L 11 KR 4350/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 2751/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 4350/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufungen der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 01.09.2011 aufgehoben und die Klagen werden abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die durch ihre Eltern gesetzlich vertretenen Kläger begehren jeweils die Erstattung der Kosten für die Durchführung einer Kopforthesentherapie (sog. Helmtherapie) in Höhe von jeweils 1.819,00 EUR, insgesamt 3.638,00 EUR.

Die am 03.06.2009 als Zwillinge geborenen Kläger sind über ihren Vater bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Mit Schreiben vom 18.11.2009 betreffend P. S., eingegangen bei der Beklagten am 20.11.2009, und vom 18.11.2009 betreffend D. S., eingegangen bei der Beklagten am 26.11.2009, beantragte die Universitätsklinik G. und M., Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Prof. Dr. H. und Dr. W., jeweils die Übernahme der Kosten für eine Kopforthesenbehandlung. Bei beiden Jungen habe sich eine deutliche Brachycephalie mit stigmatisierender Schädeldeformität gezeigt. Die Indikation zur Therapie mit einer individuellen Kopforthese liege jeweils vor.

Die Beklagte legte den Antrag mit Telefax vom 24.11.2009 betreffend P. S. und mit Telefax vom 30.11.2009 betreffend D. S. dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Prüfung vor. Nach dem sozialmedizinischen Gutachten des MDK von Dr. S. vom 08.12.2009, wonach es sich bei der Kopforthesenbehandlung um eine außervertragliche Leistung handle, die bislang keinen Eingang in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gefunden habe und wonach bei den berichteten Schädeldeformitäten nicht von einer Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinne auszugehen sei, lehnte die Beklagte die beantragten Kopforthesenbehandlungen jeweils mit Bescheid vom 29.12.2009 ab.

Im hiergegen jeweils am 25.01.2010 erhobenen Widerspruch wurde zur Begründung angeführt, dass keine alternative Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung stehe. Die konsequente Lagerungstherapie sowie Physiotherapie seien durchgeführt worden und hätten zu keiner Besserung der Kopfform geführt. Des Weiteren wurde auch jeweils eine Bescheinigung des behandelnden Facharztes für Kinder- und Jugendmedizin Dr. B. vom 14.01.2010, eine Stellungnahme der Physiotherapeutin S. vom 03.06.2009 sowie Fotos über die Schädelform der Zwillinge vorgelegt (vgl. jeweils Bl. 8 - 10 der VerwA betreffend P. und D.). Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des MDK vom 15.02.2010 wies die Beklagte die Widersprüche jeweils mit Widerspruchsbescheid vom 14.07.2010 zurück und führte zur Begründung aus, dass nach den Stellungnahmen des MDK bislang wissenschaftlich nicht mit der nötigen Evidenz belegt sei, dass einer Schädelasymmetrie überhaupt einen Krankheitswert zukomme. Darüber hinaus liege bislang auch keine (positiven) Bewertung der Kopforthosentherapie durch den gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) vor. Eine die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung begründende Notwendigkeit zur Inanspruchnahme einer neuer Behandlungsmethode in Form der Kopforthesentherapie könne nicht festgestellt werden.

