Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 23 AS 6088/08
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 748/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei einer Entscheidung über die Form der Mietschuldenübernahme kann unter anderem die Wirkungen des Darlehens auf die künftige Bereitschaft und Fähigkeit zur Arbeitsmarktintegration oder die Zukunftsperspektive des Betroffenen erheblich sein.
2. Je nach Umfang des Verursachungsbeitrags kann sich ergeben, dass für die Tilgung der Mietschulden ausnahmsweise nicht nur ein Darlehen sondern ein Zuschuss zu gewähren ist. Dies kommt aber nicht in Betracht, wenn die Leistungen in korrekter Höhe bewilligt wurden und nur die Zahlungspraxis fehlerhaft war, weil andernfalls der ewrerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen für Unterkunft und Heizung zumindest in Teilen doppelt erhalten würde.
3. Ein fehlerhaftes Verhalten eines Leistungsträgers, das ohne Auswirkung auf die in richtiger Höhe bewilligten und ausgezahlten Aufwendungen für die Unterkunft bleibt, ist nicht geeignet, eine Anspruch auf Mietschuldenübernahme in Form einer Beihilfe/eines Zuschusses zu begründen. § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a.F. ist keine Sanktionsregelung für ein Fehlverhalten eines Leistungsträgers.
4. a) In Betracht kommt, die Mietschuldenübernahme als Beitrag/Zuschuss zu bewilligen, um finanzielle Folgelasten des Betroffenen auszugleichen. Hierbei ist aber fraglich, ob es vom Gesetzgeber gewollt und der Sache nach gerechtfertigt ist, die Regelung in § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a.F. als weitere Grundlage für einen
Schadensausgleich neben sonstigen Möglichkeiten wie dem Amtshaftungsanspruch oder dem
sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu behandeln.
b) Es ist einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit verwehrt, eine Entscheidung eines Zivilgerichtes in einem Amtshaftungsprozess, auch wenn es sie als fehlerhaft beurteilen sollte, im Rahmen einer Entscheidung nach § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a.F. zu korrigieren.
5. Die Frage nach einer möglichen Bekanntgabe eines Bescheides an ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft als vermuteten Vertreter für die übrigen Mitglieder ist von der Frage zu trennen, ob der Bescheid inhaltlich an die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gerichtet ist und ob er insoweit inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X ist.
6. Eine Rechtsgrundlage, die ein Jobcenter ermächtigen würde, ein Darlehen im Rahmen einer Übernahme von Mietschulden, die alle Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft betreffen, nur einem Mitglied dieser Bedarfsgemeinschaft zu bewilligen, ist nicht ersichtlich.
2. Je nach Umfang des Verursachungsbeitrags kann sich ergeben, dass für die Tilgung der Mietschulden ausnahmsweise nicht nur ein Darlehen sondern ein Zuschuss zu gewähren ist. Dies kommt aber nicht in Betracht, wenn die Leistungen in korrekter Höhe bewilligt wurden und nur die Zahlungspraxis fehlerhaft war, weil andernfalls der ewrerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen für Unterkunft und Heizung zumindest in Teilen doppelt erhalten würde.
3. Ein fehlerhaftes Verhalten eines Leistungsträgers, das ohne Auswirkung auf die in richtiger Höhe bewilligten und ausgezahlten Aufwendungen für die Unterkunft bleibt, ist nicht geeignet, eine Anspruch auf Mietschuldenübernahme in Form einer Beihilfe/eines Zuschusses zu begründen. § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a.F. ist keine Sanktionsregelung für ein Fehlverhalten eines Leistungsträgers.
4. a) In Betracht kommt, die Mietschuldenübernahme als Beitrag/Zuschuss zu bewilligen, um finanzielle Folgelasten des Betroffenen auszugleichen. Hierbei ist aber fraglich, ob es vom Gesetzgeber gewollt und der Sache nach gerechtfertigt ist, die Regelung in § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a.F. als weitere Grundlage für einen
Schadensausgleich neben sonstigen Möglichkeiten wie dem Amtshaftungsanspruch oder dem
sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu behandeln.
b) Es ist einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit verwehrt, eine Entscheidung eines Zivilgerichtes in einem Amtshaftungsprozess, auch wenn es sie als fehlerhaft beurteilen sollte, im Rahmen einer Entscheidung nach § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a.F. zu korrigieren.
5. Die Frage nach einer möglichen Bekanntgabe eines Bescheides an ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft als vermuteten Vertreter für die übrigen Mitglieder ist von der Frage zu trennen, ob der Bescheid inhaltlich an die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gerichtet ist und ob er insoweit inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X ist.
6. Eine Rechtsgrundlage, die ein Jobcenter ermächtigen würde, ein Darlehen im Rahmen einer Übernahme von Mietschulden, die alle Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft betreffen, nur einem Mitglied dieser Bedarfsgemeinschaft zu bewilligen, ist nicht ersichtlich.
I. Auf die Berufung des Klägers zu 1 wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Mai 2011 abgeändert. Der Bescheid der ARGE D vom 27. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2008 wird aufgehoben, soweit die Bewilligung der Übernahme von Mietschulden als Darlehen über einen Betrag in Höhe von 506,21 EUR hinausgeht. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zu 1 zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat ein Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1 in beiden Instanzen zu erstatten. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2 im Berufungsverfahren sind nicht zu er-statten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger zu 1 begehrt die Übernahme von Mitschulden als Beihilfe/Zuschuss statt als Darlehen. Die Klägerin zu 2 hat die Abänderung der Kostengrundentscheidung im angefochtenen Urteil des Sozialgerichtes begehrt.
Der 1962 geborene, erwerbsfähige Kläger zu 1, seine 1967 geborene Lebensgefährtin A A sowie deren 1989 geborene Tochter M A , die Klägerin zu 2, und deren 1997 geborener Sohn M A bewohnten eine gemeinsame Wohnung. Der Kläger zu 1, seine Lebensgefährtin und die Klägerin zu 2 erhielten seit 1. Januar 2005 von der ARGE D (im Folgenden: ARGE) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). M A konnte seinen Bedarf aus Kindergeld- und Unterhaltszahlungen decken.
Am 10. Oktober 2005 zog der Kläger zu 1 aus der gemeinsamen Wohnung aus. Zu diesem Zeitpunkt waren seine Lebensgefährtin und die Klägerin zu 2 schwanger. Auch nach der Trennung verblieben der Kläger zu 1, seine Lebensgefährtin und die Klägerin zu 2 im Leistungsbezug.
Am 15. Januar 2006 schlossen der Kläger zu 1 und seine Lebensgefährtin einen Mietvertrag über eine neue gemeinsame Wohnung. Monatlich betrugen die Gesamtmiete 758,00 EUR und die Betriebskostenvorauszahlungen 280,00 EUR. Mietbeginn war der 1. Februar 2006. Bereits am 16. Dezember 2005 wurde der Antrag auf Übernahme der Mietkaution gestellt, dem die ARGE mit Bescheid vom 8. Februar 2006 in Form einer dar-lehensweisen Bewilligung entsprach. Auf den Antrag vom 11. Januar 2006, die Miete direkt an den Vermieter zu zahlen, teilte die ARGE mit Schreiben vom 11. Januar 2006 mit, dass die Aufwendungen laufender angemessener Mietkosten für die neue Wohnung nach Vorlage des Mietvertrages und mit der nächstmöglichen Einarbeitung der in diesem Zusammenhang stehenden Datensätze zur Zahlung angewiesen werde. Der Mietvertrag ging am 19. Januar 2006 bei der ARGE ein.
Am 3. März 2006 wurde das Kind der Klägerin zu 2, J ... A , und am 15. März 2006 wurde das Kind der Lebensgefährtin des Klägers zu 1, K A , geboren.
Nachdem zunächst einerseits dem Kläger zu 1 als Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaft und andererseits seiner Lebensgefährtin (und der Klägerin zu 2) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab 1. Januar 2006 bewilligt worden waren, wurde die Leistungsbewilligung für den Kläger zu 1 für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis zum 30. Juni 2006 mit Änderungsbescheid vom 7. März 2006 auf seine Lebensgefährtin und die Klägerin zu 2 erweitert; M A wurde als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft geführt, jedoch ohne Leistungsanspruch. In dem Änderungsbescheid ist zur Anrechnung der neuen Miete ab Februar 2006 unter anderem Folgendes festgehalten: "Die Überzahlung von Frau A für die WE C. Str. von 2/06 und 3/06 in Höhe von 1003.16 EUR wurde in 2/06 und 3/06 mit dem neuen Anspruch verrechnet, ebenfalls die bereits ausgezahlte Leistung von Herrn V vom 2/06 für die WE Q Str. (530.12 EUR). To. M bildet am 3.3.2006 eine eigene Bedarfsgemeinschaft." In weiteren Änderungsbescheiden vom 17. März 2006, die jeweils gegenüber den beiden Klägern (als Vertreter ihrer jeweiligen Bedarfsgemeinschaft) ergingen, wurde ihnen die direkte Zahlung der Unterkunftskosten an den Vermieter ab April 2008 mitgeteilt. Für die Bedarfsgemeinschaft des Klägers zu 1 war dies ein Mietanteil in Höhe von 458,78 EUR, für die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 2 ein Mietanteil in Höhe von 299,22 EUR.
Auf Grund der nicht erfolgten Mietzahlungen für Februar und März 2007 wandte sich der Vermieter unter anderem an die ARGE und drohte mit einer fristlosen Kündigung.
Die ARGE erließ für die Bedarfsgemeinschaft des Klägers zu 1 am 7. Juli 2006 einen Bewilligungsbescheid, geändert durch die Änderungsbescheide vom 26. September 2006, der den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 31. Dezember 2006 umfasste. Ausweislich des am 14. Juli 2006 eingegangenen Fortzahlungsantrages waren keine Änderungen bei den Kosten für Unterkunft und Heizung eingetreten. Tatsächlich wurde von der ARGE nur noch ein Mietanteil in Höhe von 369,51 EUR an den Vermieter überwiesen. Für die Klägerin zu 2 änderte sich für diesen Leistungszeitraum weder etwas hinsichtlich der bewilligten noch der gezahlten Mietkostenanteile.
