichtlich nicht eingehalten.
bb) Die danach anzuwendende Regelung im 1. Halbsatz des § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG n.F. i.V.m. § 34 Abs. 2 Satz 3 ALG, wonach die Dreimonatsfrist erst ab Bekanntgabe des Bescheides beginnen würde, greift nicht ein, weil zum Zeitpunkt der Eheschließung am 9.7.2010 die Versicherungspflicht des Beigeladenen bereits festgestellt war (Bescheid v. 31.5.2002; § 3 Abs. 2 Satz 4 2. Halbsatz ALG n.F.). Somit konnte die Befreiung von der Versicherungspflicht rückwirkend nur bei einer Antragstellung innerhalb von drei Monaten vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen, hier dem 9.7.2010, an, d.h. bis zum 9.10.2010 erfolgen, wobei sich diese Frist gemäß § 94 Abs. 2 ALG bis zum 30.11.2010 verlängerte. Wie bereits ausgeführt, erfolgte die Antragstellung nach Ablauf dieser Frist.
c) Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Entscheidung.
aa) Welche Grundsätze des § 22 SGB IV nicht beachtet worden sein sollen, wird von der Klägerin nicht ausgeführt und ist auch nicht erkennbar. Nach § 22 SGB IV, der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB IV auch in der AdL gilt, entstehen Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Dies ist von der Beklagten bei Erlass des Beitragsbescheides vom 22.11.2011 beachtet worden. Mit der Heirat eines Landwirts ist die Versicherungspflicht der Klägerin gemäß § 1 Abs. 3 ALG und ihre Beitragspflicht gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ALG entstanden. Die übrigen Regelungen des § 22 SGB IV betreffen einkommensabhängige Beiträge. Bei den Beiträgen zur Alterssicherung der Landwirte handelt es sich hingegen um einkommensunabhängige feste Monatsbeiträge, so dass aus § 22 SGB IV hierzu nichts herzuleiten ist. Das Arbeitseinkommen ist erst bei der - nicht streitgegenständlichen - Bemessung des Beitragszuschusses gem. § 34 ALG von Bedeutung.
bb) Eine durch Richterrecht zu schließende Regelungslücke liegt nicht vor. Im Gegenteil: § 3 Abs. 2 ALG soll genau das verhindern, was die Klägerin begehrt, nämlich eine unbefristete Befreiungsmöglichkeit, die es nach dem GAL noch gab (vgl. BSG, Urteil v. 17.8.2000, B 10 LW 22/99 R, juris). Im Übrigen besteht nach dem ALG ein differenziertes System von Regel (Versicherungspflicht) und Ausnahme (Versicherungsfreiheit bzw. Befreiung auf Antrag), das grundsätzlich keiner gesetzesergänzenden, lückenschließenden Auslegung zugänglich ist (vgl. BSG, Beschluss v. 20.1.2009, B 10 LW 9/08 B; Urteil v. 25.7.2002, B 10 LW 12/01 R, juris).
2. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen dieses Ergebnis bestehen nicht.
a) Die rückwirkende Begründung der Versicherungspflicht in der AdL neben einer gleichzeitigen Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung verletzt die Klägerin nicht in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG; vgl. bereits Senat, Beschluss v. 16.11.2011, L 8 LW 20/11 B ER, juris).
aa) § 3 ALG eröffnet dem betroffenen Personenkreis gerade die Möglichkeit, sich in diesem Fall von der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Alterssicherung befreien zu lassen. Wie der Senat jedoch bereits im Zusammenhang mit der vergleichbaren Vorschrift des § 6 Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entschieden hat, ist es nicht grundrechtlich geboten, dieses "Wahlrecht" unbeschränkt lange offen zu lassen. Mit dem Befreiungsrecht nach § 3 ALG hat der Gesetzgeber als Ausnahme von der Versicherungspflicht nach § 1 ALG dem von ihm als berechtigt angesehenen Interesse des in der Vorschrift angesprochenen Personenkreises, die Solidargemeinschaft der gesetzlich versicherten Landwirte zu verlassen, bereits Rechnung getragen. Diesem durch § 3 ALG geschützten Interesse steht andererseits das ebenfalls schützenswerte Interesse der Versichertengemeinschaft an Rechtsklarheit gegenüber. Damit ist es unvereinbar, dass ein Versicherter die Frage, ob er die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten verlässt, unangemessen lange in der Schwebe hält (vgl. im Einzelnen Senat, Urteil v. 24.11.2010, L 8 R 187/09, m.w.N., juris und sozialgerichtsbarkeit.de). Diese im Zusammenhang mit der vergleichbaren Vorschrift des § 6 Abs. 4 SGB VI maßgeblichen Grundsätze gelten für das Befreiungsrecht gemäß § 3 ALG umso mehr, als die Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG, nach der bei noch nicht erfolgter Feststellung der Versicherungspflicht des Landwirts zum Zeitpunkt der Eheschließung die Dreimonatsfrist erst ab Bekanntgabe des Bescheides über die Feststellung der Versicherungspflicht zu laufen beginnt, gegenüber § 6 Abs. 4 SGB VI als Regelung der gesetzlichen Rentenversicherung eine Privilegierung des Adressatenkreises des § 3 ALG enthält, die der Gesetzgeber dem Adressatenkreis des § 6 SGB VI nicht eingeräumt hat.
