L 5 KR 4073/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 2319/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 4073/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5.9.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer vorzeitigen stationären Rehabilitationsbehandlung.

Der 1949 geborene Kläger (GdB 80, Merkzeichen G), Rentner (seit 2004) und Mitglied der Beklagten, leidet nach drei Schlaganfällen an einer Hemiparese und an Artikulationsstörungen. Bislang fanden stationäre (neurologische) Rehabilitationsbehandlungen in der Reha-Klinik K., N., vom 22.7.2003 bis 12.8.2003, vom 29.12.2003 bis 26.1.2004 (Anschlussheilbehandlung nach dem dritten Schlaganfall) und vom 10.8.2004 bis 7.9.2004 statt.

Nachdem ein am 31.1.2005 gestellter Rehabilitationsantrag bestandskräftig abgelehnt worden war, beantragte der Kläger am 30.4.2005 (wiederum) die Gewährung einer stationären Rehabilitationsbehandlung. Nach erfolglosem Verwaltungsverfahren (Ablehnungsbescheid vom 17.6.2005, Widerspruchsbescheid vom 24.8.2005) erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (Verfahren S 3 KR 3804/05), die mit Gerichtsbescheid vom 26.9.2006 abgewiesen wurde. Während des nachfolgenden Berufungsverfahrens (Verfahren L 11 KR 5421/06) bewilligte die Beklagte dem Kläger eine stationäre Rehabilitationsbehandlung, die vom 9.10.2007 bis 2.11.2007 in der Reha-Klinik K. durchgeführt wurde. Schließlich fand eine weitere stationäre Rehabilitationsbehandlung (wiederum in der Reha-Klinik K.) vom 14.7.2009 bis 11.8.2009 statt. Im Entlassungsbericht der Klinik vom 13.8.2009 sind die Diagnosen Z.n. rezidivierenden re-hirnigen Ischämien 1996, 2002 und 2003 mit residual Dysarthrophonie und spastischem Gangbild, arterieller Hypertonus, Diabetes mellitus II, nicht insulinpflichtig, Fettstoffwechselstörung und chronisches LWS-Syndrom festgehalten. Empfohlen wurden (u.a.) die weitere hausärztliche und ambulante nervenärztliche Betreuung, krankengymnastische und sporttherapeutische Übungen in Eigenregie und ambulante Logopädie.

Unter dem 2.8.2010 verordnete der Neurologe und Psychiater Dr. K. dem Kläger eine weitere Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Als rehabilitationsrelevante Diagnosen benannte er Z.n. nach wiederholten Hirninsulten, Hypertonie, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörung und LWS-Syndrom. Die rehabilitationsrelevanten Schädigungen bestünden in zunehmenden motorischen Beeinträchtigungen (Gehen/Spastik) und in einer Dysarthrie. Als Rehabilitationsziel würden die Verbesserung der motorischen Funktionen und des Sprechens sowie die Erleichterung der zwischenmenschlichen Kommunikation angestrebt. Inhaltliche Schwerpunkte der Rehabilitationsbehandlung sollten die Intensivierung von physikalischen Maßnahmen und Logopädie sein.

Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). In der MDK-Stellungnahme vom 25.10.2010 wurde ausgeführt, der Kläger habe eine weitere (vorzeitige) Rehabilitationsbehandlung beantragt, obwohl seit der letzten Rehabilitationsbehandlung die Ausschlussfrist von vier Jahren noch nicht verstrichen sei. Die dringende medizinische Notwendigkeit einer vorzeitigen stationären Rehabilitationsmaßnahme sei nicht ausreichend dokumentiert. Die fachärztliche Mitbehandlung und Heilmittelanwendungen am Wohnort seien ausreichend und zweckmäßig. Eine signifikante Befundverschlechterung nach der letzten neurologischen Rehabilitationsbehandlung sei nicht nachvollziehbar. Ambulante Maßnahmen, Heilmittelverordnungen, Krankengymnastik und Ergotherapie seien weiterhin vorrangig und zielführend.

