Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 12 R 59/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 54/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 62/13 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 30. November 2011 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger unter Berücksichtigung der "Alten Versorgung" der Deutschen Reichsbahn (DR) eine höhere Rente zusteht.
Der am ... 1940 geborene Kläger war vom 01. Juni 1971 bis 31. März 1999 bei der DR, nachfolgend D. B. AG beschäftigt. Er war der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) nicht beigetreten. Mit Bescheid vom 10. November 2004 bewilligte die Beklagte ihm eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit ab dem 01. Januar 2005. Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Am 09. Januar 2006 beantragte er die Überprüfung des Rentenbescheides vom 10. November 2004. Mit Bescheid vom 05. April 2006 lehnte die Beklagte die Berücksichtigung von zusätzlichen Entgelten ab. Hiergegen legte der Kläger ebenso Widerspruch ein. Die Beklagte wies beide Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 06. Februar 2007 zurück.
Am 03. Juni 2009 beantragte der Kläger die Neuberechnung der Altersrente rückwirkend per 01. Januar 2005. Er vertrat die Auffassung, dass ihm für den Zeitraum vom 01. März 1973 bis 30. Juni 1990 bis 900 Mark statt nur 600 Mark für die Errechnung seiner Rente anzurechnen seien. Grundlage seiner Antragstellung seien die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. November 1998 (B 4 RA 33/98 R und B 4 RA 32/98) sowie das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 08. Februar 2000 (L 2 RJ 69/98). Mit Bescheid vom 10. Juni 2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Berücksichtigung zusätzlicher Entgelte über den 28. Februar 1971 hinaus für Beschäftigungszeiten bei der DR gemäß § 256a Abs. 2 bzw. § 307a Abs. 2 Satz 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (2. AAÜG-ÄndG) ab. Die Voraussetzung einer 10-jährigen ununterbrochenen Beschäftigung bei der DR am 01. Januar 1974 sei nicht erfüllt. Hiergegen legte der Kläger am 30. Juni 2009 Widerspruch ein. Bei der in Rede stehenden Antragstellung gehe es überhaupt nicht um die "10-Jahresklausel", sondern um die rechtskräftigen BSG-Urteile B 4 RA 33/98 R sowie B 4 RA 32/98 R sowie das Urteil L 2 RJ 69/98. In diesen Urteilen sei eindeutig entschieden worden, dass für den Zeitraum vom 01. März 1973 bis 30. Juni 1990 das Einkommen bis 900 Mark statt nur 600 Mark für die Errechnung seiner Rente anzurechnen sei. Mit Schreiben vom 25. August 2009 ergänzte die Beklagte den Bescheid vom 10. Juni 2009. Die Ausführungen im Bescheid zu § 259b SGB VI seien nicht zutreffend, ansonsten bleibe es bei der Entscheidung. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2010 zurück. Sie führte aus, dass das BSG mit Urteil vom 11. Dezember 2002 (B 5 RJ 14/00 R) entschieden habe, dass bei Rentenleistungen nach dem SGB VI für die Ermittlung von Entgeltpunkten auch bei ehemaligen Angehörigen der DR nur die tatsächlich erzielten Verdienste maßgebend seien und dies verfassungskonform sei. Die ausschließliche Heranziehung des tatsächlich erzielten Arbeitsverdienstes nach § 256a SGB VI unterliege keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 30. August 2005 – 1 BvR 616/99, 1 BvR 1028/03 – juris). Dies gelte nicht bei der "Alten Versorgung" der DR. Das BSG habe im Urteil vom 10. November 1998 – B 4 RA 33/98 – ausgeführt, dass am 01. Januar 1974 eine mindestens 10-jährige ununterbrochene Dienstzeit bei der Bahn vorliegen müsse, damit der Anspruch auf die "Alte Versorgung" bestehe.
