L 11 R 3241/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 4058/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3241/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 01.06.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin aufgrund ihres Antrages vom 19.01.2009 ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung, ggf bei Berufsunfähigkeit, zusteht.

Die 1959 in Rumänien geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie siedelte am 27.02.1977 in die Bundesrepublik Deutschland über. Die Klägerin ist verheiratet und hat eine am 26.07.1995 geborene Tochter, zwei früher geborene Söhne starben jeweils kurz nach der Geburt.

Vom 01.04.1991 bis zum 31.03.1992 absolvierte die Klägerin eine Ausbildung zur Krankenpflegehelferin und war - unterbrochen von Arbeitslosigkeit, Kindererziehung und Zeiten der Arbeitsunfähigkeit - in diesem Beruf bis Juni 2005 tätig. Seither ist sie arbeitsunfähig geschrieben. Am 21.09.2005 erfolgte eine operative Hüft-TEP-Versorgung rechts. Anschließend bezog die Klägerin Krankengeld (bis 17.12.2006) und Arbeitslosengeld (bis 14.08.2008). Vom 02.04.2007 bis 29.11.2007 besuchte sie einen von der Bundesagentur für Arbeit geförderten EDV-Kurs im BBZ W ... Der Klägerin ist ein Grad der Behinderung von 60 sowie das Merkzeichen G zuerkannt.

Vom 09.01.2006 bis zum 30.01.2006 gewährte die Beklagte der Klägerin stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in den Fachkliniken H ... Der Entlassbericht vom 02.11.2006 berichtet über einen Pfannenwechsel rechts am 21.09.2006 wegen Instabilität nach Hüft-TEP beidseits 06/05.

Am 19.01.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zu diesem Antrag gab sie an, sich seit 22.06.2005 wegen eines Bandscheibenvorfalls, venöser Insuffizienz sowie einer endoprothetischen Versorgung der Hüfte rechts und links mit Re-Operation rechts für erwerbsgemindert zu halten.

Der Chirurg und Sportmediziner Dr. G., der die Klägerin im Auftrag der Beklagten begutachtete, stellte in seinem Gutachten vom 25.02.2009 fest, bei der Klägerin bestehe eine Adipositas per magna (BMI 45), eine Gonarthrose beidseits, eine Osteochondrose L5/S1 sowie eine TEP beider Hüftgelenke. Als Krankenpflegehelferin sei die Klägerin nur unter drei Stunden einsetzbar. Im Übrigen sei zum Zeitpunkt der Untersuchung eine geregelte Erwerbstätigkeit nicht möglich. Nach erheblicher Gewichtsreduktion seien Tätigkeiten, die Gehen auf unebenem Boden, Treppen oder Leitersteigen, Heben und Tragen von mehr als leichten Lasten erforderten, nicht mehr möglich. Eine wesentliche Ursache der Einschränkung der Erwerbsfähigkeit liege im massiven Übergewicht.

Dr. D., Facharzt für innere Krankheiten, hat in seinem Gutachten vom 26.02.2009 angegeben, bei der Klägerin bestehe eine Adipositas per magna, sonografische Zeichen für eine Fettleber sowie ein Diabetes mellitus Typ II, eine Struma nodosa und eine Cholecystolithiasis. Sämtliche Erkrankungen seien einer ambulanten Therapie zugänglich. Als Krankenpflegehelferin wie auch für mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, zeitweise im Stehen, gehen und Sitzen sei die Klägerin sechs Stunden und mehr leistungsfähig. Die definitive Beurteilung der Leistungsfähigkeit bleibe dem orthopädischen Zusatzgutachten vorbehalten.

Mit Bescheid vom 19.03.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung der begehrten Rente ab. Die Klägerin könne mit dem vorhandenen Leistungsvermögen Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche und daher unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben. Auch bestehe kein Anspruch auf eine Berufsunfähigkeitsrente. Denn der bisherige Beruf als Krankenpflegehelferin gehöre zu den einfachen Anlernberufen bzw ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten aber noch mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche ausgeübt werden.

