Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 1974/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 3166/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. April 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 29. September 2009 eine Hinterbliebenenrente (hier: große Witwenrente) zu gewähren. Die 1947 geborene Klägerin ist die Witwe des 1948 geborenen und am 18. September 2009 verstorbenen M. G. (im Folgenden: der Versicherte). Die beiden hatten noch am 3. Juni 2009 geheiratet, die Ehe bestand bis zum Tod des Versicherten. Der Versicherte war zuvor seit 1971 mit R. G. verheiratet, von der er nach Angaben der Klägerin im Jahre 1994 geschieden wurde. Die Klägerin war in Br. (Polen) 1978 mit G. P. die Ehe eingegangen, die durch Urteil des Amtsgerichts Ne. vom 30. April 2009 (Az. 001 F 692/08) geschieden wurde.
Ausweislich des vorläufigen Arztbriefs des K. Stuttgart (Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Gastroenterologie) vom 31. Mai 2008 über den dortigen stationären Aufenthalt vom 29.-31. Mai 2008 wurde bei dem Versicherten im Oktober 2006 die Erstdiagnose eines Pankreaskopfkarzinoms gestellt. Im November 2006 begann die Chemotherapie. Zum Zeitpunkt des Berichts war das Karzinom bereits lokal inoperabel.
Am 29. September 2009 beantragte die Klägerin Hinterbliebenenrente und gab hierbei an, dass sie sich mit dem Versicherten seit 1992 in Lebensgemeinschaft befunden habe und sich ihre Scheidung verzögert habe, weil der vormalige Ehemann sich geweigert habe (s. ausgefüllter Vordruck R510 v. 29. September 2009). Mit Bescheid vom 23. Oktober 2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Witwenrente wegen § 46 Abs. 2a SGB VI ab. Die Ehe habe nur vom 3. Juni 2009 bis 18. September 2009 gedauert, somit kein ganzes Jahr. Besondere Umstände angesichts derer die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen, seien von der insoweit objektiv beweisbelasteten Klägerin nicht nachgewiesen. Allein der Umstand, dass die Lebensgemeinschaft 17 Jahre gedauert habe, sei nicht ausreichend. Hiergegen erhob die Klägerin am 29. Oktober 2009 Widerspruch. Seit 1990 sei sie mit dem verstorbenen Versicherten "liiert" gewesen, seit 1992 habe man eine gemeinsame Wohnung gehabt. Die Eheschließung sei seit Jahren geplant gewesen. Eine frühere Eheschließung sei allein dadurch verhindert worden, dass eine Scheidung vom früheren Ehemann aus persönlichen und faktischen Gründen vorher nicht möglich gewesen sei. Der frühere Ehemann habe sich geweigert, in die Scheidung einzuwilligen. Die Scheidung sei sodann im Oktober 2008 eingereicht worden. Früher sei dies nicht möglich gewesen, weil der frühere Ehemann "oftmals nicht auffindbar" gewesen sei und sich im Fall einer Scheidung geweigert hätte, Unterhalt für den Sohn zu bezahlen. Sie habe sich somit in einer Zwangslage befunden. Ihr Sohn M. P. und ihr Bevollmächtigter im Scheidungsprozess, Rechtsanwalt T., könnten "sich dazu äußern, warum die Scheidung vom ersten Ehemann erst so spät in die Wege geleitet werden konnte". Gegen die Annahme einer Versorgungsehe spreche außerdem der Umstand, dass sie eine eigene Rente von knapp 1.000,00 EUR monatlich beziehe und sich somit selbst versorgen könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2010, der am 16. März 2010 zur Post gegeben wurde, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das Widerspruchsvorbringen der Klägerin widerlege die Annahme einer Versorgungsehe nicht. Vielmehr unterstreiche das langjährige eheähnliche Zusammenleben und die Tatsache, dass die Scheidung erst im Oktober 2008 beantragt worden sei, nachdem laut Arztbericht des K. vom 31. Mai 2008 bereits die Diagnose eines inoperablen Pankreaskopfkarzinoms gestellt worden sei, die Rechtsvermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI. Im Übrigen sei das Widerspruchsvorbringen auch nicht schlüssig, da auch im Fall einer Nichtzustimmung der Gegenseite nach drei Trennungsjahren die Ehe als zerrüttet anzusehen sei.