Am 09. Februar 2010 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) mit dem Begehren erhoben, ihm für den Zeitraum vom 01. April 1974 bis 30. Juni 1990 sein tatsächliches Einkommen bis 900 Mark anzuerkennen. Er hat wiederholt auf die Urteile des BSG (B 4 RA 33/98 R und B 4 RA 32/98 R) verwiesen und die Auffassung vertreten, dass diesen Entscheidungen zu entnehmen sei, dass jene Eisenbahner, die nicht in der FZR gewesen seien, aber die Bedingungen der Versorgung § 2 erfüllen würden (besonderer Steigerungssatz von 1,5), für den Zeitraum von 1974 bis 1990 ihre Arbeitseinkommen bis 900 Mark anerkannt bekommen würden. Er gehe davon aus, dass er eine Anwartschaft auf die "Alte Versorgung" erworben habe. Er nehme insoweit Bezug auf die Übergangsregelung gemäß Ziffer 3 des 32. Nachtrages zum Rahmenkollektivvertrag (RKV) der DR bzw. § 10 der Versorgungsordnung der DR, Anlage 11 zum RKV DR in der Fassung des 53. Nachtrages vom 26. April 1989. Diese Regelung einschließlich der Ausführungsbestimmungen erfordere keine 10-jährige ununterbrochene Dienstzeit vor dem 01. Januar 1974. Gefordert seien nur der Beginn des Dienstverhältnisses vor diesem Termin und eine mindestens 10-jährige Dienstzeit vor Eintritt des Versorgungsfalles. Er hat zudem auf das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 08. Februar 2000 – L 2 RJ 68/98 – verwiesen.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass § 256a Abs. 2 SGB VI maßgeblich sei. Der Gesetzgeber habe in Satz 3 normiert, dass höhere Entgelte nur dann Berücksichtigung finden würden, wenn am 01. Januar 1974 bereits zehn Jahre ununterbrochen ein Beschäftigungsverhältnis bei der Deutschen Bahn bestanden habe.
Das SG hat mit Urteil vom 30. November 2011 die Klage abgewiesen. Gegen das am 13. Januar 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02. Februar 2012 Berufung beim Landesssozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Er sei seit 1971 bei der DR beschäftigt gewesen und habe Anwartschaften aus der Altersversorgung für Eisenbahner erworben. Er hätte im Juni 1990 die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 der Verordnung über die Pflichten und Rechte der Eisenbahner (EisenbahnerVO) vom 28. März 1973 erfüllt. Er gehe davon aus, dass er zu den sog. "Altfällen" gehöre, ohne dass er bereits vor dem 01. Januar 1974 mehr als zehn Jahre ununterbrochen beschäftigt gewesen sein müsse.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 30. November 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Änderung des Rentenbescheides vom 10. November 2004 für die Zeit ab 01. Januar 2005 der Rentenberechnung im Zeitraum 01. Januar 1974 bis 30. Juni 1990 den tatsächlich erzielten Arbeitsverdienst bis höchstens 900,00 Mark monatlich zugrunde zu legen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 30. November 2011 zurückzuweisen.
Sie trägt vor, das Urteil des BSG vom 10. November 1998 sei im Hinblick auf Berechtigte der sogenannten "Alten Versorgung" der DR getroffen worden. Zu diesem Personenkreis zähle der Kläger nicht. Gleiches gelte für die benannte Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 08. Februar 2000.
Die Beteiligten haben sich in der nichtöffentlichen Sitzung am 20. Juni 2012 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden können.
Die nach § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2009 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2010 rechtmäßig ist und den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Das SG hat die dagegen gerichtete Klage zu Recht abgewiesen.
I.
Die Beklagte hat den gemäß § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) geltend gemachten Anspruch, den Rentenbescheid vom 10. November 2004 abzuändern, zu Recht abgelehnt.
Rechtsgrundlage dieser Entscheidung ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Soweit sich danach im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, denn die Beklagte hat mit dem Rentenbescheid vom 10. November 2004 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem falschen Sachverhalt ausgegangen.