Ihren Widerspruch vom 07.04.2009 begründete die Klägerin u a damit, sie sehe sich angesichts des massiven Übergewichts derzeit wie auch in absehbarer Zeit nicht in der Lage, eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufnehmen und ausüben zu können. Schon die im eigenen Haushalt anfallenden Tätigkeiten könne sie nicht mehr selbständig verrichten. Hier sei erhebliche Unterstützung durch die Tochter bzw den Ehemann notwendig.

Unter Berücksichtigung von ärztlichen Unterlagen, insbesondere eines Befundberichts von Dr. W.-V. vom 24.07.2009, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2009 zurück. Die Klägerin sei weder erwerbsgemindert noch berufsunfähig. Der bisherige Beruf der Klägerin als Krankenpflegehelferin gehöre zu den einfachen Anlernberufen bzw ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne sie aber noch mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche verrichten.

Am 11.11.2009 hat die Klägerin beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben und ihr Begehren fortgeführt.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 13 und 14 bis 25 der SG-Akte Bezug genommen.

Der Internist und Gastroenterologe Dr. Vo. hat dem SG mit Fax vom 31.03.2010 u a mitgeteilt: "Keine MdE relevanten Befunde auf meinem Fachgebiet."

Der Facharzt für Orthopädie Dr. W.-V. hat dem SG am 31.03.2010 geschrieben, an den Hüftgelenken ergebe sich keine wesentliche Änderung, wobei die Klägerin weiter einen hinkenden Gang erweise und mit einer Verschlechterung im Bereich der beiden Kniegelenke, der Füße und des OSG links ab Herbst 2008 zu rechnen sei.

Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet bei Dr. B. und Prof. Dr. U. (§ 109 SGG). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 30 bis 55 sowie 65 bis 86 der SG-Akte Bezug genommen.

Der Leiter der orthopädischen Ambulanz des Bundeswehrkrankenhauses U., der Arzt für Orthopädie/Unfallchirurgie/Chirotherapie/Sportmedizin Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 01.07.2010 festgestellt, die Klägerin leide an wiederkehrenden Lumbalgien und Lumboischialgien vor allem mit Schmerzausstrahlungen ins linke Bein bei degenerativen Bandscheibenschäden insbesondere im Übergangssegment zwischen Lendenwirbelsäule und Kreuzbein, Bewegungseinschränkungen, muskulären Reizerscheinungen bei Rumpfmuskelinsuffizienz in Relation zur Adiositas permagna, ohne Hinweise auf manifeste Nervenwurzelreize oder gar neurologische Defizite, einem Zustand nach TEP beider Hüften 2005, Hüftpfannenwechsel rechts 2006 mit ordentlicher Beweglichkeit beiderseits und maximal mäßigem Insuffizienzhinken rechts mehr als links, einer Gonarthrose links mehr als rechts, links arthroskopische Innen- und Außenmeniskusteilentfernung 1/2005, mit beschriebenen Reizzuständen und eher nur geringen Bewegungseinschränkungen ohne Hinweise auf Instabilitäten und/oder Einklemmungserscheinungen; einer chronisch venösen Insuffizienz beider Beine mit mehreren Venen-Stripping-Operationen und deutlichen Unterschenkelödeme, trophischen Hautstörungen mit Verhärtungen des Unterhautfettgewebes ohne Beingeschwüre. Des Weiteren hat er Arthralgien des oberen Sprunggelenkes links, vor langer Zeit wiederholte Supinationstraumata mit lediglich initialen degenerativen Veränderungen ohne belangvolle Bewegungseinschränkung und ohne Reizzustand sowie Senk-Spreiz-Füße beiderseits, einen dorsalen Knochensporn im Bereich des Taluskopfes links ohne klinische Bedeutung (insbesondere keine belangvolle Arthrose im Gelenk zwischen Sprung und Kahnbein), statische Fußbeschwerden, einen Hallux valgus links (35°), einen Fersensporn links ohne wesentlichen Reizzustand sowie eine Adipositas permagna mit einem BMI von 43,5 festgestellt. Generell seien der Klägerin zumindest noch leichte körperliche Tätigkeiten ohne wesentliches Heben und Tragen sowie ohne die Einnahme aller Zwangshaltungen für den Rumpf und die Wirbelsäule möglich. Tätigkeit sollten überwiegend sitzend erbracht werden können, zwischendurch müsse aber immer wieder die Möglichkeit bestehen aufzustehen und etwas umherzugehen. Auszuschließen seien Klettern und Steigen, Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten und/oder unter Absturzgefahr, häufiges Treppensteigen, Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck, Nacht- oder Wechselschicht, Arbeiten an laufenden Maschinen, taktgebundene Arbeiten, Akkord, Arbeiten unter ungünstigen Witterungsverhältnissen mit Einfluss von großen Temperaturschwankungen, Zugluft, Kälte und/oder Nässe. Eine weitere Tätigkeit als Krankenpflegerin entspreche auf Dauer nicht mehr dem Leistungsprofil. Unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen könne die Klägerin aber leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeitstäglich noch über sechs Stunden ausführen.