Die Kläger haben jeweils am 29.07.2010 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Mit Beschluss vom 29.10.2009 wurden die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Prof. Dr. H. und Dr. W. vom Universitätsklinikum G./M., Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, haben in ihrer Stellungnahme vom 17.01.2011 mitgeteilt, dass die Erstvorstellung am 17.11.2009 erfolgt sei. Es habe sich bei beiden Kindern eine deutliche Abflachung des Hinterkopfes bei normalem Kopfumfang gezeigt. Zusätzlich sei bei D. noch eine deutlichere linksoccipitale Abflachung bemerkt worden. Bei beiden Kindern liege eine behandlungsbedürftige Abweichung der Kopfform von der Norm vor. Abschließende wissenschaftliche Untersuchung zur normalen Kopfform gebe es nicht. Durch einseitige Deformierung bzw. Abflachung des kompletten Hinterkopfes komme es zu einer Beeinträchtigung der Drehfähigkeit und zu einem verlangsamten motorischen Progress. Bezüglich der Frage, ob die Versorgung der beiden Kläger mit einer Kopforthoese aus medizinischer Sicht im vorliegenden Einzelfall erforderlich sei, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, sei die Lage der wissenschaftlichen Literatur bislang nicht ganz ausreichend. Aus der Erfahrung sei zu sagen, dass krankengymnastische Übungen und Umlagerungsversuche häufig zu einer Verbesserung der Beweglichkeit im Bereich der Halswirbelsäule führten. Bei einmal aufgetretener deutlicher Deformierung des Kopfes finde ein Wachstum in allen Richtungen statt, d.h. es trete lediglich eine Größenzunahme des Kopfes ohne Verbesserung der Deformierung ein. Dies sei lediglich durch eine Wachstumslenkung mit der Kopforthese möglich. Bei der Kopforthesenbehandlung handle es sich um eine Therapiebehandlung. Ein Hilfsmittel stelle die individuell angefertigte Kopforthese nicht dar. Die Therapie sei mit der Erstvorstellung initiiert und am 15.12.2009 mit der Anpassung mit der individuellen Kopforthese begonnen worden. Diese sei deshalb zeitnah erfolgt, da das kindliche Kopfwachstum lediglich im ersten Lebensjahr maximal groß sei. Dr. B., Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, hat am 12.02.2011 mitgeteilt, dass es durch die Schädeldeformierung und die vorwiegende Kopfdrehung zur einen Seite im Verlauf es stets zu einer Asymmetrie der Körpermotorik komme. Bei beiden Klägern sei die motorische Entwicklung durch die Kopfvorzugshaltung auf jeden Fall gestört gewesen. Beide hätten eine durch die Vorzugshaltung eine deutliche Körperasymmetrie aufgewiesen. Die Helmtherapie sei mit einer kieferorthopädischen Behandlung zu vergleichen und insoweit einer Therapiebehandlung zuzuordnen. Auf Anfrage des SG teilte Prof. Dr. Dr. H. mit, dass es Hinweise auf funktionelle Beeinträchtigungen gebe. Eine Beweisführung aufgrund randomisierter und klinisch randomisierter Studien existiere nicht. Eine lebensbedrohliche Situation liege nicht vor.

Auf Anfrage des SG hat der GBA am 14.04.2011 mitgeteilt, dass eine Bewertung der nicht-synostotischen Brachycephalie bzw. nicht synostotischen Plagio-/Brachycephalie als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode nicht durchgeführt und auch nicht beantragt worden sei. Die Kopforthese stelle zudem ein Hilfsmittel dar.

Auf nochmalige Anfrage des SG, aus welchen Gründen der Beginn der Therapie nicht hätte um ca. 6 - 8 Wochen auf Mitte bis Ende Februar 2010 verschoben werden können, hat Prof. Dr. Dr. H. am 15.06.2011 mitgeteilt, dass ein maximales großes kindliches Kopfwachstum lediglich im ersten Lebensjahr zu finden sei. Wenn der Therapiebeginn um 6 - 8 Wochen verzögert werde, sei aufgrund der deutlichen Abnahme der Kopfwachstumsgeschwindigkeit mit einer Therapieverlängerung um mehrere Monate zu rechnen. Der ebenfalls hierzu ergänzend befragte Dr. B. hat in seiner Stellungnahme vom 12.07.2011 ausgeführt, dass am 15.09.2009 intensive Lagerungsmaßnahmen empfohlen worden seien und bei ausbleibender Besserung im Oktober weiterhin Krankengymnastik verordnet und die Vorstellung in der Helmsprechstunde zur Mitbeurteilung empfohlen worden sei. Im Dezember sei bei beiden Jungen bei weiterer Befundverschlechterung nach Anpassung des Helmes mit der Dauertherapie begonnen worden. Im Dezember seien die Jungen bald 6 Monate alt geworden, so dass bereits durchschnittlich 2/3 des Wachstums des Schädels abgeschlossen gewesen sei und somit nur noch eine mäßige Reserve vorhanden gewesen sei. Es bleibe Spekulation, ob eine Verzögerung des Beginns um 6 - 8 Wochen ein deutlich schlechteres Ergebnis oder nur ein gering schlechteres Ergebnis erzielt hätte.

