L 5 KR 2244/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 KR 3190/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 2244/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.4.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Berücksichtigung von Versicherungszeiten in B.-H. bei der Berechnung der Vorversicherungszeit für die Krankenversicherung der Rentner.

Die 1946 geborene Klägerin stellte am 18.4.2011 einen Antrag auf Gewährung von Altersrente. Die Beklagte prüfte daraufhin (nach Mitteilung der Antragstellung durch den zuständigen Rentenversicherungsträger) die Voraussetzungen (Vorversicherungszeit) für die Versicherungspflicht der Klägerin zur Krankenversicherung der Rentner.

Mit Bescheid vom 16.5.2011 stellte die Beklagte fest, dass Versicherungspflicht der Klägerin zur Krankenversicherung der Rentner mangels Erfüllung der Vorversicherungszeit nicht besteht.

Die Klägerin erhob Widerspruch und machte (u.a.) Vorversicherungszeiten in B.-H. geltend; diese seien nach dem einschlägigen Sozialversicherungsabkommen zu berücksichtigen.

Die Beklagte zog beim zuständigen Rentenversicherungsträger den Versicherungsverlauf der Klägerin vom 20.5.2011 (Pflichtbeitragszeiten in B.-H. vom 20.6.1983 bis 3.9.1992) bei und führte eine erneute Berechnung der Vorversicherungszeit für die Versicherungspflicht zur Krankenversicherung der Rentner durch (Korrekturberechnung vom 24.6.2011). Danach ergibt sich Folgendes: Die Rahmenfrist vom Tag der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit am 12.2.1964 bis zum Tag der Rentenantragstellung am 18.4.2011 beträgt 47 Jahre, 2 Monate und 7 Tage. Die Hälfte der Rahmenfrist beträgt 23 Jahre, 7 Monate und 4 Tage; sie beginnt am 16.9.1987. Die Vorversicherungszeit (9/10 der zweiten Hälfte der Rahmenfrist) beträgt 21 Jahre, 2 Monate und 25 Tage. Die berücksichtigungsfähigen Vorversicherungszeiten der Klägerin betragen (nur) 20 Jahre, 2 Monate und 2 Tage (16.9.1987 bis 12.3.1990 Aufenthalt in B.-H. (nicht berücksichtigt); 13.3.1990 bis 16.8.1991 A. - familienversichert ( 1 Jahr, 5 Monate und 5 Tage)berücksichtigt; 17.8.1991 bis 15.7.1992 Aufenthalt in B.-H. (nicht berücksichtigt); 16.7.1992 bis 16.2.1996 I. (3 Jahre, 7 Monate und 3 Tage); 19.2.1996 bis 30.9.1996 A. (7 Monate und 12 Tage); 4.10.1996 bis 11.10.1997 A. (1 Jahr und 7 Tage); 13.10.1997 bis 18.4.2011 A. ( 13 Jahre, 6 Monate und 6 Tage)).

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.7.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie verwies auf die Berechnung der Vorversicherungszeit und führte ergänzend aus, die Klägerin sei vom 20.6.1983 bis 3.9.1992 in B.-H. versichert gewesen. Diese Zeiten könnten mangels entsprechender zwischenstaatlicher Regelung bei der Berechnung der Vorversicherungszeit für die Pflichtversicherung zur Krankenversicherung der Rentner nicht berücksichtigt werden. Auch bei Berücksichtigung einer Zeit der Familienversicherung vom 13.3.1990 bis 16.8.1991, während der sich die Klägerin aber ebenfalls im Ausland aufgehalten habe, sei die Vorversicherungszeit nicht erfüllt.