Prof. Dr. U., Geschäftsführender Chefarzt des Zentrums II Chirurgie, Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie der Klinik a. E., G, hat - unter Berücksichtigung eines radiologischen Zusatzgutachtens von Prof. Dr. D. (vgl Blatt 87/88 der SG-Akte) - in seinem Gutachten vom 12.02.2011 mitgeteilt, bei der Klägerin bestehe ein Zustand nach Hüft-TEP beidseits 2005 sowie einem Hüftpfannenwechsel rechts 2006. Es bestünden auch eine medial betonte Gonarthrose links mehr als rechts, wiederkehrende Lumbalgien und Lumboischialgien, OSG und USG-Beschwerden links bei Zustand nach Supinationstrauma in der Kindheit und Zustand nach OSG-Instabilität, eine chronisch venöse Insuffizienz beider Beine bei Zustand nach mehreren Varizenoprationen sowie eine Adipositas per magna mit einem BMI von 42,0. Leichte körperliche Tätigkeiten ohne wesentliches Heben und Tragen von Lasten über fünf kg sowie ohne das Einnehmen von Zwangshaltungen sowie Bücken und Knien seien prinzipiell noch möglich. Insgesamt solle die Tätigkeit im Sitzen ausgeübt werden können, mit zwischenzeitlicher Möglichkeit des Umhergehens. Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten, die Klettern oder Steigen erforderten, seien nicht mehr möglich. Weiter sei es für die Klägerin nicht möglich unter erheblichem Zeitdruck zu arbeiten, insbesondere seien keine Nacht- oder Wechselschicht, keine taktgebundenen Arbeiten oder Akkordarbeiten und auch keine Tätigkeiten unter extremen Witterungsbedingungen (extreme Temperaturschwankungen, Kälte oder Nässe sowie Zugluft) mehr möglich. Die Dauer der täglichen Belastung solle zwischen drei und sechs Stunden liegen.

Das SG hat mit Urteil vom 01.06.2011 die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Sie sei vielmehr noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Den Beurteilungen von Dr. G. und Prof. Dr. U. könne nicht gefolgt werden. Denn Dr. G. habe bis auf einen Watschelgang keine Funktionsstörungen vorgefunden und keinerlei Bewegungseinschränkungen mitteilen können. Prof. Dr. U. habe zum Teil nur geringfügig bessere bzw schlechtere Bewegungsausmaße als Dr. B. festgestellt. Er habe keine wesentliche Verschlechterung gegenüber den Vorbegutachtungen darstellen können und daher nicht ausreichend begründet, weshalb der Klägerin nur Tätigkeiten bis unter sechs Stunden täglich möglich sein sollten. Da die Klägerin als Krankenpflegehelferin als einfache Angelernte auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen werden könne, solche aber noch sechs Stunden ausüben könne, liege auch keine Berufsunfähigkeit vor.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 06.07.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 01.08.2011 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Von den behandelnden Ärzten sei ihr Zustand nicht richtig wiedergegeben worden, denn sie benötige ständig zwei Unterarmgehstützen und könne sich nur unter wiederholter Einlegung von Pausen langsam fortbewegen. Es sei ihn nicht möglich, 500 Meter innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen. Dr. G. und Prof. Dr. U. hätten als Grund der Leistungseinschränkungen die erhebliche Adipositas gesehen. Diese führe nicht nur zu qualitativen sondern auch zu quantitativen Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 01.06.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ggf bei Berufsunfähigkeit ab dem 01.01.2009 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens bei Dr. H. und eines internistisch/gefäßchirurgischen Gutachtens bei Prof. Dr. Hu. Wegen des Ergebnisses und des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf Blatt 28 bis 52 sowie 64 bis 79 der Senatsakte Bezug genommen.