Mit Bescheid vom 26.10.2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers befragte sie erneut den MDK. In der MDK-Stellungnahme vom 30.11.2010 wurde ausgeführt, die Akutereignisse lägen mindestens sieben Jahre zurück. An den Funktionseinschränkungen (Lähmung) ändere sich nichts mehr. Dringende medizinische Gründe für eine vorzeitige weitere Rehabilitationsbehandlung lägen nicht vor. Die erforderlichen Therapiemaßnahmen seien bei Art und Schwere der angegebenen Gesundheitsstörungen auch am Wohnort ausreichend möglich, um die (Warte-)Frist zu überbrücken. Die Notwendigkeit der Behandlung an einem Kurort ergebe sich aus den vorliegenden Unterlagen derzeit nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.4.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück; ein Nachweis über die Bekanntgabe/Zustellung des Widerspruchsbescheids ist in den Verwaltungsakten nicht vorhanden.

Am 27.5.2011 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe. Zur Begründung trug er vor, die seinerzeit während des Berufungsverfahrens L 11 KR 5421/06 bewilligte Rehabilitationsbehandlung habe seinen Gesundheitszustand erheblich verbessert. Die nachfolgenden Rehabilitationsbehandlungen hätten das erreichte Niveau nicht halten können. Sein Krankheitsverlauf lasse die starre Anwendung der Wartefrist von 4 Jahren zwischen stationären Rehabilitationsbehandlungen nicht zu. Dr. K. habe darauf hingewiesen, dass es trotz zweimal wöchentlich durchgeführter Krankengymnastik zu einer Zunahme der motorischen Restsymptomatik sowie einer Verschlechterung der Gehfunktion und der Dysarthrie gekommen sei. Diese Auffassung vertrete auch sein Hausarzt Dr. G ... Eine vorzeitige Kur sei daher aus medizinischen Gründen dringend angezeigt.

Das Sozialgericht befragte den Neurologen und Psychiater Dr. K ... Dieser führte im Bericht vom 5.1.2012 aus, er kenne den Kläger seit 25.2.2005. Aufgrund einer spastischen Hemiparese würden auch weiterhin erforderliche krankengymnastische Maßnahmen nach Bobath verordnet. Nach einer zuletzt im Jahr 2009 durchgeführten stationären Rehabilitationsbehandlung habe der Kläger (zuletzt am 17.10.2011) über eine zunehmende Beeinträchtigung aufgrund der spastischen Hemiparese mit einer sich dadurch ergebenden Verschlechterung des Gehens berichtet. Vergleichsweise weniger ausgeprägt sei eine Verschlechterung der Dysarthrie angegeben worden. Nach den wiederholt durchgeführten neurologischen Rehabilitationsbehandlungen habe der Kläger (wie zuletzt 2009) zunächst eine Besserung der ausgeprägten neurologischen Beeinträchtigungen angegeben. Im weiteren Verlauf sei es allerdings regelmäßig wieder erneut zu einer Verschlechterung gekommen, die, auch aufgrund der hohen Therapiemotivation des Klägers, eine erneute neurologische Rehabilitationsmaßnahme sinnvoll erscheinen lasse. Aus Gründen der Intensität der Behandlungsmaßnahmen seien diese unter stationären Bedingungen in einer geeigneten neurologischen Rehabilitationseinrichtung durchzuführen. Aufgrund der Schilderung des Klägers sei davon auszugehen, dass die Intensität der ambulant durchgeführten Behandlungen im Verlauf nicht ausreiche, um eine erneute Verschlechterung der Symptomatik zu verhindern.