1.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Rente aus dem Versorgungs- und Rentenrecht der DDR. Der Kläger beantragte bei der Beklagten eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit ab dem 01. Januar 2005. Die Höhe der Rente bestimmt sich daher ausschließlich nach den Vorschriften des SGB VI. Die günstigere Berücksichtigung bestimmter Zeiten nach § 11 der EisenbahnerVO vom 28. März 1973 (GBl. I S. 217) ist nicht anwendbar, da diese Regelungen – mit bestimmten Modifikationen – nur bis zum 31. Dezember 1991 fortgalten (siehe Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Maßgabe 2 Buchstabe a) des Einigungsvertrages (EVertr) vom 31. August 1990).
2.
Der Kläger kann zudem keinen Übergangszuschlag nach § 319a SGB VI beanspruchen. In Art. 2 Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) wurde ein besonderes Übergangsrecht für im Beitrittsgebiet wohnende Personen aus rentennahen Jahrgängen geschaffen, deren Rentenbeginn in der Zeit vom 01. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 1996 lag. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger, dessen Rente am 01. Januar 2005 begonnen hat, nicht.
3.
Auch aus dem SGB VI folgen die Ansprüche nicht. Die vom Kläger bei der DR zurückgelegten Beitragszeiten sind nach § 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI Beitragszeiten im Bundesgebiet gleichgestellt. Entgeltpunkte hierfür werden nach Maßgabe der Sonderregelung des § 256a SGB VI ermittelt.
a)
Als Verdienst zählen nach § 256a Abs. 2 SGB VI in der Fassung des Art. 2 Nr. 2 des 2. AAÜG-ÄndG vom 27. Juli 2001 (BGBl. I 1939) nur der tatsächlich erzielte Arbeitsverdienst sowie die tatsächlich erzielten Einkünfte, für die jeweils Beiträge gezahlt worden sind (Satz 1). Abweichend gelten für Zeiten der Beschäftigung bei der DR vor dem 01. Januar 1974 für den oberhalb der im Beitrittsgebiet geltende Beitragsbemessungsgrenze (600 Mark monatlich) nachgewiesenen Arbeitsverdienst Beiträge zur FZR als gezahlt (Satz 2). In der Zeit vom 01. Januar 1974 bis 30. Juni 1990 gelten für solche Verdienste, höchstens aber bis zu (weiteren) 650 Mark monatlich, Beiträge zur FZR nur dann als gezahlt, wenn ein Beschäftigungsverhältnis bei der DR am 01. Januar 1974 bereits zehn Jahre ununterbrochen bestanden hat (Satz 3).
b)
Die Beklagte hat alle nach § 256a SGB VI zu berücksichtigenden tatsächlich erzielten Arbeitsverdienste und Einkünfte des Zeitraums 01. Januar 1974 bis 30. Juni 1990 herangezogen, soweit dafür entweder Beiträge gezahlt worden sind oder die Voraussetzungen für eine Fiktion der Beitragszahlung erfüllt waren. Die vom Kläger nach dem 31. Dezember 1973 tatsächlich erzielten Arbeitsverdienste oberhalb der im Beitrittsgebiet geltenden Bemessungsgrenze sind nicht zu berücksichtigen. Für diesen Teil seines Arbeitsentgelts hat er keine Beiträge entrichtet, wie es § 256a Abs. 2 Satz 1 SGB VI grundsätzlich verlangt. Beiträge zur FZR "gelten" auch nicht gemäß Abs. 2 Satz 3 als gezahlt, da hierfür das Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei der DR nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift am 01. Januar 1974 bereits zehn Jahre ununterbrochen bestanden haben müsste, was vorliegend nicht der Fall war.
4.