Der Arzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Chirotherapie, Osteologe DVO, Dr. H. hat in seinem Gutachten vom 10.01.2012 festgestellt, die Klägerin leide an Gonarthrosen beidseits, Rückfußarthrosen beidseits, Senk-Spreizfüße mit plantarem Fersensporn, einem degenerativen Lumbalsyndrom, ohne Wurzelirritation einem degenerativen Cervicalsyndrom ohne Wurzelirritation sowie an einer Adipositas permagna (BMI 45,5). Eine Leistungsfähigkeit sei aufgrund der Verschleißveränderungen beider Kniegelenke sowie wegen des Hüftgelenksersatzes für mittelschwere und schwere Tätigkeiten nicht mehr vorhanden. Leichte Tätigkeiten, überwiegend im Sitzen seien noch vollschichtig ausführbar, wobei die Gelegenheit gegeben sein sollte, dass kurze Steh- und Gehpausen zur Stauungsentlastung der unteren Extremitäten möglich sind. Längeres Stehen und Gehen bzw Treppensteigen, Bücken und Hocken seien sowohl aufgrund der Kniegelenksarthrosen, der künstlichen Hüftgelenke und der massiven Adipositas praktisch nicht möglich. Dasselbe gelte für Steigen auf Leitern oder Hocker. Besondere Arbeitsbedingungen, außer der Möglichkeit sich ab und zu zu bewegen seien nicht erforderlich.

Der Ärztliche Direktor der Klinik für Gefäßchirurgie am Klinikum Stuttgart, der Facharzt für Chirurgie und Gefäßchirurgie Prof. Dr. Hu. hat in seinem Gutachten vom 19.09.2012 eine Adipositas per magna, einen Diabetes mellitus Typ II (nicht therapiert), einen Zustand nach Implantation von Hüfttotalendoprothesen beidseits Juni 2005, einen Zustand nach TEP-Wechsel rechts September 2006, multiple degenerative Veränderungen mit Gonarthrose beidseits, Rück-fußarthrose beidseits, ein degeneratives Lumbalsyndrom ohne Wurzelirritation, ein degeneratives Zervikalsyndrom ohne Wurzelirritation, eine Rückfußarthrose beidseits, Senk-/Spreizfüße, einen plantaren Fersensporn, ein massives Lip- und Lymphödem der unteren Extremitäten mit Stauungsdermatose der Unterschenkel beidseits bei Adipositas per magna und Rezidiv-Varikosis, eine massive Rezidiv-Varikosis mit Seitenast- und Perforatorvarikosis der Beine beidseits (bei Zustand nach primärem Varizen-Stripping der Beine beidseits 1986, Zustand nach 1. Re-OP mit Re-Crossektomie der Beine beidseits 1996, Zustand nach 2. Re-OP Varizen US beidseits 2004, Zustand nach 3. Re-OP Varizen US bds. 2004) sowie eine aktuelle Weichgewebsinfektion (Erysipel) am linken Unterschenkel auf dem Boden der Stauungsdermatose/Thrombophlebitis festgestellt. Die pathogenetische Kette der Gesundheitsstörungen beginne ganz klar mit der Adipositas per magna. Diese bedinge allein die berufliche Leistungsfähigkeitseinschränkung. Den Willen zur Arbeitsaufnahme und zur Gewichtsreduktion vorausgesetzt, beeinträchtigten die vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht die Ausübung einer leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche. Es könne nur eine sitzende Tätigkeit mit entsprechender Möglichkeit des Positionswechsels durchgeführt werden.