Die Beklagte legte hierzu das MDK-Gutachten des Dr. B. vom 13.4.2012 vor. Darin ist ausgeführt, aus der Zusammenschau der Befunde (einschließlich des Entlassungsberichts der Reha-Klinik K. vom 13.8.2009) gehe hervor, dass die obere Extremität von der spastischen Parese nicht wesentlich betroffen sei; Nacken-und Schürzengriff seien beidseits schon 2009 möglich gewesen. Im Vordergrund stehe die spastische Komponente der unteren Extremität, die zu der Gangstörung im Sinne des Wernicke-Mann-Gangbildes führe. Der Kläger sei damit gehfähig und selbstständig in den Aktivitäten des täglichen Lebens. Eine Pflegestufe liege nicht vor. Bei fehlendem erneutem apoplektischem Ereignis sei zum Erhalt der motorischen Ressourcen die Fortsetzung der ambulanten Heilmittelanwendung wie bisher ausreichend und zweckmäßig. Eine wesentliche Verschlechterung der Dysarthrie sei ebenfalls nicht nachvollziehbar. Bei mittlerweile mehr als acht Jahren nach dem letzten Apoplex-Ereignis fehle es hierfür an einem pathoanatomischen Korrelat. In der stationären Rehabilitationsbehandlung 2009 habe an der Sprechtechnik gearbeitet werden können. Bei langsamer Artikulation seien die Laute korrekt produziert worden, die Kommunikation sei ausreichend gewesen. Zur Auffrischung der adäquaten Sprechtechniken sei eine Serie logopädischer Behandlungen im Rahmen der Heilmittelanwendung am Wohnort ausreichend und zweckmäßig. Insgesamt ergebe sich keine andere Beurteilung als in den während des Verwaltungsverfahrens eingeholten MDK-Stellungnahmen. Nach der nochmaligen neurologischen Rehabilitationsbehandlung 2009, mehr als acht Jahre nach dem letzten apoplektischen Insult, bestehe keine dringende medizinische Notwendigkeit für eine erneute neurologische stationäre Rehabilitationsbehandlung. Die motorischen Defizite (Wernicke-Mann-Gangbild) seien chronisch. Wesentliche, alltagsrelevante Verbesserungen seien auch durch eine nochmalige stationäre Rehabilitationsbehandlung nicht realistisch.

Mit Gerichtsbescheid vom 5.9.2012 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Voraussetzungen für die Gewährung einer weiteren stationären Rehabilitationsmaßnahme vor Ablauf von vier Jahren seit der letzten stationären Rehabilitationsbehandlung seien nicht erfüllt; dringende medizinische Gründe lägen nicht vor (§ 40 Abs. 3 Satz 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V). Dr. K. habe eine vorzeitige Rehabilitationsbehandlung nur als sinnvoll erachtet. Demgegenüber habe Dr. B. im MDK-Gutachten vom 13.4.2012 überzeugend dargelegt, dass (ggf. intensivierte) ambulante Heilmittelanwendungen zum Erhalt der motorischen Fähigkeiten ausreichend und zweckmäßig seien, nachdem eine Verschlimmerung nicht eindeutig nachweisbar und es auch nicht erneut zu akuten (Schlaganfall-)Ereignissen gekommen sei und das letzte Ereignis dieser Art mittlerweile acht Jahre zurückliege. Zur Auffrischung der Sprechtechniken sei eine Serie logopädischer Behandlungen am Wohnort ausreichend; auch das gehe aus dem MDK-Gutachten des Dr. B. überzeugend hervor.