Am 28.7.2011 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe. Sie trug vor, seit 1.8.2011 beziehe sie Regelaltersrente (402,58 EUR monatlich, Zahlbetrag nach Abzug von freiwilligen Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung 361,72 EUR). Die Rente sei nach Maßgabe des (nach wie vor geltenden) Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der S. F. Republik J. über Soziale Sicherheit vom 12.10.1968 festgestellt worden. Der Rentenversicherungsträger habe ihre Beitragszeiten in B.-H. berücksichtigt. Die Beklagte müsse die in B.-H. zurückgelegten Versicherungszeiten vom 16.9.1987 bis 12.3.1990 und vom 17.8.1991 bis 15.7.1992 bei der Berechnung der Vorversicherungszeit für die Krankenversicherung der Rentner ebenfalls berücksichtigen. Die Vorversicherungszeit sei dann erfüllt.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.4.2012 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheids (§ 136 Abs. 3 SGG, SGG) aus, das Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der S. F. Republik J. über Soziale Sicherheit vom 12.10.1968 sei im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik B. und H. weiterhin anzuwenden (Bekanntmachung vom 16.11.1992, BGBl. II, S. 1196). Das Abkommen beziehe sich nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 auf die deutschen Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung. Nach Abschnitt II Kap. 1 - Krankenversicherung - und Art. 12 Abs. 1 des Abkommens seien für das Recht auf freiwillige Versicherung die nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten zusammenzurechnen. Gemäß Art. 13 Abs. 2 des Abkommens könne eine Person, die nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates versichert gewesen sei und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet des anderen Vertragsstaates verlege, die Versicherung nach dessen Rechtsvorschriften freiwillig fortsetzen. Damit werde durch das Abkommen nach dessen klarem Wortlaut ein Anspruch auf freiwillige Versicherung, nicht jedoch auf Pflichtversicherung zur Krankenversicherung der Rentner (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V) begründet. Dementsprechend sei im Rundschreiben Nr. 52/1980 der deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung vom 10.7.1980 ausgeführt, in Bezug auf J. sei noch offen, ob in absehbarer Zeit eine Vorschrift über die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten für die Begründung der deutschen Rentnerkrankenversicherung in das Deutsch-j. Abkommen über Soziale Sicherheit eingefügt werde. Dies sei bislang nicht geschehen.

Auf den ihr am 30.4.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 29.5.2012 Berufung eingelegt. Sie trägt ergänzend vor, die Regelungen des in Rede stehenden Sozialversicherungsabkommens beschränkten sich entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht auf die freiwillige Versicherung. Die Unterscheidung zwischen freiwilliger Versicherung und Pflichtversicherung sei nicht nachvollziehbar. Vielmehr müssten alle Vorversicherungszeiten berücksichtigt werden; ob sie auf einer freiwilligen Versicherung oder auf einer Pflichtversicherung beruhten sei unerheblich. Der Rentenberechnung seien ihre Versicherungszeiten in B.-H. zu Grunde gelegt worden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.4.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16.5.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.7.2011 aufzuheben und festzustellen, dass für sie seit 18.4.2011 Versicherungspflicht zur Krankenversicherung der Rentner besteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden zu Recht festgestellt, dass die Klägerin zur Krankenversicherung der Rentner mangels Erfüllung der Vorversicherungszeit nicht versicherungspflichtig ist.

Der Senat teilt die Rechtsauffassung des Sozialgerichts und nimmt auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend sei insbesondere im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten angemerkt:

Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V sind zur Krankenversicherung der Rentner versicherungspflichtig Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 SGB V (Familienversicherung) versichert waren. Das Gesetz verlangt - für die gegenüber der freiwilligen Versicherung der Rentner im Hinblick auf die beitragspflichtigen Einnahmen und den Beitragssatz günstigere (vgl. §§ 237, 248 - dazu jurisPK- SGB V/Felix § 5 Rdnr. 77) - Pflichtversicherung der Rentner eine Vorversicherungszeit in der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese kann sowohl mit Zeiten der Pflichtversicherung wie der freiwilligen Versicherung erfüllt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.3.2000, - 1 BvL 16/96 u.a. - sowie jurisPK- SGB V/Felix § 5 Rdnr. 80). Hierüber streiten die Beteiligen nicht. Unstreitig ist auch, dass die Klägerin die Vorversicherungszeit nur erfüllen kann, wenn hierfür auch Krankenversicherungszeiten berücksichtigt werden, die die Klägerin (während der Zeit von 1983 bis 1992) in B.-H. zurückgelegt hat. Einwendungen gegen die Berechnung der Vorversicherungszeit in den angefochtenen Bescheiden sind nicht erhoben worden; Berechnungsfehler sind auch nicht ersichtlich.