Die Klägerin hat ein Attest von Dr. De. vom 20.11.2012 vorgelegt (Blatt 86 bis 88 der Senatsakte), woraus sich die Erkrankung an einer Rhizarthrose beidseits iS einer Handgelenksarthrose ergibt. Auf schriftliche Befragung hat der Arzt für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie Dr. De. dem Senat am 07.01.2013 mitgeteilt (vgl Blatt 94 bis 101 der Senatsakte), die Klägerin habe sich am 05.11.2012 und am 13.11.2012 vorgestellt. Am 05.11.2012 sei nach einem Sturz ein Reizzustand des rechten Schlüsselbeines, ein Cervicalsyndrom bei erheblichen degenerativen Veränderungen sowie eine Blockierung an der HWS, am 13.11.2012 eine Rhizarthrose beidseits, ein Zustand nach Hüft-TEP rechts und links festgestellt worden. Bei der Erstvorstellung sei eine Deblockierung der HWS erfolgt, bei der Wiedervorstellung sei eine röntgenologische Reizbestrahlung eingeleitet worden.

Zu dieser Bestrahlung hat der Senat Prof. Dr. Be. als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat in seiner Auskunft vom 04.03.2013 (Blatt 108 und 109 der Senatsakte) mitgeteilt, die Klägerin habe sich zu einer analgetisch-antiphlogistischen Röntgenreizbestrahlung bei Schmerzen im Bereich der Daumengrundgelenke beidseits und der rechten Hüfte bei Zustand nach Hüft-TEP rechts und Coxarthrose in seiner Behandlung befunden. Nach Sichtung der Bestrahlungsunterlagen und der Fotodokumentation des Habitus der Klägerin sowie den Gutachten von Dr. W. und Prof. Dr. Hu. schließe er sich deren Beurteilung hinsichtlich des Leistungsvermögens voll an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.11.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung, auch nicht bei Berufsunfähigkeit.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Für die Rente ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch 6 Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berück-sichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin zumindest noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, überwiegend im Sitzen, jedoch mit kurzen Steh- und Gehunterbrechungen, ohne längerem Stehen und Gehen, Treppensteigen, Bücken und Hocken sowie ohne Steigen auf Leitern oder Hocker, mithin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche verrichten kann. Die insoweit wesentlichen Leiden der Klägerin liegen auf orthopädischem und internistisch/gefäßchirurgischem Fachgebiet.

