Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 2882/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1456/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Wirbelsäulenschadens als Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.
Der 1944 geborene Kläger war vom 01.04.1963 bis zu seiner betriebsbedingten Kündigung (Bl. 15 V-Akte) zum 31.10.1997 als Baggerfahrer berufstätig. Nach seinen Angaben bediente er vom 01.04.1963 bis zum 31.12.1967 als Selbstständiger im elterlichen Baugeschäft einen Radbagger der Marke G., vom 01.01.1968 bis zum 28.02.1979 beim Bauunternehmen A. L. Kettenbagger der Marken O&K RH6 und M. G. sowie vom 01.03.1979 bis zum 31.10.1997 beim Bauunternehmen St. Radbagger der Marken Liebherr 902, Caterpillar M215 als Hydromeisel, Schaeff HML30, Zeppelin ZM13, Zeppelin ZM15 und Liebherr 912, jeweils zehn Stunden täglich. Anschließend war der Kläger bis zu seiner Frühberentung im Mai 2005 arbeitslos.
Unter dem 27.10.2005 erstellte der Arbeitsmediziner Dr. H. eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit. Beigefügt war der Arztbrief des Radiologen F. vom 21.06.2004 (Bandscheibenprotrusion L4/L5, bilaterale Spondylarthrose mit Hypertrophie der Ligamenta flava, Spinalkanalstenose Oberkante L5, rechts-lateraler beziehungsweise intraforaminaler Bandscheibenvorfall L5, Alteration der Wurzel L4 rechtsseits, chronischer medialer Bandscheibenprolaps L5/S1 bei hier ausgeprägter Osteochondrose). Der Kläger legte die Befundberichte des Internisten Dr. M. vom 13.01.2003 (vertebragene Thoraxschmerzen, schwere degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Hypertonus), des Radiologen F. vom 26.09.2003 (deutliche ventrale Spondylophytenbildung mit vorderer Längsbandverkalkung C5/C6 und C6/C7 der unteren Halswirbelsäule mit mäßiggradiger Impression des oberen Ösophagus von dorsal ohne relevante Stenosierung), des Internisten Dr. T. vom 25.11.2003 (degenerative Halswirbelsäulenveränderungen), des Internisten Dr. K., Chefarzt der AOK-Klinik St., vom 24.03.2005 (Lumboischialgie rechts bei Bandscheibenprotrusion L4/L5 und Spinalkanalstenose L4/L5, Übergewicht, arterielle Hypertonie, Zervicobrachial-Syndrom) und des Dr. H. vom 27.10.2005 (seit 1993 bestehende und deutlich zunehmende Rückenschmerzen, knöcherne Veränderungen und Bandscheibenschäden im Bereich der Lendenwirbelsäule, deutliche Abnutzungserscheinungen der Halswirbelsäule) vor.
Die Beklagte holte die arbeitstechnische Stellungnahme des Dipl.-Ing. (FH) A., Prävention Tiefbau, vom 12.12.2005 ein. Dieser führte in seiner Expositionsbewertung aus, unter Berücksichtigung von aus Messungen und Erkenntnissen der Messstelle für Lärm und Vibration sowie zahlreichen Untersuchungen des Berufsgenossenschaftlichen Institutes für Arbeitssicherheit entstammenden Erfahrungswerten und der reinen täglichen Maschinenbedienzeit betrage die Beurteilungsbeschleunigung bei der beruflichen Tätigkeit des Klägers für die Zeit vom 01.03.1979 bis zum 31.12.1990 aw(8) = 0,52 m/s2 und für die Zeit vom 01.01.1991 bis zum 31.10.1997 aw(8) = 0,44 m/s2, die deutlich unter dem im Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV angegebenen Grenzwert von aw(8) = 0,63 m/s2 liege. Ferner errechne sich eine Gesamtdosis von DvRi = 0 (m/s2)2, die unter dem der Rein-Braun-Studie entnommenen Orientierungswert von DvRi = 1.450 (m/s2)2 liege. Risikoerhöhende Faktoren seien nur in äußerst geringem Maße vorhanden, so dass sie für das tägliche Bedienen der Bagger kein bestimmtes Merkmal darstellen würden.
Ferner holte die Beklagte das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK - Die Gesundheitskasse Sch. H. ein.
Mit Bescheid vom 10.02.2006 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Beschwerden des Klägers an der Hals- und Lendenwirbelsäule ab. Sie führte zur Begründung aus, eine Berufskrankheit nach Nrn. 2109/2110 der Anlage 1 zur BKV liege nicht vor. Sie führte in Bezug auf die Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV ergänzend aus, der Kläger sei im Rahmen seines Berufslebens nicht gefährdend im Sinne des hierzu ergangenen Merkblattes tätig gewesen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung dieser Berufskrankheit lägen beim Kläger nicht vor.
Hiergegen legte der Kläger am 07.03.2006 Widerspruch ein. Er legte dar, einer vorwiegend vertikalen Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen könnten nach dem Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV vor allem Fahrer von Baggern sowie Rad- und Kettenladern ausgesetzt sein. Nachdem andere konkurrierende Faktoren nicht ausgemacht werden könnten, müsse sein Wirbelsäulenschaden dieser langjährigen Exposition angelastet werden. Ferner sei zu beanstanden, dass die Beklagte seine berufliche Tätigkeit vom 01.04.1963 bis zum 28.02.1979 nicht in ihre Ermittlungen einbezogen habe. Des Weiteren könne auch bei Werten unter dem Grenzwert von aw(8) = 0,63 m/s2 ein Gesundheitsrisiko angenommen werden.
Daraufhin holte die Beklagte eine weitere arbeitstechnische Stellungnahme des Dipl.-Ing. (FH) A. vom 03.05.2006 ein. Dieser führte darin aus, risikoerhöhende Faktoren wie vorgeneigte oder verdrehte Körperhaltung oder Stoßhaltigkeit hätten beim Bedienen der jeweiligen Bagger zwar zeitweise, jedoch nur in einem äußerst geringen Umfang vorgelegen, so dass sie für das tägliche Bedienen der Bagger kein bestimmendes Merkmal darstellten. Von einer Gefährdung im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV könne somit nicht ausgegangen werden. Dies gelte auch für die vor dem 01.03.1979 bedienten Bagger. Diese seien zwar möglicherweise mit schlechteren und weniger beziehungsweise nicht gedämmten Fahrersitzen ausgestattet gewesen, hätten jedoch im Vergleich zu den heutigen Baggern weniger Leistung gehabt, so dass eine erhöhte Belastung durch Ganzkörpervibrationen auch hier nicht vorgelegen habe. Dies sei durch zahlreich durchgeführte Messungen an ähnlichen oder vergleichbaren Baggern dokumentiert worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie stützte sich dabei auf die erneut eingeholte arbeitstechnische Stellungnahme, wonach auch bei den vor 1979 bedienten Baggern die für die Beurteilungsbeschleunigung maßgebliche Grenze nicht überschritten werde.
Hiergegen hat der Kläger am 07.08.2006 Klage beim Sozialgericht Heilbronn erhoben. Er hat ergänzend darauf hingewiesen, die in dem von der Beklagten nicht berücksichtigten Zeitraum vom 01.04.1963 bis zum 28.02.1979 bedienten Bagger hätten eine höhere Stoßbelastung als die neuen Baggertypen verursacht. Die zusätzliche Belastung bei Benutzung des Radbaggers der Marke Caterpillar M215 als Hydromeisel an circa 30 Tagen im Jahr sei von der Beklagten nicht berücksichtigt worden und es sei aufgrund seiner Tätigkeit häufig zu vorgeneigten Haltungen gekommen. Der Kläger hat ferner die Ansicht vertreten, die Herabsetzung des Eingangsschwellenwert durch die neue Verordnung zur vibrationsbedingten Tätigkeit müsse zu einer Überprüfung des Grenzwertes von aw(8) = 0,63 m/s2 führen.