Auf den ihm am 11.9.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27.9.2012 Berufung eingelegt. Er trägt vor, eine vorzeitige stationäre Rehabilitationsmaßnahme sei aus medizinischen Gründen dringend notwendig. Andernfalls müsse er mit erheblichen gesundheitlichen Schäden oder Nachteilen rechnen. Beim MDK sei er nicht untersucht worden. Das Sozialgericht hätte ein Gutachten erheben müssen. Die Verschlechterung der Gehfähigkeit trotz krankengymnastischer Maßnahmen habe weitreichende Folgen, die die Gewährung einer stationären Rehabilitationsbehandlung unaufschiebbar machten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5.9.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.4.2011 zu verurteilen, ihm eine (weitere) stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Kläger hat ein Attest des Dr. G. vom 26.10.2012 und einen Arztbrief des Klinikum P. vom 26.1.2012 (Klinik für Gefäßchirurgie, u.a. Diagnose einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit Stadium IV links mit großem Ulcus und Osteolyse Grundglied DI; Behandlung u.a. durch PTA und Grundgelenksresektion der Großzehe links) vorgelegt. Dr. G. hat ausgeführt, während der letzten Jahre sei es trotz regelmäßiger ambulanter Therapie zu einer schleichenden Verschlechterung der Leistungsfähigkeit und des Gangbildes gekommen. Außerdem sei eine Ulcusbildung am linken Fuß und im Januar 2012 eine periphere arterielle Verschlusskrankheit Stadium IV diagnostiziert worden. Nach verzögerter Abheilung sei es erneut zu einer Ulcusbildung am linken Fuß gekommen. Die Gehstrecke sei deutlich reduziert. Deshalb werde eine erneute Rehabilitationsbehandlung für sinnvoll erachtet, um weitere Schäden des metabolischen Syndroms zu verhindern und die bestehenden Einschränkungen im Alltag zu verbessern.

Die Beklagte hat hierzu das MDK-Gutachten des Dr. B. vom 18.3.2013 vorgelegt. Dieser hat den Kläger untersucht und in seinem Gutachten ausgeführt, nach der Manifestation der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit mit Resektion des Grundgelenkes der Großzehe links habe sich die funktionelle Beeinträchtigung des linkshinkenden Gangbildes akzentuiert, da der Kläger beim Gehen den linken Fuß nicht abrolle. Er habe sich einen "Schongang" angewöhnt. Bei der Untersuchung habe er bei entsprechender Konzentration den Fuß besser abrollen können als sonst. Insgesamt komme der Kläger im häuslichen Umfeld zurecht. Er sei in den Aktivitäten des täglichen Lebens selbstständig, könne seine Angelegenheiten selbstständig erledigen, alleine den Hausarzt aufsuchen und benötige keine Gehilfe. Außerdem könne er selbstständig Autofahren und öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Eine stationäre Rehabilitationsbehandlung sei notwendig, wenn nicht nur vorübergehende Beeinträchtigungen der Aktivitäten und/oder Teilhabe vorlägen und über die kurative Versorgung hinaus der mehrdimensionale und interdisziplinäre Ansatz der medizinischen Rehabilitation erforderlich sei. Das sei hier nicht der Fall. Es lägen mäßige alltagsrelevante Beeinträchtigungen nach erlittenen Schlaganfällen und der Großzehengrundgelenksresektion vor, die sich im Verlauf jedoch eher verbessert als verschlechtert hätten. Bis auf eine altersgemäß leicht eingeschränkte Gehstrecke sei der Kläger in den Alltagsaktivitäten vollständig selbstständig. Pflegebedürftigkeit bestehe nicht. Im Hinblick auf die geklagten Beschwerden sei die kurative vertragsärztliche Versorgung ausreichend und wirtschaftlich. Die Dringlichkeit eines komplexen (interdisziplinären, mehrdimensionalen) Ansatzes der medizinischen Rehabilitation sei nicht erforderlich. Die Verhinderung weiterer Schäden des metabolischen Syndroms sei Ziel der kurativen, vertragsärztlichen Behandlung der Grunderkrankung (arterielle Hypertonie und Diabetes); dafür sei eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nicht notwendig. Der Kläger erhalte zweimal wöchentlich Krankengymnastik. Das sei auch weiterhin zum Erhalt der motorischen Ressourcen und der Gehfähigkeit ausreichend. Auch durch eine nochmalige multimodale stationäre Rehabilitationsbehandlung seien wesentliche, alltagsrelevante Verbesserungen nicht zu erwarten. An der Verbesserung des Gangbildes könne auch im häuslichen Umfeld im Rahmen der regelmäßigen Krankengymnastik gearbeitet werden. Entscheidend sei insoweit die Mitarbeit und Motivation des Klägers für eine nachhaltige Gangschulung. Dazu bedürfe es keiner nochmaligen neurologischen Rehabilitation. Es bleibe bei der bisherigen Einschätzung.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die Gewährung einer (weiteren) stationären Rehabilitationsmaßnahme zu Recht abgelehnt; der Kläger hat darauf keinen Anspruch.

