Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 16 SO 110/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 4/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. Dezember 2011 wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von weiteren 6.337,00 EUR Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe-SGB XII) für den Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Dezember 2007 im Rahmen eines Persönlichen Budgets (im Weiteren: PB) streitig.
Die am ... 1979 geborene Klägerin leidet seit einer metabolischen Entgleisung im Alter von fünf Monaten im Rahmen eines fieberhaften Infektes an einem zerebralen Anfallsleiden mit täglich mehrmals auftretenden Anfällen, einer rechtsseitigen armbetonten Halbseitenlähmung sowie einer mittelgradigen bis schweren Intelligenzminderung. Ausweislich des Gutachtens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Pflegeversicherung - SGB XI) des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) vom 15. Oktober 2002 sei in Bezug auf die Grundpflege ein Zeitaufwand von 209 Minuten pro Tag und in Bezug auf die hauswirtschaftliche Versorgung ein Zeitaufwand von 60 Minuten pro Tag erforderlich. Im Folgegutachten vom 1. November 2006 wird der Zeitaufwand für die Grundpflege mit 214 Minuten pro Tag und für die hauswirtschaftliche Versorgung mit 60 Minuten pro Tag eingeschätzt. Der Hilfebedarf entspreche weiter der Pflegestufe II.
Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W., bei dem Gesundheits- und Veterinäramt der Stadt M. tätig, hat in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 9. Mai 2006 ebenfalls ausgeführt, die Klägerin benötige für alle täglichen Verrichtungen umfangreiche Anleitung, massive Assistenz und Kontrolle; aufgrund zu geringer psychischer und körperlicher Belastbarkeit, stark wechselnder Stimmungslagen und täglich mehrfach auftretender Anfallsereignisse bestehe keine Werkstattfähigkeit.
Die Eltern sind als Betreuer bestellt. Bei der Klägerin sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G, B, H, RF" anerkannt (Bescheid vom 15. Februar 1991). Die Klägerin bezieht Leistungen zur Pflege nach der Pflegestufe II von der Barmer GEK Pflegekasse. Sie erhält vom Beklagten Eingliederungshilfe durch die Betreuung in der Fördergruppe des Lebenshilfe-Werkes M. an Wochentagen von 7.30 Uhr bis 15.00 Uhr (Kosten hierfür 1.220,56 EUR monatlich sowie Fahrtkosten in Höhe von 388,89 EUR monatlich). Ferner bezieht sie laufend Grundsicherungsleistungen (im Januar 2007 in Höhe von 476,30 EUR). Auf Veranlassung der Betreuer erhält sie zeitweilig eine logopädische Behandlung.
Seit dem 1. März 2007 bewohnt die Klägerin eine 3-Zimmerwohnung unter der im Rubrum angegebenen Anschrift.
Für die Zeit vom 1. Februar 2007 bis zum 31. Dezember 2007 schlossen die Beteiligten unter dem 18. Dezember 2006 eine Zielvereinbarung für die Dauer des Bewilligungszeitraumes der Leistungen des PB, in der als konkrete Ziele eine selbstbestimmte Lebensführung, die Sicherstellung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, der Erhalt der Pflege und Betreuungssituation in der eigenen Häuslichkeit sowie die Vermeidung der stationären Betreuung festgelegt wurden; diese Zielvereinbarung sei Gegenstand des Bescheides vom 21. Dezember 2006. In der Zielvereinbarung wurden unter Punkt 3. der Hilfebedarf entsprechend der Einschätzung des MDK vom 11. Oktober 2002 und unter Punkt 4. die Budgethöhe mit insgesamt jährlich 15.305,52 EUR festgelegt, wobei gleichzeitig vereinbart wurde, dass das PB in Teilbeträgen in Höhe von monatlich 1.275,46 EUR ausgezahlt werde. Es wurde festgelegt. Ferner wurde festgeschrieben, dass damit alle Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben nach §§ 53, 54 SGB XII hinsichtlich der dafür erforderlichen Begleitung sowie der Leistungen der Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff SGB XII abgegolten seien. Dementsprechende Regelungen traf der Bescheid vom 21. Dezember 2006. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Ausweislich des Betreuungsvertrages vom 1. März 2007 schlossen die Klägerin und die Fa. W. (im Weiteren: Leistungserbringer) eine Vereinbarung über Betreuungsleistungen ab. Die Klägerin wünsche Betreuungsleistungen im Rahmen des PB, welche ihr ermöglichten, in einer eigenen Wohnung zu leben. Dazu benötige sie umfassende Hilfen wochentags von 15.30 Uhr bis 22.00 Uhr durch eine Heilpädagogin und die entsprechenden Nachtbereitschaften durch Hilfskräfte. Die Kosten der Diplomheilpädagogin in Vollzeit betrügen 1.782,00 EUR monatlich. Die Nachtbereitschaften kosteten 20,00 EUR pro Nacht zuzüglich 10 Prozent Verwaltungskosten und damit insgesamt 517,00 EUR pro Monat. Der Gesamtbetrag belaufe sich auf 2.299,00 EUR. Der Vertrag sei bis zum 31. Dezember 2007 befristet. Die Vereinbarung wurde am 3. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2008 verlängert.
Am 29. Juli 2007 stellte die Klägerin den Antrag auf Erhöhung des PB mit der Begründung, sie erhalte seit Februar 2007 das bewilligte Budget in Höhe von 1.275,46 EUR und werde seit März 2007 in ihrer eigenen Wohnung betreut. Dies wirke sich sehr positiv auf ihre Entwicklung aus. Allerdings reiche das PB bei Weitem nicht aus, um ihren Bedarf zu decken. Monatlich seien 2.300,00 EUR zu zahlen, um sie zu betreuen, wobei die Wochenenden davon nicht mitumfasst seien; dann halte sie sich bei ihren Eltern auf. Es sei ihr nicht möglich, mit dem vom Beklagten in der Zielvereinbarung zugrunde gelegten Stundensatz die sie betreuende Fachkraft tarifgerecht zu bezahlen. Sie beantrage deshalb die Erhöhung des PB unter Einbeziehung der Kosten der Urlaubs- und Krankheitsvertretung sowie Umlagen für Schwangerschaft etc.