Mit ihrer am 19. April 2010 beim Sozialgericht Freiburg erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren unter Wiederholung ihres vorgerichtlichen Vorbringens weiter. Sie hat beantragt, ihren Sohn, M. P., sowie den Rechtsanwalt T. als Zeuge zu der Frage zu hören, "weshalb die Eheschließung erst so spät erfolgte". Es falle sehr schwer, die Tatsache zu belegen, dass der Ex-Ehemann oftmals nicht auffindbar gewesen sei und sich im Fall einer Scheidung geweigert hätte, Unterhalt für den Sohn zu bezahlen. Sie habe Rücksprache mit ihrem geschiedenen Mann genommen und ihn um eine schriftliche Aussage gebeten. Das Gericht solle ihn als Zeugen hören. Das Gericht solle außerdem 13 weitere Zeugen hören, die in der Anlage des klägerischen Schriftsatzes vom 18. April 2011 ("Zeugenliste", SG-Akte Bl. 32-34) benannt seien und bezeugen könnten, dass sie seit Jahren von einem eheähnlichen Verhältnis mit dem Versicherten gewusst hatten. Das BSG habe in seinem Urteil vom 6. Mai 2010 - B 13 R 134/08 R - entschieden, dass alle Umstände des Einzelfalls, die für oder gegen eine Versorgungsabsicht sprechen könnten, aufzuklären und in einer abschließenden Gesamtbewertung zu würdigen seien. Das Gericht habe daher allen Beweisanträgen nachzugehen. Ergänzend hat die Klägerin in einer nachgereichten "Chronologischen Auflistung" vom 27. Juli 2011 (SG-Akte Bl. 39 f.) ausgeführt, dass aufgrund ihrer jeweiligen persönlichen Lebensumstände die Einreichung der Scheidungsklage nicht die "oberste Priorität" gehabt habe. Im Juli 1990 sei die Trennung von Herrn P. erfolgt, nachdem dieser ihr gegenüber gewalttätig geworden sei. Noch im Juli 1990 habe sie sich an einen Arzt gewandt, woraufhin ein sofortiger Kontaktabbruch zu Herrn P. erfolgt sei. Vom Juli 1990 bis Mai 1992 sei der Kontakt zu ihm dann völlig abgebrochen gewesen. Am 10. Mai 1992 sei es im Zusammenhang mit der Erstkommunion des gemeinsamen Sohnes M. P. zu einer erstmaligen Kontaktaufnahme gekommen. Um ihn zur Feier einladen zu können, seien längere Adressrecherchen erforderlich gewesen, dies u.a. über die in Polen lebenden Schwiegereltern. Im Februar 1993 sei bei ihrer Mutter, Frau L. B., Lungenkrebs diagnostiziert worden. Von 1993 bis 1998 habe sie sich um ihre Mutter gekümmert. Von 1993 bis 2002 sei außerdem der Sohn M. auf das Gymnasium gegangen, so dass sie sich auch um ihn in dieser Zeit intensiv habe kümmern müssen. Im Februar 2003 habe dann der Versicherte einen schweren Arbeitsunfall erlitten, bei welchem dieser aus großer Höhe von einer Leiter gestürzt sei. Von da an sei er arbeitsunfähig gewesen, weshalb sie sich sehr um ihn und um den Fortbestand der Firma Elektro-G. habe kümmern müssen, dies bis er wieder arbeitsfähig gewesen sei. Im Januar 2005 sei dann der Vater des Versicherten unerwartet verstorben. Im Juni 2005 sei ihr Vater, um den sie sich ebenfalls seit 1998 gekümmert habe, bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Im September 2005 sei es zu einem weiteren Arbeitsunfall des Versicherten mit anschließender Arbeitsunfähigkeit gekommen. Von 2004 bis 2007 habe der Sohn M. seine Ausbildung absolviert, während der er noch in ihrem Haushalt gelebt habe und sie sich um ihn habe kümmern müssen. Somit habe sie sich erst im Jahre 2007 um ihre persönlichen Unterlagen und Probleme kümmern können. 2008 habe sie dann die Scheidungsklage eingereicht und diese sei dann im April 2009 erfolgt. Somit sei dann der "Krönung der Liebe" zum Versicherten durch Heirat nichts mehr im Wege gestanden. Zur Heirat hätten sie sich aus Liebe entschlossen und nicht aus finanziellen Gründen.