Auf orthopädischem Fachgebiet ist die Gesundheit der Klägerin durch die von Dr. Weil festgestellten Gesundheitsstörungen (Hüfttotalendoprothesen beidseits, Gonarthrosen beidseits, Rückfußarthrosen beidseits, Senk-Spreizfüße mit plantarem Fersensporn, degeneratives Lumbalsyndrom, ohne Wurzelirritation, degeneratives Cervicalsyndrom ohne Wurzelirritation sowie Adipositas permagna) beeinträchtigt. Hinzu kommt noch die von Dr. De. festgestellte Handgelenksarthrose/Rhizarthrose beidseits, die auch Dr. Weil in seinem Gutachten bereits als Druckschmerzen der Daumensattelgelenke dargestellt hatte (vgl Seite 11 des Gutachtens/Blatt 38 der Senatsakte). Aus diesen Gesundheitsstörungen folgen lediglich qualitative Einschränkungen der Leistungsfähigkeit, als die Klägerin nur noch leichte Tätigkeiten ausüben kann, die überwiegend im Sitzen auszuführen sind. Dabei sollte die Möglichkeit bestehen, das Sitzen durch kurzes Gehen und Stehen zu unterbrechen. Längeres Stehen und Gehen bzw Treppensteigen, Bücken und Hocken sind zur Zeit nicht mehr möglich. Dasselbe gilt für Tätigkeiten, die das Steigen auf Leitern oder Hocker erfordern. Unter diesen Einschränkungen, die im Wesentlichen auf den Knie- und Hüftbeschwerden der Klägerin beruhen, kann diese noch Tätigkeiten mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche ausüben. Dieser Leistungseinschätzung hat sich auch Prof. Dr. Be. angeschlossen, der die Klägerin gerade auch im Hinblick auf die Handgelenksarthrose/Rhitzarthrose und die Hüftschmerzen behandelt hat. Die Einschätzung von Dr. G. aus dem Verwaltungsverfahren steht der Überzeugung des Senats nicht entgegen, denn Dr. G. hat kein Befunde mitteilen können, die Anlass gäben, von der Einschätzung der Leistungsfähigkeit durch Dr. W. und Dr. B. abzuweichen. Auch Prof. Dr. U. hat in seinem für das SG gefertigten Gutachten lediglich Befunde mitgeteilt, die seine Leistungseinschätzung angesichts der Gutachten von Dr. W. und Dr. B. nicht stützen konnten. Der behandelnde Orthopäde Dr. W.-V. hat in seiner Auskunft gegenüber dem SG die Frage nach dem Leistungsvermögen nicht beantwortet. Aus den von ihm mitgeteilten Befunden lässt sich aber die Einschätzung von Dr. W. und Dr. B. stützen. Dr. B. hat in seinem Gutachten für das SG im Wesentlichen dieselben Befunde wie Dr. W. erhoben und qualitative Leistungseinschränkungen festgestellt, wie sie der Senat auf Grundlage des Gutachtens von Dr. W. feststellen konnte. Teilweise hat Dr. B. die diese lediglich anders benannt (statt Tätigkeiten ohne Bücken und Hocken hat er zB Tätigkeiten mit Zwangshaltungen für Rumpf und Wirbelsäule ausgeschlossen) bzw diese nur hinsichtlich eines Ausschlusses für Tätigkeiten unter Absturzgefahr, unter besonderem Zeitdruck, in Nacht- oder Wechselschicht, an laufenden Maschinen, taktgebundene Arbeiten und Akkordarbeiten sowie Arbeiten unter ungünstigen Witterungsverhältnissen mit Einfluss von großen Temperaturschwankungen, Zugluft, Kälte und/oder Nässe, erweitert. Hieraus folgt aber auch keine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit.

Auf internistisch/gefäßchirurgischem Fachgebiet liegen bei der Klägerin eine Adipositas per magna, ein Diabetes mellitus Typ II (nicht therapiert), ein massives Lip- und Lymphödem der unteren Extremitäten mit Stauungsdermatose der Unterschenkel beidseits bei Adipositas per magna und Rezidiv-Varikosis sowie eine massive Rezidiv-Varikosis mit Seitenast- und Perforatorvarikosis der Beine beidseits (bei Zustand nach mehrfachem Varizen-Stripping) und eine Weichgewebsinfektion (Erysipel) am linken Unterschenkel auf dem Boden der Stauungsdermatose/Thrombophlebitis als Gesundheitsstörung vor. Diese Gesundheitsstörungen konnte der Senat auf Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. Hu. feststellen. Der Verwaltungsgutachter Dr. D. hat des Weiteren sonografische Zeichen für eine Fettleber, eine Struma nodosa und eine Cholecystolithiasis festgestellt. Aus diesen Gesundheitsstörungen einzeln, aber auch in ihrer Zusammenschau, folgen nur qualitative Leistungseinschränkungen. Denn Prof. Dr. Hu. hat für den Senat überzeugend dargestellt, dass eine sitzende Tätigkeit mit entsprechender Möglichkeit des Positionswechsels durchgeführt werden könne; Dr. D. hat gar keine qualitativen Leistungseinschränkungen benennen können. Mit dieser qualitativen Einschränkung der Leistungsfähigkeit ist aber der zeitliche Umfang der Leistungsfähigkeit nicht gemindert. Die Klägerin ist damit nach Überzeugung des Senats auch unter Beachtung ihrer internistisch/gefäßchirurgischen Erkrankungen noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden am Tag an fünf Tagen pro Woche auszuüben. Der Senat sieht sich in seiner Auffassung dadurch bestätigt, dass schon der behandelnde Internist und Gastroenterologe Dr. Vo. gegenüber dem SG angegeben hat, es bestünden keine für eine Minderung der Erwerbsfähigkeit relevante Befunde.