Die Beteiligten führten daraufhin ein Gespräch über den Abschluss einer neuen Zielvereinbarung. Der Beklagte bot eine Budgeterhöhung um 196,84 EUR an. Die Klägerin war damit nicht einverstanden, da ihre Eltern monatlich ca. 600,00 EUR aus deren Einkommen zuzahlten, um ihre Betreuung abzudecken. Der Beklagte vertrat hierzu die Auffassung, dass nur im Rahmen der psychosozialen Hilfen und dem Bereich Arbeit und Beschäftigung Fachkräfte eingesetzt werden müssten und alle weiteren Hilfebedarfsbereiche durch Hilfskräfte abgedeckt werden könnten. Demgegenüber war die Klägerin der Auffassung, sie müsse selbst entscheiden können, von wem sie Hilfeleistung in Anspruch nehme.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25. Oktober 2007 den Antrag auf Erhöhung des PB mit der Begründung ab, es sei keine erneute Zielvereinbarung zustande gekommen. Der Budgetbetrag werde weiterhin in Höhe von 1.275,46 EUR gewährt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 2008 als unbegründet zurück. Hiergegen hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben und zunächst beantragt, auf der Grundlage eines Schreibens des Leistungserbringers vom Februar 2007 für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2007 weitere 12.282,58 EUR zu gewähren. Das SG hat auf der Grundlage des darin als notwendig dargestellten Leistungsumfangs der Betreuung der Klägerin ein (schriftliches) Gutachten von Prof. Dr. P. G. und R. B. vom 22. August 2011 eingeholt. Danach bestehe bei der Klägerin ein budgetrelevanter Betreuungsbedarf von 593,12 Stunden monatlich.B. ist vom SG zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladen worden. Im Protokoll heißt es: "der Sachverständige erstattete sein Gutachten." Weitere Ausführungen enthält das Protokoll nicht. Auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2011 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Bescheides verurteilt, der Klägerin auf ihren entsprechend geänderten Antrag für den Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Dezember 2007 weitere 6.377,00 EUR Zug um Zug gegen den Abschluss einer entsprechenden Zielvereinbarung für denselben Zeitraum zu zahlen. Ausweislich der Aufstellung des Leistungserbringers vom Februar 2007 habe sich ein notwendiger monatlicher Betrag in Höhe von 3.320,00 EUR ergeben. Zu den ausgezahlten Leistungen in Höhe von 1.275,46 EUR ergebe sich eine Differenz in Höhe von 2.044,54 EUR. Die Betreuer der Klägerin hätten unwidersprochen vorgetragen, im gesamten Jahr 2007 einen Betrag von über 13.000,00 EUR vorgeschossen zu haben, um die notwendige Betreuung der Klägerin sicher zu stellen. Ausgehend vom Antrag der Klägerin auf Erhöhung des PB im Juli 2007 errechne sich der ausgeurteilte Betrag.
Gegen das ihm am 19. Januar 2012 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 17. Februar 2012 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat er u.a. vorgetragen, ein höherer Anspruch der Klägerin scheitere an der geschlossenen Zielvereinbarung und dem nachfolgenden bestandskräftigen Verwaltungsakt. Die Klägerin habe von dem Recht der Kündigung der Zielvereinbarung keinen Gebrauch gemacht. Auch habe die Klägerin - entgegen den Ausführungen des SG - keine Rechnung vorgelegt, aus der sich der monatliche Zahlbetrag in Höhe von 3.320,00 EUR ergebe.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Magdeburg vom 6. Dezember 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Gerichtsakten der Streitverfahren L 8 SO 17/12 B ER und S 16 (19) SO 80/09 sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, welche sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.
Das SG hat zu Unrecht den Beklagten zur Zahlung weiterer 6.377,00 EUR Zug um Zug gegen Abschluss einer entsprechenden Zielvereinbarung verurteilt. Der Klägerin steht kein Anspruch auf die ausgeurteilte Geldleistung zu.
Sachlich und örtlich zuständig ist sowohl für Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen als auch für Leistungen der Hilfe zur Pflege ausschließlich der Beklagte (§ 97 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 3 Nr. 1 und 2 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - AG SGB XII - vom 11. Januar 2005, GVBl. LSA 2005, S. 8; § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Die in § 4 AG SGB XII geregelte Möglichkeit der Heranziehung des örtlichen Trägers führt nicht zu einer Zuständigkeitsverlagerung im Sinne einer daran anknüpfenden Passivlegitimation. Das ergibt sich bereits daraus, dass der örtliche Träger bei einer Heranziehung nach § 6 Satz 2 AG SGB XII zwingend im Namen des zuständigen (hier überörtlichen) Trägers entscheidet.
Das Begehren der Klägerin ist vorrangig auf Leistungen der Hilfe zur Pflege im Sinne der §§ 61 ff. SGB XII gerichtet. Die hiervon abzugrenzenden Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 53 ff. SGB XII) dienen nicht dem Zweck, dauerhaft eine notwendige Pflege sicherzustellen, wenn eine Besserung oder Milderung des körperlichen Zustands bzw. der Folgen einer Behinderung zwar angestrebt wird, aber nicht mehr im Vordergrund der Bemühungen steht (vgl. Scheider in: Schellhorn u.a., SGB XII - Sozialhilfe, 18. Aufl. 2010, § 53 SGB XII, RdNr. 68).
Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten. Diese gesundheitlichen Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit sind bei der Klägerin nach den hier bindenden Feststellungen der Pflegekasse (§ 62 SGB XII) im Umfang eines Pflegebedarfs nach der Pflegestufe II erfüllt. Das ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig.
Grundsätzlich sind von der Hilfe zur Pflege im Sinne der § 61 ff. SGB XII auch Leistungen der häuslichen Pflege umfasst. Nach § 61 Abs. 2 Satz 1 SGB XII kann Hilfe zur Pflege in Form der häuslichen Pflege, durch Hilfsmittel, teilstationäre Pflege, Kurzzeitpflege und stationäre Pflege gewährt werden. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind Pflegebedürftigen im Sinne des § 61 Abs. 1 SGB XII die angemessenen Aufwendungen der Pflegeperson zu erstatten; auch können angemessene Beihilfen geleistet sowie Beiträge der Pflegeperson für eine angemessene Alterssicherung übernommen werden, wenn diese nicht anderweitig sichergestellt ist. Stellen Pflegebedürftige ihre Pflege durch von ihnen beschäftigte besondere Pflegekräfte sicher, können sie nach § 66 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB XII nicht auf die Inanspruchnahme von Sachleistungen nach dem SGB XI verwiesen werden; vielmehr ist das Pflegegeld nach dem SGB XI vorrangig auf die Leistung nach § 65 Abs. 1 SGB XII anzurechnen.
Der beantragten Bewilligung weiterer Geldleistungen stehen zur Überzeugung des Senats die auf Antrag der Klägerin bewilligten Leistungen der Hilfe zur Pflege im Rahmen des PB entgegen. Denn mit bestandskräftigem Bescheid vom 21. Dezember 2006 hat der Beklagte auf der Grundlage der Zielvereinbarung vom 18. Dezember 2006 für den Zeitraum vom 1. Februar bis zum 31. Dezember 2007 u.a. Hilfe zur Pflege in der Form des PB und damit auch für den hier maßgebenden Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Dezember 2007 bewilligt.
Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) können Leistungen zur Teilhabe auf Antrag auch durch ein PB ausgeführt werden, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Ein PB ist auf der Grundlage der nach § 10 Abs. 1 SGB IX getroffenen Feststellungen so bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann (§ 17 Abs. 3 Satz 3). Dabei soll die Höhe des PB die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das PB zu erbringenden Leistungen nicht überschreiten (§ 17 Abs. 3 Satz 4). Die Passivlegitimation des Beklagten für das PB ergibt sich aus §§ 7 und 17 Abs. 1 Satz 1 SGB IX.
Eine individuelle Feststellung der tatsächlichen Leistungen im Sinne eines individuell festgestellten Bedarfs erfolgte erstmals im Rahmen der Zielvereinbarung vom 18. Dezember 2006. Diese Zielvereinbarung wurde auf der Grundlage von § 4 der Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 des SGB IX (Budgetverordnung - BudgetV) geschlossen. Der Mindestinhalt einer Zielvereinbarung ist in § 4 Abs. 1 Satz 2 BudgetV festgelegt. Sie muss mindestens Regelungen über die Ausrichtung der individuellen Förder- und Leistungsziele, die Erforderlichkeit eines Nachweises für die Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs sowie die Qualitätssicherung enthalten.
Diesen Anforderungen genügte die für den Zeitraum 1. Februar bis zum 31. Dezember 2007 abgeschlossene Zielvereinbarung vom 18. Dezember 2006. Darin waren sich die Beteiligten darüber einig, dass als konkrete Ziele eine selbstbestimmte Lebensführung der Klägerin, die Sicherstellung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, der Erhalt der Pflege und Betreuungssituation in der eigenen Häuslichkeit sowie die Vermeidung der stationären Betreuung festgelegt wurden. Darüber hinaus wurden der Hilfebedarf entsprechend der Einschätzung des MDK vom 11. Oktober 2002 sowie die (jährliche bzw. monatliche) Budgethöhe festgelegt. Schließlich wurde festgeschrieben, dass damit alle Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben nach §§ 53, 54 SGB XII hinsichtlich der dafür erforderlichen Begleitung sowie der Leistungen der Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff. SGB XII abgegolten seien.
Die Zielvereinbarung ist zwingende Voraussetzung für den Erlass des Bewilligungsbescheides vom 21. Dezember 2006 gewesen. Denn nach § 3 Abs. 5 Satz 1 BudgetV erlässt der zuständige Träger den Bewilligungsbescheid erst, wenn eine Zielvereinbarung im Sinne von § 4 BudgetV abgeschlossen ist. Die Zielvereinbarung ist damit wesentliche Grundlage der Bewilligung eines PB. Allein mit der zugrunde liegenden Zielvereinbarung kann der individuelle Bedarf festgestellt und klar definiert werden. Mit der antragsgemäßen Bewilligung des PB mit dem Bescheid vom 21. Dezember 2006 hat es der Klägerin oblegen, die vereinbarten Ziele unter Einsatz des bewilligten Budgets zu verfolgen. Ein daneben bestehender Anspruch auf Übernahme von weiteren Kosten ist insoweit durch die ausdrückliche Regelung in der Zielvereinbarung vom 18. Dezember 2006 ausgeschlossen worden. Aus der Vereinbarung der konkreten Ziele, namentlich der selbstbestimmten Lebensführung der Klägerin, der Sicherstellung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, des Erhalts der Pflege und der Betreuungssituation in der eigenen Häuslichkeit sowie der Vermeidung der stationären Betreuung, ergibt sich unmissverständlich, wofür das auf dieser Grundlage bewilligte Budget einzusetzen war. Mit dem bewilligten Budget waren ausdrücklich weitere Ansprüche abgegolten.