Die Hausverwaltung bezifferte die Mietschulden zum 21. September 2006 auf 1.727,03 EUR und bot eine Ratenzahlungsvereinbarung an. Der Klägerbevollmächtigte wandte sich deshalb mit Schriftsatz vom 29. September 2006 an die ARGE und beantragte die Übernahme der Mietschulden in Form einer Beihilfe. Im Schriftsatz vom 8. Dezember 2006 korrigierte er die Mietschulden auf einen Betrag in Höhe von 1.655,00 EUR. In der vom Vermieter geltend gemachten Miete in Höhe von 806,00 EUR seien Stellplatzkosten in Höhe von 48,00 EUR monatlich enthalten, die nicht von der ARGE zu übernehmen seien. Aus der beigefügten Aufstellung der Hausverwaltung mit Stand 23. November 2006 ergeben sich Zahlungen (ohne die für den Stellplatz) in Höhe von 369,51 EUR in den Monaten Juli bis September 2006, 591,24 EUR im Oktober 2006 und 668,73 EUR im November 2006. Eine Reaktion der ARGE hinsichtlich der mitgeteilten Mietschulden ist nicht zu verzeichnen.
Nachdem die Bearbeitung des Fortzahlungsantrages der Klägerin zu 2 Zeit in Anspruch nahm und in Folge dessen die ARGE die Zahlung ihres Mietkostenanteils ab Januar 2007 insoweit einstellte, sprach der Vermieter am 30. April 2007 eine fristlose Kündigung aus. Die Mietschulden wurden auf 2.504,38 EUR beziffert. In der am 11. Juni 2007 erhobenen Räumungsklage wurden die Schulden schließlich auf 3.288,48 EUR beziffert. In Folge der Leistungsbewilligung für die Klägerin zu 2 mit Bescheid vom 7. Juni 2007 für den Zeitraum vom 1. März 2007 bis 31. August 2007 wurden die Schulden auf 2.277,92 EUR verringert.
Am 25. Juni 2007 beantragte der Klägerbevollmächtigte für sämtliche Mitglieder der beiden Bedarfsgemeinschaften den Erlass einer einstweiligen Anordnung (Az. S 35 AS 1740/07 ER) mit dem Ziel, die ARGE zur darlehensweisen Übernahme der Mietschulden in Höhe von 2.277,92 EUR zu verpflichten. Dies erkannte die ARGE an und erließ am 27. Juni 2007 zwei Bescheide, in denen sie dem Kläger zu 1 ein Darlehen in Höhe von 1.518,62 EUR und der Klägerin zu 2 eines in Höhe von 757,30 EUR gewährte. In der Begründung des Bescheides wird unter anderem darauf hingewiesen, dass die Hilfe gemäß § 22 Abs. 5 SGB II eine Kann-Leistung darstelle. Weiter heißt es: "Die Hilfe nach § 22 Abs. 5 SGB II muss gerechtfertigt sein. Bei der Entscheidung dieser Hilfe sind Art und Umfang als auch die Ursachen des Bedarfes zu berücksichtigen. Miet-, Energie- und Gasschulden u. ä. werden vom Träger der Grundsicherung unter anderem nicht übernommen, wenn man davon ausgehen kann, dass der Hilfesuchende von vornherein entschlossen war, die anstehenden Zahlungen nicht zu begleichen. Dies müsste dann unterstellt werden, wenn nach einer Hilfegewährung gemäß § 22 SGB II erneut Miet-, Energie- und Gasschulden u. ä. anfallen würden. Wir fordern Sie auf, Ihre laufenden Zahlungen an Miete, Energie, Gas u. ä. zu begleichen und mit der Energie sparsam umzugehen, da Sie im Wieder-holungsfall mit einer Ablehnung der Schuldübernahme durch den Träger der Grundsicherung für erwerbsfähige Hilfebedürftige rechnen müssen."
Gegen die beiden Bescheide legte der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 20. Juli 2007 jeweils Widerspruch ein mit dem Begehren, die Übernahme der Mietschulden als Beihilfe zu gewähren. Er wies darauf hin, dass ausgehend von den Zahlungen der ARGE die Mietschulden eigentlich 2.482,94 EUR betragen hätten. Die geringere Forderung des Vermieters beruhe darauf, dass Zahlungen aus eigenen Mittel erbracht worden seien. Er habe einen Anspruch auf Beihilfe und nicht nur auf ein Darlehen, weil ein Amtsver-schulden vorliege.
Die ARGE wies den Widerspruch des Kläger zu 1 mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2008 und den der Klägerin zu 2 mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2009 zurück. In den Begründungen wurde jeweils ausgeführt, dass es für die Übernahme der Mietschulden als Darlehen an einer Rechtsgrundlage fehle, weil in § 22 SGB II nur die darlehensweise Hilfe vorgesehen sei. Die Kosten der Widerspruchsverfahren wurden jeweils nicht für erstattungsfähig erklärt.
Der Klägerbevollmächtigte hat für den Kläger zu 1 am 4. Dezember 2008 (Az. S 23 AS 6088/08) und für die Klägerin zu 2 am 17. Februar 2009 (Az. S 23 AS 761/09) Klage erhoben. Er hat ergänzend vorgetragen, dass das Amtsgericht Dresden dem Kläger zu 1 und seiner Lebensgefährtin die Kosten des Räumungsverfahrens auferlegt habe. Sie hätten sich das Verschulden des ARGE als Erfüllungsgehilfen nach § 278 des Bürgerlichen Gesetz-buches (BGB) zurechnen lassen müssen. Diese Entscheidung sei im Beschwerdeverfahren vom Landgericht Dresden bestätigt worden. In Bezug auf die Mittelverwendung hat er vorgetragen, dass der Kläger zu 1 mit der Übernahme der neuen Wohnung in Annahmeverzug geraten sei, weil die Übernahme der Mietkaution erst am 8. Februar 2006 bewilligt worden sei. Dadurch habe er auch im Februar 2006 noch Miete für die bisherige Wohnung bezahlen müssen. Bei der Lebensgefährtin des Klägers zu 1 hätten sich die Verzögerungen beim Umzug verbunden mit ihrer Entbindung dahingehend ausgewirkt, dass sie ihre bisherige Wohnung nicht habe übergeben können.
Die ARGE hat unter anderem erwidert, dass dem vom Klägerbevollmächtigten zitierten Beschluss des Landessozialgerichtes Sachsen-Anhalt vom 19. September 2007 (Az. L 2 B 242/07 AS-ER) ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen habe. Vorliegend seien nicht die bewilligten Leistungen zu niedrig gewesen, vielmehr sei lediglich die Überweisungspraxis fehlerhaft gewesen. An den früheren Vermieter seien keine Gelder überwiesen worden. Es seien nur Leistungen für die bisherige Wohnung weitergezahlt worden, die der Kläger zu 1 erhalten habe. Eine Übernahme von Mietschulden könne nur als Darlehen erfolgen, weil andernfalls eine Leistung doppelt gewährt werde.
Das Landgericht Dresden hat auf eine Amtshaftungsklage mit Urteil vom 22. Juli 2010 (Az. 3 O 3285/09) die ARGE verurteilt, den Kläger zu 1 und seine Lebensgefährtin als Gesamtgläubiger von den Forderungen aus zwei Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Amtsgerichtes Dresden in Höhe von zusammen 2.052,06 EUR freizustellen. Die beiden Beschlüsse gehen auf die Räumungsklage des Vermieters zurück. Das Oberlandesgericht Dresden hat mit Urteil vom 2. März 2011 (Az. 6 U 1280/10) diese Entscheidung aufge-hoben.
Das Sozialgericht hat die beiden Verfahren mit Beschluss vom 8. Juni 2011 zur gemein-samen Verhandlung und Entscheidung verbunden. In der mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 2011 hat der Beklagte, das zum 1. Januar 2011 an die Stelle der ARGE getretene Jobcenter, in Bezug auf die Klägerin zu 2 ein Teilanerkenntnis mit dem Inhalt abgegeben, dass der Darlehensbescheid aufgehoben werde und eine Rückforderungsverpflichtung nicht mehr bestehe. Außerdem hat er ein Kostengrundanerkenntnis in Höhe von einem Drittel abgegeben. Das Teilanerkenntnis hat der Klägerbevollmächtigte angenommen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. Juli 2011 abgewiesen und die außergerichtlichen Kosten nicht für erstattungsfähig erklärt. Einen Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses an Stelle des bewilligten Darlehens habe der Kläger nicht. Den für einen Zuschuss erforderlichen atypischen Ausnahmefall habe die Kammer nicht feststellen können. Zwar habe die ARGE durch ihr Auszahlungsverhalten zum Entstehen der Schulden beigetragen. Dies habe sie allerdings bereits bei der Entscheidung hinsichtlich der darlehens-weisen Übernahme der Schulden berücksichtigt. Dem Kläger und den weiteren Mitbe-wohnern seien die geschuldeten Kosten für Unterkunft und Heizung vollständig gewährt worden. Auch wenn dies dem Kläger auf Grund der unübersichtlichen Bescheidlage und des Auszahlungsverhaltens der ARGE zunächst nicht ohne Weiteres erkennbar gewesen sei, rechtfertige dies jedoch nicht die nochmalige Zahlung von Unterkunftskosten zu Lasten des Steuerzahlers. Sofern dem Kläger durch das Auszahlungsverhalten etwaige Folgeschäden entstanden sein sollten, bleibe es ihm unbenommen, diese als Folge einer Amtspflichtverletzung anderweitig geltend zu machen. Auch für die Begrenzung der Rückzahlung auf den kopfteiligen Anteil des Klägers sei keine Anspruchsgrundlage ersichtlich. Der Kläger hafte als Gesamtschuldner für seine Mietverbindlichkeiten. Die Haftungsverteilung im Innenverhältnis sei insoweit im vorliegenden Verfahren irrelevant. Gegebenenfalls möge er auf etwaige weitere Schuldner gesondert Rückgriff nehmen. Die Kostengrundentscheidung folge der Entscheidung in der Hauptsache. Hinsichtlich des anerkannten Teils der Klage habe der Beklagte ein Kostengrundanerkenntnis abgegeben, das auch angenommen worden sei.
Die Kläger haben gegen das ihnen am 21. Juli 2011 zugestellte Urteil am 19. August 2011 Berufung eingelegt. Der Kläger zu 1 macht geltend, dass vorliegend ein atypischer Fall gegeben sei, weil die Mietschulden aus der Sphäre des Beklagten resultierten. Selbst wenn nur die Übernahme eines Darlehens in Betracht käme, hätte er nur den kopfteiligen Anteil der Schulden an den Gesamtschulden zu zahlen. Zu den Kosten für Unterkunft und Heizung würden auch aufgelaufene Mietschulden zählen. Diese seien wie die übrigen Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem üblichen Kopfteilprinzip zu übernehmen. Die Klägerin zu 2 sei hinsichtlich der Kosten beschwert. Durch das Anerkenntnis habe ihr Begehren in vollem Umfang Erfolg gehabt. Aus diesem Grund habe sie einen Anspruch auf Erstattung ihrer außergerichtlichen kosten in vollem Umfang.