Soweit Dr. W. und Prof. Dr. Hu. eine stationäre Gewichtsabnahme befürworten, folgt daraus aber nicht, dass erst nach Durchführung einer solchen Maßnahme das beschriebene Leistungsvermögen erreicht wäre. Beide Ärzte haben schlüssig darlegen können, dass die Erwerbsfähigkeit über das derzeit bestehende Maß hinaus verbessert werden könnte durch eine solche Maßnahme. Denn insbesondere Prof. Dr. Hu. hat angegeben (Seite 9 des Gutachtens/Blatt 72 der Senatsakte), dass die vorhandenen Leistungseinschränkungen nach einer solchen Maßnahme wegfallen könnten. Insoweit bezieht er seine Aussage auf die vorhandenen (qualitativen) Leistungseinschränkungen, nicht auf die zeitliche Leistungsfähigkeit der Klägerin. Im Übrigen ist eine solche Maßnahme der Klägerin auch zumutbar (zur Zumutbarkeit von Maßnahmen vgl zB BSG 29.03.2006, B 13 RJ 31/05 R, BSGE 96, 147-153 = SozR 4-2600 § 102 Nr 2 = juris).

Vor diesem Hintergrund konnte der Senat ein rentenrechtlich relevantes zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen nicht feststellen. Auch aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Erkrankungen, insbesondere zwischen orthopädischen und gefäßchirurgischen Erkrankungen, folgt keine zeitliche Leistungseinschränkung. Dies konnte der Senat dem Gutachten von Prof. Dr. Hu. entnehmen.

Die bei der Klägerin bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen, die sämtlich nicht ungewöhnlich sind, lassen keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass diese noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Aus den bestehenden Einschränkungen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl BSG 11.03.1999, B 13 RJ 71/97 R, juris) dar.

Die Klägerin ist auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Zwar hat die Klägerin angegeben, nur mit Pausen und unter Zuhilfenahme von zwei Unterarmgehhilfen Wege gehen zu können. Doch hat Dr. W. in seinem Gutachten bei den Befunden der Hände auch mitteilen müssen, dass die Klägerin keine auf die Benutzung der Gehstützen hinweisende Handbeschwielung aufweise (Seite 11 des Gutachtens/Blatt 38 der Senatsakte). Dass die Klägerin aber gar keine Wege mehr geht, hat auch sie selbst nicht vorgetragen. Vielmehr konnten sowohl Dr. W. als auch Prof. Dr. Hu. feststellen, dass die Gehfähigkeit zwar eingeschränkt aber möglich ist. Insbesondere Prof. Dr. Hu. hat die Zurücklegung dieser Wegstrecken nicht nur als möglich sondern vor allem auch als förderlich erachtet. Dr. B. hat ausdrücklich festgestellt, die Klägerin sei noch in der Lage, Wegstrecken von 500 Metern mehrfach täglich zurückzulegen. Prof. Dr. U. hat dies bestätigt und den Zeitaufwand auf ca 20 Minuten geschätzt. Keiner der Gutachter konnte angeben, dass die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten oder die Benutzung eines PKW ausgeschlossen bzw eingeschränkt sei. Auf dieser Basis ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin noch in der Lage ist, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen; eine rentenrelevante Einschränkung der Wegefähigkeit besteht daher nicht.