Das SG hat mit den Beteiligten am 18. April 2012 die Sach- und Rechtslage erörtert. Hier hat die Klägerin unter anderem ausgeführt, sie habe über all die Jahre versucht über ihren Sohn Kontakt mit dem früheren Ehemann H. P. zu bekommen, damit man die Scheidung einvernehmlich erledigen könne. Die Anschrift sei ihr immer bekannt gewesen. Dieser habe immer in Ne. gewohnt. Allerdings sei er oft auf Montage gewesen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Angaben der Klägerin wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19. April 2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen auf die im übrigen Bezug genommen wird, hat das SG ausgeführt, die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI greife im vorliegenden Fall ein. Die Klägerin und der Versicherte hätten ihre Ehe in Kenntnis der schweren Erkrankung geschlossen. Beiden sei bekannt gewesen dass der Versicherte voraussichtlich in absehbarer Zeit an dieser Erkrankung sterben werde. Konkrete Hochzeitspläne hätten auch nicht schon länger bestanden. Die Klägerin habe eingeräumt, sich wegen einer Scheidung erstmals Ende 2007 beim Amtsgericht W. erkundigt zu haben. Erst Mitte 2008, also erst nach Erhalt des Arztberichtes des K. vom 31. Mai 2008, der die Diagnose eines inoperablen Pankreaskopfkarzinoms beinhaltet hatte, habe sie einen Rechtsanwalt wegen der Scheidung aufgesucht. Im Erörterungstermin habe sich herausgestellt, dass der frühere Ehemann der Klägerin ihr direkt gegenüber zu keiner Zeit die Einstellung von Unterhaltszahlungen angedroht habe. Aus den vorgelegten Kontoauszügen könne auch auf regelmäßige Unterhaltszahlungen für das gemeinsame Kind M. nicht geschlossen werden. Im Erörterungstermin habe sie auch in Abweichung zum vorherigen Vortrag angegeben, dass sie zu jeder Zeit die Anschrift ihres früheren Ehemannes gekannt habe, dieser sei somit nicht wie ursprünglich angegeben "unauffindbar" gewesen. Somit hätten weder der Durchsetzung eines Unterhaltsanspruchs noch einer Scheidung Hinderungsgründe entgegengestanden. Erst Mitte 2008, somit nach dem oben genannten Arztbericht und lange nach der kurzen Phase der Tumorregression, sei dann innerhalb eines halben Jahres von Dezember 2008 bis Juli 2009 der komplette Scheidungsprozess und auch die neue Eheschließung durchgeführt worden. Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI sei im vorliegenden Fall sehr naheliegend. Gegen das am 5. Juli 2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 24. Juli 2012 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, dass sie und ihr verstorbener Ehemann im Jahr 1994 gemeinsam dessen Unternehmen gegründet hätten und auch von ihren Eltern diesbezüglich finanziell unterstützt worden seien. Es hätten über all die Jahre hinweg finanzielle Schwierigkeiten bestanden. Alle Nachbarn hätten immer gesagt, dass sie, ihr verstorbener Mann und ihr Sohn eine Familie seien. Ihr Sohn spreche auch heute noch von ihrem verstorbenen Mann nur als "Papa"; dies belege, dass durch die Heirat im Juni 2009 der langjährige für die Außenwelt bereits gelebte Zustand auch rechtlich besiegelt werden sollte ("Krönung der Liebe").
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. April 2012 sowie den Bescheid vom 23. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2010 aufzuheben und ihr große Witwenrente nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung weiterhin für zutreffend. Die im Rahmen des Berufungsverfahrens ergänzend vorgetragenen Umstände, dass die Außenwelt bereits vor der Hochzeit, also während der langjährigen Dauer des nichtehelichen Zusammenlebens von einer "richtigen Familie" ausgegangen sei, spreche eher für eine Versorgungsehe, da bei diesem Sachverhalt davon ausgegangen werden müsse, dass wirtschaftliche Gesichtspunkte für die Heirat im Vordergrund gestanden hätten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente (große Witwenrente) nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 23. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. März 2010 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie (1.) ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, (2.) das 47. Lebensjahr vollendet haben oder (3.) erwerbsgemindert sind.
Zwar war die Klägerin, die das 47. Lebensjahr bereits vollendet hat (§ 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI), vom 3. Juni 2009 bis zum 18. September 2009 und damit zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten mit diesem verheiratet, auch hat dieser die allgemeine Wartezeit (§ 50 Ab. 1 SGB VI) erfüllt, doch steht § 46 Abs. 2a SGB VI dem Anspruch der Klägerin entgegen.
Nach § 46 Abs. 2a SGB VI haben Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Diese Regelung ist auf die Klägerin anzuwenden (§ 242a Abs. 3 SGB VI) und ist verfassungsgemäß (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 53/08 R , veröffentlicht in Juris).
Da die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten nur vom 3. Juni 2009 bis zum 18. September 2009, somit also kein Jahr gedauert hat, ist ein Anspruch auf Witwenrente grundsätzlich ausgeschlossen (§ 46 Abs. 2a SGB VI). Diese Rechtsfolge (Ausschluss des Anspruchs auf Witwenrente) tritt jedoch dann nicht ein, wenn besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen (§ 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI).