Am 8. November 2012 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in der unter anderem darauf hingewiesen worden ist, dass die Berufung der Klägerin zu 2 unzulässig sei. Der Termin ist vertragt worden, weil der Beklagte damals noch nicht die angeforderte Übersicht über die Zahlungen der Leistung für Unterkunft und Heizung vorlegen konnte. Diese sind mit Schriftsatz vom 26. November 2012 übersandt worden. Der Beklagte macht geltend, dass im Ergebnis die bewilligten Leistungen bezüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung in vollem Umfang gezahlt worden seien. M A sei allerdings über weite Zeiträume nicht hilfebedürftig gewesen, sodass sein Anteil nicht zu übernehmen gewesen sei. Der Klägerbevollmächtigte macht mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2012 geltend, dass die Übernahme der (vollen) Unterkunftskosten zugesagt gewesen sei. Entsprechend seien zunächst auch die Zahlungen erfolgt. Es sei für den Kläger zu 1 nicht zu erkennen gewesen, weshalb sich hieran später etwas geändert habe.
Der auf den 17. Dezember 2012 angesetzte weitere Verhandlungstermin hat nicht stattgefunden, weil der Beklagte bis dahin nicht in der Lage gewesen ist, zu Anmerkungen des Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 6. Dezember 2012 in Bezug auf Eintragungen in den Auszahlungslisten Stellung zu nehmen. Die Stellungnahme ist mit Schriftsatz vom 17. Januar 2013 erfolgt.
In der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2013 ist die Berufung der Klägerin zu 2 zurückgenommen worden. Die Beklagtenvertreterin hat im Termin eine umfangreiche Heftung mit Computerausdrucken über die erfolgten Zahlungen vorgelegt. Daraufhin ist die mündliche Verhandlung erneut vertagt worden, um dem Klägerbevollmächtigten und dem Gericht die Gelegenheit zu geben, die Unterlagen zu prüfen. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Der Klägerbevollmächtigte hat mit Schriftsatz vom 14. Februar 2013 mitgeteilt, dass es ihm nur noch begrenzt möglich sei, die von dem Beklagten vorgelegten Zahlen eingehend zu prüfen. Er gehe davon aus, dass sämtliche bewilligten Leistungen auch ausgezahlt worden seien. Er vertritt die Auffassung, dass die ARGE durch die Art und Weise der Auszahlungen selbst die Voraussetzungen für die Mietschuldübernahme geschaffen habe. So seien M A entgegen den Angaben in dem Bescheid keine Leistungen gewährt worden, weil dessen Einkommen seinen Bedarf gedeckt habe. Ein weiteres Problem habe sich dadurch ergeben, dass wegen der Warmwasserpauschale in Höhe von 15,24 EUR die bewilligten Kosten der Unterkunft geringer gewesen seien als die tatsächliche Miete. Die ARGE habe zunächst in den Monaten April bis Juni 2006 die volle Miete, das heißt einschließlich des Anteils aus dem Regelsatz, an den Vermieter gezahlt. Ab Juli 2006 sei hingegen der Anteil aus dem Regelsatz an den Kläger zu 1 und die Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft gezahlt worden. Die ARGE habe den Kläger zu 1 nicht auf die Änderung der Auszahlungsmodalitäten hingewiesen. Dem Kläger seien diese nicht aufgefallen. Auch er, der Klägerbevollmächtigte, habe sich erst nach einer Akteneinsicht ein Bild machen können. Eine weitere Ursache für die von der ARGE quasi provozierte Mietschuldübernahme liege darin, dass der Leistungsantrag der Klägerin zu 2 erst sehr spät beschieden worden sei. Dadurch sei ein größerer Posten der Mietzahlungen ausgefallen. Dies habe den Vermieter geradezu in zur Räumungsklage getrieben. Dass es zu dem erheblichen Mietrückstand gekommen sei, resultiere einzig aus der Sphäre des Beklagten. Eine Übernahme der Mietschulden als Beihilfe sei daher im Sinne eines Unrechtsfolgenbeseitigungsan-spruches geboten.
Der Kläger zu 1 beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichtes Dresden vom 16. Mai 2011 sowie den Bescheid der ARGE Dresden vom 27. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2008 aufzuheben, als a) die Bewilligung der Übernahme von Mietschulden als Darlehen erfolgte, b) sie über den kopfteiligen Anteil des Klägers [zu 1] hinausgeht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf den richterlichen Hinweis, dass das Ermessen in Bezug auf die Frage, ob die Mietschulden als Zuschuss zu übernehmen sind, möglicherweise nicht ausgeübt worden sei, vertritt der Beklagte die Auffassung, dass bereits kein atypischer Fall vorliege, sodass kein Ermessen hinsichtlich der Form der Leistungserbringung auszuüben gewesen sei.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug ge-nommen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Gericht entscheidet gemäß § 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über die Berufung.
II. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch die Berufung des Klägers zu 1. Denn die in der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2013 erklärte Berufungsrücknahme für die Klägerin zu 2 bewirkt der Verlust des Rechtsmittels (vgl. 156 Abs. 2 Satz 1 SGG).
III. Die zulässige Berufung des Klägers zu 1 ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Kläger zu 1 hat zwar keinen Anspruch darauf, dass ihm die Mietschuldenübernahme in Form einer Beihilfe/eines Zuschusses an Stelle eines Darlehens gewährt wird (1.). Jedoch war die ARGE nicht berechtigt, ihn allein mit einem Darlehen zu belasten, das den auf die Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft entfallenden Anteil der Mietschuldenübernahme betrifft (2.).
1. Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers zu 1, die Mietschulden nicht in Form eines Darlehens, sondern in Form einer Beihilfe/eines Zuschusses zu übernehmen, ist § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung.
§ 22 Abs. 5 SGB II a. F. hatte folgenden Wortlaut: "Sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden."
Die Regelung in § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a. F., die der seit 1. Januar 2011 geltenden Regelung in § 22 Abs. 8 Satz 4 SGB II (vgl. Artikel 2 Nr. 31 des Gesetzes vom 24. März 2011 [BGBl. I S. 453]) entspricht, unterscheidet sich von der vergleichbaren Regelung in § 36 Abs. 1 Satz 3 des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII). Nach dieser sozialhilferechtlichen Regelung "können" Geldleistungen als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden. Dies bedeutet, dass das Ermessen in § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a. F. "determiniert" ist (vgl. Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II [4. Aufl., 2011], § 22 Rdnr. 199). Die Übernahme von Mietschulden ganz oder teilweise in Form einer Bei-hilfe/eines Zuschusses setzt danach voraus, dass ein atypischer Fall vorliegt.
Zur Überzeugung des Gerichtes ist im Falle des Klägers zu 1 trotz erheblicher Mängel in der Behandlung seiner Angelegenheit durch die ARGE kein atypischer Fall gegeben.
a) Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass bei einer Entscheidung über die Form der Mietschuldenübernahme unter anderem die Wirkungen des Darlehens auf die künftige Bereitschaft und Fähigkeit zur Arbeitsmarktintegration oder die Zukunftsperspektive des Betroffenen erheblich sei (vgl. Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II [4. Aufl., 2011], § 22 Rdnr. 199, m. w. N.; Lang/link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II [2. Aufl., 2008], § 22 Rdnr. 115 [unter Bezugnahme auf Berlit]; vgl. auch SG Oldenburg, Beschluss vom 20. Dezember 2005 – S 2 SO 271/05 ER – JURIS-Dokument Rdnr. 10). Für entsprechende negative Wirkungen im Falle des Klägers zu 1 ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Eine allgemeine, im Einzelfall unter Umständen berechtigte, Verärgerung oder Frustration über Verfahrensbehandlungen durch ein Jobcenter oder über Form und Inhalt schriftlicher Äußerungen oder Entscheidungen eines Jobcenters als solche sind auf der Grundlage der gesetzgeberischen Vorgaben in § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a. F. zur Form der Leistungserbringung nicht geeignet, einen Anspruch auf rückzahlungsfreie Miet-schuldenübernahme zu begründen.
b) Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hat im Beschluss vom 19. September 2007 (Az. L 2 B 242/07 AS-ER, JURIS-Dokument Rdnr. 33) erwogen, dass sich je nach Umfang des Verursachungsbeitrags ergeben könne, dass für die Tilgung der Schulden ausnahmsweise nicht nur ein Darlehen sondern ein Zuschuss zu gewähren sei. Es hat eine abschließende Entscheidung aber nicht im Eilverfahren getroffen.
Dieser rechtliche Ansatz lässt sich aber wegen Unterschieden im Sachverhalt nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Denn der Leistungsträger in dem vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt entschiedenen Fall hatte vorher zu geringe Leistungen, insbesondere für Wohnung und Heizung, erbracht, was zumindest zum Teil ursächlich für das Auflaufen der Schulden war. Vorliegend wurden hingegen die Leistungen in korrekter Höhe bewilligt. Nur die Zahlungspraxis war fehlerhaft. Nach den nunmehr vorliegenden Unterlagen wurden die bewilligten Leistungen in vollem Umfang ausgezahlt, wenn auch nicht wie vereinbart in vollem Umfang an den Vermieter, sondern teilweise an den Vermieter und teilweise an die Leistungsempfänger. Soweit zunächst unklar war, an welchen Zahlungsempfänger die ARGE welche Zahlungen erbrachte und was sich hinter einer als "Barauszahlung" an den Vermieter eingetragenen "Kunstbuchung" verbarg, konnte dies im Laufe des Berufungsverfahrens auf der Grundlage umfangreicher Zahlungsanordnungen und weiterer sowohl von Beklagten- als auch Klägerseite vorgelegten Unterlagen geklärt werden. Wenn aber der Kläger zu 1 die Mietschuldenübernahme als Beitrag/Zuschuss erhalten würde, würde er Leistungen für Unterkunft und Heizung zumindest in Teilen doppelt erhalten. Hierfür gibt es weder auf der Grundlage von § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a. F. noch von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II eine Rechtfertigung.