Die Beteiligten sind an die Zielvereinbarung gebunden. Denn diese stellt einen öffentlichrechtlichen Vertrag dar (vgl. zur Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 SGB II: Sächsisches LSG, Urteil vom 19. Juni 2008 - L 3 AS 39/07 -, juris Rn 42, m.w.N.). § 17 Abs. 2 Satz 5 SGB IX regelt zudem, dass der Antragsteller an die Entscheidung für die Dauer von sechs Monaten gebunden ist. Die Zielvereinbarung wird gemäß § 4 Abs. 3 BudgetV im Übrigen in der Regel für die Dauer des Bewilligungszeitraumes der Leistungen des PB abgeschlossen. Die Wirksamkeit eines ordnungsgemäß zustande gekommenen Vertrages kann regelmäßig nur durch eine Kündigung beseitigt werden. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BudgetV können die Beteiligten die Zielvereinbarung aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung schriftlich kündigen, wenn ihnen die Fortsetzung nicht zumutbar ist. Für den Leistungsträger kann nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BudgetV ein wichtiger Grund dann vorliegen, wenn die den Antrag stellende Person die Vereinbarung, insbesondere hinsichtlich des Nachweises zur Bedarfsdeckung und der Qualitätssicherung, nicht einhält. Ein wichtiger Grund kann für die den Antrag stellende Person insbesondere in der persönlichen Lebenssituation liegen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 BudgetV). Für die Klägerin bedeutet dies, dass sie bis zur wirksamen Kündigung an die Zielvereinbarung vom ... Dezember 2006 gebunden war.
Eine wirksame Kündigung liegt nicht vor. Das Schreiben vom 29. Juli 2007 enthält weder ausdrücklich noch konkludent eine Willensäußerung des Inhalts, dass die Klägerin die getroffene Vereinbarung vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit auflösen wollte. Sie wollte zukünftig eine neue Vereinbarung treffen. Auch hatte sich die persönliche Lebenssituation der Klägerin nicht geändert. Sie lebte nach wie vor in der eigenen Häuslichkeit unter der im Rubrum angegebenen Anschrift und wollte weiterhin selbst entscheiden, von wem mit welcher Qualifikation und wann sie welche Unterstützung "einkaufen" wollte.
Für den Senat ist auch nicht erkennbar, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, aufgrund des Vorbringens der Klägerin von einer Kündigung des PB auszugehen. Denn eine Kündigung hätte die sofortige Beendigung des vereinbarten PB und damit der vereinbarten monatlichen Zahlungen bedeutet. Ist eine Kündigung des PB erfolgt, wird der Verwaltungsakt, der das PB begründet hat, wieder aufgehoben (§ 4 Abs. 2 Satz 4 BudgetV). Die Leistungsansprüche gegen alle beteiligten Träger leben dann wieder auf (Lachwitz/Schellhorn/Welti, HK-SGB IX, 2. Auflage § 17 Rn 39). Dies hätte für die Klägerin, deren Begehren vorrangig auf Leistungen der Hilfe zur Pflege im Sinne der §§ 61 ff. SGB XII gerichtet ist, bedeutet, dass sie nicht mehr Leistungen zur Pflege von dem von ihr beauftragten Leistungserbringer für Sozialdienste hätte beanspruchen können, sondern von einem nach § 75 Abs. 3 SGB XII zugelassenen Pflegeunternehmen. Insoweit ist für den Senat nicht feststellbar gewesen, dass der Klägerin die Fortführung des PB unter den vereinbarten Bedingungen unzumutbar war und ein Festhalten des Beklagten hieran der Klägerin gegenüber gegen Treu und Glauben verstoßen hat. Die Klägerin hat den Vertrag mit dem Leistungserbringer am 1. März 2007 abgeschlossen und ist die Verpflichtung, an den Leistungserbringer ab dem 1. März 2007 2.299,00 EUR zahlen zu müssen, eingegangen in Kenntnis der Vereinbarung eines PB in Höhe von 1.275,46 EUR monatlich; die Vereinbarung mit dem Leistungserbringer ist zudem bis zum 31. Dezember 2008 verlängert worden. Sie hat bei dem Gespräch über den Abschluss einer neuen Vereinbarung ab August 2007 vorgetragen, ihre Eltern müssten ca. 600,00 EUR monatlich zuzahlen, damit sie ihren Ansprüchen entsprechend versorgt werden könne. Sie hatte deshalb in Kenntnis des Umstandes, dass das PB für die von ihr verfolgten Ansprüche nicht ausreichen würde, das PB vereinbart, um selbst entscheiden zu können, in welcher Umgebung und in welcher Weise sie ihre Betreuung organisiert, und damit die Vorteile, die das PB dem Hilfebedürftigen bieten soll, für sich zu nutzen. Sie wollte, worauf sie in der mündlichen Verhandlung beim Senat durch ihre Mutter hingewiesen hat, in einer 3-Zimmer-Wohnung wohnen, um die Möglichkeit zu haben, mit einer weiteren behinderten Person zusammenzuleben, um bei der Betreuung Synergieeffekte zu erzielen, und entsprechend ihrer Vorstellung - abweichend von der Einschätzung des Beklagten - sich auch außerhalb der Tagesbetreuung in der Fördergruppe des Lebenshilfe-Werkes M. von Heilpädagogen bzw. ihren Eltern betreuen lassen. Die Beurteilung des Beklagten, sie werde genügend in der Fördergruppe tagsüber gefördert, und es sei ausreichend, wenn sie in ihrer häuslichen Umgebung von Hilfskräften betreut werde, hat sie nicht geteilt. Sie wollte das PB bewusst einsetzen, um ihre Betreuung nach ihren Vorstellungen zu gestalten und sich nicht auf zugelassene Pflegedienste im Rahmen verweisen lassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von weiteren 6.337,00 EUR Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe-SGB XII) für den Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Dezember 2007 im Rahmen eines Persönlichen Budgets (im Weiteren: PB) streitig.