Der Kläger kann sich auch nicht auf mögliche Regelungen im damaligen Sozialversicherungsrecht der DDR berufen. Nach den Regelungen des EVertr sind alle Versorgungsansprüche mit bestimmten Maßgaben in die gesetzliche Rentenversicherung zu überführen gewesen. Dementsprechend wird ab dem 01. Januar 1992 ein gesetzlicher Anspruch nach dem SGB VI eingeräumt; die in der DDR und nach deren Vorschriften erworbenen Rechte, Ansprüche und Anwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung und der FZR sowie den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen sind durch entsprechende Rechte, Ansprüche und Anwartschaften nach dem SGB VI ersetzt worden. Das BVerfG hat mit Urteil vom 28. April 1999 (1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95 – juris) die sogenannte Systementscheidung (Überführung der Versorgungsansprüche des Beitrittsgebiets in einen allein nach dem SGB VI berechneten Rentenanspruch) für verfassungsgemäß erklärt. Nach dieser Entscheidung des BVerfG begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Gesetzgeber die in der ehemaligen DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften durch eine einheitliche, ausschließlich aus der gesetzlichen Rentenversicherung stammende Rentenleistung ersetzt hat.
Diese Regelungen des SGB VI sind auch nicht verfassungswidrig, insbesondere liegt keine unzulässige Ungleichbehandlung (Art. 3 GG) vor. Ist eine Regelung, die Bestandteil der gesetzlichen Überleitung von Renten aus einem System der Rentenversicherung in ein anderes System ist, am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes zu prüfen, so genügt sie dessen Anforderungen, wenn der Überleitung ein sachgerechtes Konzept zugrunde liegt und sich die zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellte Regelung in dieses Konzept einfügt. Dies gilt in ganz besonderer Weise, wenn der Systemwechsel durch die einzigartige Aufgabe der juristischen Bewältigung der Wiederherstellung der Deutschen Einheit veranlasst gewesen ist (BVerfG, Beschluss vom 30. August 2005 – 1 BvR 616/99 und 1 BvR 1028/03 – juris). Der Bundesgesetzgeber ist diesen Anforderungen nach Überzeugung des Senats nachgekommen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht, weil die aufgeworfenen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des BSG und des BVerfG geklärt sind.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger unter Berücksichtigung der "Alten Versorgung" der Deutschen Reichsbahn (DR) eine höhere Rente zusteht.
Der am ... 1940 geborene Kläger war vom 01. Juni 1971 bis 31. März 1999 bei der DR, nachfolgend D. B. AG beschäftigt. Er war der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) nicht beigetreten. Mit Bescheid vom 10. November 2004 bewilligte die Beklagte ihm eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit ab dem 01. Januar 2005. Gegen den Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Am 09. Januar 2006 beantragte er die Überprüfung des Rentenbescheides vom 10. November 2004. Mit Bescheid vom 05. April 2006 lehnte die Beklagte die Berücksichtigung von zusätzlichen Entgelten ab. Hiergegen legte der Kläger ebenso Widerspruch ein. Die Beklagte wies beide Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 06. Februar 2007 zurück.