Soweit der Klägerbevollmächtigte die Auffassung vertritt, dass der ARGE auch deshalb ein Mitverschulden an dem Entstehen der Mietschulden vorzuhalten sei, weil sie die Unterkunftskosten nicht in vollem Umfang an den Vermieter überwiesen habe, ist dieser Einwand unbegründet. Zutreffend ist insoweit allerdings, dass die Unterkunftskosten von der ARGE zwar bei der Leistungsberechung in vollem Umfang anerkannt wurden, sich jedoch die Kosten nur zum Teil bei der Leistungsbewilligung niederschlugen. Dies hatte seinen Grund darin, dass M A auf Grund des bei ihm zu berücksichtigenden Einkommens aus Kindergeld und Unterhalt weitestgehend seinen Bedarf aus eigenem Einkommen decken konnte und damit keinen Leistungsanspruch hatte. Unzutreffend ist hingegen der Vortrag des Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 6. Dezember 2012, die ARGE habe zugesichert, aus den zustehenden Leistungen, das heiße aus Regelsatz und Miete, die Unterkunftskosten zu zahlen. Denn im Schreiben vom 11. Januar 2006, in dem die Direktüberweisung der Unterkunftskosten an den Vermieter zugesagt wurde, wies die ARGE ausdrücklich darauf hin, "dass die Zahlungsanweisung nur für die Dauer und maximal bis zur Höhe Ihres Leistungsanspruches erfolgen kann." Der Leistungsanspruch der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft des Klägers zu 1 war jedoch wegen des den Bedarf von M A (weitestgehend) deckenden Einkommens beschränkt. Dies war aus den Berechnungsbögen zu den Bewilligungsbescheiden zu ersehen. So war beispielsweise im Berechnungsbogen für April bis Juni 2006, der dem Änderungsbescheid vom 7. März 2006 beigefügt war, in der Spalte für M A sowohl unter "Bedarf nach Einkommensanrechnung" als auch unter "zustehende Kosten für Unterkunft und Heizung" jeweils der Betrag "0,00 EUR" eingetragen.
Soweit der Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 14. Februar 2013 der ARGE den Vorwurf macht, sie habe den Kläger und die Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft nicht auf die Änderungen der Zahlungsmodalitäten hingewiesen, ist die korrekt. Das Verhalten der ARGE ist in der vorliegenden Mietschuldenangelegenheit insgesamt von einem ausgesprochenen beredten Schweigen gekennzeichnet, auch nachdem sowohl der Vermieter als auch der Klägerbevollmächtigte bei ihr in dieser Angelegenheit vorstellig geworden sind. Selbst im Berufungsverfahren war der Beklagte jeweils erst nach längerer Zeit in der Lage, Stellung zu den Auszahlungen und den von ihm erstellten Daten zu nehmen. Völlig neben der Sache lag zudem der Mutmaßung in den Darlehensbewilligungsbescheiden, die Kläger könnten von vornherein entschlossen gewesen sein, die anstehenden Zahlungen nicht zu begleichen, sowie unter anderem die Aufforderung, Miete, Energie, Gas und ähnliches zu begleichen und mit der Energie sparsam umzugehen. Die ist Ausdruck einer Unkenntnis des konkreten Sachverhaltes und einer gedankenlosen Übernahme von Testbausteinen. Dieses Verhalten ändert aber nichts daran, dass im Ergebnis die bewilligten Leistungen zur Auszahlung gelangten.
Ein fehlerhaftes Verhalten eines Leistungsträgers, das ohne Auswirkung auf die in richtiger Höhe bewilligten und ausgezahlten Aufwendungen für die Unterkunft bleibt, ist nicht geeignet, eine Anspruch auf Mitschuldenübernahme in Form einer Beihilfe/eines Zuschusses zu begründen. Denn § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a. F. ist keine Sanktionsregelung für ein Fehlverhalten eines Leistungsträgers.
c) In Betracht kommt weiter, die Mietschuldenübernahme als Beitrag/Zuschuss zu be-willigen, um finanzielle Folgelasten des Betroffenen auszugleichen. Vom Kläger zu 1 wurden diesbezüglich die Prozesskosten für das Räumungsklageverfahren sowie die Kosten für die doppelte Mietzahlung im Februar 2006 angesprochen. Hierbei ist aber bereits fraglich, ob es vom Gesetzgeber gewollt und der Sache nach gerechtfertigt ist, die Regelung in § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a. F. als weitere Grundlage für einen Schadensausgleich neben sonstigen Möglichkeiten wie den Amtshaftungsanspruch oder den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu behandeln.
Diese Frage bedarf vorliegend jedoch keiner vertieften Erörterung. Denn die Aufwendungen für die doppelte Mietzahlung im Februar 2006, das heißt für zwei Wohnungen, be-ruhen nicht auf der fehlerhaften Zahlung der Unterkunftskosten, sondern auf der späten Bewilligung der Übernahme der Mietkaution. Es fehlt mithin an der Kausalität zwischen fehlerhaftem Behördenhandeln und Schaden.
In Bezug auf die Folgeschäden in Gestalt der Prozesskosten für das Räumungsklagever-fahren ist zu beachten, dass der Kläger zu 1 versuchte, diese im Wege einer Amtshaftungsklage gegen den Beklagten geltend zu machen. Hiermit ist er letztlich erfolglos geblieben. Wenn der Klägerbevollmächtigte zu den beiden zivilgerichtlichen Urteilen die Auffassung vertritt, dass dem Landgericht weit mehr als dem Oberlandesgericht die sozialverwaltungs- und grundsicherungsrechtlichen Implikationen des Amtshaftungsanspruches bewusst gewesen seien, erscheint dies auf der Grundlage der vorliegenden Urteilsgründe nicht unvertretbar. Gleichwohl ist es einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit verwehrt, eine Entscheidung eines Zivilgerichtes in einem Amtshaftungsprozess, auch wenn sie als fehlerhaft beurteilen sollte, im Rahmen einer Entscheidung nach § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a. F. zu korrigieren. Die Überprüfung und gegebenenfalls Korrektur einer Gerichtsentscheidung ist nur in dem vom Gesetzgeber hierfür vorgesehenen Verfahren und Instanzenzug möglich.
2. Der unter Buchstabe b gestellte Hilfsantrag, mit dem der Kläger zu 1 begehrt, den Bescheid vom 27. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober
2008 insoweit aufzuheben, als die Bewilligung der Übernahme von Mietschulden als Darlehen über seinen kopfteiligen Anteil hinausgeht, ist begründet.
Der Darlehensbescheid kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass er an den Kläger zu 1 in eigener Angelegenheit und zugleich in Vertretung für die übrigen Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft gerichtet gewesen sein sollte. In dem Bescheid fehlt jeder Hinweis auf eine Vertreterstellung des Klägers zu 1.
Auch aus § 38 Abs. 1 Satz 1 SGB II lässt sich nichts anderes herleiten. Danach wird, soweit Anhaltspunkte dem nicht entgegenstehen, vermutet, dass die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte bevollmächtigt ist, Leistungen nach dem SGB II auch für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegenzunehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist diese Regelung aus Gründen der vom Gesetzgeber gewollten Verwaltungspraktikabilität und Verwaltungsökonomie dahin auszulegen, dass die vermutete Bevollmächtigung alle Verfahrenshandlungen erfasst, die mit der Antragstellung und der Entgegennahme der Leistungen zusammenhängen und der Verfolgung des Antrags dienen (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 = JURIS-Dokument Rdnr. 29). Dies hat allerdings nur zur Folge, dass ein Bescheid nach dem SGB II, soweit er unter den sach-lichen Geltungsbereich von § 38 SGB II fallen kann (vgl. zu den Ausnahmefällen: Piepenstock, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [3. Aufl., 2012], § 38 Rdnr. 31, m. w. N.), mit dem Zugang (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB X) an den vermuteten Vertreter auch gegenüber allen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft wirksam wird (vgl. BSG, a. a. O.; Piepenstock, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [3. Aufl., 2012], § 38 Rdnr. 28 f., m. w. N.). Die Frage nach einer möglichen Bekanntgabe eines Bescheides an ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft als vermuteten Vertreter für die übrigen Mitglieder ist jedoch von der Frage zu trennen, ob der Bescheid inhaltlich an die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gerichtet ist und ob er insoweit inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X ist (vgl. Piepenstock, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [3. Aufl., 2012], § 38 Rdnr. 29). Eine solche Adressierung auch an andere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft des Klägers ist aus dem Bescheid vom 27. Juni 2007 nicht zu entnehmen.
Eine Rechtsgrundlage, die ein Jobcenter ermächtigen würde, ein Darlehen im Rahmen einer Übernahme von Mietschulden, die alle Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft be-treffen, nur einem Mitglied dieser Bedarfsgemeinschaft zu bewilligen, ist nicht ersichtlich. Denn der Gesetzgeber verfolgt im SGB II das Konzept der Individualansprüche (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 12). Dies hat unter anderem zur Folge, dass nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes die Kosten der Unterkunft und Heizung im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen sind, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht (vgl. zuletzt: BSG, Urteil vom 29. November 2012 – B 14 AS 36/12 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 63 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 26, m. w. N.). Das Konzept wirkt sicht weiter in Rückforderungsangelegenheiten aus. Sofern zu Unrecht bewilligte Leistungen von den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft zurückgefordert werden sollen, können auch im Rückabwicklungsverhältnis sowohl die Aufhebung eines rechtswidrigen Bewilligungsbescheids als auch die Erstattungsforderung erbrachter SGB II-Leistungen nur gegenüber dem jeweiligen Leistungsempfänger als einzelnem hilfebedürftigen Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 SGB II erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 4 AS 154/11 R – SozR 4-1300 § 33 Nr. 1 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 16). In diesem Individualrechtskonzept ist kein Raum für eine Art von Kollektivbegünstigung, die einem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft zugunsten aller Mitglieder zuteil wird.
Bei einem Darlehen kommt hinzu, dass es keine bloße begünstigende Leistung ist, sondern wegen der Rückzahlungsverpflichtung (vgl. z. B. den seit 1. April 2011 geltenden § 42a Abs. 1 Satz 3 SGB II) auch den Darlehensnehmer belastende Elemente enthält. Belastungen können im Bereich des öffentlichen Rechtes einem Bescheidadressaten aber nur dem Grunde und dem Umfange nach auferlegt werden, soweit es hierfür eine Rechtsgrundlage gibt. Eine solche ist für den Umfang des dem Kläger zu 1 im Bescheid vom 27. Juni 2007 bewilligten Darlehens weder ersichtlich noch vom Beklagten benannt.