Die Vorversicherungszeit des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V kann nur mit inländischen Krankenversicherungszeiten und mit solchen ausländischen Krankenversicherungszeiten erfüllt werden, die inländischen Krankenversicherungszeiten durch überstaatliches Recht (wie die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 bzw. deren Nachfolgeverordnung Nr. 883/2004) oder durch ein zwischenstaatliches Sozialversicherungsabkommen gleichgestellt sind (dazu näher Nr. 3.3.4 des Gemeinsamen Rundschreibens der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger zum 1.1.2009 - zugänglich etwa bei Beck-online). Die Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 kommt für die Krankenversicherungszeiten der Klägerin in B.-H. (unstreitig) nicht in Betracht, so dass diese nur nach Maßgabe eines entsprechenden zwischenstaatlichen Abkommens berücksichtig werden könnten. Zwischenstaatliche Sozialversicherungsabkommen, die zur Vorversicherungszeit des § 5 Absatz 1 Nr. 11 SGB V Regelungen über die Zusammenrechnung von deutschen mit ausländischen Krankenversicherungszeiten enthalten, bestehen mit K., Mazedonien, Tunesien und der Türkei (vgl. das Gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger zum 1.1.2009, a. a. O.). Die Klägerin kann sich für ihr Begehren daher nur auf das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der S. F. Republik J. über Soziale Sicherheit vom 12.10.1968 (BGBl. 1969 II, S. 1438 i. d. F. des Änderungsabkommens vom 30.9.1974, BGBl. II, S. 916 - im Folgenden: Sozialversicherungsabkommen) stützen; dieses Abkommen ist im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik B. und H. weiter anzuwenden (Bekanntmachung vom 16.11.1992, BGBl. II, S. 1196). Das Sozialversicherungsabkommen enthält Bestimmungen zu Krankenversicherung in seinem Abschnitt II (Art. 12 bis 18). Die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten ist in Art 12 des Sozialversicherungsabkommens geregelt. Diese Bestimmung sieht die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten (und Zeiten eines Leistungsbezugs) aber ausdrücklich nur für das Recht auf freiwillige Versicherung (den Leistungsanspruch und die Dauer der Leistungsgewährung) vor, nicht jedoch für das Recht der Pflichtversicherung (etwa der Krankenversicherung der Rentner). Auch die übrigen Bestimmungen im Abschnitt II des Sozialversicherungsabkommens betreffen nur die freiwillige (Weiter-)Versicherung. So regelt etwa Art 13 Abs. 2 des Sozialversicherungsabkommens die Fortsetzung einer Versicherung nach der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts und sieht hierfür ausdrücklich (wiederum) die Fortsetzung als freiwillige Versicherung vor; das gilt auch dann, wenn der Versicherte bei der Verlegung des gewöhnlichen Wohnsitzes in den anderen Vertragsstaat aus einer Pflichtversicherung ausscheidet (Art 13 Abs. 2 Satz 2 des Sozialversicherungsabkommens). Das Sozialversicherungsabkommen unterscheidet danach klar zwischen Pflichtversicherungen und freiwilligen Versicherungen. Die (entsprechende) Anwendung von Bestimmungen des Sozialversicherungsabkommens über die freiwillige Versicherung auf Pflichtversicherungen ist daher ausgeschlossen. Die Berücksichtigung von Krankenversicherungszeiten in B.-H. für die Vorversicherungszeit der (deutschen) Pflichtversicherung der Rentner bedürfte einer entsprechenden zwischenstaatlichen Regelung, die nicht getroffen worden ist. Eine Verpflichtung der Vertragspartner des deutsch-j. Sozialversicherungsabkommens, ihre Vereinbarungen den Wandlungen des innerstaatlichen Rechts anzupassen, besteht zudem nicht (BSG Urt. v. 8.11.1983 - 12 RK 12/83). Die von der Klägerin angeführten zwischenstaatlichen Regelungen zur Rentenversicherung gelten nur für diesen Versicherungszweig und sind für die Krankenversicherung nicht maßgeblich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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