Mit Gerichtsbescheid vom 24.02.2009 hat das Sozialgericht die Klage nach vorangegangener Anhörung vom 04.01.2007 abgewiesen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV seien nicht erfüllt. Nach dem hierzu ergangenen Merkblatt in der Fassung bis zum 31.05.2005 setze sich die gesamte berufliche Schwingungsbelastung aus der Gesamtzahl der Expositionen mit Beurteilungsschwingstärken nach der VDI 2057 von wenigstens Kr = 16,2 - bei ungünstigen Verhältnissen auch von wenigstens Kr = 12,5 - zusammen. Die so ermittelten Tagesdosiswerte seien zu einem Gesamtdosiswert zu addieren. Als Orientierungswert sei ein Wert von DvRi = 580 x 103 herangezogen worden, ab dem die Erfüllung der beruflichen Voraussetzungen der Berufskrankheit angenommen worden sei. Im Merkblatt in der Fassung seit dem 01.06.2005 könne bei einer Mindestbeurteilungsbeschleunigung von aw(8) = 0,45 m/s2 und einer Expositionsdauer von mehr als zehn Jahren ein Gesundheitsrisiko bestehen, falls die Exposition mit anderen risikoerhöhenden Faktoren einhergehe. Risikoerhöhende Faktoren könnten beispielsweise das Alter von über 40 Jahren bei Beginn der Exposition, vorgeneigte oder verdrehte Haltung oder Stoßhaltigkeit sein. Vorliegend sei nicht ersichtlich, dass der Kläger in einem vergleichbaren Umfang langjährig vertikalen Schwingungsbelastungen ausgesetzt gewesen sei. Nach den arbeitstechnischen Stellungnahmen vom 12.12.2005 und 03.05.2006 habe die Beurteilungsbeschleunigung beim Kläger Werte von aw(8) = 0,52 m/s2 beziehungsweise aw(8) = 0,44 m/s2 und damit unter dem Schwellenwert von aw(8) = 0,63 m/s2, der für die generelle Annahme einer Gefährdung gefordert werde, ergeben. Die dort angegebenen Werte seien insbesondere unter Berücksichtigung der verschiedenen Maschinenarten und Modelle während der verschiedenen Beschäftigungszeiträume des Klägers errechnet worden. Es bestünden auch keinerlei Bedenken bei der Zugrundelegung des Schwellenwertes von aw(8) = 0,63 m/s2 als generellem Grenzwert. Die vom Kläger zitierte Verordnung zur vibrationsbedingten Tätigkeit in Verbindung mit der EU-Richtlinie 2002/44/EG verfolge einen anderen Zweck. Hierdurch solle den Herstellern von schwingungsbelastenden Maschinen und Geräten und Arbeitgebern im Baugewerbe die Verpflichtung auferlegt werden, bereits bei Schwingungen unterhalb der für die Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV maßgeblichen Grenze Präventionsmaßnahmen einzuleiten. Eine Änderung der Grenze des Schwellenwertes im Rahmen der Prüfung dieser Berufskrankheit sei hierdurch jedoch nicht beabsichtigt. Es hätten zudem auch keine risikoerhöhenden Faktoren im Sinne des Merkblattes vorgelegen. Zwar sei eine Beurteilungsbeschleunigung beim Kläger von aw(8) = 0,52 m/s2 errechnet worden. Auch habe eine vorgeneigte oder verdrehte Körperhaltung oder Stoßhaltigkeit beim Bedienen der jeweiligen Bagger zeitweise, wie beispielsweise bei Arbeiten mit einem Bagger mit Hydromeisel, vorgelegen. Diese seien jedoch in einem äußerst geringen Umfang aufgetreten, so dass hier ein Abweichen von der Beurteilungsbeschleunigung von aw(8) = 0,63 m/s2 nicht angezeigt sei. Auch hinsichtlich der vor dem 01.03.1979 bedienten Bagger (zwar schlechter, weniger beziehungsweise nicht gedämpfter Fahrersitz, aber weniger Leistung) liege die Beurteilungsbeschleunigung unter aw(8) = 0,63 m/s2 und seien risikoerhöhende Faktoren zu verneinen.
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 01.03.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27.03.2009 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, die sich aus den arbeitstechnischen Stellungnahmen ergebenden Belastungen von aw(8) = 0,52 m/s2 beziehungsweise aw(8) = 0,44 m/s2 überstiegen zusammen den Wert aw(8) = 0,63 m/s2, so dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben seien. Der untere Grenzwert von aw(8) = 0,45 m/s2 sei jedenfalls überschritten. Ferner sei die hohe Stoßhaftigkeit durch das Bedienen des Hydromeisels zu berücksichtigen. Im Übrigen sei durch die EU-Richtlinie 2002/44/EG der Auslösewert auf aw(8) = 0,50 m/s2 festgelegt worden. Den sich auf eine MdE beziehenden Klageantrag hat er ausdrücklich zurückgenommen.
Die Beklagte hat hierzu eine weitere arbeitstechnischen Stellungnahme vorgelegt. Dipl.-Ing. (FH) A. hat am 09.07.2009 dargelegt, die für die Zeit vom 01.04.1963 bis zum 28.02.1979 errechnete Beurteilungsbeschleunigung von maximal aw(8) = 0,56 m/s2 liege unter dem Grenzwert aw(8) = 0,63 m/s2. Der in der EU-Richtlinie 2002/44/EG angegebene und durch die Lärm- und Vibrationsschutzverordnung umgesetzte Auslösewert von aw(8) = 0,50 m/s2 könne für die Beurteilung nicht herangezogen werden, da dieser Wert nur eine Orientierung für die Prävention darstelle. Als Expositionsgrenzwert für Ganzkörpervibrationen werde in der Lärm- und Vibrationsschutzverordnung ein Wert von aw(8) = 0,80 m/s2 in z-Richtung beziehungsweise von aw(8) = 1,15 m/s2 in x- und y-Richtung angegeben. Vibrationsmessungen an Hydraulikbaggern mit angebautem Abbruchmeisel hätten im Vergleich zu normalen Baggertätigkeiten keine signifikant erhöhten Werte ergeben. Würde man Arbeiten mit Abbruchmeisel mit aw(8) = 0,63 m/s2 berücksichtigen, so ergäbe sich für eine Belastung an 30 Tagen im Jahr vom 01.03.1979 bis zum 31.10.1997 eine Dosis von DvRi = 220 (m/s2)2, die weit unter dem Dosisrichtwert von DvRi = 1.450 (m/s2)2 liege.
Hierzu hat der Kläger eingewandt, es sei durch ihn nicht nachprüfbar, warum die Beklagte nicht den in der Tabelle 3 des Merkblattes genannten Wert von 1,15 generell zugrunde gelegt habe. Zudem seien auch Kettenbagger über Jahre hinweg benutzt worden, für die nach der Tabelle 3 des Merkblattes ein Wert von 1,2 zugrunde gelegt worden sei. Des Weiteren sei nicht ersichtlich, welchen Untergrund beim Bedienen der Bagger die Beklagte ihrer Berechnung zugrunde gelegt habe. Es sei ferner fraglich, ob die Beklagte den fehlenden Kontakt zur Rückenlehne berücksichtigt habe.