Soweit das Sozialgericht darauf verweist, dass der Kläger zu 1 als Gesamtschuldner für seine Mietverbindlichkeiten hafte und gegebenenfalls gesondert Rückgriff auf etwaige weitere Schuldner nehmen könne, wird unzulässig die Grenze zwischen privatrechtlichem Mietrecht und öffentlich-rechtlichem Grundsicherungsrecht verwischt. Denn nach dem vom Bundessozialgericht vertretenen Kopfteilprinzip kommt es für einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II gerade nicht darauf an, wer im mietrechtlichen Sinne Mieter ist. Vielmehr werden grundsicherungsrechtlich die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung regelmäßig anteilig auf die Personen, die eine Unterkunft gemeinsam nutzen, aufgeteilt.
Ausgehend hiervon ist der Darlehensbescheid nur im Umfang des auf den Kläger zu 1 entfallenden Anteils an den bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II rechtmäßig; im Übrigen ist der Bescheid aufzuheben. Solche Leistungen wurden nur drei der vier Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft des Klägers zu 1 bewilligt, nämlich ihm, seiner Lebensgefährtin und dem Sohn K. Der Sohn M A erhielt keine Leistungen, weil er seinen Bedarf aus einem Einkommen decken konnte. Damit entfällt von der Darlehenssumme in Höhe von 1.518,62 EUR bei einem Anteil von 1/3 ein Betrag in Höhe von 506,21 EUR.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Hierbei wurde beim Kläger zu 1 berücksichtigt, dass er nur mit dem Hilfsantrag erfolgreich war und sein Hauptziel, das ihm gewährte Darlehen nicht zurückzahlen zu müssen, auch mit dem Hilfsantrag nicht erreicht hat. In Bezug auf die Klägerin zu 2 wurde aus Gründen der Rechtsklarheit festgehalten, dass ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren wegen der Berufungsrücknahme nicht zu erstatten sind. Für das Klageverfahren ist darauf hinzuweisen, dass das von der Klägerin zu 2 angenommene Anerkenntnis auch ein Kostengrundanerkenntnis umfasste. Damit musste das Sozialgericht keine Entscheidung mehr im Sinne von § 193 Abs. 1 SGG treffen (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 101 Rdnr. 23a, m. w. N.). Eine die Klägerin zu 2 mit betreffende Kostengrundentscheidung ist im Urteil vom 16. Mai 2011 auch nicht enthalten. Denn bereits im Einleitungssatz wird angemerkt, dass die Klägerin zu 2 in Folge des Anerkenntnisses klaglos gestellt sei. In der Begründung zur Kostenentscheidung im Urteil vom 16. Mai 2011 wird auf das Kostengrundanerkenntnis verwiesen. Daraus ergibt sich, dass das Urteil entgegen des möglicherweise missverständlichen Rubrums nicht die Klägerin zu 2 betreffen sollte.
V. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Dr. Scheer Höhl Atanassov
II. Der Beklagte hat ein Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1 in beiden Instanzen zu erstatten. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2 im Berufungsverfahren sind nicht zu er-statten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger zu 1 begehrt die Übernahme von Mitschulden als Beihilfe/Zuschuss statt als Darlehen. Die Klägerin zu 2 hat die Abänderung der Kostengrundentscheidung im angefochtenen Urteil des Sozialgerichtes begehrt.
Der 1962 geborene, erwerbsfähige Kläger zu 1, seine 1967 geborene Lebensgefährtin A A sowie deren 1989 geborene Tochter M A , die Klägerin zu 2, und deren 1997 geborener Sohn M A bewohnten eine gemeinsame Wohnung. Der Kläger zu 1, seine Lebensgefährtin und die Klägerin zu 2 erhielten seit 1. Januar 2005 von der ARGE D (im Folgenden: ARGE) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). M A konnte seinen Bedarf aus Kindergeld- und Unterhaltszahlungen decken.
Am 10. Oktober 2005 zog der Kläger zu 1 aus der gemeinsamen Wohnung aus. Zu diesem Zeitpunkt waren seine Lebensgefährtin und die Klägerin zu 2 schwanger. Auch nach der Trennung verblieben der Kläger zu 1, seine Lebensgefährtin und die Klägerin zu 2 im Leistungsbezug.
Am 15. Januar 2006 schlossen der Kläger zu 1 und seine Lebensgefährtin einen Mietvertrag über eine neue gemeinsame Wohnung. Monatlich betrugen die Gesamtmiete 758,00 EUR und die Betriebskostenvorauszahlungen 280,00 EUR. Mietbeginn war der 1. Februar 2006. Bereits am 16. Dezember 2005 wurde der Antrag auf Übernahme der Mietkaution gestellt, dem die ARGE mit Bescheid vom 8. Februar 2006 in Form einer dar-lehensweisen Bewilligung entsprach. Auf den Antrag vom 11. Januar 2006, die Miete direkt an den Vermieter zu zahlen, teilte die ARGE mit Schreiben vom 11. Januar 2006 mit, dass die Aufwendungen laufender angemessener Mietkosten für die neue Wohnung nach Vorlage des Mietvertrages und mit der nächstmöglichen Einarbeitung der in diesem Zusammenhang stehenden Datensätze zur Zahlung angewiesen werde. Der Mietvertrag ging am 19. Januar 2006 bei der ARGE ein.
Am 3. März 2006 wurde das Kind der Klägerin zu 2, J ... A , und am 15. März 2006 wurde das Kind der Lebensgefährtin des Klägers zu 1, K A , geboren.
Nachdem zunächst einerseits dem Kläger zu 1 als Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaft und andererseits seiner Lebensgefährtin (und der Klägerin zu 2) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ab 1. Januar 2006 bewilligt worden waren, wurde die Leistungsbewilligung für den Kläger zu 1 für die Zeit vom 1. Februar 2006 bis zum 30. Juni 2006 mit Änderungsbescheid vom 7. März 2006 auf seine Lebensgefährtin und die Klägerin zu 2 erweitert; M A wurde als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft geführt, jedoch ohne Leistungsanspruch. In dem Änderungsbescheid ist zur Anrechnung der neuen Miete ab Februar 2006 unter anderem Folgendes festgehalten: "Die Überzahlung von Frau A für die WE C. Str. von 2/06 und 3/06 in Höhe von 1003.16 EUR wurde in 2/06 und 3/06 mit dem neuen Anspruch verrechnet, ebenfalls die bereits ausgezahlte Leistung von Herrn V vom 2/06 für die WE Q Str. (530.12 EUR). To. M bildet am 3.3.2006 eine eigene Bedarfsgemeinschaft." In weiteren Änderungsbescheiden vom 17. März 2006, die jeweils gegenüber den beiden Klägern (als Vertreter ihrer jeweiligen Bedarfsgemeinschaft) ergingen, wurde ihnen die direkte Zahlung der Unterkunftskosten an den Vermieter ab April 2008 mitgeteilt. Für die Bedarfsgemeinschaft des Klägers zu 1 war dies ein Mietanteil in Höhe von 458,78 EUR, für die Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 2 ein Mietanteil in Höhe von 299,22 EUR.
Auf Grund der nicht erfolgten Mietzahlungen für Februar und März 2007 wandte sich der Vermieter unter anderem an die ARGE und drohte mit einer fristlosen Kündigung.
Die ARGE erließ für die Bedarfsgemeinschaft des Klägers zu 1 am 7. Juli 2006 einen Bewilligungsbescheid, geändert durch die Änderungsbescheide vom 26. September 2006, der den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 31. Dezember 2006 umfasste. Ausweislich des am 14. Juli 2006 eingegangenen Fortzahlungsantrages waren keine Änderungen bei den Kosten für Unterkunft und Heizung eingetreten. Tatsächlich wurde von der ARGE nur noch ein Mietanteil in Höhe von 369,51 EUR an den Vermieter überwiesen. Für die Klägerin zu 2 änderte sich für diesen Leistungszeitraum weder etwas hinsichtlich der bewilligten noch der gezahlten Mietkostenanteile.
Die Hausverwaltung bezifferte die Mietschulden zum 21. September 2006 auf 1.727,03 EUR und bot eine Ratenzahlungsvereinbarung an. Der Klägerbevollmächtigte wandte sich deshalb mit Schriftsatz vom 29. September 2006 an die ARGE und beantragte die Übernahme der Mietschulden in Form einer Beihilfe. Im Schriftsatz vom 8. Dezember 2006 korrigierte er die Mietschulden auf einen Betrag in Höhe von 1.655,00 EUR. In der vom Vermieter geltend gemachten Miete in Höhe von 806,00 EUR seien Stellplatzkosten in Höhe von 48,00 EUR monatlich enthalten, die nicht von der ARGE zu übernehmen seien. Aus der beigefügten Aufstellung der Hausverwaltung mit Stand 23. November 2006 ergeben sich Zahlungen (ohne die für den Stellplatz) in Höhe von 369,51 EUR in den Monaten Juli bis September 2006, 591,24 EUR im Oktober 2006 und 668,73 EUR im November 2006. Eine Reaktion der ARGE hinsichtlich der mitgeteilten Mietschulden ist nicht zu verzeichnen.
Nachdem die Bearbeitung des Fortzahlungsantrages der Klägerin zu 2 Zeit in Anspruch nahm und in Folge dessen die ARGE die Zahlung ihres Mietkostenanteils ab Januar 2007 insoweit einstellte, sprach der Vermieter am 30. April 2007 eine fristlose Kündigung aus. Die Mietschulden wurden auf 2.504,38 EUR beziffert. In der am 11. Juni 2007 erhobenen Räumungsklage wurden die Schulden schließlich auf 3.288,48 EUR beziffert. In Folge der Leistungsbewilligung für die Klägerin zu 2 mit Bescheid vom 7. Juni 2007 für den Zeitraum vom 1. März 2007 bis 31. August 2007 wurden die Schulden auf 2.277,92 EUR verringert.
Am 25. Juni 2007 beantragte der Klägerbevollmächtigte für sämtliche Mitglieder der beiden Bedarfsgemeinschaften den Erlass einer einstweiligen Anordnung (Az. S 35 AS 1740/07 ER) mit dem Ziel, die ARGE zur darlehensweisen Übernahme der Mietschulden in Höhe von 2.277,92 EUR zu verpflichten. Dies erkannte die ARGE an und erließ am 27. Juni 2007 zwei Bescheide, in denen sie dem Kläger zu 1 ein Darlehen in Höhe von 1.518,62 EUR und der Klägerin zu 2 eines in Höhe von 757,30 EUR gewährte. In der Begründung des Bescheides wird unter anderem darauf hingewiesen, dass die Hilfe gemäß § 22 Abs. 5 SGB II eine Kann-Leistung darstelle. Weiter heißt es: "Die Hilfe nach § 22 Abs. 5 SGB II muss gerechtfertigt sein. Bei der Entscheidung dieser Hilfe sind Art und Umfang als auch die Ursachen des Bedarfes zu berücksichtigen. Miet-, Energie- und Gasschulden u. ä. werden vom Träger der Grundsicherung unter anderem nicht übernommen, wenn man davon ausgehen kann, dass der Hilfesuchende von vornherein entschlossen war, die anstehenden Zahlungen nicht zu begleichen. Dies müsste dann unterstellt werden, wenn nach einer Hilfegewährung gemäß § 22 SGB II erneut Miet-, Energie- und Gasschulden u. ä. anfallen würden. Wir fordern Sie auf, Ihre laufenden Zahlungen an Miete, Energie, Gas u. ä. zu begleichen und mit der Energie sparsam umzugehen, da Sie im Wieder-holungsfall mit einer Ablehnung der Schuldübernahme durch den Träger der Grundsicherung für erwerbsfähige Hilfebedürftige rechnen müssen."