Die Klägerin ist damit nach Überzeugung des Senats noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und unter Beachtung der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (mithin Tätigkeiten wie Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen) mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche zu verrichten. Dieses Leistungsvermögen besteht seit Rentenantragstellung und seither durchgehend. Mit diesem Leistungsvermögen ist die Klägerin nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI); sie hat damit keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser bzw voller Erwerbsminderung.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben nach § 240 Abs 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01.01.2008 geändert durch Art 1 Nr 61 des RV-Altergrenzenanpassungsgesetzes vom 20.04.2007, BGBl I, 554) auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Vorliegend ist der Senat im Anschluss an die Gutachten von Dr. B., Prof. Dr. U. und Dr. W. bzw Prof. Dr. Hu. zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Krankenpflegehelferin nicht mehr mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann. Kann der Versicherte seinen "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, folgt daraus nicht zwangsläufig Berufsunfähigkeit. Vielmehr ist zu ermitteln, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar ist (sogenannte subjektive Zumutbarkeit) und die er gesundheitlich wie fachlich noch bewältigen kann (objektive Zumutbarkeit). Das BSG hat zur Feststellung des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes und damit zur Bestimmung sozial zumutbarer Verweisungstätigkeiten (vgl. BSG 22.10.1996, 13 RJ 35/96, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55 = juris RdNr 30; Niesel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI RdNr 24 ff mwN) ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Arbeiterberufe/Angestellten in Gruppen untergliedert. Diese werden durch die Leitberufe eines Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion (und diesem gleichgestellten besonders hoch qualifizierten Facharbeiters), eines Facharbeiters, der einen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer anerkannten Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren, regelmäßig drei Jahren ausübt, eines angelernten Arbeiters, der einen Ausbildungsberuf mit einer vorgeschriebenen Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren ausübt, und eines ungelernten Arbeiters charakterisiert. Dabei wird die Gruppe der angelernten Arbeiter nochmals in die Untergruppen der "oberen Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu 24 Monaten) und "unteren Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von mindestens drei bis zu zwölf Monaten) unterteilt. Im Bereich der Angestellten hat das BSG die Berufe in ungelernte, angelernte (Ausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren; unterer Bereich: Ausbildung von drei Monaten bis zu 12 Monaten; oberer Bereich: Ausbildung beträgt mehr als 12 Monate bis zu zwei Jahren), ausgebildete und leitende Angestellte eingeteilt. Kriterien für eine Einstufung in dieses Schema sind dabei die Ausbildung, die tarifliche Einstufung, die Dauer der Berufsausbildung, die Höhe der Entlohnung und insbesondere die qualitativen Anforderungen des Berufs. Eine Verweisung ist grundsätzlich nur auf eine Tätigkeit der jeweils niedrigeren Gruppe möglich. Ferner ist erforderlich, dass der Versicherte die für die Verweisungstätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten innerhalb einer bis zu drei Monaten dauernden Einarbeitung und Einweisung erwerben kann (BSG 22.09.1977, 5 RJ 96/76, SozR 2200 § 1246 Nr 23 = juris RdNr 15; BSG 09.09.1986, 5b RJ 50/84, SozR 2200 § 1246 Nr 139 = juris RdNr 11).

Ausgangspunkt der Prüfung der Berufsunfähigkeit ist der "bisherige Beruf", den die Klägerin ausgeübt hat. Vorliegend war diese nach einer einjährigen Ausbildung zuletzt als Krankenpflegehelferin versicherungspflichtig beschäftigt; durch den von der Bundesagentur für Arbeit geförderten EDV-Kurs hat sie sich nicht von ihrem bisherigen Beruf gelöst. Auf dieser Grundlage war die Klägerin als einfache Angelernte ("Ausbildungszeit von mehr als drei und bis zu 12 Monate") anzusehen. Sie konnte daher auf die nächst niedrigere Stufe der Tätigkeiten, vorliegend die ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, verwiesen werden (zur Einstufung vgl auch LSG Nordrhein-Westfalen 12.09.2012, L 8 R 495/11, juris). Derartige Tätigkeiten kann die Klägerin aber nach Überzeugung des Senats noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich ausüben. Sie ist damit, ohne dass eine Verweisungstätigkeit zu benennen gewesen wäre (dazu vgl BSG 29.07.2004, B 4 RA 5/04 R, juris RdNR 33), nicht berufsunfähig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens insbesondere berücksichtigt, dass die Klägerin in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben ist.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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