Dipl.-Ing. (FH) A. hat in seiner arbeitstechnischen Stellungnahme vom 26.10.2009 hierzu ausgeführt, in der Rhein-Braun-Studie 1982 sei unter Berücksichtigung dessen, dass Fahrer sechs bis sieben Stunden täglich an 221 Arbeitstagen im Jahr zehn Jahre lang mit einer Schwingungsbelastung aw(8) = 0,81 m/s2 tätig seien, die Richtdosis von DvRi = 1.450 (m/s2)2 errechnet worden. In der sogenannten Schwarze-Studie, Ausgabe 1999, sei der risikorelevante Bereich für die Entwicklung einer Berufskrankheit nach der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV in einem Dosisbereich von DvRi = 580 x 103 bis DvRi = 1.160 x 103 anzusiedeln. Sodann habe man den niedrigeren Wert von DvRi = 1.450 (m/s2)2 beziehungsweise DvRi = 580 x 103 als Orientierungswert herangezogen. Zur Zeit gebe es keine weiteren Studien, die geeignetere oder andere Erkenntnisse für die Beurteilung von Erkrankungen nach der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV liefern könnten. Die in der Tabelle 3 des Merkblattes angegebenen Werte stellten nicht die Höhe der Exposition (Schwingungsbelastung) für die entsprechenden Maschinen, sondern nur Faktoren zur Umrechnung von Messwerten in z-Richtung von der VDI 2057:1987 in die VDI 2057:2002 dar. Er hat die Veröffentlichung Dupuis/Hartung, BG 1994, S. 346, beigefügt.
Daraufhin hat der Kläger gefordert, Auskunft darüber zu erhalten, welcher Baggertyp mit welcher Schwingungsstärke aus der Schwingungsdatenbank zugrunde gelegt worden sei. Außerdem seien arbeitstäglich nicht acht, sondern zehn Stunden zu berücksichtigen. Ferner habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass die Tätigkeit mit Rad-Hydraulik-Baggern eine 2,5fach stärkere Schwingung hervorrufe als eine solche auf Ketten-Hydraulik-Baggern. Er habe 23 Jahre lang Radbagger und elf Jahre lang Kettenbagger betätigt. Unverständlich sei, dass die außerordentlich schwingungsbelastende Tätigkeit mit einem Hydromeisel einen geringeren aw(8)-Wert habe als die Tätigkeit mit einem Hydraulik-Bagger. Er hat hierzu 2 Artikel zur Schwingungsbelastung auf Erdbaumaschinen und in der Bauwirtschaft vorgelegt.
Dipl.-Ing. (FH) A. hat zu diesem Vorbringen in seiner arbeitstechnischen Stellungnahme vom 02.02.2010 ausgeführt, bei den der Beurteilung zugrunde gelegten Erfahrungswerten, die zahlreichen Messungen und Erkenntnissen der Messstelle für Lärm und Vibration sowie zahlreichen Untersuchungen des Berufsgenossenschaftlichen Institutes für Arbeitssicherheit entstammten, seien Messwerte an den vom Kläger bedienten Baggern oder vergleichbaren Baumaschinen herangezogen worden. Es seien sämtliche Bedingungen, die beim Bedienen von Baggern auftreten könnten und für die Belastung im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV von Bedeutung seien, berücksichtigt worden. Er hat die Werte für diverse Baggertypen aus der Datenbank des Berufsgenossenschaftlichen Institutes für Arbeitssicherheit beigefügt. Er hat ferner dargelegt, beim Bedienen von Hydraulikbaggern liege die Einwirkungsdauer erfahrungsgemäß bei circa 70 bis 80 % der Arbeitszeit. Ausgehend davon seien als Einwirkungsdauer 80 % aus zehn Stunden und mithin acht Stunden berücksichtigt worden. Außerdem seien die vom Kläger angesprochenen hohen Schwingungsbelastungen bei Radladern und Radozzern nicht vergleichbar mit der Schwingungsbelastung bei Baggern, denn es handele sich bei Radladern und Radozzern um einen gänzlich anderen Baumaschinentyp. Es lägen derzeit keine Hinweise vor, dass beim Bedienen von Hydraulikbaggern höhere als die in der Berechnung zugrunde gelegten Schwingungswerte zu erwarten seien. Dabei spielten weder Baujahr noch Antrieb (mobil oder Kette) oder Anbauten (zum Beispiel Abbruchmeisel) eine relevante Rolle.
Der Kläger hat hiergegen eingewandt, die von der Beklagten vorgelegten Daten entsprächen nicht seiner arbeitstechnischen Realität, denn die von ihm benutzten Bagger der Marken G., O&K, M. F. und Liebherr mit dem Baujahr 1980 seien nicht aufgelistet. Was die den von ihm benutzten Baggern zugeordneten Werte aussagten, sei nicht dargelegt. Er hat hierzu eine eigene Berechnung anhand der Werte der Datenbank des Berufsgenossenschaftlichen Institutes für Arbeitssicherheit vorgelegt.
Dipl.-Ing. (FH) A. hat in seiner neuerlichen arbeitstechnischen Stellungnahme vom 18.05.2010 ausgeführt, für die Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV sei nur die Beurteilungsbeschleunigung in z-Richtung von Bedeutung. Die Datenbank des Berufsgenossenschaftlichen Institutes für Arbeitssicherheit erfasse hunderte von Messungen an unterschiedlichsten Baumaschinen, es könnten aber nur die Messwerte bedienter oder vergleichbarer Bagger herangezogen werden.
Ferner hat der Kläger eingewandt, eine korrekte Erfassung der Belastungen durch die Eigenart der Fahrzeuge und der Tätigkeiten sei seitens der Beklagten nicht erfolgt, da nur mit pauschalen Werten hantiert worden sei.
Dipl.-Ing. (FH) A. hat in seiner letzten arbeitstechnischen Stellungnahme vom 27.10.2010 ausgeführt, insgesamt müsse eine retrospektive Betrachtung und Bewertung über mehrere Tage, Wochen, Monate beziehungsweise Jahre erfolgen. Da es nicht möglich sei, retrospektiv für jeden Tag mit Maschinenbedienzeit einen eigenen Wert anzugeben, müssten für die Gesamtbeurteilung Durchschnittswerte beziehungsweise Mittelwerte angesetzt werden, die einen längeren Zeitraum und somit auch die permanent wechselnden Einsatzbedingungen, Betriebsbedingungen und Baustelleneigenarten abdeckten.
Der Berichterstatter hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten unter Hinzuziehung des Dipl.-Ing. (FH) A. am 19.03.2013 erörtert, der die Berechnung der Schwingungsbelastung noch einmal dargelegt hat. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom gleichen Tag verwiesen.
Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Februar 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2006 aufzuheben und seinen Wirbelsäulenschaden als Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien bereits im Verwaltungsverfahren abgeklärt worden. Auch unter Berücksichtigung der Belastungen durch den Hydromeisel von April 1963 bis Oktober 1997 liege keine Wirbelsäulengefährdung vor. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06) betreffe die Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV und sei auf die Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV nicht übertragbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung seines Wirbelsäulenschadens als Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV.
Anzuwenden sind die Vorschriften des zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), da der geltend gemachte Versicherungsfall erst mit der am 31.10.1997 und damit unter Geltung des SGB VII erfolgten Aufgabe der für wirbelsäulenschädlich gehaltenen Tätigkeit eingetreten sein kann (§ 212 Abs. 1 SGB VII). Die BKV ist in ihrer vom 01.01.1993 bis zum 30.11.1997 geltenden Fassung zugrunde zu legen.
Rechtsgrundlage für die Feststellung einer Berufskrankheit sind die §§ 7 und 9 SGB VII in Verbindung mit der BKV.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII).
Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
Aus diesen gesetzlichen Vorgaben hat die Rechtsprechung (zuletzt in BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - juris) die folgenden Grundsätze entwickelt:
Für die Feststellung einer Erkrankung als Berufskrankheit ist erforderlich, dass die Verrichtungen des Versicherten einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtungen zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und dass diese Einwirkungen eine Krankheit des Versicherten verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).
Die versicherte Tätigkeit, die Verrichtungen, die Einwirkungen und die Krankheit müssen als rechtserhebliche Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen.