Mit Urteil vom 01.09.2011 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 29.12.2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 14.07.2010 verurteilt, den Klägern die Kosten für die Kopforthesenbehandlung zu erstatten. Es liege eine unaufschiebbare Leistung gemäß § 13 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) vor, die medizinisch notwendig gewesen sei. Nach § 33 SGB V bestehe ein Anspruch auf Hilfsmittelversorgung, wenn das Hilfsmittel im Einzelfall erforderlich sei, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern und eine drohende Behinderung auszugleichen, soweit das Hilfsmittel nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen sei, der nach § 34 Abs. 4 SGB V von der Leistungspflicht ausgeschlossen sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten handle es sich nicht um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, die nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V grundsätzlich der positiven Empfehlung hinsichtlich ihres diagnostischen und therapeutischen Nutzens durch den GBA bedürfe, sondern um eine Hilfsmittelversorgung im bereits genannten Sinne. Nach den Aussagen der behandelnden Ärzte hätten die bei beiden Klägern bestehende Plagiocephalie und die hierdurch sich entwickelnde deutliche Körperasymmetrie nicht durch Lagerungsmaßnahmen sowie krankengymnastische Maßnahmen behoben werden können. Hierdurch habe eine Beeinträchtigung im visuellen Bereich sowie die Beeinträchtigung der Drehfähigkeit der Köpfe und damit einhergehender verlangsamter motorischer Entwicklungsprozess gedroht. Die Versorgung der Kläger mit der Kopforthesen stelle damit die einzige Methode dar, um die bereits eingeschränkte natürliche Körperfunktionen im Sinne einer Asymmetrie auszugleichen und die drohende weitere Entwicklung von Krankheiten und Behinderungen abzuwenden. Mit der Behandlung hätte auch unmittelbar begonnen werden müssen, da nach den überzeugenden Ausführungen der behandelnden Ärzte das kindliche Kopfwachstum während des ersten Lebensjahres unwiederholbar intensiv sei, so dass eine unaufschiebbare Leistung der zum Behandlungsbeginn bereits 6 Monate alten Kläger vorgelegen habe. Im Erstvorstellungstermin am 17.11.2009 sei noch nicht der Beginn der Behandlung zu sehen, denn zu diesem Zeitpunkt hätten sich die Eltern der Kläger lediglich über die beabsichtigte Behandlung informiert. Dass anlässlich dieses Termins bereits Maß genommen wurde, stelle keine Versorgung mit dem Hilfsmittel dar, da es angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls unzumutbar erscheine, einen weiteren Termin (lediglich) zum Maßnehmen zu vereinbaren, mit der Folge, dass sich die Versorgung mit den eigens angefertigten Hilfsmittel nicht unerheblich verzögert hätte.

Die Beklagte hat am 06.10.2011 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass eine unaufschiebbare Leistung im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V nicht vorgelegen habe. Eine Leistung sei nur dann unaufschiebbar, wenn eine Leistungserbringung nur im Zeitpunkt der tatsächlichen Durchführung so dringlich sei, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs bis zur Entscheidung der Krankenkasse mehr bestehe. Ein Notfall liege jedoch nicht vor und es seien noch keine Anhaltspunkte für eine dringliche Bedarfslage gegeben, so dass die Leistung sofort hätte erbracht werden müssen. Dr. B. habe nach seiner Stellungnahme die Behandlung im Oktober 2009 empfohlen, ein Antrag sei zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht gestellt worden. Erst mit Schreiben vom 18.11.2009, bei der Beklagten eingegangen am 23.11. bzw. 27.11.2009, habe das Universitätsklinikum G. und M. die Übernahme der Kosten beantragt. Zudem habe die Anfertigung des maßgefertigten Helmes anscheinend eine Zeit von ca. einen Monat in Anspruch genommen. Allein der Umstand, dass im Oktober 2009 empfohlen und erst am 15.12.2009 mit der Anpassung der individuellen Kopforthese begonnen worden sei, spreche gegen eine unaufschiebbare Leistung. Auch habe das Hessische Landessozialgericht in seiner Entscheidung vom 15.09.2011, Az. L 1 KR 178/10, ausgeführt, dass ein Behandlungsbeginn in einem Alter von weniger als 15 Monaten zuversichtlich sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 01. September 2011 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufungen zurückzuweisen.

Die Kläger führen zur Berufungserwiderung an, dass eine unaufschiebbare Leistung wegen der lediglich im ersten Lebensjahr erfolgversprechenden Behandlung vorgelegen habe. Auch sei umgehend nach der Erstvorstellung im Klinikum G./M. vom 17.11.2009 mit Schreiben vom 18.11.2009 der Antrag gestellt worden. Die Eltern der Kläger hätten auch im Vorfeld intensive Lagerungsmaßnahmen sowie krankengymnastische Therapien versucht, die aber keinen ausreichenden Erfolg gezeigt hätten. Auch handle es sich um ein Hilfsmittel und nicht um eine neue Behandlungs- und Untersuchungsmethode. Die Helmtherapie werde mittels einer Kopforthese durchgeführt, diese werde angepasst und im Laufe der Therapie immer neu angepasst. Eine Heilung erfolge durch das Schädelwachstum, welches durch die Orthese selbst in die gewünschte Richtung gelenkt werde, so dass die Orthesen und die ärztliche Behandlung in den Hintergrund träten.