Der Begriff der besonderen Umstände in § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der von den Rentenversicherungsträgern und den Gerichten mit einem bestimmten Inhalt ausgefüllt werden muss und dessen Beurteilungsspielraum der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R, veröffentlicht in Juris). Dabei kann die Rechtsprechung des BSG zu den inhaltsgleichen Vorschriften der Unfallversicherung (§ 65 Abs. 6 SGB VII, § 594 RVO) und der Kriegsopferversorgung (§ 38 Abs. 2 BVG), denen die Vorschrift nachgebildet ist (BT-Drucks. 14/4595 S. 44), herangezogen werden (BSG v. 5. Mai 2009, a.a.O.). Daher sind als besondere Umstände im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen (vgl. BSG v. 5. Mai 2009 a.a.O.). Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an, es sei denn, dass der hinterbliebene Ehegatte den Versicherten beispielsweise durch Ausnutzung einer Notlage oder Willensschwäche zur Eheschließung veranlasst hat (BSG a.a.O. m.w.N.); dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Damit ist eine Einzelfallprüfung unter Anstellung einer Gesamtbetrachtung durchzuführen, in die sowohl die vom Hinterbliebenen vorgetragenen inneren als auch die von Amts wegen zu ermittelnden äußeren Umstände des Zwecks der Heirat einzustellen sind (BSG a.a.O.). Die auch vom Gesetzgeber intendierte Einzelfallprüfung lässt eine abschließende abstrakt-generelle (normgleiche) Einordnung einzelner denkbarer Ehemotive nicht zu (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 13 R 134/08 R , veröffentlicht in Juris m.w.N.). Vielmehr kommt es nach dem Gesetz auf die - gegebenenfalls auch voneinander abweichenden - Beweggründe beider Ehegatten im konkreten Einzelfall an (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R a.a.O.; Gürtner in Kasseler Kommentar, Ergänzungslieferung 2010, § 46 Rn. 46c). Dabei sind die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu bewerten (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 13 R 134/08 R - a.a.O.).
Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung die äußeren und inneren Umstände des vorliegenden Einzelfalles zutreffend gewürdigt. Es hat korrekt festgestellt, dass die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht widerlegt ist. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Von der Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen und nach eigener Prüfung auf die zutreffenden und schlüssigen Entscheidungsgründe erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Auch die im Berufungsverfahren von der Klägerin vorgebrachten Umstände führen zu keinem anderen Ergebnis. Der Vortrag, sie habe mit dem Versicherten und ihrem Sohn lange Jahre wie eine Familie zusammengelebt und dies habe auch die "Außenwelt" so wahrgenommen, hat bereits das SG in seiner Entscheidung so festgestellt. Maßgebend ist, dass die Eheschließung mit dem Versicherten und die Ehescheidung von dem früheren Ehemann - worauf das SG ebenfalls hingewiesen hatte - erst dann in die Wege geleitet worden ist, nachdem die behandelnden Ärzte des Versicherten (Arztbericht des K. vom 31. Mai 2008) das inoperable Pankreaskopfkarzinom diagnostiziert hatten und damit die begrenzte Lebenserwartung des Versicherten offenbar geworden war.
Im Fall einer Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten ist der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI in der Regel nicht erfüllt. Zwar ist dadurch der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dennoch - überwiegend oder zumindest gleichwertig - aus anderen als Versorgungsgründen geheiratet wurde. Aber es müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen inneren und äußeren Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist. Mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit der Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit dieses Umstands zum Zeitpunkt der Eheschließung steigt deshalb zugleich der Grad des Zweifels am Vorliegen solcher "besonderen Umstände", die vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisen sind (LSG Baden- Württemberg, Urteil v. 16. Oktober 2012, L 11 R 392/11, BSG, Urteil v. 5. Mai 2009, B 13 R 55/08 R, BSG, Urteil v. 6. Mai 2010, B 13 R 134/08 R, alle veröffentlicht in Juris).
Die Klägerin hat hinreichend gewichtige, gegen eine Versorgungsehe sprechende Umstände nicht nachgewiesen. Das langjährige Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft - auch nach außen -, das gemeinsam gegründete Unternehmen, bilden vorliegend keine solchen gewichtigen Umstände. Der Wunsch, der beiderseitigen Liebesbeziehung nach langjährigem eheähnlichem Zusammenleben mit dem Versicherten "zu krönen" und sie damit auch formal und rechtlich zu manifestieren, ist zwar nicht von vornherein - losgelöst von den Umständen des konkreten Einzelfalls - ungeeignet, einen besonderen Umstand anzunehmen (BSG 6. Mai 2010, B 13 R 134/08 R, juris). Allein das Bestehen einer innigen Liebesbeziehung und die wiederholte Äußerung von Heiratsabsichten reichen für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung jedoch nicht aus (LSG Baden-Württemberg a.a.O. mw.N.). Die Heirat muss sich als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Krankheit bestehenden Entschlusses darstellen (LSG Baden-Württemberg a.a.O. m.w.N.). Hiervon konnte sich der Senat nicht überzeugen. Die Klägerin hat - worauf das SG bereits eingegangen ist - eine Scheidung von Ihrem früheren Ehemann erstmals Ende des Jahres 2007 in Erwägung gezogen (Erkundigung beim AG W.). Die von der Klägerin dargelegten Hinderungsgründe (Pflege der Mutter v 1993 bis 1998, Gymnasiumbesuch des Sohnes v. 1993 bis 2002, Autounfall des Versicherten 2002, Tod des Vaters nach Verkehrsunfall 2005 etc.) erklären nicht plausibel, wehalb das Scheidungsverfahren nicht früher hätte eingeleitet werden können
Ein zumindest gleichwertiges Motiv neben dem Versorgungsmotiv ist daher nicht belegt.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weswegen der Senat die Berufung zurückweist. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 29. September 2009 eine Hinterbliebenenrente (hier: große Witwenrente) zu gewähren. Die 1947 geborene Klägerin ist die Witwe des 1948 geborenen und am 18. September 2009 verstorbenen M. G. (im Folgenden: der Versicherte). Die beiden hatten noch am 3. Juni 2009 geheiratet, die Ehe bestand bis zum Tod des Versicherten. Der Versicherte war zuvor seit 1971 mit R. G. verheiratet, von der er nach Angaben der Klägerin im Jahre 1994 geschieden wurde. Die Klägerin war in Br. (Polen) 1978 mit G. P. die Ehe eingegangen, die durch Urteil des Amtsgerichts Ne. vom 30. April 2009 (Az. 001 F 692/08) geschieden wurde.