Die am ... 1979 geborene Klägerin leidet seit einer metabolischen Entgleisung im Alter von fünf Monaten im Rahmen eines fieberhaften Infektes an einem zerebralen Anfallsleiden mit täglich mehrmals auftretenden Anfällen, einer rechtsseitigen armbetonten Halbseitenlähmung sowie einer mittelgradigen bis schweren Intelligenzminderung. Ausweislich des Gutachtens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Pflegeversicherung - SGB XI) des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) vom 15. Oktober 2002 sei in Bezug auf die Grundpflege ein Zeitaufwand von 209 Minuten pro Tag und in Bezug auf die hauswirtschaftliche Versorgung ein Zeitaufwand von 60 Minuten pro Tag erforderlich. Im Folgegutachten vom 1. November 2006 wird der Zeitaufwand für die Grundpflege mit 214 Minuten pro Tag und für die hauswirtschaftliche Versorgung mit 60 Minuten pro Tag eingeschätzt. Der Hilfebedarf entspreche weiter der Pflegestufe II.
Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. W., bei dem Gesundheits- und Veterinäramt der Stadt M. tätig, hat in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 9. Mai 2006 ebenfalls ausgeführt, die Klägerin benötige für alle täglichen Verrichtungen umfangreiche Anleitung, massive Assistenz und Kontrolle; aufgrund zu geringer psychischer und körperlicher Belastbarkeit, stark wechselnder Stimmungslagen und täglich mehrfach auftretender Anfallsereignisse bestehe keine Werkstattfähigkeit.
Die Eltern sind als Betreuer bestellt. Bei der Klägerin sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G, B, H, RF" anerkannt (Bescheid vom 15. Februar 1991). Die Klägerin bezieht Leistungen zur Pflege nach der Pflegestufe II von der Barmer GEK Pflegekasse. Sie erhält vom Beklagten Eingliederungshilfe durch die Betreuung in der Fördergruppe des Lebenshilfe-Werkes M. an Wochentagen von 7.30 Uhr bis 15.00 Uhr (Kosten hierfür 1.220,56 EUR monatlich sowie Fahrtkosten in Höhe von 388,89 EUR monatlich). Ferner bezieht sie laufend Grundsicherungsleistungen (im Januar 2007 in Höhe von 476,30 EUR). Auf Veranlassung der Betreuer erhält sie zeitweilig eine logopädische Behandlung.
Seit dem 1. März 2007 bewohnt die Klägerin eine 3-Zimmerwohnung unter der im Rubrum angegebenen Anschrift.
Für die Zeit vom 1. Februar 2007 bis zum 31. Dezember 2007 schlossen die Beteiligten unter dem 18. Dezember 2006 eine Zielvereinbarung für die Dauer des Bewilligungszeitraumes der Leistungen des PB, in der als konkrete Ziele eine selbstbestimmte Lebensführung, die Sicherstellung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, der Erhalt der Pflege und Betreuungssituation in der eigenen Häuslichkeit sowie die Vermeidung der stationären Betreuung festgelegt wurden; diese Zielvereinbarung sei Gegenstand des Bescheides vom 21. Dezember 2006. In der Zielvereinbarung wurden unter Punkt 3. der Hilfebedarf entsprechend der Einschätzung des MDK vom 11. Oktober 2002 und unter Punkt 4. die Budgethöhe mit insgesamt jährlich 15.305,52 EUR festgelegt, wobei gleichzeitig vereinbart wurde, dass das PB in Teilbeträgen in Höhe von monatlich 1.275,46 EUR ausgezahlt werde. Es wurde festgelegt. Ferner wurde festgeschrieben, dass damit alle Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben nach §§ 53, 54 SGB XII hinsichtlich der dafür erforderlichen Begleitung sowie der Leistungen der Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff SGB XII abgegolten seien. Dementsprechende Regelungen traf der Bescheid vom 21. Dezember 2006. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Ausweislich des Betreuungsvertrages vom 1. März 2007 schlossen die Klägerin und die Fa. W. (im Weiteren: Leistungserbringer) eine Vereinbarung über Betreuungsleistungen ab. Die Klägerin wünsche Betreuungsleistungen im Rahmen des PB, welche ihr ermöglichten, in einer eigenen Wohnung zu leben. Dazu benötige sie umfassende Hilfen wochentags von 15.30 Uhr bis 22.00 Uhr durch eine Heilpädagogin und die entsprechenden Nachtbereitschaften durch Hilfskräfte. Die Kosten der Diplomheilpädagogin in Vollzeit betrügen 1.782,00 EUR monatlich. Die Nachtbereitschaften kosteten 20,00 EUR pro Nacht zuzüglich 10 Prozent Verwaltungskosten und damit insgesamt 517,00 EUR pro Monat. Der Gesamtbetrag belaufe sich auf 2.299,00 EUR. Der Vertrag sei bis zum 31. Dezember 2007 befristet. Die Vereinbarung wurde am 3. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2008 verlängert.
Am 29. Juli 2007 stellte die Klägerin den Antrag auf Erhöhung des PB mit der Begründung, sie erhalte seit Februar 2007 das bewilligte Budget in Höhe von 1.275,46 EUR und werde seit März 2007 in ihrer eigenen Wohnung betreut. Dies wirke sich sehr positiv auf ihre Entwicklung aus. Allerdings reiche das PB bei Weitem nicht aus, um ihren Bedarf zu decken. Monatlich seien 2.300,00 EUR zu zahlen, um sie zu betreuen, wobei die Wochenenden davon nicht mitumfasst seien; dann halte sie sich bei ihren Eltern auf. Es sei ihr nicht möglich, mit dem vom Beklagten in der Zielvereinbarung zugrunde gelegten Stundensatz die sie betreuende Fachkraft tarifgerecht zu bezahlen. Sie beantrage deshalb die Erhöhung des PB unter Einbeziehung der Kosten der Urlaubs- und Krankheitsvertretung sowie Umlagen für Schwangerschaft etc.