Am 03. Juni 2009 beantragte der Kläger die Neuberechnung der Altersrente rückwirkend per 01. Januar 2005. Er vertrat die Auffassung, dass ihm für den Zeitraum vom 01. März 1973 bis 30. Juni 1990 bis 900 Mark statt nur 600 Mark für die Errechnung seiner Rente anzurechnen seien. Grundlage seiner Antragstellung seien die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. November 1998 (B 4 RA 33/98 R und B 4 RA 32/98) sowie das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 08. Februar 2000 (L 2 RJ 69/98). Mit Bescheid vom 10. Juni 2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Berücksichtigung zusätzlicher Entgelte über den 28. Februar 1971 hinaus für Beschäftigungszeiten bei der DR gemäß § 256a Abs. 2 bzw. § 307a Abs. 2 Satz 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (2. AAÜG-ÄndG) ab. Die Voraussetzung einer 10-jährigen ununterbrochenen Beschäftigung bei der DR am 01. Januar 1974 sei nicht erfüllt. Hiergegen legte der Kläger am 30. Juni 2009 Widerspruch ein. Bei der in Rede stehenden Antragstellung gehe es überhaupt nicht um die "10-Jahresklausel", sondern um die rechtskräftigen BSG-Urteile B 4 RA 33/98 R sowie B 4 RA 32/98 R sowie das Urteil L 2 RJ 69/98. In diesen Urteilen sei eindeutig entschieden worden, dass für den Zeitraum vom 01. März 1973 bis 30. Juni 1990 das Einkommen bis 900 Mark statt nur 600 Mark für die Errechnung seiner Rente anzurechnen sei. Mit Schreiben vom 25. August 2009 ergänzte die Beklagte den Bescheid vom 10. Juni 2009. Die Ausführungen im Bescheid zu § 259b SGB VI seien nicht zutreffend, ansonsten bleibe es bei der Entscheidung. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2010 zurück. Sie führte aus, dass das BSG mit Urteil vom 11. Dezember 2002 (B 5 RJ 14/00 R) entschieden habe, dass bei Rentenleistungen nach dem SGB VI für die Ermittlung von Entgeltpunkten auch bei ehemaligen Angehörigen der DR nur die tatsächlich erzielten Verdienste maßgebend seien und dies verfassungskonform sei. Die ausschließliche Heranziehung des tatsächlich erzielten Arbeitsverdienstes nach § 256a SGB VI unterliege keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 30. August 2005 – 1 BvR 616/99, 1 BvR 1028/03 – juris). Dies gelte nicht bei der "Alten Versorgung" der DR. Das BSG habe im Urteil vom 10. November 1998 – B 4 RA 33/98 – ausgeführt, dass am 01. Januar 1974 eine mindestens 10-jährige ununterbrochene Dienstzeit bei der Bahn vorliegen müsse, damit der Anspruch auf die "Alte Versorgung" bestehe.
Am 09. Februar 2010 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) mit dem Begehren erhoben, ihm für den Zeitraum vom 01. April 1974 bis 30. Juni 1990 sein tatsächliches Einkommen bis 900 Mark anzuerkennen. Er hat wiederholt auf die Urteile des BSG (B 4 RA 33/98 R und B 4 RA 32/98 R) verwiesen und die Auffassung vertreten, dass diesen Entscheidungen zu entnehmen sei, dass jene Eisenbahner, die nicht in der FZR gewesen seien, aber die Bedingungen der Versorgung § 2 erfüllen würden (besonderer Steigerungssatz von 1,5), für den Zeitraum von 1974 bis 1990 ihre Arbeitseinkommen bis 900 Mark anerkannt bekommen würden. Er gehe davon aus, dass er eine Anwartschaft auf die "Alte Versorgung" erworben habe. Er nehme insoweit Bezug auf die Übergangsregelung gemäß Ziffer 3 des 32. Nachtrages zum Rahmenkollektivvertrag (RKV) der DR bzw. § 10 der Versorgungsordnung der DR, Anlage 11 zum RKV DR in der Fassung des 53. Nachtrages vom 26. April 1989. Diese Regelung einschließlich der Ausführungsbestimmungen erfordere keine 10-jährige ununterbrochene Dienstzeit vor dem 01. Januar 1974. Gefordert seien nur der Beginn des Dienstverhältnisses vor diesem Termin und eine mindestens 10-jährige Dienstzeit vor Eintritt des Versorgungsfalles. Er hat zudem auf das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 08. Februar 2000 – L 2 RJ 68/98 – verwiesen.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass § 256a Abs. 2 SGB VI maßgeblich sei. Der Gesetzgeber habe in Satz 3 normiert, dass höhere Entgelte nur dann Berücksichtigung finden würden, wenn am 01. Januar 1974 bereits zehn Jahre ununterbrochen ein Beschäftigungsverhältnis bei der Deutschen Bahn bestanden habe.