Auf Anfrage des Senats hat Prof. Dr. Dr. H. mitgeteilt, dass kein Behandlungsvertrag abgeschlossen worden sei, es sei seinerzeit ein Kostenübernahmeantrag an die zuständige Krankenkasse versandt worden. Die Eltern seien im Aufklärungsgespräch darüber aufgeklärt worden, dass die Klinik einen Antrag auf Kostenübernahme gestellt habe und bei einer eventuellen Nichtübernahme der Kosten durch die Krankenkasse die Kostenübernahme durch die Eltern zu erfolgen habe.

Die Kläger haben die Rechnungen vom 10.10.2012 über jeweils 1.819,00 EUR für die Kopforthesen vorgelegt. Die Rechnung ist nachweislich eines Kontoauszugs am 23.11.2012 beglichen worden.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 01.09.2011 ist zulässig und begründet. Das SG hat zu Unrecht jeweils den Bescheid vom 29.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2010 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Kosten für die Kopforthesenbehandlung für beide Kläger zu übernehmen. Die Bescheide vom 29.12.2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 14.07.2010 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Übernahme der Kosten für die Kopforthesenbehandlung in Höhe von jeweils 1.819,00 EUR.

Rechtsgrundlage der geltend gemachten Erstattungsansprüche sind die Bestimmungen der §§ 2 Abs. 2 Satz 1, 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich als Sach- oder Dienstleistung. Die Kläger sind nach § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB V über ihren Vater bei der Beklagten gesetzlich familienversichert. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V hat die Krankenkasse dem Versicherten Kosten einer selbstbeschafften Leistung zu erstatten, die dadurch entstanden sind, dass sie eine unaufschiebbare Leistung entweder nicht rechtzeitig herbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, soweit diese Leistung notwendig war.

Eine unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V lag zur Überzeugung des Senats nicht vor. Eine Leistung ist nur dann unaufschiebbar, wenn eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten Aufschubs bis zu einer Entscheidung der Krankenkasse mehr besteht (BSG 25.09.2000 B 1 KR 5/99 R, juris; Wagner in: Krauskopp, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Kommentar, Stand: November 2012, § 13 Rn. 26 ff.). Die Kopforthesenbehandlung war im Fall der Kläger nach der Überzeugung des Senats nicht unaufschiebbar. Die Kläger waren zwar im Zeitpunkt des Behandlungsbeginns bereits 5 Monate alt. Die Einhaltung des üblichen Beschafffungsweges war jedoch nicht mit einer derartigen Gefährdung der Besserungsaussichten verbunden, dass nicht zunächst die Antragstellung bei der Beklagten und deren Entscheidung hätte abgewartet werden können. Die Beklagte hat vorliegend innerhalb von 6 Wochen und damit zügig entschieden. Bei einem Abwarten der Entscheidung wäre keine unzumutbare Verzögerung eingetreten. Der Senat schließt dies aus der sachverständigen Zeugenaussage des behandelnden Kinderarztes Dr. B. vom 12.07.2011. Danach liegt der optimale Therapiebeginn ab dem 4. bis 6. Lebensmonat. Er konnte jedoch nicht mit Sicherheit bestätigen, dass ein Abwarten von 6 bis 8 Wochen ein deutlich schlechteres Therapieergebnis zur Folge gehabt oder sich möglicherweise nur die Behandlungsdauer etwas verlängert hätte. Eine substantielle Gefährdung des Therapieerfolgs durch das Abwarten der Entscheidung ist daher vorliegend nicht belegt. Gegebenenfalls hätten die Kläger auch bei der Beklagten im Fall einer verzögerten Bearbeitung das Erfordernis einer zügigen Entscheidung darlegen und anmahnen können. Allein der pauschale Verweis von Prof. Dr. Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 15.06.2011 auf oftmals längere Bearbeitungszeiten ist ohne tatsächliche Anhaltspunkte im konkreten Fall zur Begründung der Unaufschiebbarkeit nicht ausreichend.