Gegen die beiden Bescheide legte der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 20. Juli 2007 jeweils Widerspruch ein mit dem Begehren, die Übernahme der Mietschulden als Beihilfe zu gewähren. Er wies darauf hin, dass ausgehend von den Zahlungen der ARGE die Mietschulden eigentlich 2.482,94 EUR betragen hätten. Die geringere Forderung des Vermieters beruhe darauf, dass Zahlungen aus eigenen Mittel erbracht worden seien. Er habe einen Anspruch auf Beihilfe und nicht nur auf ein Darlehen, weil ein Amtsver-schulden vorliege.
Die ARGE wies den Widerspruch des Kläger zu 1 mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2008 und den der Klägerin zu 2 mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2009 zurück. In den Begründungen wurde jeweils ausgeführt, dass es für die Übernahme der Mietschulden als Darlehen an einer Rechtsgrundlage fehle, weil in § 22 SGB II nur die darlehensweise Hilfe vorgesehen sei. Die Kosten der Widerspruchsverfahren wurden jeweils nicht für erstattungsfähig erklärt.
Der Klägerbevollmächtigte hat für den Kläger zu 1 am 4. Dezember 2008 (Az. S 23 AS 6088/08) und für die Klägerin zu 2 am 17. Februar 2009 (Az. S 23 AS 761/09) Klage erhoben. Er hat ergänzend vorgetragen, dass das Amtsgericht Dresden dem Kläger zu 1 und seiner Lebensgefährtin die Kosten des Räumungsverfahrens auferlegt habe. Sie hätten sich das Verschulden des ARGE als Erfüllungsgehilfen nach § 278 des Bürgerlichen Gesetz-buches (BGB) zurechnen lassen müssen. Diese Entscheidung sei im Beschwerdeverfahren vom Landgericht Dresden bestätigt worden. In Bezug auf die Mittelverwendung hat er vorgetragen, dass der Kläger zu 1 mit der Übernahme der neuen Wohnung in Annahmeverzug geraten sei, weil die Übernahme der Mietkaution erst am 8. Februar 2006 bewilligt worden sei. Dadurch habe er auch im Februar 2006 noch Miete für die bisherige Wohnung bezahlen müssen. Bei der Lebensgefährtin des Klägers zu 1 hätten sich die Verzögerungen beim Umzug verbunden mit ihrer Entbindung dahingehend ausgewirkt, dass sie ihre bisherige Wohnung nicht habe übergeben können.
Die ARGE hat unter anderem erwidert, dass dem vom Klägerbevollmächtigten zitierten Beschluss des Landessozialgerichtes Sachsen-Anhalt vom 19. September 2007 (Az. L 2 B 242/07 AS-ER) ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen habe. Vorliegend seien nicht die bewilligten Leistungen zu niedrig gewesen, vielmehr sei lediglich die Überweisungspraxis fehlerhaft gewesen. An den früheren Vermieter seien keine Gelder überwiesen worden. Es seien nur Leistungen für die bisherige Wohnung weitergezahlt worden, die der Kläger zu 1 erhalten habe. Eine Übernahme von Mietschulden könne nur als Darlehen erfolgen, weil andernfalls eine Leistung doppelt gewährt werde.
Das Landgericht Dresden hat auf eine Amtshaftungsklage mit Urteil vom 22. Juli 2010 (Az. 3 O 3285/09) die ARGE verurteilt, den Kläger zu 1 und seine Lebensgefährtin als Gesamtgläubiger von den Forderungen aus zwei Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Amtsgerichtes Dresden in Höhe von zusammen 2.052,06 EUR freizustellen. Die beiden Beschlüsse gehen auf die Räumungsklage des Vermieters zurück. Das Oberlandesgericht Dresden hat mit Urteil vom 2. März 2011 (Az. 6 U 1280/10) diese Entscheidung aufge-hoben.
Das Sozialgericht hat die beiden Verfahren mit Beschluss vom 8. Juni 2011 zur gemein-samen Verhandlung und Entscheidung verbunden. In der mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 2011 hat der Beklagte, das zum 1. Januar 2011 an die Stelle der ARGE getretene Jobcenter, in Bezug auf die Klägerin zu 2 ein Teilanerkenntnis mit dem Inhalt abgegeben, dass der Darlehensbescheid aufgehoben werde und eine Rückforderungsverpflichtung nicht mehr bestehe. Außerdem hat er ein Kostengrundanerkenntnis in Höhe von einem Drittel abgegeben. Das Teilanerkenntnis hat der Klägerbevollmächtigte angenommen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. Juli 2011 abgewiesen und die außergerichtlichen Kosten nicht für erstattungsfähig erklärt. Einen Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses an Stelle des bewilligten Darlehens habe der Kläger nicht. Den für einen Zuschuss erforderlichen atypischen Ausnahmefall habe die Kammer nicht feststellen können. Zwar habe die ARGE durch ihr Auszahlungsverhalten zum Entstehen der Schulden beigetragen. Dies habe sie allerdings bereits bei der Entscheidung hinsichtlich der darlehens-weisen Übernahme der Schulden berücksichtigt. Dem Kläger und den weiteren Mitbe-wohnern seien die geschuldeten Kosten für Unterkunft und Heizung vollständig gewährt worden. Auch wenn dies dem Kläger auf Grund der unübersichtlichen Bescheidlage und des Auszahlungsverhaltens der ARGE zunächst nicht ohne Weiteres erkennbar gewesen sei, rechtfertige dies jedoch nicht die nochmalige Zahlung von Unterkunftskosten zu Lasten des Steuerzahlers. Sofern dem Kläger durch das Auszahlungsverhalten etwaige Folgeschäden entstanden sein sollten, bleibe es ihm unbenommen, diese als Folge einer Amtspflichtverletzung anderweitig geltend zu machen. Auch für die Begrenzung der Rückzahlung auf den kopfteiligen Anteil des Klägers sei keine Anspruchsgrundlage ersichtlich. Der Kläger hafte als Gesamtschuldner für seine Mietverbindlichkeiten. Die Haftungsverteilung im Innenverhältnis sei insoweit im vorliegenden Verfahren irrelevant. Gegebenenfalls möge er auf etwaige weitere Schuldner gesondert Rückgriff nehmen. Die Kostengrundentscheidung folge der Entscheidung in der Hauptsache. Hinsichtlich des anerkannten Teils der Klage habe der Beklagte ein Kostengrundanerkenntnis abgegeben, das auch angenommen worden sei.
Die Kläger haben gegen das ihnen am 21. Juli 2011 zugestellte Urteil am 19. August 2011 Berufung eingelegt. Der Kläger zu 1 macht geltend, dass vorliegend ein atypischer Fall gegeben sei, weil die Mietschulden aus der Sphäre des Beklagten resultierten. Selbst wenn nur die Übernahme eines Darlehens in Betracht käme, hätte er nur den kopfteiligen Anteil der Schulden an den Gesamtschulden zu zahlen. Zu den Kosten für Unterkunft und Heizung würden auch aufgelaufene Mietschulden zählen. Diese seien wie die übrigen Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem üblichen Kopfteilprinzip zu übernehmen. Die Klägerin zu 2 sei hinsichtlich der Kosten beschwert. Durch das Anerkenntnis habe ihr Begehren in vollem Umfang Erfolg gehabt. Aus diesem Grund habe sie einen Anspruch auf Erstattung ihrer außergerichtlichen kosten in vollem Umfang.
Am 8. November 2012 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in der unter anderem darauf hingewiesen worden ist, dass die Berufung der Klägerin zu 2 unzulässig sei. Der Termin ist vertragt worden, weil der Beklagte damals noch nicht die angeforderte Übersicht über die Zahlungen der Leistung für Unterkunft und Heizung vorlegen konnte. Diese sind mit Schriftsatz vom 26. November 2012 übersandt worden. Der Beklagte macht geltend, dass im Ergebnis die bewilligten Leistungen bezüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung in vollem Umfang gezahlt worden seien. M A sei allerdings über weite Zeiträume nicht hilfebedürftig gewesen, sodass sein Anteil nicht zu übernehmen gewesen sei. Der Klägerbevollmächtigte macht mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2012 geltend, dass die Übernahme der (vollen) Unterkunftskosten zugesagt gewesen sei. Entsprechend seien zunächst auch die Zahlungen erfolgt. Es sei für den Kläger zu 1 nicht zu erkennen gewesen, weshalb sich hieran später etwas geändert habe.
Der auf den 17. Dezember 2012 angesetzte weitere Verhandlungstermin hat nicht stattgefunden, weil der Beklagte bis dahin nicht in der Lage gewesen ist, zu Anmerkungen des Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 6. Dezember 2012 in Bezug auf Eintragungen in den Auszahlungslisten Stellung zu nehmen. Die Stellungnahme ist mit Schriftsatz vom 17. Januar 2013 erfolgt.