Ausweislich des vorläufigen Arztbriefs des K. Stuttgart (Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Gastroenterologie) vom 31. Mai 2008 über den dortigen stationären Aufenthalt vom 29.-31. Mai 2008 wurde bei dem Versicherten im Oktober 2006 die Erstdiagnose eines Pankreaskopfkarzinoms gestellt. Im November 2006 begann die Chemotherapie. Zum Zeitpunkt des Berichts war das Karzinom bereits lokal inoperabel.
Am 29. September 2009 beantragte die Klägerin Hinterbliebenenrente und gab hierbei an, dass sie sich mit dem Versicherten seit 1992 in Lebensgemeinschaft befunden habe und sich ihre Scheidung verzögert habe, weil der vormalige Ehemann sich geweigert habe (s. ausgefüllter Vordruck R510 v. 29. September 2009). Mit Bescheid vom 23. Oktober 2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Witwenrente wegen § 46 Abs. 2a SGB VI ab. Die Ehe habe nur vom 3. Juni 2009 bis 18. September 2009 gedauert, somit kein ganzes Jahr. Besondere Umstände angesichts derer die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen, seien von der insoweit objektiv beweisbelasteten Klägerin nicht nachgewiesen. Allein der Umstand, dass die Lebensgemeinschaft 17 Jahre gedauert habe, sei nicht ausreichend. Hiergegen erhob die Klägerin am 29. Oktober 2009 Widerspruch. Seit 1990 sei sie mit dem verstorbenen Versicherten "liiert" gewesen, seit 1992 habe man eine gemeinsame Wohnung gehabt. Die Eheschließung sei seit Jahren geplant gewesen. Eine frühere Eheschließung sei allein dadurch verhindert worden, dass eine Scheidung vom früheren Ehemann aus persönlichen und faktischen Gründen vorher nicht möglich gewesen sei. Der frühere Ehemann habe sich geweigert, in die Scheidung einzuwilligen. Die Scheidung sei sodann im Oktober 2008 eingereicht worden. Früher sei dies nicht möglich gewesen, weil der frühere Ehemann "oftmals nicht auffindbar" gewesen sei und sich im Fall einer Scheidung geweigert hätte, Unterhalt für den Sohn zu bezahlen. Sie habe sich somit in einer Zwangslage befunden. Ihr Sohn M. P. und ihr Bevollmächtigter im Scheidungsprozess, Rechtsanwalt T., könnten "sich dazu äußern, warum die Scheidung vom ersten Ehemann erst so spät in die Wege geleitet werden konnte". Gegen die Annahme einer Versorgungsehe spreche außerdem der Umstand, dass sie eine eigene Rente von knapp 1.000,00 EUR monatlich beziehe und sich somit selbst versorgen könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2010, der am 16. März 2010 zur Post gegeben wurde, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das Widerspruchsvorbringen der Klägerin widerlege die Annahme einer Versorgungsehe nicht. Vielmehr unterstreiche das langjährige eheähnliche Zusammenleben und die Tatsache, dass die Scheidung erst im Oktober 2008 beantragt worden sei, nachdem laut Arztbericht des K. vom 31. Mai 2008 bereits die Diagnose eines inoperablen Pankreaskopfkarzinoms gestellt worden sei, die Rechtsvermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI. Im Übrigen sei das Widerspruchsvorbringen auch nicht schlüssig, da auch im Fall einer Nichtzustimmung der Gegenseite nach drei Trennungsjahren die Ehe als zerrüttet anzusehen sei.