Das SG hat mit Urteil vom 30. November 2011 die Klage abgewiesen. Gegen das am 13. Januar 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02. Februar 2012 Berufung beim Landesssozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Er sei seit 1971 bei der DR beschäftigt gewesen und habe Anwartschaften aus der Altersversorgung für Eisenbahner erworben. Er hätte im Juni 1990 die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 der Verordnung über die Pflichten und Rechte der Eisenbahner (EisenbahnerVO) vom 28. März 1973 erfüllt. Er gehe davon aus, dass er zu den sog. "Altfällen" gehöre, ohne dass er bereits vor dem 01. Januar 1974 mehr als zehn Jahre ununterbrochen beschäftigt gewesen sein müsse.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 30. November 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Änderung des Rentenbescheides vom 10. November 2004 für die Zeit ab 01. Januar 2005 der Rentenberechnung im Zeitraum 01. Januar 1974 bis 30. Juni 1990 den tatsächlich erzielten Arbeitsverdienst bis höchstens 900,00 Mark monatlich zugrunde zu legen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 30. November 2011 zurückzuweisen.
Sie trägt vor, das Urteil des BSG vom 10. November 1998 sei im Hinblick auf Berechtigte der sogenannten "Alten Versorgung" der DR getroffen worden. Zu diesem Personenkreis zähle der Kläger nicht. Gleiches gelte für die benannte Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 08. Februar 2000.
Die Beteiligten haben sich in der nichtöffentlichen Sitzung am 20. Juni 2012 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden können.
Die nach § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2009 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2010 rechtmäßig ist und den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Das SG hat die dagegen gerichtete Klage zu Recht abgewiesen.
I.
Die Beklagte hat den gemäß § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) geltend gemachten Anspruch, den Rentenbescheid vom 10. November 2004 abzuändern, zu Recht abgelehnt.
Rechtsgrundlage dieser Entscheidung ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Soweit sich danach im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, denn die Beklagte hat mit dem Rentenbescheid vom 10. November 2004 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem falschen Sachverhalt ausgegangen.
1.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Rente aus dem Versorgungs- und Rentenrecht der DDR. Der Kläger beantragte bei der Beklagten eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit ab dem 01. Januar 2005. Die Höhe der Rente bestimmt sich daher ausschließlich nach den Vorschriften des SGB VI. Die günstigere Berücksichtigung bestimmter Zeiten nach § 11 der EisenbahnerVO vom 28. März 1973 (GBl. I S. 217) ist nicht anwendbar, da diese Regelungen – mit bestimmten Modifikationen – nur bis zum 31. Dezember 1991 fortgalten (siehe Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Maßgabe 2 Buchstabe a) des Einigungsvertrages (EVertr) vom 31. August 1990).
2.
Der Kläger kann zudem keinen Übergangszuschlag nach § 319a SGB VI beanspruchen. In Art. 2 Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) wurde ein besonderes Übergangsrecht für im Beitrittsgebiet wohnende Personen aus rentennahen Jahrgängen geschaffen, deren Rentenbeginn in der Zeit vom 01. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 1996 lag. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger, dessen Rente am 01. Januar 2005 begonnen hat, nicht.
3.
Auch aus dem SGB VI folgen die Ansprüche nicht. Die vom Kläger bei der DR zurückgelegten Beitragszeiten sind nach § 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI Beitragszeiten im Bundesgebiet gleichgestellt. Entgeltpunkte hierfür werden nach Maßgabe der Sonderregelung des § 256a SGB VI ermittelt.
a)
Als Verdienst zählen nach § 256a Abs. 2 SGB VI in der Fassung des Art. 2 Nr. 2 des 2. AAÜG-ÄndG vom 27. Juli 2001 (BGBl. I 1939) nur der tatsächlich erzielte Arbeitsverdienst sowie die tatsächlich erzielten Einkünfte, für die jeweils Beiträge gezahlt worden sind (Satz 1). Abweichend gelten für Zeiten der Beschäftigung bei der DR vor dem 01. Januar 1974 für den oberhalb der im Beitrittsgebiet geltende Beitragsbemessungsgrenze (600 Mark monatlich) nachgewiesenen Arbeitsverdienst Beiträge zur FZR als gezahlt (Satz 2). In der Zeit vom 01. Januar 1974 bis 30. Juni 1990 gelten für solche Verdienste, höchstens aber bis zu (weiteren) 650 Mark monatlich, Beiträge zur FZR nur dann als gezahlt, wenn ein Beschäftigungsverhältnis bei der DR am 01. Januar 1974 bereits zehn Jahre ununterbrochen bestanden hat (Satz 3).