Für die Einwirkungskausalität und die haftungsbegründende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen die berufliche Verursachung spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Bei der Anwendung dieser Beweismaßstäbe ist zu beachten, dass für die tatsächlichen Grundlagen der Wertentscheidung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, soweit es sich nicht um den Kausalverlauf als solchen handelt, also insbesondere für Art und Ausmaß der schädigungsgeeigneten Einwirkung als wichtiges Kriterium für die Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität, der volle Nachweis zu erbringen ist.
Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob die Einwirkungen wesentlich waren. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jede/s andere alltäglich vorkommende Ereignis oder Einwirkung zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG, Urteil vom 09.05.2005 - B 2 U 1/05 R - juris; BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind vorliegend auch zur Überzeugung des Senats die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV nicht gegeben.
Als Berufskrankheit sind bezeichnet in Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können.
Vorliegend ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die bei den Verrichtungen des Klägers als Baggerfahrer erfolgten Einwirkungen dessen Wirbelsäulenschaden verursacht haben. Es fehlt es an der haftungsbegründenden Kausalität zwischen Einwirkungen und Erkrankung.
Es sind bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Vorliegen der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV nicht gegeben.
Der Senat legt bei seiner Beurteilung das zu dieser Berufskrankheit durch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziales am 01.05.2005 bekannt gemachte Merkblatt (BArbBl. 7/2005, Seite 43) zu Grunde.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R - juris) ist es Aufgabe der Verwaltung und der Gerichte, die im Text der BKV nur unbestimmt beschriebenen Einwirkungen zu präzisieren. Dazu kann die Festlegung gehören, welches Maß an Schwingungsbelastungen im Verlauf der versicherten Berufstätigkeit mindestens erreicht worden sein muss, damit überhaupt ein Kausalzusammenhang mit der Wirbelsäulenerkrankung in Betracht kommt. Zwar ist dem Wortlaut der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV für die Notwendigkeit einer Mindestbelastungsdosis nichts zu entnehmen. Aus dem Fehlen einer Angabe zum Grad der erforderlichen Einwirkungen kann aber nicht gefolgert werden, dass Ganzkörperschwingungen schlechthin, unabhängig von ihrer Intensität und Stärke, als geeignet angesehen werden, Bandscheibenschäden zu verursachen, sofern sie nur langjährig einwirken. Der Verordnungsgeber verzichtet bei der Formulierung der Berufskrankheiten-Tatbestände vielfach bewusst auf die Angabe konkreter Belastungsarten und Belastungsgrenzwerte und verwendet stattdessen auslegungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe, um bei der späteren Rechtsanwendung Raum für die Berücksichtigung neuer, nach Erlass der Verordnung gewonnener oder bekannt gewordener wissenschaftlicher Erkenntnisse zu lassen. Von daher ist es notwendig, die Begriffe auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt erreichten Forschungsstandes zu konkretisieren und festzustellen, wie danach die beruflichen Einwirkungen beschaffen sein müssen, um die betreffende Krankheit hervorrufen zu können. Wird eine Mindestbelastungsdosis bestimmt, muss deren Wert so niedrig bemessen werden, dass im Falle seiner Unterschreitung auch in besonders gelagerten Fällen, etwa auch beim Zusammenwirken der Schwingungsbelastungen mit anderen schädlichen Einwirkungen und unter Berücksichtigung der multifaktoriellen Entstehung von bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule ein rechtlich relevanter Kausalzusammenhang ohne weitere medizinische Prüfung ausgeschlossen ist. Das bedeutet andererseits nicht, dass beim Erreichen der Mindestdosis der Ursachenzusammenhang zwischen den Einwirkungen und der Krankheit automatisch anzuerkennen ist, weil Art und Ausmaß der Einwirkungen nur ein Kriterium zur Beurteilung des Ursachenzusammenhangs sind. Diese Überlegungen erfordern also neben der Festlegung einer Mindestdosis unter Umständen auch die Benennung von höheren Dosiswerten, bei denen unter Einbeziehung weiterer Kriterien zur Beurteilung des Ursachenzusammenhangs die Wahrscheinlichkeit einer Verursachung der Krankheit durch die beruflichen Einwirkungen steigt. Soll ein Antrag auf Anerkennung einer Krankheit als Berufskrankheit allein aufgrund des Nichtvorliegens ausreichender Einwirkungen abgelehnt werden, ist es notwendig, die in der Definition der Berufskrankheit beschriebenen Einwirkungen zu konkretisieren und festzustellen, bei welcher Dosis sie nicht mehr geeignet sind, die betreffende Krankheit nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu verursachen. Für die höheren Dosiswerte, die unter Einbeziehung weiterer Kriterien zur Beurteilung des Ursachenzusammenhangs eine Anerkennung der Krankheit als Berufskrankheit rechtfertigen, gilt dasselbe entsprechend. Die Frage, welcher Einwirkungen es mindestens bedarf, um eine Berufskrankheit zu verursachen beziehungsweise die Anerkennung einer Berufskrankheit unter Einbeziehung weiterer Kriterien zu rechtfertigen, ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten. Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der G.en Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht. Das Gericht, das die für die Anerkennung als Berufskrankheit erforderlichen Einwirkungen zu präzisieren hat, muss sich Klarheit darüber verschaffen, welches in der streitigen Frage der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist. Ausgehend von der Begründung des Verordnungsgebers zur Einführung der Berufskrankheit können dazu einschlägige Publikationen, beispielsweise die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums und die wissenschaftliche Begründung des ärztlichen Sachverständigenbeirats, Sektion Berufskrankheiten, zu der betreffenden Berufskrankheit oder Konsensusempfehlungen der mit der Fragestellung befassten Fachmediziner herangezogen werden, sofern sie zeitnah erstellt oder aktualisiert worden sind und sich auf dem neuesten Stand befinden.
Nach dem somit heranzuziehenden Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV (siehe dazu LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.01.2010 - L 3 U 1139/05 - juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.11.2008 - L 2 U 55/02 - juris; Bayerisches LSG, Urteil vom 02.04.2008 - L 2 U 1 - juris 14/08; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.02.2008 - L 2 U 1270/06 - juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.01.2008 - L 2 U 1035/05 - juris) gelten folgende Grundsätze:
Bandscheibenerkrankungen der Lendenwirbelsäule (mit-)verursachende oder verschlimmernde vorwiegend vertikale Einwirkungen von Ganzkörperschwingungen im Sitzen können insbesondere Fahrer von Baggern bei intensiver Schwingungsbelastung, zum Beispiel bei Abbrucharbeiten, ausgesetzt sein (Merkblatt, I. Gefahrenquellen). Voraussetzung für die Annahme eines arbeitsbezogenen Kausalzusammenhangs ist eine fünf- bis zehnjährige oder längere wiederholte Einwirkung von vorwiegend vertikalen Ganzkörperschwingungen in Sitzhaltung mit einer Tagesdosis in Form der Beurteilungsbeschleunigung aw(8) von im Regelfall 0,63 m/s2 in der vertikalen z-Achse. In Ausnahmefällen können auch schon bei geringeren Beurteilungsbeschleunigungen Gesundheitsrisiken auftreten (Merkblatt, IV. Weitere Hinweise). Bei einer Expositionsdauer von mindestens zehn Jahren gilt dabei Folgendes: Bei einer Beurteilungsbeschleunigung aw(8) = 0,45 m/s2 (Untergrenze nach VDI 2057-1) beziehungsweise aw(8) = 0,50 m/s2 (Auslösewert nach EU-Richtlinie 2002/44/EG) kann ein Gesundheitsrisiko bestehen, falls die Exposition mit anderen risikoerhöhenden Faktoren einhergeht, wie Alter über 40 Jahre zum Beginn der Exposition, vorgeneigte oder verdrehte Haltung, Stoßhaltigkeit, kurze tägliche Expositionsabschnitte mit hoher Intensität in Verbindung mit längerandauernden Expositionspausen oder Zeiten mit sehr geringer Intensität. Bei einer Beurteilungsbeschleunigung aw(8) = 0,63 m/s2 (Mitte der Zone erhöhter Gesundheitsgefährdung nach VDI 2057-1) ist von einem Gesundheitsrisiko auszugehen (Merkblatt, Tabelle 2). Bei Baggern gilt für die Umrechnung der Werte nach VDI 2057:1987 in die Werte nach VDI 2057-1:2002 der Faktor 1,15 (Merkblatt, Tabelle 3). Bei der Berechnung der aw(8)-Werte, welche die Gesamtbelastung während eines Tages kennzeichnen, sind die Maschinenart und zahlreiche weitere Faktoren wie zum Beispiel der befahrene Untergrund, die individuelle Fahrgeschwindigkeit und Fahrweise und/oder Zuladung zu berücksichtigen (Merkblatt, IV. Weitere Hinweise).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Berechnungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten zum Ausmaß der mechanischen Belastung durch das Bedienen von Baggern für den Senat überzeugend.