Mit ihrer am 19. April 2010 beim Sozialgericht Freiburg erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren unter Wiederholung ihres vorgerichtlichen Vorbringens weiter. Sie hat beantragt, ihren Sohn, M. P., sowie den Rechtsanwalt T. als Zeuge zu der Frage zu hören, "weshalb die Eheschließung erst so spät erfolgte". Es falle sehr schwer, die Tatsache zu belegen, dass der Ex-Ehemann oftmals nicht auffindbar gewesen sei und sich im Fall einer Scheidung geweigert hätte, Unterhalt für den Sohn zu bezahlen. Sie habe Rücksprache mit ihrem geschiedenen Mann genommen und ihn um eine schriftliche Aussage gebeten. Das Gericht solle ihn als Zeugen hören. Das Gericht solle außerdem 13 weitere Zeugen hören, die in der Anlage des klägerischen Schriftsatzes vom 18. April 2011 ("Zeugenliste", SG-Akte Bl. 32-34) benannt seien und bezeugen könnten, dass sie seit Jahren von einem eheähnlichen Verhältnis mit dem Versicherten gewusst hatten. Das BSG habe in seinem Urteil vom 6. Mai 2010 - B 13 R 134/08 R - entschieden, dass alle Umstände des Einzelfalls, die für oder gegen eine Versorgungsabsicht sprechen könnten, aufzuklären und in einer abschließenden Gesamtbewertung zu würdigen seien. Das Gericht habe daher allen Beweisanträgen nachzugehen. Ergänzend hat die Klägerin in einer nachgereichten "Chronologischen Auflistung" vom 27. Juli 2011 (SG-Akte Bl. 39 f.) ausgeführt, dass aufgrund ihrer jeweiligen persönlichen Lebensumstände die Einreichung der Scheidungsklage nicht die "oberste Priorität" gehabt habe. Im Juli 1990 sei die Trennung von Herrn P. erfolgt, nachdem dieser ihr gegenüber gewalttätig geworden sei. Noch im Juli 1990 habe sie sich an einen Arzt gewandt, woraufhin ein sofortiger Kontaktabbruch zu Herrn P. erfolgt sei. Vom Juli 1990 bis Mai 1992 sei der Kontakt zu ihm dann völlig abgebrochen gewesen. Am 10. Mai 1992 sei es im Zusammenhang mit der Erstkommunion des gemeinsamen Sohnes M. P. zu einer erstmaligen Kontaktaufnahme gekommen. Um ihn zur Feier einladen zu können, seien längere Adressrecherchen erforderlich gewesen, dies u.a. über die in Polen lebenden Schwiegereltern. Im Februar 1993 sei bei ihrer Mutter, Frau L. B., Lungenkrebs diagnostiziert worden. Von 1993 bis 1998 habe sie sich um ihre Mutter gekümmert. Von 1993 bis 2002 sei außerdem der Sohn M. auf das Gymnasium gegangen, so dass sie sich auch um ihn in dieser Zeit intensiv habe kümmern müssen. Im Februar 2003 habe dann der Versicherte einen schweren Arbeitsunfall erlitten, bei welchem dieser aus großer Höhe von einer Leiter gestürzt sei. Von da an sei er arbeitsunfähig gewesen, weshalb sie sich sehr um ihn und um den Fortbestand der Firma Elektro-G. habe kümmern müssen, dies bis er wieder arbeitsfähig gewesen sei. Im Januar 2005 sei dann der Vater des Versicherten unerwartet verstorben. Im Juni 2005 sei ihr Vater, um den sie sich ebenfalls seit 1998 gekümmert habe, bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Im September 2005 sei es zu einem weiteren Arbeitsunfall des Versicherten mit anschließender Arbeitsunfähigkeit gekommen. Von 2004 bis 2007 habe der Sohn M. seine Ausbildung absolviert, während der er noch in ihrem Haushalt gelebt habe und sie sich um ihn habe kümmern müssen. Somit habe sie sich erst im Jahre 2007 um ihre persönlichen Unterlagen und Probleme kümmern können. 2008 habe sie dann die Scheidungsklage eingereicht und diese sei dann im April 2009 erfolgt. Somit sei dann der "Krönung der Liebe" zum Versicherten durch Heirat nichts mehr im Wege gestanden. Zur Heirat hätten sie sich aus Liebe entschlossen und nicht aus finanziellen Gründen.