Die Beteiligten führten daraufhin ein Gespräch über den Abschluss einer neuen Zielvereinbarung. Der Beklagte bot eine Budgeterhöhung um 196,84 EUR an. Die Klägerin war damit nicht einverstanden, da ihre Eltern monatlich ca. 600,00 EUR aus deren Einkommen zuzahlten, um ihre Betreuung abzudecken. Der Beklagte vertrat hierzu die Auffassung, dass nur im Rahmen der psychosozialen Hilfen und dem Bereich Arbeit und Beschäftigung Fachkräfte eingesetzt werden müssten und alle weiteren Hilfebedarfsbereiche durch Hilfskräfte abgedeckt werden könnten. Demgegenüber war die Klägerin der Auffassung, sie müsse selbst entscheiden können, von wem sie Hilfeleistung in Anspruch nehme.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25. Oktober 2007 den Antrag auf Erhöhung des PB mit der Begründung ab, es sei keine erneute Zielvereinbarung zustande gekommen. Der Budgetbetrag werde weiterhin in Höhe von 1.275,46 EUR gewährt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 2008 als unbegründet zurück. Hiergegen hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Magdeburg Klage erhoben und zunächst beantragt, auf der Grundlage eines Schreibens des Leistungserbringers vom Februar 2007 für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2007 weitere 12.282,58 EUR zu gewähren. Das SG hat auf der Grundlage des darin als notwendig dargestellten Leistungsumfangs der Betreuung der Klägerin ein (schriftliches) Gutachten von Prof. Dr. P. G. und R. B. vom 22. August 2011 eingeholt. Danach bestehe bei der Klägerin ein budgetrelevanter Betreuungsbedarf von 593,12 Stunden monatlich.B. ist vom SG zum Termin zur mündlichen Verhandlung geladen worden. Im Protokoll heißt es: "der Sachverständige erstattete sein Gutachten." Weitere Ausführungen enthält das Protokoll nicht. Auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2011 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Bescheides verurteilt, der Klägerin auf ihren entsprechend geänderten Antrag für den Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Dezember 2007 weitere 6.377,00 EUR Zug um Zug gegen den Abschluss einer entsprechenden Zielvereinbarung für denselben Zeitraum zu zahlen. Ausweislich der Aufstellung des Leistungserbringers vom Februar 2007 habe sich ein notwendiger monatlicher Betrag in Höhe von 3.320,00 EUR ergeben. Zu den ausgezahlten Leistungen in Höhe von 1.275,46 EUR ergebe sich eine Differenz in Höhe von 2.044,54 EUR. Die Betreuer der Klägerin hätten unwidersprochen vorgetragen, im gesamten Jahr 2007 einen Betrag von über 13.000,00 EUR vorgeschossen zu haben, um die notwendige Betreuung der Klägerin sicher zu stellen. Ausgehend vom Antrag der Klägerin auf Erhöhung des PB im Juli 2007 errechne sich der ausgeurteilte Betrag.
Gegen das ihm am 19. Januar 2012 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 17. Februar 2012 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat er u.a. vorgetragen, ein höherer Anspruch der Klägerin scheitere an der geschlossenen Zielvereinbarung und dem nachfolgenden bestandskräftigen Verwaltungsakt. Die Klägerin habe von dem Recht der Kündigung der Zielvereinbarung keinen Gebrauch gemacht. Auch habe die Klägerin - entgegen den Ausführungen des SG - keine Rechnung vorgelegt, aus der sich der monatliche Zahlbetrag in Höhe von 3.320,00 EUR ergebe.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Magdeburg vom 6. Dezember 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Gerichtsakten der Streitverfahren L 8 SO 17/12 B ER und S 16 (19) SO 80/09 sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, welche sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.
Das SG hat zu Unrecht den Beklagten zur Zahlung weiterer 6.377,00 EUR Zug um Zug gegen Abschluss einer entsprechenden Zielvereinbarung verurteilt. Der Klägerin steht kein Anspruch auf die ausgeurteilte Geldleistung zu.
Sachlich und örtlich zuständig ist sowohl für Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen als auch für Leistungen der Hilfe zur Pflege ausschließlich der Beklagte (§ 97 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 3 Nr. 1 und 2 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - AG SGB XII - vom 11. Januar 2005, GVBl. LSA 2005, S. 8; § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Die in § 4 AG SGB XII geregelte Möglichkeit der Heranziehung des örtlichen Trägers führt nicht zu einer Zuständigkeitsverlagerung im Sinne einer daran anknüpfenden Passivlegitimation. Das ergibt sich bereits daraus, dass der örtliche Träger bei einer Heranziehung nach § 6 Satz 2 AG SGB XII zwingend im Namen des zuständigen (hier überörtlichen) Trägers entscheidet.
Das Begehren der Klägerin ist vorrangig auf Leistungen der Hilfe zur Pflege im Sinne der §§ 61 ff. SGB XII gerichtet. Die hiervon abzugrenzenden Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§§ 53 ff. SGB XII) dienen nicht dem Zweck, dauerhaft eine notwendige Pflege sicherzustellen, wenn eine Besserung oder Milderung des körperlichen Zustands bzw. der Folgen einer Behinderung zwar angestrebt wird, aber nicht mehr im Vordergrund der Bemühungen steht (vgl. Scheider in: Schellhorn u.a., SGB XII - Sozialhilfe, 18. Aufl. 2010, § 53 SGB XII, RdNr. 68).
Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten. Diese gesundheitlichen Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit sind bei der Klägerin nach den hier bindenden Feststellungen der Pflegekasse (§ 62 SGB XII) im Umfang eines Pflegebedarfs nach der Pflegestufe II erfüllt. Das ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig.
Grundsätzlich sind von der Hilfe zur Pflege im Sinne der § 61 ff. SGB XII auch Leistungen der häuslichen Pflege umfasst. Nach § 61 Abs. 2 Satz 1 SGB XII kann Hilfe zur Pflege in Form der häuslichen Pflege, durch Hilfsmittel, teilstationäre Pflege, Kurzzeitpflege und stationäre Pflege gewährt werden. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind Pflegebedürftigen im Sinne des § 61 Abs. 1 SGB XII die angemessenen Aufwendungen der Pflegeperson zu erstatten; auch können angemessene Beihilfen geleistet sowie Beiträge der Pflegeperson für eine angemessene Alterssicherung übernommen werden, wenn diese nicht anderweitig sichergestellt ist. Stellen Pflegebedürftige ihre Pflege durch von ihnen beschäftigte besondere Pflegekräfte sicher, können sie nach § 66 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB XII nicht auf die Inanspruchnahme von Sachleistungen nach dem SGB XI verwiesen werden; vielmehr ist das Pflegegeld nach dem SGB XI vorrangig auf die Leistung nach § 65 Abs. 1 SGB XII anzurechnen.
Der beantragten Bewilligung weiterer Geldleistungen stehen zur Überzeugung des Senats die auf Antrag der Klägerin bewilligten Leistungen der Hilfe zur Pflege im Rahmen des PB entgegen. Denn mit bestandskräftigem Bescheid vom 21. Dezember 2006 hat der Beklagte auf der Grundlage der Zielvereinbarung vom 18. Dezember 2006 für den Zeitraum vom 1. Februar bis zum 31. Dezember 2007 u.a. Hilfe zur Pflege in der Form des PB und damit auch für den hier maßgebenden Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Dezember 2007 bewilligt.
Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) können Leistungen zur Teilhabe auf Antrag auch durch ein PB ausgeführt werden, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Ein PB ist auf der Grundlage der nach § 10 Abs. 1 SGB IX getroffenen Feststellungen so bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann (§ 17 Abs. 3 Satz 3). Dabei soll die Höhe des PB die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das PB zu erbringenden Leistungen nicht überschreiten (§ 17 Abs. 3 Satz 4). Die Passivlegitimation des Beklagten für das PB ergibt sich aus §§ 7 und 17 Abs. 1 Satz 1 SGB IX.
Eine individuelle Feststellung der tatsächlichen Leistungen im Sinne eines individuell festgestellten Bedarfs erfolgte erstmals im Rahmen der Zielvereinbarung vom 18. Dezember 2006. Diese Zielvereinbarung wurde auf der Grundlage von § 4 der Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 des SGB IX (Budgetverordnung - BudgetV) geschlossen. Der Mindestinhalt einer Zielvereinbarung ist in § 4 Abs. 1 Satz 2 BudgetV festgelegt. Sie muss mindestens Regelungen über die Ausrichtung der individuellen Förder- und Leistungsziele, die Erforderlichkeit eines Nachweises für die Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs sowie die Qualitätssicherung enthalten.
Diesen Anforderungen genügte die für den Zeitraum 1. Februar bis zum 31. Dezember 2007 abgeschlossene Zielvereinbarung vom 18. Dezember 2006. Darin waren sich die Beteiligten darüber einig, dass als konkrete Ziele eine selbstbestimmte Lebensführung der Klägerin, die Sicherstellung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, der Erhalt der Pflege und Betreuungssituation in der eigenen Häuslichkeit sowie die Vermeidung der stationären Betreuung festgelegt wurden. Darüber hinaus wurden der Hilfebedarf entsprechend der Einschätzung des MDK vom 11. Oktober 2002 sowie die (jährliche bzw. monatliche) Budgethöhe festgelegt. Schließlich wurde festgeschrieben, dass damit alle Leistungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben nach §§ 53, 54 SGB XII hinsichtlich der dafür erforderlichen Begleitung sowie der Leistungen der Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff. SGB XII abgegolten seien.
Die Zielvereinbarung ist zwingende Voraussetzung für den Erlass des Bewilligungsbescheides vom 21. Dezember 2006 gewesen. Denn nach § 3 Abs. 5 Satz 1 BudgetV erlässt der zuständige Träger den Bewilligungsbescheid erst, wenn eine Zielvereinbarung im Sinne von § 4 BudgetV abgeschlossen ist. Die Zielvereinbarung ist damit wesentliche Grundlage der Bewilligung eines PB. Allein mit der zugrunde liegenden Zielvereinbarung kann der individuelle Bedarf festgestellt und klar definiert werden. Mit der antragsgemäßen Bewilligung des PB mit dem Bescheid vom 21. Dezember 2006 hat es der Klägerin oblegen, die vereinbarten Ziele unter Einsatz des bewilligten Budgets zu verfolgen. Ein daneben bestehender Anspruch auf Übernahme von weiteren Kosten ist insoweit durch die ausdrückliche Regelung in der Zielvereinbarung vom 18. Dezember 2006 ausgeschlossen worden. Aus der Vereinbarung der konkreten Ziele, namentlich der selbstbestimmten Lebensführung der Klägerin, der Sicherstellung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, des Erhalts der Pflege und der Betreuungssituation in der eigenen Häuslichkeit sowie der Vermeidung der stationären Betreuung, ergibt sich unmissverständlich, wofür das auf dieser Grundlage bewilligte Budget einzusetzen war. Mit dem bewilligten Budget waren ausdrücklich weitere Ansprüche abgegolten.