Zudem liegt für die jeweils bereits am 17.11.2009 begonnene Kopforthesentherapie die von § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V geforderte Kausalität zwischen der ablehnenden Entscheidung der Beklagten und den aufgewandten Kosten nicht vor. Bei der Erstvorstellung in der Ambulanz des Universitätsklinikums G./M. wurde bereits eine Vermessung der Köpfe der Zwillinge vorgenommen. Dies stellt unzweifelhaft den Beginn der Einleitung der Kopforthesentherapie dar, da dies bereits am 15.12.2009 die individuelle Anpassung der in der Zwischenzeit nach den genommenen Maßen angefertigten Helme ermöglichte. Entsprechend spricht Prof. Dr. Dr. H. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 17.11.2011 von einer Initiierung der Behandlung bei der Erstvorstellung am 17.11.2009. Zu diesem Zeitpunkt lag jedoch noch kein Antrag auf Kostenübernahme bei der Beklagten vor. Diese wurden vielmehr erst am 23.11.2009 bzw. bis 27.11.2009 gestellt. Eine auf die Verweigerung der Sachleistung gestützte Erstattungsanspruch scheidet nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus, wenn der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten. § 13 Abs. 3 SGB V soll einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall gewähren, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem der Krankenversicherung als Dienst- oder Sachleistung nicht oder nicht mehr gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) einen Ursachenzusammenhang bestehen (BSG, 30.06.2009, B 1 KR 5/09 R, juris). Nur bei einer Vorabprüfung können die Krankenkassen ihren - Gesundheitsgefährdungen und wirtschaftlichen Risiken vorbeugenden - Beratungsauftrag erfüllen, die Versicherten vor dem Risiko der Beschaffung nicht zum Leistungskatalog gehörender Leistung zu schützen, um ggfs. aufzuzeigen, welche Leistungen anstelle der begehrten in Betracht kommen. Dies war nach Einleitung der Therapie am 17.11.2009 nicht mehr möglich. Prof. Dr. H. hat zudem auf Nachfrage des Senats bestätigt, dass die Eltern darüber aufgeklärt wurden, dass zwar ein Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse gestellt wird, jedoch im Falle eines negativen Votums die Kosten von den Eltern selbst zu tragen sind.

Auch die Voraussetzung des § 13 Abs. 3 Satz 1 Zweite Alternative SGB V ist nicht erfüllt. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des BSG, 14.12.2006 B 1 KR 12/06 R, 27.03.2007, B 1 KR 17/06 R, juris).

Die streitgegenständlichen Helmtherapien gehören nicht zu denen von der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringenden Leistungen. Entgegen der Auffassung des SG stellt die Helmtherapie kein Hilfsmittel nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V, sondern eine neue Behandlungs- und Untersuchungsmethode dar.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V unterliegt der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er erfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V (ambulante Versorgung) nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nämlich nach der ständigen Rechtsprechung nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasten der Krankenkasse erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistung verbindlich festgelegt (BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, juris; Hessisches LSG, 15.09.2011, L 1 KR 178/10, juris). Bezüglich der Abgrenzung zwischen einer ärztlichen Behandlung und eines Heil- bzw. Hilfsmittels ist ausschlaggebend, ob die persönliche Tätigkeit des Arztes im Vordergrund steht (Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Kommentar, Stand: November 2012, § 27 Rn. 32 sowie 39 ff.). Beschränkt sich die Tätigkeit des Arztes auf die Anordnung der Hilfeleistung und wird diese selbständig ohne persönliche Überwachung durch den Arzt von Dritten ausgeführt, dann ist die Leistung nach ständiger Rechtsprechung als Heilmittel einzuordnen (BSG 10.07.1979, 3 RK 21/78, SozR 2200 § 182 Nr 47). Heilmittel werden nach der Art der veranlassten Maßnahmen von den Hilfsmitteln (nur sächliche medizinische Leistungen) abgegrenzt.

Die streitigen Kopforthesenbehandlungen stellen nach Überzeugung des Senates keine Hilfsmittel, sondern ärztliche ambulante Behandlungen dar. Der Senat schließt dies aus den sachverständigen Zeugenaussagen von Prof. Dr. H. und Dr. W. vom 17.01.2011. Danach werden die Kopforthesen individuell angepasst und angesichts des fortlaufenden Wachstumes die Passform bei Kontrollterminen kontrolliert. Es liegt damit eine ärztlich bzw. ärztlich verordnete Behandlungsmethode im Sinne einer medizinischen Vorgehensweise vor, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrundeliegt, dass sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll. Durch die Helmtherapie wurde auf das Wachstum des Kopfes Einfluss genommen und bedingt durch das Kopfwachstum die Passgenauigkeit der Orthese regelmäßig kontrolliert. Ein Hilfsmittel hilft dagegen nicht der therapeutischen Einflussnahme, sondern ist dazu bestimmt, bestimmte körperliche Defekte auszugleichen (Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Kommentar Stand: November 2012, § 27 Rn. 43). "Neu" ist eine Methode, wenn sie zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM - Ä) enthalten ist (BSG 27.09.2005 B 1 KR 28/03 R, juris). Eine Empfehlung des GBA für die Kopforthesenbehandlung gibt es jedoch nicht. Der Senat nimmt diesbezüglich auf die Stellungnahme des GBA im erstinstanzlichen Verfahren Bezug (Bl. 46 - 47 der SG-Akte). Es liegt auch kein Ausnahmefall vor, in dem es keiner Empfehlung des GBA bedarf. Nach Aussage der behandelnden Ärzte war eine lebensbedrohliche Situation nicht gegeben. Anhaltspunkte für eine gebotene grundrechtsorientierte Auslegung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Bundesverfassungsgericht 06.12.2005, 1 BVR 347/98, juris) sind daher nicht ersichtlich.

Auch ein sogenanntes Systemversagen, dies bedeutet eine Konstellation dergestalt, dass der GBA zu der fraglichen Methode noch keine Empfehlungen abgegeben hat und das vorgesehene Anerkennungsverfahren für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden trotz Anhaltspunkten für eine therapeutische Zweckmäßigkeit der Methode aus willkürlichen oder sachfremden Erwägungen heraus nicht oder nicht rechtzeitig durchgeführt wurde bzw. eine Aktualisierung der Richtlinien unterblieben ist, liegt nicht vor (Wagner in Krauskopf, Soziale Kranken- und Pflegeversicherung, Kommentar, Stand: November 2012, § 13 SGB V, Rn. 22). Die therapeutische Zweckmäßigkeit gegenüber den herkömmlichen Behandlungsmethoden ist im Fall der Helmtherapie nicht belegt. Dies geht auch aus den Aussagen von Prof. Dr. H. vom 17.01.2011 und 23.02.2011 hervor. Danach ist die wissenschaftliche Literatur bezüglich der Frage der medizinischen Erforderlichkeit bislang nicht ganz ausreichend, da es an entsprechenden Studien fehlt. Auch bezüglich der Wahrscheinlichkeit einer drohenden Behinderung oder der Hinweise auf funktionelle Störungen ist eine Beweisführung aufgrund nicht existierender randomisierter und klinisch randomisierter Studien nicht möglich. Zur Überzeugung des Senates gibt es daher derzeit keine hinreichenden belastbaren wissenschaftlichen Studien und Erkenntnisse, welche den Vorteil der Helmtherapie gegenüber den anderen herkömmlichen Behandlungsmethoden wie Krankengymnastik und Lagerungsmethoden belegen würden (vgl. hierzu auch SG Aachen, 18.11.2010, S 2 KR 151/10, juris). Da bereits kein Sachanspruch besteht, kann dahingestellt bleiben, ob die Hochschulambulanz der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der J. - L. - Universität für die streitige ambulante Behandlungsmethode zugelassener Leistungserbringer nach §§ 116, 116a, 116b, 117 SGB V ist. Auch die Frage, ob die bei den Klägern bestehende Schädeldeformität überhaupt einen regelwidrigen, von der Norm abweichenden behandlungsbedürftigen Körperzustand darstellt, bedarf aus diesem Grund keiner weiteren Erörterung.

Selbst wenn man wie das SG die Kopforthesenbehandlung als Hilfsmittel im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB V beurteilt, wäre das Hilfsmittel untrennbar mit der neuen Therapie verbunden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (31.08.2000 B 3 KR 21/99 R, juris) ist es Vertragsärzten im Regelfall verwehrt, Behandlungsmethoden zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung einzusetzen, wenn in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V keine entsprechenden Empfehlungen abgebeben worden sind. Allein die Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis berechtigt die an der vertragsätzlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte auf der Grundlage der beschriebenen, hier maßgebenden Rechtsprechung des BSG, jedenfalls nicht, auch die entsprechende therapeutische Behandlung durchzuführen, solange es an einer Empfehlung des GBA fehlt. Sofern aber nach der sogenannten Rechtsprechung Hilfsmittel die untrennbar mit neuen Therapien verbunden sind, schon nicht in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen werden können, scheidet auch eine Kostenerstattung zu Lasten der Krankenversicherung aus den vorgenannten Gründen aus (vgl auch SG Aachen, 18.11.2010, S 2 KR 151/10, juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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