I. Rechtsgrundlage für die Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen durch die Krankenkasse ist § 11 Abs. 2 SGB V i. V. m. § 40 SGB V.

Gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern.

Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um diese Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen gem. § 40 Abs. 1 SGB V in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht, bzw. in stationären Pflegeeinrichtungen nach § 72 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Reichen (auch) ambulante Rehabilitationsleistungen dieser Art nicht aus, erbringt die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs. 2a Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht (§ 40 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Die Krankenkasse bestimmt nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach § 40 Abs. 1 und 2 SGB V sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen. Rehabilitationsleistungen können nicht vor Ablauf von vier Jahren nach Durchführung solcher oder ähnlicher Leistungen erbracht werden, deren Kosten auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften getragen oder bezuschusst worden sind, es sei denn, eine vorzeitige Leistung ist aus medizinischen Gründen dringend erforderlich (§ 40 Abs. 3 Satz 1 und 4 SGB V).

Leistungen der Rehabilitation i. S. d. § 40 SGB V stellen Komplexmaßnahmen dar, bei denen die im Einzelfall erforderlichen therapeutischen Interventionen (z.B. Krankengymnastik, Bewegungs-, Sprach- und Beschäftigungstherapie, Psychotherapie und Hilfsmittelversorgung) aufgrund eines ärztlichen Behandlungsplanes (vgl. § 107 Abs. 2 Nr. 2 SGB V) zu einem in sich verzahnten Gesamtkonzept zusammengefasst sind. Wie alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen sie dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Daran anknüpfend sieht § 40 SGB V ein Stufenverhältnis vor. Eine stationäre Rehabilitationsbehandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einer Rehabilitationseinrichtung kommt - sofern mit ihr das Rehabilitationsziel überhaupt erreicht werden kann - daher nur dann in Betracht, wenn weder eine ambulante Krankenbehandlung noch eine ambulante Rehabilitation in einer wohnortnahen Einrichtung oder eine ambulante Rehabilitationsleistung in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, ausreichend ist.

II. Davon ausgehend steht dem Kläger eine (weitere) stationäre Rehabilitationsbehandlung nicht zu. Das Sozialgericht hat das in seinem Urteil zutreffend dargelegt. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten und die Ergebnisse der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren anzumerken:

Die Gewährung einer (weiteren) stationären Rehabilitationsbehandlung scheitert daran, dass die gem. § 40 Abs. 1 bis 3 SGB V vorrangig wahrzunehmende ambulante Krankenbehandlung und Heilmittelanwendung zur Erreichung der Rehabilitationsziele (§ 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ausreichend und zweckmäßig, eine stationäre Rehabilitationsbehandlung daher nicht erforderlich ist. Damit bestehen bzw. bestanden gem. § 40 Abs. 3 Satz 4 SGB V (erst recht) keine dringenden medizinischen Gründe für eine erneute vorzeitige stationäre Rehabilitationsbehandlung vor Ablauf der Vierjahresfrist nach der Rehabilitationsbehandlung in der Reha-Klinik K. vom 14.7.2009 bis 11.8.2009. Das geht aus den vorliegenden MDK-Stellungnahmen/Gutachten schlüssig hervor.