Das SG hat mit den Beteiligten am 18. April 2012 die Sach- und Rechtslage erörtert. Hier hat die Klägerin unter anderem ausgeführt, sie habe über all die Jahre versucht über ihren Sohn Kontakt mit dem früheren Ehemann H. P. zu bekommen, damit man die Scheidung einvernehmlich erledigen könne. Die Anschrift sei ihr immer bekannt gewesen. Dieser habe immer in Ne. gewohnt. Allerdings sei er oft auf Montage gewesen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Angaben der Klägerin wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19. April 2012 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen auf die im übrigen Bezug genommen wird, hat das SG ausgeführt, die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI greife im vorliegenden Fall ein. Die Klägerin und der Versicherte hätten ihre Ehe in Kenntnis der schweren Erkrankung geschlossen. Beiden sei bekannt gewesen dass der Versicherte voraussichtlich in absehbarer Zeit an dieser Erkrankung sterben werde. Konkrete Hochzeitspläne hätten auch nicht schon länger bestanden. Die Klägerin habe eingeräumt, sich wegen einer Scheidung erstmals Ende 2007 beim Amtsgericht W. erkundigt zu haben. Erst Mitte 2008, also erst nach Erhalt des Arztberichtes des K. vom 31. Mai 2008, der die Diagnose eines inoperablen Pankreaskopfkarzinoms beinhaltet hatte, habe sie einen Rechtsanwalt wegen der Scheidung aufgesucht. Im Erörterungstermin habe sich herausgestellt, dass der frühere Ehemann der Klägerin ihr direkt gegenüber zu keiner Zeit die Einstellung von Unterhaltszahlungen angedroht habe. Aus den vorgelegten Kontoauszügen könne auch auf regelmäßige Unterhaltszahlungen für das gemeinsame Kind M. nicht geschlossen werden. Im Erörterungstermin habe sie auch in Abweichung zum vorherigen Vortrag angegeben, dass sie zu jeder Zeit die Anschrift ihres früheren Ehemannes gekannt habe, dieser sei somit nicht wie ursprünglich angegeben "unauffindbar" gewesen. Somit hätten weder der Durchsetzung eines Unterhaltsanspruchs noch einer Scheidung Hinderungsgründe entgegengestanden. Erst Mitte 2008, somit nach dem oben genannten Arztbericht und lange nach der kurzen Phase der Tumorregression, sei dann innerhalb eines halben Jahres von Dezember 2008 bis Juli 2009 der komplette Scheidungsprozess und auch die neue Eheschließung durchgeführt worden. Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI sei im vorliegenden Fall sehr naheliegend. Gegen das am 5. Juli 2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 24. Juli 2012 eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, dass sie und ihr verstorbener Ehemann im Jahr 1994 gemeinsam dessen Unternehmen gegründet hätten und auch von ihren Eltern diesbezüglich finanziell unterstützt worden seien. Es hätten über all die Jahre hinweg finanzielle Schwierigkeiten bestanden. Alle Nachbarn hätten immer gesagt, dass sie, ihr verstorbener Mann und ihr Sohn eine Familie seien. Ihr Sohn spreche auch heute noch von ihrem verstorbenen Mann nur als "Papa"; dies belege, dass durch die Heirat im Juni 2009 der langjährige für die Außenwelt bereits gelebte Zustand auch rechtlich besiegelt werden sollte ("Krönung der Liebe").
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. April 2012 sowie den Bescheid vom 23. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2010 aufzuheben und ihr große Witwenrente nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung weiterhin für zutreffend. Die im Rahmen des Berufungsverfahrens ergänzend vorgetragenen Umstände, dass die Außenwelt bereits vor der Hochzeit, also während der langjährigen Dauer des nichtehelichen Zusammenlebens von einer "richtigen Familie" ausgegangen sei, spreche eher für eine Versorgungsehe, da bei diesem Sachverhalt davon ausgegangen werden müsse, dass wirtschaftliche Gesichtspunkte für die Heirat im Vordergrund gestanden hätten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente (große Witwenrente) nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 23. Oktober 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. März 2010 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie (1.) ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, (2.) das 47. Lebensjahr vollendet haben oder (3.) erwerbsgemindert sind.
Zwar war die Klägerin, die das 47. Lebensjahr bereits vollendet hat (§ 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI), vom 3. Juni 2009 bis zum 18. September 2009 und damit zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten mit diesem verheiratet, auch hat dieser die allgemeine Wartezeit (§ 50 Ab. 1 SGB VI) erfüllt, doch steht § 46 Abs. 2a SGB VI dem Anspruch der Klägerin entgegen.
Nach § 46 Abs. 2a SGB VI haben Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Diese Regelung ist auf die Klägerin anzuwenden (§ 242a Abs. 3 SGB VI) und ist verfassungsgemäß (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 53/08 R , veröffentlicht in Juris).
Da die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten nur vom 3. Juni 2009 bis zum 18. September 2009, somit also kein Jahr gedauert hat, ist ein Anspruch auf Witwenrente grundsätzlich ausgeschlossen (§ 46 Abs. 2a SGB VI). Diese Rechtsfolge (Ausschluss des Anspruchs auf Witwenrente) tritt jedoch dann nicht ein, wenn besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen (§ 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI).