bb) Die Beiträge zur AdL sind für die Klägerin zudem nicht verloren. Sie kann mit diesen allein zwar nicht die Wartezeit von 15 Jahren für eine Regelaltersrente gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 ALG erfüllen. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ALG werden aber auf diese Wartezeit auch Zeiten angerechnet, für die Pflichtbeiträge nach den Vorschriften des SGB VI gezahlt sind. Dies gilt nach § 17 Abs. 1 Satz 3 ALG zwar nicht für Zeiten nach Satz 2, wenn diese Zeiten bereits mit Beiträgen belegt sind oder nur deshalb nicht mit Beiträgen belegt sind, weil der Versicherte von der nach § 1 Abs. 2 ALG bestehenden Versicherungspflicht befreit worden ist. Diese Sperrwirkung greift jedoch nicht bei der Befreiung von der Versicherungspflicht - wie vorliegend - als Ehegatte ein (vgl. Verbandskommentar, ALG, § 17 S. 1.4).
b) Die Klägerin wird auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt (vgl. Senat, Beschluss vom 13.2.2013, L 8 LW 20/12 B ER, sozialgerichtsbarkeit.de).
aa) Zunächst kann sie sich nicht auf ihre Unkenntnis der Gesetzeslage berufen. Denn nach dem Grundsatz der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen gelten diese mit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese individuell und tatsächlich Kenntnis erlangt haben (BSG, Urteil v. 24.11.2005, SozR 4-2600 § 6 Nr. 5 m.w.N.).
bb) Demgegenüber konnte sie zwar bis zur Änderung des § 3 Abs. 2 Satz 4 ALG davon ausgehen, dass die Dreimonatsfrist für den Befreiungsantrag erst ab Bekanntgabe des Bescheides über die Feststellung der Versicherungspflicht lief, und diese "Vertrauensposition" ist durch das Inkrafttreten des 3. SGB IV-ÄndG "entwertet" worden. Indessen folgt hieraus kein schützenswertes Vertrauen, bis zur Bekanntgabe des Bescheides über die Versicherungspflicht keine Beiträge zahlen zu müssen. Wie bereits dargestellt, ist ein zeitliches Auseinanderfallen von Beginn der Versicherungspflicht und Aufnahmebescheid nur möglich, wenn die Pflicht zur Mitteilung nach § 1 Abs. 3 Satz 3 ALG verletzt worden ist. Aus einer Verletzung gesetzlich normierter Pflichten kann aber kein geschütztes Vertrauen erwachsen. Es kommt hinzu, dass der Gesetzgeber mit § 94 Abs. 2 ALG eine Übergangsregelung geschaffen hat, die es den Betroffenen noch innerhalb einer angemessenen Frist von drei Kalendermonaten ab Inkrafttreten der Neuregelung ermöglichte, eine rückwirkende Befreiung zu erhalten.
c) Es liegt keine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) darin, dass der Gesetzgeber Ehegatten von Landwirten nach § 1 Abs. 2 ALG, deren Versicherungspflicht zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits festgestellt war, nur innerhalb der Dreimonatsfrist ein auf den Beginn der Versicherungspflicht zurückwirkendes Befreiungsrecht einräumt, während bei anderen versicherungspflichtigen Landwirten nach wie vor eine rückwirkende Befreiung über die Dreimonatsfrist hinaus möglich ist (vgl. Senat, Beschluss vom 16.11.2011, L 8 LW 20/11 B ER, juris). Wie bereits dargelegt, verfolgt der Gesetzgeber mit der Dreimonatsgrenze das legitime Ziel, in einem überschaubaren Zeitraum Rechtsklarheit über die Versicherungspflicht des Landwirts bzw. seines Ehegatten zu gewinnen. Er durfte dabei unbedenklich davon ausgehen, dass Ehegatten von Landwirten, deren Versicherungspflicht bereits festgestellt ist, aufgrund dessen ihre eigene Versicherungspflicht vergleichsweise unproblematisch erkennen und eine Entscheidung über den Verbleib in der Alterskasse innerhalb einer angemessenen Frist von drei Monaten zumutbar treffen können, während dies typischerweise wesentlich schwieriger sein kann, wenn beispielsweise noch nicht feststeht, ob die für eine Versicherungspflicht erforderliche Mindestgröße des Betriebs erreicht ist (vgl. hierzu die Gegenäußerung des Bundesrates zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze, BT-Drs. 17/1684, S. 23 Ziff. 10, die sich der Ausschuss für Arbeit und Soziales zu Eigen gemacht hat, BT-Drs. 17/2169, Ziff. 8 Buchst. b) der Beschlussempfehlung, Begründung S. 10 zu Art. 7 Nr. 1 Buchst. b)). Zudem durfte er in zulässiger Weise daran anknüpfen, dass sich die Problematik einer über drei Monate hinaus rückwirkenden Feststellung der Versicherungspflicht und Beitragserhebung bei dem Personenkreis, zu dem die Klägerin gehört, nur dann stellt, wenn - wie auch hier - die aus § 1 Abs. 3 Satz 3 ALG folgende Verpflichtung verletzt worden ist, innerhalb von drei Monaten nach Eheschließung der Alterskasse mitzuteilen, welcher Ehegatte das Unternehmen als Landwirt betreibt (vgl. zu dieser Erwägung BT-Drs. 17/1684, S. 17 zu Art. 7 Nr. 1 Buchst. a)).
3. Bedenken gegen die Höhe der Beitragsforderung der Beklagte sind von Amts wegen nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht worden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
5. Die Revision hat der Senat gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, da eine höchstrichterliche Klärung der aufgeworfenen Fragen zur Verfassungsmäßigkeit des § 3 ALG n.F. bisher nicht erfolgt ist.
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