Daraus ergibt sich, dass der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit als Baggerfahrer in der Zeit vom 01.04.1963 bis zum 31.10.1997 einer Tagesdosis in Form der Beurteilungsbeschleunigung aw(8) = 0,63 m/s2 in der vertikalen z-Achse, auch unter Berücksichtigung der Bedienung des Baggers mit Hydromeisel, nicht ausgesetzt war. Die umfangreichen und detaillierten Ausführungen des Dipl.-Ing. (FH) A. in seinen arbeitstechnischen Stellungnahmen und insbesondere im Rahmen des Erörterungstermins sind für den Senat schlüssig und gut nachvollziehbar.
Der Senat hält die Vorgehensweise des Dipl.-Ing. (FH) A., bei der in einem ersten Schritt zu ermittelnden konkreten Schwingungsbelastung die bei über 100 Baggertypen erfolgten Messungen der Messstelle sowie die Messdatenbanken des Berufsgenossenschaftlichen Instituts für Arbeitssicherheit heranzuziehen und dabei die unter den Arbeitsbedingungen des jeweiligen Versicherten erzielten Messwerte für die vom jeweiligen Versicherten benutzten Bagger, hilfsweise die Messwerte für vergleichbare Maschinen mit vergleichbarem Baujahr und vergleichbarem Gewicht beziehungsweise unter Auswertung der Erkenntnisse aus den zahlreichen Messungen einen repräsentativen Wert zu Grunde zu legen, für überzeugend. Im Fall des Klägers hat eine Durchsicht der Datenbanken ergeben, dass die von ihm benutzten Bagger beziehungsweise vergleichbare Baumaschinen den Grenzwert von aw(8) = 0,63 m/s² nicht erreicht haben, wobei Dipl.-Ing. (FH) A. sogar den sich aus den Datenbanken ergebenden Durchschnittswert für Bagger zu Gunsten des Klägers heraufgesetzt hat. So ergeben sich beispielsweise aus dem vorgelegten Datenbank-Auszug Schwingungsbelastungswerte in z-Richtung für die Radbagger der Marken O&K RH6 von aw(8) = 0,19 m/s2, Liebherr 902 von aw(8) = 0,29 bis 0,32 m/s2, Schaeff HML30 von aw(8) = 0,24 m/s2, Zeppelin ZM13 von aw(8) = 0,31 bis 0,42 m/s2, Zeppelin ZM15 von aw(8) = 0,24 m/s2 und Liebherr 912 von aw(8) = 0,26 bis 0,53 m/s2. Im Fall des Klägers ergeben sich unter Zugrundelegung dieser Vergleichswerte nach den vom Senat nicht zu beanstandenden Berechnungen des Dipl.-Ing. (FH) A. Beurteilungsbeschleunigungswerte für die Zeit vom 01.04.1963 bis zum 28.02.1979 von aw(8) = 0,56 m/s2, für die Zeit vom 01.03.1979 bis zum 31.12.1990 von aw(8) = 0,52 m/s2 und für die Zeit vom 01.01.1991 bis zum 31.10.1997 von aw(8) = 0,44 m/s2, die deutlich unter dem im Merkblatt angegebenen Grenzwert von aw(8) = 0,63 m/s2 liegen. Dass auch in der Zeit vom 01.04.1963 bis zum 28.02.1979 von keiner über dem Grenzwert liegenden Schwingungsbelastung auszugehen ist, ergibt sich aus den gut nachvollziehbaren Ausführungen des Dipl.-Ing. (FH) A., die sich auf zahlreich durchgeführte Messungen an ähnlichen oder vergleichbaren Baggern stützen. Danach sind Bagger älteren Baujahres zwar möglicherweise mit schlechteren und weniger beziehungsweise nicht gedämmten Fahrersitzen ausgestattet gewesen, haben jedoch im Vergleich zu den neueren Baggern weniger Leistung gehabt, so dass eine erhöhte Belastung durch Ganzkörpervibrationen auch hier nicht vorgelegen hat. Dass dies der Arbeitsrealität des Klägers entspricht, ergibt sich daraus, dass bei Maschinen, die fahrend auf schlechtem Untergrund eingesetzt werden - wie beispielsweise Baustellen-Lastkraftwagen - hohe Vibrationen, aber bei Maschinen, die langsam bewegt beziehungsweise im Stand genutzt werden - wie beispielsweise Bagger - weniger hohe Vibrationen aufgetreten sind. Diese Erkenntnis spiegelt sich im Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV wieder. Denn danach gelten Bagger nicht schlechthin, sondern lediglich bei intensiver Belastung - zum Beispiel bei Abbrucharbeiten - als Gefahrenquelle und sind Bagger im stationären Einsatz aus dem Gefahrenbereich ausgenommen (Merkblatt, I. Gefahrenquellen). Grundsätzlich ist daher ein Fahren auf unebenem beziehungsweise unbefestigtem Gelände (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2110, Anmerkung 2 zum Merkblatt; Kummer, Schwingungsbelastung auf Erdbaumaschinen, Tiefbau 1998, 192ff., 192; Melzi-Thiel/Kinne/Schatte, Technik 23: Schwingungsbelastung in der Bauwirtschaft, Seite 4) zu verlangen. Auch haben nach den Darlegungen des Dipl.-Ing. (FH) A. Vibrationsmessungen an Hydraulikbaggern mit angebautem Abbruchmeisel im Vergleich zu normalen Baggertätigkeiten keine signifikant erhöhten Werte ergeben, so dass vom Kläger auch insoweit der Grenzwert nicht erreicht wird.
Zutreffend hat Dipl.-Ing. (FH) A. in einem zweiten Schritt die in der tatsächlich geleisteten mit Vibrationen verbundenen Arbeitszeit aufgetretene Schwingungsbelastung ermittelt. Er hat dabei schlüssig dargelegt, dass die sich im ersten Schritt ermittelte und auf eine Acht-Stunden-Schicht mit kontinuierlicher Arbeit mit der Baumaschine im laufenden Betrieb beziehende Schwingungsbelastung unter Heranziehung der aus Baustellenbesichtigungen gewonnenen Erfahrungswerte über Stillstandzeiten der Maschinen während der Arbeitszeit herabzusetzen ist und daher zu Recht in Bezug auf die vom Kläger angegebene tägliche Arbeitszeit von zehn Stunden einen Abschlag um 20 % vorgenommen.