Der Begriff der besonderen Umstände in § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der von den Rentenversicherungsträgern und den Gerichten mit einem bestimmten Inhalt ausgefüllt werden muss und dessen Beurteilungsspielraum der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R, veröffentlicht in Juris). Dabei kann die Rechtsprechung des BSG zu den inhaltsgleichen Vorschriften der Unfallversicherung (§ 65 Abs. 6 SGB VII, § 594 RVO) und der Kriegsopferversorgung (§ 38 Abs. 2 BVG), denen die Vorschrift nachgebildet ist (BT-Drucks. 14/4595 S. 44), herangezogen werden (BSG v. 5. Mai 2009, a.a.O.). Daher sind als besondere Umstände im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen (vgl. BSG v. 5. Mai 2009 a.a.O.). Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an, es sei denn, dass der hinterbliebene Ehegatte den Versicherten beispielsweise durch Ausnutzung einer Notlage oder Willensschwäche zur Eheschließung veranlasst hat (BSG a.a.O. m.w.N.); dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Damit ist eine Einzelfallprüfung unter Anstellung einer Gesamtbetrachtung durchzuführen, in die sowohl die vom Hinterbliebenen vorgetragenen inneren als auch die von Amts wegen zu ermittelnden äußeren Umstände des Zwecks der Heirat einzustellen sind (BSG a.a.O.). Die auch vom Gesetzgeber intendierte Einzelfallprüfung lässt eine abschließende abstrakt-generelle (normgleiche) Einordnung einzelner denkbarer Ehemotive nicht zu (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 13 R 134/08 R , veröffentlicht in Juris m.w.N.). Vielmehr kommt es nach dem Gesetz auf die - gegebenenfalls auch voneinander abweichenden - Beweggründe beider Ehegatten im konkreten Einzelfall an (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R a.a.O.; Gürtner in Kasseler Kommentar, Ergänzungslieferung 2010, § 46 Rn. 46c). Dabei sind die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat nicht nur für sich isoliert zu betrachten, sondern vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu bewerten (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 13 R 134/08 R - a.a.O.).
Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung die äußeren und inneren Umstände des vorliegenden Einzelfalles zutreffend gewürdigt. Es hat korrekt festgestellt, dass die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht widerlegt ist. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Von der Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen und nach eigener Prüfung auf die zutreffenden und schlüssigen Entscheidungsgründe erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Auch die im Berufungsverfahren von der Klägerin vorgebrachten Umstände führen zu keinem anderen Ergebnis. Der Vortrag, sie habe mit dem Versicherten und ihrem Sohn lange Jahre wie eine Familie zusammengelebt und dies habe auch die "Außenwelt" so wahrgenommen, hat bereits das SG in seiner Entscheidung so festgestellt. Maßgebend ist, dass die Eheschließung mit dem Versicherten und die Ehescheidung von dem früheren Ehemann - worauf das SG ebenfalls hingewiesen hatte - erst dann in die Wege geleitet worden ist, nachdem die behandelnden Ärzte des Versicherten (Arztbericht des K. vom 31. Mai 2008) das inoperable Pankreaskopfkarzinom diagnostiziert hatten und damit die begrenzte Lebenserwartung des Versicherten offenbar geworden war.
Im Fall einer Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten ist der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI in der Regel nicht erfüllt. Zwar ist dadurch der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dennoch - überwiegend oder zumindest gleichwertig - aus anderen als Versorgungsgründen geheiratet wurde. Aber es müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen inneren und äußeren Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist. Mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit der Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit dieses Umstands zum Zeitpunkt der Eheschließung steigt deshalb zugleich der Grad des Zweifels am Vorliegen solcher "besonderen Umstände", die vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisen sind (LSG Baden- Württemberg, Urteil v. 16. Oktober 2012, L 11 R 392/11, BSG, Urteil v. 5. Mai 2009, B 13 R 55/08 R, BSG, Urteil v. 6. Mai 2010, B 13 R 134/08 R, alle veröffentlicht in Juris).
Die Klägerin hat hinreichend gewichtige, gegen eine Versorgungsehe sprechende Umstände nicht nachgewiesen. Das langjährige Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft - auch nach außen -, das gemeinsam gegründete Unternehmen, bilden vorliegend keine solchen gewichtigen Umstände. Der Wunsch, der beiderseitigen Liebesbeziehung nach langjährigem eheähnlichem Zusammenleben mit dem Versicherten "zu krönen" und sie damit auch formal und rechtlich zu manifestieren, ist zwar nicht von vornherein - losgelöst von den Umständen des konkreten Einzelfalls - ungeeignet, einen besonderen Umstand anzunehmen (BSG 6. Mai 2010, B 13 R 134/08 R, juris). Allein das Bestehen einer innigen Liebesbeziehung und die wiederholte Äußerung von Heiratsabsichten reichen für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung jedoch nicht aus (LSG Baden-Württemberg a.a.O. mw.N.). Die Heirat muss sich als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Krankheit bestehenden Entschlusses darstellen (LSG Baden-Württemberg a.a.O. m.w.N.). Hiervon konnte sich der Senat nicht überzeugen. Die Klägerin hat - worauf das SG bereits eingegangen ist - eine Scheidung von Ihrem früheren Ehemann erstmals Ende des Jahres 2007 in Erwägung gezogen (Erkundigung beim AG W.). Die von der Klägerin dargelegten Hinderungsgründe (Pflege der Mutter v 1993 bis 1998, Gymnasiumbesuch des Sohnes v. 1993 bis 2002, Autounfall des Versicherten 2002, Tod des Vaters nach Verkehrsunfall 2005 etc.) erklären nicht plausibel, wehalb das Scheidungsverfahren nicht früher hätte eingeleitet werden können
Ein zumindest gleichwertiges Motiv neben dem Versorgungsmotiv ist daher nicht belegt.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weswegen der Senat die Berufung zurückweist. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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