Die Ärzte der Reha-Klinik K. haben dem Kläger bei dessen Entlassung aus der letzten Rehabilitationsbehandlung im Jahr 2009 die Fortführung der ambulanten haus- und nervenärztlichen Betreuung sowie ambulante Krankengymnastik und Logopädie empfohlen (Entlassungsbericht vom 13.8.2009). Daran anknüpfend hat auch der MDK fachärztliche Behandlungen und Heilmittelanwendungen am Wohnort des Klägers überzeugend für ausreichend und zweckmäßig erachtet und ambulante Therapiemaßnahmen dieser Art, insbesondere Krankengymnastik und Logopädie, für vorrangig und zielführend angesehen (MDK-Stellungnahmen vom 25.10.2010 und 30.11.2010). Der vom Sozialgericht im Klageverfahren befragte Neurologe und Psychiater Dr. K. hat eine erneute stationäre Rehabilitationsbehandlung demgegenüber nur für sinnvoll gehalten, was im Hinblick auf die eingangs dargelegten Maßgaben der §§ 40, 12 Abs. 1 SGB V für die Leistungsgewährung nicht ausreicht. Der Versicherte hat Anspruch auf ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche und das Maß des Notwendigen nicht überschreitende, nicht jedoch auf (bloß) wünschenswerte oder für sinnvoll gehaltene Leistungen. Das gilt namentlich für Leistungen der stationären Rehabilitation. Die Kosten hierfür muss die Versichertengemeinschaft nur tragen, wenn ambulante Behandlungsleistungen zur Erreichung der Rehabilitationsziele (§ 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V) nicht ausreichen. Dr. K. hat sich für die Notwendigkeit einer stationären Leistungserbringung im (vom Sozialgericht eingeholten) Bericht vom 5.1.2012 ersichtlich in erster Linie auf subjektive Angaben des Klägers und nicht auf objektive Befunde gestützt, was so nicht genügen kann. Dr. B. hat im MDK-Gutachten vom 13.4.2012 angesichts der vorliegenden Befunde demgegenüber überzeugend bekräftigt, dass zum Erhalt der motorischen Ressourcen die Fortführung der ambulanten Heilmittelanwendung und zur Auffrischung adäquater Sprechtechniken eine (weitere) Serie ambulanter logopädischer Behandlungen nach wie vor ausreicht. Dass die genannten Therapien unter ambulanten Bedingungen nicht mit der notwendigen Intensität erbracht werden könnten, ist ebenso wenig festzustellen wie die Unfähigkeit des Klägers, die ambulanten Therapieangebote wahrzunehmen, nachdem der Kläger in den Alltagsaktivitäten (von einer altersbedingt leicht eingeschränkten Gehstrecke abgesehen) vollständig selbständig ist, den Hausarzt allein aufsuchen, Autofahren und öffentliche Verkehrsmittel benutzen kann (MDK-Gutachten des Dr. B. vom 18.3.2013).

Die im Berufungsverfahren vorgelegten Atteste bzw. Arztbriefe haben ein anderes Bild nicht ergeben. Dr. G. hat im Attest vom 26.10.2012 eine erneute stationäre Rehabilitationsbehandlung (ebenfalls) nur für sinnvoll gehalten, was nach dem Gesagten für die Leistungsgewährung nicht genügt. Die Auswirkungen der (im Klinikum P. behandelten) peripheren arteriellen Verschlusskrankheit und die Resektion des Grundgelenks der linken Großzehe hat Dr. B., der den Kläger auch untersucht hat, im MDK-Gutachten vom 18.3.2013 berücksichtigt und schlüssig dargelegt, dass damit die Notwendigkeit einer stationären Rehabilitationsbehandlung nicht zu begründen ist und kurative ambulante Behandlungsmaßnahmen am Wohnort nach wie vor ausreichen; das gilt auch (und gerade) für die geltend gemachten Auswirkungen des metabolischen Syndroms (arterielle Hypertonie und Diabetes) des Klägers.

Weitere Ermittlungen, insbesondere die Erhebung von Gutachten, drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Arztberichte und MDK-Stellungnahmen/Gutachten nicht auf.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved