L 3 AL 226/12 B

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Itzehoe (SHS)
Aktenzeichen
S 2 AL 15/08
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 226/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Aufhebung der PKH-Bewilligung nach § 73a SGG i.V.m. § 124 Nr. 4 ZPO steht im Ermessen des Gerichts. Zu Ermessenserwägungen besteht insbesondere dann Anlass, wenn der Betroffene zuvor sinngemäß geltend gemacht, ausstehende Raten nicht zahlen zu können.
2. Liegt in einer Beschwerde gegen die Aufhebung der PKH-Bewilligung auch ein Antrag auf Überprüfung der Ratenhöhe, obliegt die Entscheidung hierüber allein dem Sozialgericht, nicht dem Beschwerdegericht.
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 10. August 2012 aufgehoben. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger betreibt eine Arbeitsvermittlung. Für das unter dem Az. S 2 AL 15/08 geführte Klageverfahren vor dem Sozialgericht Itzehoe, in dem es um die Auszahlung eines Vermittlungsgutscheins ging, hat das Sozialgericht dem Kläger mit Wirkung vom 20. März 2006 Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt S bewilligt und ausgeführt, dass Ratenzahlungen nicht zu leisten seien (Beschluss vom 15. Februar 2008). Mit nicht angefochtenem Urteil vom 15. April 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien. Die an Rechtsanwalt S aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten und Auslagen sind mit Beschluss vom 30. April 2008 auf 740,18 EUR festgesetzt worden.

Mit Schreiben vom 11. August 2011 forderte das Sozialgericht den Kläger zwecks Überprüfung einer ggf. anzuordnenden Ratenzahlungsverpflichtung wegen Veränderung seiner persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse auf, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unter Ausfüllung eines beigefügten Vordrucks und Beifügung etwaiger Belege nachzuweisen. Hierauf führte der Kläger mit Schreiben vom 9. September 2011 aus, es sei ihm nicht möglich, den Betrag von 740,18 EUR in einer Summe zu zahlen. Er bitte, ihm eine Ratenzahlung zu bewilligen. Sein Ratenvorschlag sei 30,00 EUR monatlich. Mit Schreiben vom 13. September 2011 erklärte das Sozialgericht sein Einverständnis mit der vorgeschlagenen Ratenzahlung und forderte den Kläger auf, ab 1. November 2011 monatliche Raten in Höhe von 30,00 EUR zu leisten. Nachdem der Kläger die Raten für November 2011 bis Januar 2012 nicht gezahlt hatte, erfolgte unter dem 4. Januar 2012 die Aufforderung zum Ausgleich des Rückstands und zur künftigen Einhaltung der Zahlungstermine. Hierauf teilte der Kläger mit Schreiben vom 13. Januar 2012 mit, dass er die Rate für November am 30. Dezember 2011 angewiesen habe. Gerne hätte er auch die weiteren ausstehenden Raten bereits gezahlt. Leider könne er jedoch nur zahlen, wenn auch seine Honorare gebucht seien. Das sei bisher nicht der Fall. Zwischenzeitlich habe er einen Teil seiner Außenstände erhalten und deshalb nunmehr die rückständigen Raten angewiesen.

Nachdem später auch die Raten für die Monate März bis Mai 2012 wiederum nicht eingegangen waren, erfolgte mit Schreiben des Sozialgerichts vom 5. Juni 2012 eine erneute Zahlungsaufforderung sowie die Aufforderung zur Einhaltung künftiger Zahlungstermine. Gleichzeitig wurde der Kläger auf § 124 Nr. 4 Zivilprozessordung (ZPO) hingewiesen, wonach das Gericht berechtigt sei, die Bewilligung der PKH aufzuheben, wenn die Partei länger als drei Monate mit einer Zahlung im Rückstand sei.

Bis zum 9. August 2012 sind keine weiteren Zahlungen des Klägers eingegangen. Mit Beschluss vom 10. August 2012 hob das Sozialgericht die PKH-Bewilligung auf. Es stützte seine Entscheidung auf § 124 Nr. 4 ZPO und führte aus, dass der Kläger bislang trotz Mahnung mit der März-Rate im Rückstand sei und hierzu auch keine Hinderungsgründe mitgeteilt habe. Auf die Folgen der Nichtzahlung sei er hingewiesen worden. Gegen diese ihm am 14. August 2012 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 14. September 2012 eingegangene Beschwerde des Klägers. Zur Begründung macht er geltend: Wie bereits mitgeteilt, könne er die ausstehenden Raten nur zahlen, wenn seine Honorare gebucht seien. Hinzu komme, dass er vor allen anderen Zahlungsverpflichtungen monatlichen Unterhalt für seine beiden Söhne in Höhe von 668,00 EUR leisten müsse, des Weiteren die laufenden Kosten für sein Büro und seinen Lebensunterhalt. Er werde sich nach Kräften um weitere Zahlungen bemühen, sofern ihm entsprechende Mittel zur Verfügung stünden.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägers ist zulässig und insbesondere nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen (vgl. Bayerisches Landessozialgericht [LSG], Beschluss vom 18. Juli 2011, L 9 AL 60/10 B PKH, zitiert nach juris). Die Beschwerde ist auch begründet.

Nach § 73a SGG i.V.m. § 124 Nr. 4 ZPO kann das Gericht die Bewilligung von PKH aufheben, wenn die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate im Rückstand ist. Das ist hier zumindest in Bezug auf die Rate für März 2012 - wahrscheinlich inzwischen auch für die danach fällig gewordenen Raten bis zum Aufhebungsbeschluss - der Fall. Eine Aufhebung kommt allerdings nur bei schuldhaftem Verzug in Betracht (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Juli 2012, L 19 AS 1949/11 B, LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. September 2011, L 6 B SB 5000/09 A, Bayerisches LSG, a.a.O. - jeweils zitiert nach juris). Ob hier von einem schuldhaften Verhalten des Klägers auszugehen ist, wenn er - wie in der Beschwerde sinngemäß geltend gemacht hat - zahlungsunfähig war, kann jedoch dahinstehen. Denn jedenfalls ist die Aufhebungsentscheidung des Sozialgerichts ermessensfehlerhaft.

Wie sich aus der gesetzlichen Formulierung "kann" ergibt, steht die Aufhebung einer PKH-Bewilligung bei Zahlungsverzug im gerichtlichen Ermessen. Dass das Sozialgericht dieses Ermessen ausgeübt hat, ist dem angefochtenen Beschluss nicht zu entnehmen. Im vorliegenden Fall hätte besonderer Anlass zu Ermessenserwägungen bestanden, nachdem der Kläger bereits mit Schreiben vom 13. Januar 2012 sinngemäß geltend gemacht hat, er könne die (einvernehmlich) festgesetzten Raten nicht ohne Weiteres zahlen. Insoweit hätte es auch nahe gelegen, dieses Schreiben als formlosen Antrag auf Änderung bzw. Überprüfung der Ratenhöhe zu behandeln. Nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO kann das Gericht die Entscheidung über die festgesetzten Raten ändern, wenn sich die für die PKH maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben; eine Änderung der nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchstabe b und Nr. 2 maßgebenden Beträge ist allerdings nur auf Antrag und nur dann zu berücksichtigen, wenn sie dazu führt, dass keine Monatsrate zu zahlen ist. Ein Antrag nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO kann auch formlos gestellt werden. Bei verständiger Würdigung ist das Schreiben des Klägers vom 13. Januar 2012 in diesem Sinne auszulegen.

In der Beschwerdebegründung liegt insoweit (auch) ein erneuter Überprüfungsantrag, zumal darin Gesichtspunkte geltend gemacht werden, auf die der Kläger sich bisher nicht berufen hat (insbesondere Unterhaltszahlungen an seine Kinder). Hierüber ist dem Senat im Beschwerdeverfahren die Entscheidung verwehrt, weil anderenfalls die nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG auf das Sozialgericht beschränkte Prüfung der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen umgangen würde (vgl. Bayerisches LSG, a.a.O.).

Im weiteren Verfahren wird das Sozialgericht die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers zu überprüfen haben, wobei der Kläger eine entsprechende Erklärung nebst Belegen vorzulegen haben wird. Hierzu besteht in besonderem Maß Anlass, nachdem der Kläger auf entsprechende Angaben trotz der gerichtlichen Aufforderung vom 11. August 2011 verzichtet und stattdessen den in Rede stehenden Ratenzahlungsvorschlag gemacht hat, wobei er sich möglicherweise über die Tragweite seiner Erklärung nicht im Klaren gewesen ist. Ob er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen seinerzeit verpflichtet gewesen wäre, monatliche Raten in Höhe von 30,00 EUR zu leisten, kann vor diesem Hintergrund nicht überprüft werden.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind in entsprechender Anwendung von § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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