Zu Recht hat Dipl.-Ing. (FH) A. dargelegt, dass die in einem dritten Schritt festzustellende Gesamt-Lebensarbeitszeitdosis nur unter Berücksichtigung von Tages-Schwingungsbelastungen aw(8) = 0,63 m/s² zu ermitteln ist. Der Richtwert für die Gesamt-Lebensarbeitszeitdosis ergibt sich aus der durch die Rein-Braun-Studie gewonnenen Erkenntnis, dass Fahrer sechs bis sieben Stunden täglich an 221 Arbeitstagen im Jahr zehn Jahre lang mit einer Schwingungsbelastung aw(8) = 0,81 m/s2 tätig sein müssen, um von einer berufskrankheitenrelevanten Einwirkung ausgehen zu können (Dupuis/Hartung, Arbeitstechnische Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2110, Die BG 1994, 346ff., 347). Mithin ergibt sich hieraus eine Gesamt-Lebensarbeitszeitdosis von DvRi = 10 Jahre x 221 Tage x 0,81 m/s2 x 0,81 m/s2 = 1.450 (m/s2)2 (diesen Wert auch annehmend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.01.2011 - L 8 U 4946/08 - juris). Da aber der Kläger den Tages-Grenzwert von aw(8) = 0,63 m/s² nicht erreicht hat, beträgt bei ihm die Gesamt-Lebensarbeitszeitdosis DvRi = 0 (m/s²)². Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers dessen Arbeiten mit Abbruchmeisel mit aw(8) = 0,63 m/s2 berücksichtigen würde - was angesichts des sich aus dem vorgelegten Datenbank-Auszugs ergebenden Wert für die Marke Caterpillar mit Aufbruchhammer von aw(8) = 0,43 m/s2 nicht der Fall sein dürfte -, so beliefe sich für eine Belastung an 30 Tagen im Jahr vom 01.03.1979 bis zum 31.10.1997 die Gesamt-Lebensarbeitszeitdosis auf DvRi = 18,5 Jahre x 30 Tage x 0,63 m/s² x 0,63 m/s² = 220 (m/s2)2, die weit unter dem Dosisrichtwert von DvRi = 1.450 (m/s2)2 liegen würde.
Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass im Falle des Klägers ein niedrigerer Beschleunigungswert, beispielsweise von aw(8) = 0,45 m/s2 beziehungsweise aw(8) = 0,50 m/s2 zu Grunde zu legen ist. Dies wäre nach dem Merkblatt nur möglich, falls die Exposition mit anderen risikoerhöhenden Faktoren - wie Alter über 40 Jahre zum Beginn der Exposition, vorgeneigte oder verdrehte Haltung, Stoßhaltigkeit, kurze tägliche Expositionsabschnitte mit hoher Intensität in Verbindung mit längerandauernden Expositionspausen oder Zeiten mit sehr geringer Intensität - einhergegangen wäre. All dies ist beim Kläger aber nach den gut nachvollziehbaren Ausführungen des Dipl.-Ing. (FH) A. nicht der Fall. Dieser hat zutreffend dargelegt, dass risikoerhöhende Faktoren wie vorgeneigte oder verdrehte Körperhaltung oder Stoßhaltigkeit beim Bedienen der jeweiligen Bagger nur in einem äußerst geringen Umfang vorgelegen und mithin für das tägliche Bedienen der Bagger kein bestimmendes Merkmal dargestellt haben. Auch kann der in der EU-Richtlinie 2002/44/EG angegebene und durch die Lärm- und Vibrationsschutzverordnung umgesetzte Auslösewert von aw(8) = 0,50 m/s2 nicht als Grenzwert für die Schwingungsbelastung im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV herangezogen werden, da dieser Wert nur eine Orientierung für die Prävention darstellt. Im Übrigen wird in der Lärm- und Vibrationsschutzverordnung ein Expositionsgrenzwert für Ganzkörpervibrationen von aw(8) = 0,80 m/s2 in z-Richtung angegeben. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der neuesten arbeitsmedizinischen Erkenntnisse an dem im Merkblatt zu Grunde gelegten Beschleunigungswert von aw(8) = 0,63 m/s2 fest. So haben aktuelle Sudien ergeben, dass sich bei einem Schwellenwert von aw(8) = 0,63 m/s2 ein signifikanter Anstieg des alterskorrigierten Prävalenzratenverhältnisses zwischen den unbelasteten Personen und denen, die bis zur Zehn-Jahres-Dosis dieses Tageswertes belastet waren, zeigt (DGUV Report: Validierung der neuen Ganzkörper-Schwingungs-Bewertungsverfahren anhand des Datenmaterials der epidemiologischen Studie "Ganzkörpervibration", Seite 106). Im Übrigen hat auch das Bundessozialgericht unter Heranziehung des Merkblattes den in Studien ermittelten Schwellenwert von aw(8) = 0,63 m/s2, der einer Beurteilungsschwingstärke von Kr = 12,5 entspricht, als Tagesdosis zugrunde gelegt, bei der im Regelfall ein arbeitsbezogener Kausalzusammenhang in Betracht gezogen werden kann (BSG, Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R - juris).
Nach alledem liegen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV nicht vor. Der Kläger hat deshalb keinen Anspruch auf Feststellung seines Wirbelsäulenschadens als Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV.
Darüber hinaus liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass bei dem Kläger auch die Halswirbelsäule betroffen war und er an einer anlagebedingten Osteochondrose leidet, mithin das Beschwerdebild durchaus dafür spricht, dass die Erkrankung des Klägers außerberuflich verursacht wurde. Das kann aber letztlich dahingestellt bleiben, weil es bereits an den arbeitstechnischen Voraussetzungen fehlt.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Wirbelsäulenschadens als Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.
Der 1944 geborene Kläger war vom 01.04.1963 bis zu seiner betriebsbedingten Kündigung (Bl. 15 V-Akte) zum 31.10.1997 als Baggerfahrer berufstätig. Nach seinen Angaben bediente er vom 01.04.1963 bis zum 31.12.1967 als Selbstständiger im elterlichen Baugeschäft einen Radbagger der Marke G., vom 01.01.1968 bis zum 28.02.1979 beim Bauunternehmen A. L. Kettenbagger der Marken O&K RH6 und M. G. sowie vom 01.03.1979 bis zum 31.10.1997 beim Bauunternehmen St. Radbagger der Marken Liebherr 902, Caterpillar M215 als Hydromeisel, Schaeff HML30, Zeppelin ZM13, Zeppelin ZM15 und Liebherr 912, jeweils zehn Stunden täglich. Anschließend war der Kläger bis zu seiner Frühberentung im Mai 2005 arbeitslos.
Unter dem 27.10.2005 erstellte der Arbeitsmediziner Dr. H. eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit. Beigefügt war der Arztbrief des Radiologen F. vom 21.06.2004 (Bandscheibenprotrusion L4/L5, bilaterale Spondylarthrose mit Hypertrophie der Ligamenta flava, Spinalkanalstenose Oberkante L5, rechts-lateraler beziehungsweise intraforaminaler Bandscheibenvorfall L5, Alteration der Wurzel L4 rechtsseits, chronischer medialer Bandscheibenprolaps L5/S1 bei hier ausgeprägter Osteochondrose). Der Kläger legte die Befundberichte des Internisten Dr. M. vom 13.01.2003 (vertebragene Thoraxschmerzen, schwere degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Hypertonus), des Radiologen F. vom 26.09.2003 (deutliche ventrale Spondylophytenbildung mit vorderer Längsbandverkalkung C5/C6 und C6/C7 der unteren Halswirbelsäule mit mäßiggradiger Impression des oberen Ösophagus von dorsal ohne relevante Stenosierung), des Internisten Dr. T. vom 25.11.2003 (degenerative Halswirbelsäulenveränderungen), des Internisten Dr. K., Chefarzt der AOK-Klinik St., vom 24.03.2005 (Lumboischialgie rechts bei Bandscheibenprotrusion L4/L5 und Spinalkanalstenose L4/L5, Übergewicht, arterielle Hypertonie, Zervicobrachial-Syndrom) und des Dr. H. vom 27.10.2005 (seit 1993 bestehende und deutlich zunehmende Rückenschmerzen, knöcherne Veränderungen und Bandscheibenschäden im Bereich der Lendenwirbelsäule, deutliche Abnutzungserscheinungen der Halswirbelsäule) vor.