In der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2013 ist die Berufung der Klägerin zu 2 zurückgenommen worden. Die Beklagtenvertreterin hat im Termin eine umfangreiche Heftung mit Computerausdrucken über die erfolgten Zahlungen vorgelegt. Daraufhin ist die mündliche Verhandlung erneut vertagt worden, um dem Klägerbevollmächtigten und dem Gericht die Gelegenheit zu geben, die Unterlagen zu prüfen. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Der Klägerbevollmächtigte hat mit Schriftsatz vom 14. Februar 2013 mitgeteilt, dass es ihm nur noch begrenzt möglich sei, die von dem Beklagten vorgelegten Zahlen eingehend zu prüfen. Er gehe davon aus, dass sämtliche bewilligten Leistungen auch ausgezahlt worden seien. Er vertritt die Auffassung, dass die ARGE durch die Art und Weise der Auszahlungen selbst die Voraussetzungen für die Mietschuldübernahme geschaffen habe. So seien M A entgegen den Angaben in dem Bescheid keine Leistungen gewährt worden, weil dessen Einkommen seinen Bedarf gedeckt habe. Ein weiteres Problem habe sich dadurch ergeben, dass wegen der Warmwasserpauschale in Höhe von 15,24 EUR die bewilligten Kosten der Unterkunft geringer gewesen seien als die tatsächliche Miete. Die ARGE habe zunächst in den Monaten April bis Juni 2006 die volle Miete, das heißt einschließlich des Anteils aus dem Regelsatz, an den Vermieter gezahlt. Ab Juli 2006 sei hingegen der Anteil aus dem Regelsatz an den Kläger zu 1 und die Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft gezahlt worden. Die ARGE habe den Kläger zu 1 nicht auf die Änderung der Auszahlungsmodalitäten hingewiesen. Dem Kläger seien diese nicht aufgefallen. Auch er, der Klägerbevollmächtigte, habe sich erst nach einer Akteneinsicht ein Bild machen können. Eine weitere Ursache für die von der ARGE quasi provozierte Mietschuldübernahme liege darin, dass der Leistungsantrag der Klägerin zu 2 erst sehr spät beschieden worden sei. Dadurch sei ein größerer Posten der Mietzahlungen ausgefallen. Dies habe den Vermieter geradezu in zur Räumungsklage getrieben. Dass es zu dem erheblichen Mietrückstand gekommen sei, resultiere einzig aus der Sphäre des Beklagten. Eine Übernahme der Mietschulden als Beihilfe sei daher im Sinne eines Unrechtsfolgenbeseitigungsan-spruches geboten.
Der Kläger zu 1 beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichtes Dresden vom 16. Mai 2011 sowie den Bescheid der ARGE Dresden vom 27. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2008 aufzuheben, als a) die Bewilligung der Übernahme von Mietschulden als Darlehen erfolgte, b) sie über den kopfteiligen Anteil des Klägers [zu 1] hinausgeht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf den richterlichen Hinweis, dass das Ermessen in Bezug auf die Frage, ob die Mietschulden als Zuschuss zu übernehmen sind, möglicherweise nicht ausgeübt worden sei, vertritt der Beklagte die Auffassung, dass bereits kein atypischer Fall vorliege, sodass kein Ermessen hinsichtlich der Form der Leistungserbringung auszuüben gewesen sei.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug ge-nommen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Gericht entscheidet gemäß § 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über die Berufung.
II. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch die Berufung des Klägers zu 1. Denn die in der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2013 erklärte Berufungsrücknahme für die Klägerin zu 2 bewirkt der Verlust des Rechtsmittels (vgl. 156 Abs. 2 Satz 1 SGG).
III. Die zulässige Berufung des Klägers zu 1 ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Kläger zu 1 hat zwar keinen Anspruch darauf, dass ihm die Mietschuldenübernahme in Form einer Beihilfe/eines Zuschusses an Stelle eines Darlehens gewährt wird (1.). Jedoch war die ARGE nicht berechtigt, ihn allein mit einem Darlehen zu belasten, das den auf die Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft entfallenden Anteil der Mietschuldenübernahme betrifft (2.).
1. Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers zu 1, die Mietschulden nicht in Form eines Darlehens, sondern in Form einer Beihilfe/eines Zuschusses zu übernehmen, ist § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung.
§ 22 Abs. 5 SGB II a. F. hatte folgenden Wortlaut: "Sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden."
Die Regelung in § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a. F., die der seit 1. Januar 2011 geltenden Regelung in § 22 Abs. 8 Satz 4 SGB II (vgl. Artikel 2 Nr. 31 des Gesetzes vom 24. März 2011 [BGBl. I S. 453]) entspricht, unterscheidet sich von der vergleichbaren Regelung in § 36 Abs. 1 Satz 3 des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII). Nach dieser sozialhilferechtlichen Regelung "können" Geldleistungen als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden. Dies bedeutet, dass das Ermessen in § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a. F. "determiniert" ist (vgl. Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II [4. Aufl., 2011], § 22 Rdnr. 199). Die Übernahme von Mietschulden ganz oder teilweise in Form einer Bei-hilfe/eines Zuschusses setzt danach voraus, dass ein atypischer Fall vorliegt.
Zur Überzeugung des Gerichtes ist im Falle des Klägers zu 1 trotz erheblicher Mängel in der Behandlung seiner Angelegenheit durch die ARGE kein atypischer Fall gegeben.
a) Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass bei einer Entscheidung über die Form der Mietschuldenübernahme unter anderem die Wirkungen des Darlehens auf die künftige Bereitschaft und Fähigkeit zur Arbeitsmarktintegration oder die Zukunftsperspektive des Betroffenen erheblich sei (vgl. Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II [4. Aufl., 2011], § 22 Rdnr. 199, m. w. N.; Lang/link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II [2. Aufl., 2008], § 22 Rdnr. 115 [unter Bezugnahme auf Berlit]; vgl. auch SG Oldenburg, Beschluss vom 20. Dezember 2005 – S 2 SO 271/05 ER – JURIS-Dokument Rdnr. 10). Für entsprechende negative Wirkungen im Falle des Klägers zu 1 ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Eine allgemeine, im Einzelfall unter Umständen berechtigte, Verärgerung oder Frustration über Verfahrensbehandlungen durch ein Jobcenter oder über Form und Inhalt schriftlicher Äußerungen oder Entscheidungen eines Jobcenters als solche sind auf der Grundlage der gesetzgeberischen Vorgaben in § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a. F. zur Form der Leistungserbringung nicht geeignet, einen Anspruch auf rückzahlungsfreie Miet-schuldenübernahme zu begründen.
b) Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hat im Beschluss vom 19. September 2007 (Az. L 2 B 242/07 AS-ER, JURIS-Dokument Rdnr. 33) erwogen, dass sich je nach Umfang des Verursachungsbeitrags ergeben könne, dass für die Tilgung der Schulden ausnahmsweise nicht nur ein Darlehen sondern ein Zuschuss zu gewähren sei. Es hat eine abschließende Entscheidung aber nicht im Eilverfahren getroffen.
Dieser rechtliche Ansatz lässt sich aber wegen Unterschieden im Sachverhalt nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Denn der Leistungsträger in dem vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt entschiedenen Fall hatte vorher zu geringe Leistungen, insbesondere für Wohnung und Heizung, erbracht, was zumindest zum Teil ursächlich für das Auflaufen der Schulden war. Vorliegend wurden hingegen die Leistungen in korrekter Höhe bewilligt. Nur die Zahlungspraxis war fehlerhaft. Nach den nunmehr vorliegenden Unterlagen wurden die bewilligten Leistungen in vollem Umfang ausgezahlt, wenn auch nicht wie vereinbart in vollem Umfang an den Vermieter, sondern teilweise an den Vermieter und teilweise an die Leistungsempfänger. Soweit zunächst unklar war, an welchen Zahlungsempfänger die ARGE welche Zahlungen erbrachte und was sich hinter einer als "Barauszahlung" an den Vermieter eingetragenen "Kunstbuchung" verbarg, konnte dies im Laufe des Berufungsverfahrens auf der Grundlage umfangreicher Zahlungsanordnungen und weiterer sowohl von Beklagten- als auch Klägerseite vorgelegten Unterlagen geklärt werden. Wenn aber der Kläger zu 1 die Mietschuldenübernahme als Beitrag/Zuschuss erhalten würde, würde er Leistungen für Unterkunft und Heizung zumindest in Teilen doppelt erhalten. Hierfür gibt es weder auf der Grundlage von § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a. F. noch von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II eine Rechtfertigung.
Soweit der Klägerbevollmächtigte die Auffassung vertritt, dass der ARGE auch deshalb ein Mitverschulden an dem Entstehen der Mietschulden vorzuhalten sei, weil sie die Unterkunftskosten nicht in vollem Umfang an den Vermieter überwiesen habe, ist dieser Einwand unbegründet. Zutreffend ist insoweit allerdings, dass die Unterkunftskosten von der ARGE zwar bei der Leistungsberechung in vollem Umfang anerkannt wurden, sich jedoch die Kosten nur zum Teil bei der Leistungsbewilligung niederschlugen. Dies hatte seinen Grund darin, dass M A auf Grund des bei ihm zu berücksichtigenden Einkommens aus Kindergeld und Unterhalt weitestgehend seinen Bedarf aus eigenem Einkommen decken konnte und damit keinen Leistungsanspruch hatte. Unzutreffend ist hingegen der Vortrag des Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 6. Dezember 2012, die ARGE habe zugesichert, aus den zustehenden Leistungen, das heiße aus Regelsatz und Miete, die Unterkunftskosten zu zahlen. Denn im Schreiben vom 11. Januar 2006, in dem die Direktüberweisung der Unterkunftskosten an den Vermieter zugesagt wurde, wies die ARGE ausdrücklich darauf hin, "dass die Zahlungsanweisung nur für die Dauer und maximal bis zur Höhe Ihres Leistungsanspruches erfolgen kann." Der Leistungsanspruch der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft des Klägers zu 1 war jedoch wegen des den Bedarf von M A (weitestgehend) deckenden Einkommens beschränkt. Dies war aus den Berechnungsbögen zu den Bewilligungsbescheiden zu ersehen. So war beispielsweise im Berechnungsbogen für April bis Juni 2006, der dem Änderungsbescheid vom 7. März 2006 beigefügt war, in der Spalte für M A sowohl unter "Bedarf nach Einkommensanrechnung" als auch unter "zustehende Kosten für Unterkunft und Heizung" jeweils der Betrag "0,00 EUR" eingetragen.
Soweit der Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 14. Februar 2013 der ARGE den Vorwurf macht, sie habe den Kläger und die Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft nicht auf die Änderungen der Zahlungsmodalitäten hingewiesen, ist die korrekt. Das Verhalten der ARGE ist in der vorliegenden Mietschuldenangelegenheit insgesamt von einem ausgesprochenen beredten Schweigen gekennzeichnet, auch nachdem sowohl der Vermieter als auch der Klägerbevollmächtigte bei ihr in dieser Angelegenheit vorstellig geworden sind. Selbst im Berufungsverfahren war der Beklagte jeweils erst nach längerer Zeit in der Lage, Stellung zu den Auszahlungen und den von ihm erstellten Daten zu nehmen. Völlig neben der Sache lag zudem der Mutmaßung in den Darlehensbewilligungsbescheiden, die Kläger könnten von vornherein entschlossen gewesen sein, die anstehenden Zahlungen nicht zu begleichen, sowie unter anderem die Aufforderung, Miete, Energie, Gas und ähnliches zu begleichen und mit der Energie sparsam umzugehen. Die ist Ausdruck einer Unkenntnis des konkreten Sachverhaltes und einer gedankenlosen Übernahme von Testbausteinen. Dieses Verhalten ändert aber nichts daran, dass im Ergebnis die bewilligten Leistungen zur Auszahlung gelangten.