Die Beteiligten sind an die Zielvereinbarung gebunden. Denn diese stellt einen öffentlichrechtlichen Vertrag dar (vgl. zur Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 SGB II: Sächsisches LSG, Urteil vom 19. Juni 2008 - L 3 AS 39/07 -, juris Rn 42, m.w.N.). § 17 Abs. 2 Satz 5 SGB IX regelt zudem, dass der Antragsteller an die Entscheidung für die Dauer von sechs Monaten gebunden ist. Die Zielvereinbarung wird gemäß § 4 Abs. 3 BudgetV im Übrigen in der Regel für die Dauer des Bewilligungszeitraumes der Leistungen des PB abgeschlossen. Die Wirksamkeit eines ordnungsgemäß zustande gekommenen Vertrages kann regelmäßig nur durch eine Kündigung beseitigt werden. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BudgetV können die Beteiligten die Zielvereinbarung aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung schriftlich kündigen, wenn ihnen die Fortsetzung nicht zumutbar ist. Für den Leistungsträger kann nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BudgetV ein wichtiger Grund dann vorliegen, wenn die den Antrag stellende Person die Vereinbarung, insbesondere hinsichtlich des Nachweises zur Bedarfsdeckung und der Qualitätssicherung, nicht einhält. Ein wichtiger Grund kann für die den Antrag stellende Person insbesondere in der persönlichen Lebenssituation liegen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 BudgetV). Für die Klägerin bedeutet dies, dass sie bis zur wirksamen Kündigung an die Zielvereinbarung vom ... Dezember 2006 gebunden war.
Eine wirksame Kündigung liegt nicht vor. Das Schreiben vom 29. Juli 2007 enthält weder ausdrücklich noch konkludent eine Willensäußerung des Inhalts, dass die Klägerin die getroffene Vereinbarung vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit auflösen wollte. Sie wollte zukünftig eine neue Vereinbarung treffen. Auch hatte sich die persönliche Lebenssituation der Klägerin nicht geändert. Sie lebte nach wie vor in der eigenen Häuslichkeit unter der im Rubrum angegebenen Anschrift und wollte weiterhin selbst entscheiden, von wem mit welcher Qualifikation und wann sie welche Unterstützung "einkaufen" wollte.
Für den Senat ist auch nicht erkennbar, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, aufgrund des Vorbringens der Klägerin von einer Kündigung des PB auszugehen. Denn eine Kündigung hätte die sofortige Beendigung des vereinbarten PB und damit der vereinbarten monatlichen Zahlungen bedeutet. Ist eine Kündigung des PB erfolgt, wird der Verwaltungsakt, der das PB begründet hat, wieder aufgehoben (§ 4 Abs. 2 Satz 4 BudgetV). Die Leistungsansprüche gegen alle beteiligten Träger leben dann wieder auf (Lachwitz/Schellhorn/Welti, HK-SGB IX, 2. Auflage § 17 Rn 39). Dies hätte für die Klägerin, deren Begehren vorrangig auf Leistungen der Hilfe zur Pflege im Sinne der §§ 61 ff. SGB XII gerichtet ist, bedeutet, dass sie nicht mehr Leistungen zur Pflege von dem von ihr beauftragten Leistungserbringer für Sozialdienste hätte beanspruchen können, sondern von einem nach § 75 Abs. 3 SGB XII zugelassenen Pflegeunternehmen. Insoweit ist für den Senat nicht feststellbar gewesen, dass der Klägerin die Fortführung des PB unter den vereinbarten Bedingungen unzumutbar war und ein Festhalten des Beklagten hieran der Klägerin gegenüber gegen Treu und Glauben verstoßen hat. Die Klägerin hat den Vertrag mit dem Leistungserbringer am 1. März 2007 abgeschlossen und ist die Verpflichtung, an den Leistungserbringer ab dem 1. März 2007 2.299,00 EUR zahlen zu müssen, eingegangen in Kenntnis der Vereinbarung eines PB in Höhe von 1.275,46 EUR monatlich; die Vereinbarung mit dem Leistungserbringer ist zudem bis zum 31. Dezember 2008 verlängert worden. Sie hat bei dem Gespräch über den Abschluss einer neuen Vereinbarung ab August 2007 vorgetragen, ihre Eltern müssten ca. 600,00 EUR monatlich zuzahlen, damit sie ihren Ansprüchen entsprechend versorgt werden könne. Sie hatte deshalb in Kenntnis des Umstandes, dass das PB für die von ihr verfolgten Ansprüche nicht ausreichen würde, das PB vereinbart, um selbst entscheiden zu können, in welcher Umgebung und in welcher Weise sie ihre Betreuung organisiert, und damit die Vorteile, die das PB dem Hilfebedürftigen bieten soll, für sich zu nutzen. Sie wollte, worauf sie in der mündlichen Verhandlung beim Senat durch ihre Mutter hingewiesen hat, in einer 3-Zimmer-Wohnung wohnen, um die Möglichkeit zu haben, mit einer weiteren behinderten Person zusammenzuleben, um bei der Betreuung Synergieeffekte zu erzielen, und entsprechend ihrer Vorstellung - abweichend von der Einschätzung des Beklagten - sich auch außerhalb der Tagesbetreuung in der Fördergruppe des Lebenshilfe-Werkes M. von Heilpädagogen bzw. ihren Eltern betreuen lassen. Die Beurteilung des Beklagten, sie werde genügend in der Fördergruppe tagsüber gefördert, und es sei ausreichend, wenn sie in ihrer häuslichen Umgebung von Hilfskräften betreut werde, hat sie nicht geteilt. Sie wollte das PB bewusst einsetzen, um ihre Betreuung nach ihren Vorstellungen zu gestalten und sich nicht auf zugelassene Pflegedienste im Rahmen verweisen lassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
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