b)
Die Beklagte hat alle nach § 256a SGB VI zu berücksichtigenden tatsächlich erzielten Arbeitsverdienste und Einkünfte des Zeitraums 01. Januar 1974 bis 30. Juni 1990 herangezogen, soweit dafür entweder Beiträge gezahlt worden sind oder die Voraussetzungen für eine Fiktion der Beitragszahlung erfüllt waren. Die vom Kläger nach dem 31. Dezember 1973 tatsächlich erzielten Arbeitsverdienste oberhalb der im Beitrittsgebiet geltenden Bemessungsgrenze sind nicht zu berücksichtigen. Für diesen Teil seines Arbeitsentgelts hat er keine Beiträge entrichtet, wie es § 256a Abs. 2 Satz 1 SGB VI grundsätzlich verlangt. Beiträge zur FZR "gelten" auch nicht gemäß Abs. 2 Satz 3 als gezahlt, da hierfür das Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei der DR nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift am 01. Januar 1974 bereits zehn Jahre ununterbrochen bestanden haben müsste, was vorliegend nicht der Fall war.
4.
Der Kläger kann sich auch nicht auf mögliche Regelungen im damaligen Sozialversicherungsrecht der DDR berufen. Nach den Regelungen des EVertr sind alle Versorgungsansprüche mit bestimmten Maßgaben in die gesetzliche Rentenversicherung zu überführen gewesen. Dementsprechend wird ab dem 01. Januar 1992 ein gesetzlicher Anspruch nach dem SGB VI eingeräumt; die in der DDR und nach deren Vorschriften erworbenen Rechte, Ansprüche und Anwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung und der FZR sowie den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen sind durch entsprechende Rechte, Ansprüche und Anwartschaften nach dem SGB VI ersetzt worden. Das BVerfG hat mit Urteil vom 28. April 1999 (1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95 – juris) die sogenannte Systementscheidung (Überführung der Versorgungsansprüche des Beitrittsgebiets in einen allein nach dem SGB VI berechneten Rentenanspruch) für verfassungsgemäß erklärt. Nach dieser Entscheidung des BVerfG begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Gesetzgeber die in der ehemaligen DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften durch eine einheitliche, ausschließlich aus der gesetzlichen Rentenversicherung stammende Rentenleistung ersetzt hat.
Diese Regelungen des SGB VI sind auch nicht verfassungswidrig, insbesondere liegt keine unzulässige Ungleichbehandlung (Art. 3 GG) vor. Ist eine Regelung, die Bestandteil der gesetzlichen Überleitung von Renten aus einem System der Rentenversicherung in ein anderes System ist, am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes zu prüfen, so genügt sie dessen Anforderungen, wenn der Überleitung ein sachgerechtes Konzept zugrunde liegt und sich die zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellte Regelung in dieses Konzept einfügt. Dies gilt in ganz besonderer Weise, wenn der Systemwechsel durch die einzigartige Aufgabe der juristischen Bewältigung der Wiederherstellung der Deutschen Einheit veranlasst gewesen ist (BVerfG, Beschluss vom 30. August 2005 – 1 BvR 616/99 und 1 BvR 1028/03 – juris). Der Bundesgesetzgeber ist diesen Anforderungen nach Überzeugung des Senats nachgekommen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht, weil die aufgeworfenen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des BSG und des BVerfG geklärt sind.
Rechtskraft
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