Die Beklagte holte die arbeitstechnische Stellungnahme des Dipl.-Ing. (FH) A., Prävention Tiefbau, vom 12.12.2005 ein. Dieser führte in seiner Expositionsbewertung aus, unter Berücksichtigung von aus Messungen und Erkenntnissen der Messstelle für Lärm und Vibration sowie zahlreichen Untersuchungen des Berufsgenossenschaftlichen Institutes für Arbeitssicherheit entstammenden Erfahrungswerten und der reinen täglichen Maschinenbedienzeit betrage die Beurteilungsbeschleunigung bei der beruflichen Tätigkeit des Klägers für die Zeit vom 01.03.1979 bis zum 31.12.1990 aw(8) = 0,52 m/s2 und für die Zeit vom 01.01.1991 bis zum 31.10.1997 aw(8) = 0,44 m/s2, die deutlich unter dem im Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV angegebenen Grenzwert von aw(8) = 0,63 m/s2 liege. Ferner errechne sich eine Gesamtdosis von DvRi = 0 (m/s2)2, die unter dem der Rein-Braun-Studie entnommenen Orientierungswert von DvRi = 1.450 (m/s2)2 liege. Risikoerhöhende Faktoren seien nur in äußerst geringem Maße vorhanden, so dass sie für das tägliche Bedienen der Bagger kein bestimmtes Merkmal darstellen würden.
Ferner holte die Beklagte das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK - Die Gesundheitskasse Sch. H. ein.
Mit Bescheid vom 10.02.2006 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Beschwerden des Klägers an der Hals- und Lendenwirbelsäule ab. Sie führte zur Begründung aus, eine Berufskrankheit nach Nrn. 2109/2110 der Anlage 1 zur BKV liege nicht vor. Sie führte in Bezug auf die Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV ergänzend aus, der Kläger sei im Rahmen seines Berufslebens nicht gefährdend im Sinne des hierzu ergangenen Merkblattes tätig gewesen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung dieser Berufskrankheit lägen beim Kläger nicht vor.
Hiergegen legte der Kläger am 07.03.2006 Widerspruch ein. Er legte dar, einer vorwiegend vertikalen Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen könnten nach dem Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV vor allem Fahrer von Baggern sowie Rad- und Kettenladern ausgesetzt sein. Nachdem andere konkurrierende Faktoren nicht ausgemacht werden könnten, müsse sein Wirbelsäulenschaden dieser langjährigen Exposition angelastet werden. Ferner sei zu beanstanden, dass die Beklagte seine berufliche Tätigkeit vom 01.04.1963 bis zum 28.02.1979 nicht in ihre Ermittlungen einbezogen habe. Des Weiteren könne auch bei Werten unter dem Grenzwert von aw(8) = 0,63 m/s2 ein Gesundheitsrisiko angenommen werden.
Daraufhin holte die Beklagte eine weitere arbeitstechnische Stellungnahme des Dipl.-Ing. (FH) A. vom 03.05.2006 ein. Dieser führte darin aus, risikoerhöhende Faktoren wie vorgeneigte oder verdrehte Körperhaltung oder Stoßhaltigkeit hätten beim Bedienen der jeweiligen Bagger zwar zeitweise, jedoch nur in einem äußerst geringen Umfang vorgelegen, so dass sie für das tägliche Bedienen der Bagger kein bestimmendes Merkmal darstellten. Von einer Gefährdung im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV könne somit nicht ausgegangen werden. Dies gelte auch für die vor dem 01.03.1979 bedienten Bagger. Diese seien zwar möglicherweise mit schlechteren und weniger beziehungsweise nicht gedämmten Fahrersitzen ausgestattet gewesen, hätten jedoch im Vergleich zu den heutigen Baggern weniger Leistung gehabt, so dass eine erhöhte Belastung durch Ganzkörpervibrationen auch hier nicht vorgelegen habe. Dies sei durch zahlreich durchgeführte Messungen an ähnlichen oder vergleichbaren Baggern dokumentiert worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie stützte sich dabei auf die erneut eingeholte arbeitstechnische Stellungnahme, wonach auch bei den vor 1979 bedienten Baggern die für die Beurteilungsbeschleunigung maßgebliche Grenze nicht überschritten werde.
Hiergegen hat der Kläger am 07.08.2006 Klage beim Sozialgericht Heilbronn erhoben. Er hat ergänzend darauf hingewiesen, die in dem von der Beklagten nicht berücksichtigten Zeitraum vom 01.04.1963 bis zum 28.02.1979 bedienten Bagger hätten eine höhere Stoßbelastung als die neuen Baggertypen verursacht. Die zusätzliche Belastung bei Benutzung des Radbaggers der Marke Caterpillar M215 als Hydromeisel an circa 30 Tagen im Jahr sei von der Beklagten nicht berücksichtigt worden und es sei aufgrund seiner Tätigkeit häufig zu vorgeneigten Haltungen gekommen. Der Kläger hat ferner die Ansicht vertreten, die Herabsetzung des Eingangsschwellenwert durch die neue Verordnung zur vibrationsbedingten Tätigkeit müsse zu einer Überprüfung des Grenzwertes von aw(8) = 0,63 m/s2 führen.
Mit Gerichtsbescheid vom 24.02.2009 hat das Sozialgericht die Klage nach vorangegangener Anhörung vom 04.01.2007 abgewiesen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV seien nicht erfüllt. Nach dem hierzu ergangenen Merkblatt in der Fassung bis zum 31.05.2005 setze sich die gesamte berufliche Schwingungsbelastung aus der Gesamtzahl der Expositionen mit Beurteilungsschwingstärken nach der VDI 2057 von wenigstens Kr = 16,2 - bei ungünstigen Verhältnissen auch von wenigstens Kr = 12,5 - zusammen. Die so ermittelten Tagesdosiswerte seien zu einem Gesamtdosiswert zu addieren. Als Orientierungswert sei ein Wert von DvRi = 580 x 103 herangezogen worden, ab dem die Erfüllung der beruflichen Voraussetzungen der Berufskrankheit angenommen worden sei. Im Merkblatt in der Fassung seit dem 01.06.2005 könne bei einer Mindestbeurteilungsbeschleunigung von aw(8) = 0,45 m/s2 und einer Expositionsdauer von mehr als zehn Jahren ein Gesundheitsrisiko bestehen, falls die Exposition mit anderen risikoerhöhenden Faktoren einhergehe. Risikoerhöhende Faktoren könnten beispielsweise das Alter von über 40 Jahren bei Beginn der Exposition, vorgeneigte oder verdrehte Haltung oder Stoßhaltigkeit sein. Vorliegend sei nicht ersichtlich, dass der Kläger in einem vergleichbaren Umfang langjährig vertikalen Schwingungsbelastungen ausgesetzt gewesen sei. Nach den arbeitstechnischen Stellungnahmen vom 12.12.2005 und 03.05.2006 habe die Beurteilungsbeschleunigung beim Kläger Werte von aw(8) = 0,52 m/s2 beziehungsweise aw(8) = 0,44 m/s2 und damit unter dem Schwellenwert von aw(8) = 0,63 m/s2, der für die generelle Annahme einer Gefährdung gefordert werde, ergeben. Die dort angegebenen Werte seien insbesondere unter Berücksichtigung der verschiedenen Maschinenarten und Modelle während der verschiedenen Beschäftigungszeiträume des Klägers errechnet worden. Es bestünden auch keinerlei Bedenken bei der Zugrundelegung des Schwellenwertes von aw(8) = 0,63 m/s2 als generellem Grenzwert. Die vom Kläger zitierte Verordnung zur vibrationsbedingten Tätigkeit in Verbindung mit der EU-Richtlinie 2002/44/EG verfolge einen anderen Zweck. Hierdurch solle den Herstellern von schwingungsbelastenden Maschinen und Geräten und Arbeitgebern im Baugewerbe die Verpflichtung auferlegt werden, bereits bei Schwingungen unterhalb der für die Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV maßgeblichen Grenze Präventionsmaßnahmen einzuleiten. Eine Änderung der Grenze des Schwellenwertes im Rahmen der Prüfung dieser Berufskrankheit sei hierdurch jedoch nicht beabsichtigt. Es hätten zudem auch keine risikoerhöhenden Faktoren im Sinne des Merkblattes vorgelegen. Zwar sei eine Beurteilungsbeschleunigung beim Kläger von aw(8) = 0,52 m/s2 errechnet worden. Auch habe eine vorgeneigte oder verdrehte Körperhaltung oder Stoßhaltigkeit beim Bedienen der jeweiligen Bagger zeitweise, wie beispielsweise bei Arbeiten mit einem Bagger mit Hydromeisel, vorgelegen. Diese seien jedoch in einem äußerst geringen Umfang aufgetreten, so dass hier ein Abweichen von der Beurteilungsbeschleunigung von aw(8) = 0,63 m/s2 nicht angezeigt sei. Auch hinsichtlich der vor dem 01.03.1979 bedienten Bagger (zwar schlechter, weniger beziehungsweise nicht gedämpfter Fahrersitz, aber weniger Leistung) liege die Beurteilungsbeschleunigung unter aw(8) = 0,63 m/s2 und seien risikoerhöhende Faktoren zu verneinen.