Ein fehlerhaftes Verhalten eines Leistungsträgers, das ohne Auswirkung auf die in richtiger Höhe bewilligten und ausgezahlten Aufwendungen für die Unterkunft bleibt, ist nicht geeignet, eine Anspruch auf Mitschuldenübernahme in Form einer Beihilfe/eines Zuschusses zu begründen. Denn § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a. F. ist keine Sanktionsregelung für ein Fehlverhalten eines Leistungsträgers.
c) In Betracht kommt weiter, die Mietschuldenübernahme als Beitrag/Zuschuss zu be-willigen, um finanzielle Folgelasten des Betroffenen auszugleichen. Vom Kläger zu 1 wurden diesbezüglich die Prozesskosten für das Räumungsklageverfahren sowie die Kosten für die doppelte Mietzahlung im Februar 2006 angesprochen. Hierbei ist aber bereits fraglich, ob es vom Gesetzgeber gewollt und der Sache nach gerechtfertigt ist, die Regelung in § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a. F. als weitere Grundlage für einen Schadensausgleich neben sonstigen Möglichkeiten wie den Amtshaftungsanspruch oder den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu behandeln.
Diese Frage bedarf vorliegend jedoch keiner vertieften Erörterung. Denn die Aufwendungen für die doppelte Mietzahlung im Februar 2006, das heißt für zwei Wohnungen, be-ruhen nicht auf der fehlerhaften Zahlung der Unterkunftskosten, sondern auf der späten Bewilligung der Übernahme der Mietkaution. Es fehlt mithin an der Kausalität zwischen fehlerhaftem Behördenhandeln und Schaden.
In Bezug auf die Folgeschäden in Gestalt der Prozesskosten für das Räumungsklagever-fahren ist zu beachten, dass der Kläger zu 1 versuchte, diese im Wege einer Amtshaftungsklage gegen den Beklagten geltend zu machen. Hiermit ist er letztlich erfolglos geblieben. Wenn der Klägerbevollmächtigte zu den beiden zivilgerichtlichen Urteilen die Auffassung vertritt, dass dem Landgericht weit mehr als dem Oberlandesgericht die sozialverwaltungs- und grundsicherungsrechtlichen Implikationen des Amtshaftungsanspruches bewusst gewesen seien, erscheint dies auf der Grundlage der vorliegenden Urteilsgründe nicht unvertretbar. Gleichwohl ist es einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit verwehrt, eine Entscheidung eines Zivilgerichtes in einem Amtshaftungsprozess, auch wenn sie als fehlerhaft beurteilen sollte, im Rahmen einer Entscheidung nach § 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II a. F. zu korrigieren. Die Überprüfung und gegebenenfalls Korrektur einer Gerichtsentscheidung ist nur in dem vom Gesetzgeber hierfür vorgesehenen Verfahren und Instanzenzug möglich.
2. Der unter Buchstabe b gestellte Hilfsantrag, mit dem der Kläger zu 1 begehrt, den Bescheid vom 27. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober
2008 insoweit aufzuheben, als die Bewilligung der Übernahme von Mietschulden als Darlehen über seinen kopfteiligen Anteil hinausgeht, ist begründet.
Der Darlehensbescheid kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass er an den Kläger zu 1 in eigener Angelegenheit und zugleich in Vertretung für die übrigen Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft gerichtet gewesen sein sollte. In dem Bescheid fehlt jeder Hinweis auf eine Vertreterstellung des Klägers zu 1.
Auch aus § 38 Abs. 1 Satz 1 SGB II lässt sich nichts anderes herleiten. Danach wird, soweit Anhaltspunkte dem nicht entgegenstehen, vermutet, dass die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte bevollmächtigt ist, Leistungen nach dem SGB II auch für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegenzunehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist diese Regelung aus Gründen der vom Gesetzgeber gewollten Verwaltungspraktikabilität und Verwaltungsökonomie dahin auszulegen, dass die vermutete Bevollmächtigung alle Verfahrenshandlungen erfasst, die mit der Antragstellung und der Entgegennahme der Leistungen zusammenhängen und der Verfolgung des Antrags dienen (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 = JURIS-Dokument Rdnr. 29). Dies hat allerdings nur zur Folge, dass ein Bescheid nach dem SGB II, soweit er unter den sach-lichen Geltungsbereich von § 38 SGB II fallen kann (vgl. zu den Ausnahmefällen: Piepenstock, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [3. Aufl., 2012], § 38 Rdnr. 31, m. w. N.), mit dem Zugang (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB X) an den vermuteten Vertreter auch gegenüber allen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft wirksam wird (vgl. BSG, a. a. O.; Piepenstock, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [3. Aufl., 2012], § 38 Rdnr. 28 f., m. w. N.). Die Frage nach einer möglichen Bekanntgabe eines Bescheides an ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft als vermuteten Vertreter für die übrigen Mitglieder ist jedoch von der Frage zu trennen, ob der Bescheid inhaltlich an die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gerichtet ist und ob er insoweit inhaltlich hinreichend bestimmt im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB X ist (vgl. Piepenstock, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [3. Aufl., 2012], § 38 Rdnr. 29). Eine solche Adressierung auch an andere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft des Klägers ist aus dem Bescheid vom 27. Juni 2007 nicht zu entnehmen.
Eine Rechtsgrundlage, die ein Jobcenter ermächtigen würde, ein Darlehen im Rahmen einer Übernahme von Mietschulden, die alle Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft be-treffen, nur einem Mitglied dieser Bedarfsgemeinschaft zu bewilligen, ist nicht ersichtlich. Denn der Gesetzgeber verfolgt im SGB II das Konzept der Individualansprüche (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 12). Dies hat unter anderem zur Folge, dass nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes die Kosten der Unterkunft und Heizung im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen sind, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht (vgl. zuletzt: BSG, Urteil vom 29. November 2012 – B 14 AS 36/12 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 63 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 26, m. w. N.). Das Konzept wirkt sicht weiter in Rückforderungsangelegenheiten aus. Sofern zu Unrecht bewilligte Leistungen von den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft zurückgefordert werden sollen, können auch im Rückabwicklungsverhältnis sowohl die Aufhebung eines rechtswidrigen Bewilligungsbescheids als auch die Erstattungsforderung erbrachter SGB II-Leistungen nur gegenüber dem jeweiligen Leistungsempfänger als einzelnem hilfebedürftigen Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 SGB II erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 4 AS 154/11 R – SozR 4-1300 § 33 Nr. 1 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 16). In diesem Individualrechtskonzept ist kein Raum für eine Art von Kollektivbegünstigung, die einem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft zugunsten aller Mitglieder zuteil wird.
Bei einem Darlehen kommt hinzu, dass es keine bloße begünstigende Leistung ist, sondern wegen der Rückzahlungsverpflichtung (vgl. z. B. den seit 1. April 2011 geltenden § 42a Abs. 1 Satz 3 SGB II) auch den Darlehensnehmer belastende Elemente enthält. Belastungen können im Bereich des öffentlichen Rechtes einem Bescheidadressaten aber nur dem Grunde und dem Umfange nach auferlegt werden, soweit es hierfür eine Rechtsgrundlage gibt. Eine solche ist für den Umfang des dem Kläger zu 1 im Bescheid vom 27. Juni 2007 bewilligten Darlehens weder ersichtlich noch vom Beklagten benannt.
Soweit das Sozialgericht darauf verweist, dass der Kläger zu 1 als Gesamtschuldner für seine Mietverbindlichkeiten hafte und gegebenenfalls gesondert Rückgriff auf etwaige weitere Schuldner nehmen könne, wird unzulässig die Grenze zwischen privatrechtlichem Mietrecht und öffentlich-rechtlichem Grundsicherungsrecht verwischt. Denn nach dem vom Bundessozialgericht vertretenen Kopfteilprinzip kommt es für einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II gerade nicht darauf an, wer im mietrechtlichen Sinne Mieter ist. Vielmehr werden grundsicherungsrechtlich die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung regelmäßig anteilig auf die Personen, die eine Unterkunft gemeinsam nutzen, aufgeteilt.
Ausgehend hiervon ist der Darlehensbescheid nur im Umfang des auf den Kläger zu 1 entfallenden Anteils an den bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II rechtmäßig; im Übrigen ist der Bescheid aufzuheben. Solche Leistungen wurden nur drei der vier Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft des Klägers zu 1 bewilligt, nämlich ihm, seiner Lebensgefährtin und dem Sohn K. Der Sohn M A erhielt keine Leistungen, weil er seinen Bedarf aus einem Einkommen decken konnte. Damit entfällt von der Darlehenssumme in Höhe von 1.518,62 EUR bei einem Anteil von 1/3 ein Betrag in Höhe von 506,21 EUR.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Hierbei wurde beim Kläger zu 1 berücksichtigt, dass er nur mit dem Hilfsantrag erfolgreich war und sein Hauptziel, das ihm gewährte Darlehen nicht zurückzahlen zu müssen, auch mit dem Hilfsantrag nicht erreicht hat. In Bezug auf die Klägerin zu 2 wurde aus Gründen der Rechtsklarheit festgehalten, dass ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren wegen der Berufungsrücknahme nicht zu erstatten sind. Für das Klageverfahren ist darauf hinzuweisen, dass das von der Klägerin zu 2 angenommene Anerkenntnis auch ein Kostengrundanerkenntnis umfasste. Damit musste das Sozialgericht keine Entscheidung mehr im Sinne von § 193 Abs. 1 SGG treffen (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 101 Rdnr. 23a, m. w. N.). Eine die Klägerin zu 2 mit betreffende Kostengrundentscheidung ist im Urteil vom 16. Mai 2011 auch nicht enthalten. Denn bereits im Einleitungssatz wird angemerkt, dass die Klägerin zu 2 in Folge des Anerkenntnisses klaglos gestellt sei. In der Begründung zur Kostenentscheidung im Urteil vom 16. Mai 2011 wird auf das Kostengrundanerkenntnis verwiesen. Daraus ergibt sich, dass das Urteil entgegen des möglicherweise missverständlichen Rubrums nicht die Klägerin zu 2 betreffen sollte.
V. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Dr. Scheer Höhl Atanassov
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