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 01.03.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27.03.2009 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, die sich aus den arbeitstechnischen Stellungnahmen ergebenden Belastungen von aw(8) = 0,52 m/s2 beziehungsweise aw(8) = 0,44 m/s2 überstiegen zusammen den Wert aw(8) = 0,63 m/s2, so dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben seien. Der untere Grenzwert von aw(8) = 0,45 m/s2 sei jedenfalls überschritten. Ferner sei die hohe Stoßhaftigkeit durch das Bedienen des Hydromeisels zu berücksichtigen. Im Übrigen sei durch die EU-Richtlinie 2002/44/EG der Auslösewert auf aw(8) = 0,50 m/s2 festgelegt worden. Den sich auf eine MdE beziehenden Klageantrag hat er ausdrücklich zurückgenommen.
Die Beklagte hat hierzu eine weitere arbeitstechnischen Stellungnahme vorgelegt. Dipl.-Ing. (FH) A. hat am 09.07.2009 dargelegt, die für die Zeit vom 01.04.1963 bis zum 28.02.1979 errechnete Beurteilungsbeschleunigung von maximal aw(8) = 0,56 m/s2 liege unter dem Grenzwert aw(8) = 0,63 m/s2. Der in der EU-Richtlinie 2002/44/EG angegebene und durch die Lärm- und Vibrationsschutzverordnung umgesetzte Auslösewert von aw(8) = 0,50 m/s2 könne für die Beurteilung nicht herangezogen werden, da dieser Wert nur eine Orientierung für die Prävention darstelle. Als Expositionsgrenzwert für Ganzkörpervibrationen werde in der Lärm- und Vibrationsschutzverordnung ein Wert von aw(8) = 0,80 m/s2 in z-Richtung beziehungsweise von aw(8) = 1,15 m/s2 in x- und y-Richtung angegeben. Vibrationsmessungen an Hydraulikbaggern mit angebautem Abbruchmeisel hätten im Vergleich zu normalen Baggertätigkeiten keine signifikant erhöhten Werte ergeben. Würde man Arbeiten mit Abbruchmeisel mit aw(8) = 0,63 m/s2 berücksichtigen, so ergäbe sich für eine Belastung an 30 Tagen im Jahr vom 01.03.1979 bis zum 31.10.1997 eine Dosis von DvRi = 220 (m/s2)2, die weit unter dem Dosisrichtwert von DvRi = 1.450 (m/s2)2 liege.
Hierzu hat der Kläger eingewandt, es sei durch ihn nicht nachprüfbar, warum die Beklagte nicht den in der Tabelle 3 des Merkblattes genannten Wert von 1,15 generell zugrunde gelegt habe. Zudem seien auch Kettenbagger über Jahre hinweg benutzt worden, für die nach der Tabelle 3 des Merkblattes ein Wert von 1,2 zugrunde gelegt worden sei. Des Weiteren sei nicht ersichtlich, welchen Untergrund beim Bedienen der Bagger die Beklagte ihrer Berechnung zugrunde gelegt habe. Es sei ferner fraglich, ob die Beklagte den fehlenden Kontakt zur Rückenlehne berücksichtigt habe.
Dipl.-Ing. (FH) A. hat in seiner arbeitstechnischen Stellungnahme vom 26.10.2009 hierzu ausgeführt, in der Rhein-Braun-Studie 1982 sei unter Berücksichtigung dessen, dass Fahrer sechs bis sieben Stunden täglich an 221 Arbeitstagen im Jahr zehn Jahre lang mit einer Schwingungsbelastung aw(8) = 0,81 m/s2 tätig seien, die Richtdosis von DvRi = 1.450 (m/s2)2 errechnet worden. In der sogenannten Schwarze-Studie, Ausgabe 1999, sei der risikorelevante Bereich für die Entwicklung einer Berufskrankheit nach der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV in einem Dosisbereich von DvRi = 580 x 103 bis DvRi = 1.160 x 103 anzusiedeln. Sodann habe man den niedrigeren Wert von DvRi = 1.450 (m/s2)2 beziehungsweise DvRi = 580 x 103 als Orientierungswert herangezogen. Zur Zeit gebe es keine weiteren Studien, die geeignetere oder andere Erkenntnisse für die Beurteilung von Erkrankungen nach der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV liefern könnten. Die in der Tabelle 3 des Merkblattes angegebenen Werte stellten nicht die Höhe der Exposition (Schwingungsbelastung) für die entsprechenden Maschinen, sondern nur Faktoren zur Umrechnung von Messwerten in z-Richtung von der VDI 2057:1987 in die VDI 2057:2002 dar. Er hat die Veröffentlichung Dupuis/Hartung, BG 1994, S. 346, beigefügt.
Daraufhin hat der Kläger gefordert, Auskunft darüber zu erhalten, welcher Baggertyp mit welcher Schwingungsstärke aus der Schwingungsdatenbank zugrunde gelegt worden sei. Außerdem seien arbeitstäglich nicht acht, sondern zehn Stunden zu berücksichtigen. Ferner habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass die Tätigkeit mit Rad-Hydraulik-Baggern eine 2,5fach stärkere Schwingung hervorrufe als eine solche auf Ketten-Hydraulik-Baggern. Er habe 23 Jahre lang Radbagger und elf Jahre lang Kettenbagger betätigt. Unverständlich sei, dass die außerordentlich schwingungsbelastende Tätigkeit mit einem Hydromeisel einen geringeren aw(8)-Wert habe als die Tätigkeit mit einem Hydraulik-Bagger. Er hat hierzu 2 Artikel zur Schwingungsbelastung auf Erdbaumaschinen und in der Bauwirtschaft vorgelegt.
Dipl.-Ing. (FH) A. hat zu diesem Vorbringen in seiner arbeitstechnischen Stellungnahme vom 02.02.2010 ausgeführt, bei den der Beurteilung zugrunde gelegten Erfahrungswerten, die zahlreichen Messungen und Erkenntnissen der Messstelle für Lärm und Vibration sowie zahlreichen Untersuchungen des Berufsgenossenschaftlichen Institutes für Arbeitssicherheit entstammten, seien Messwerte an den vom Kläger bedienten Baggern oder vergleichbaren Baumaschinen herangezogen worden. Es seien sämtliche Bedingungen, die beim Bedienen von Baggern auftreten könnten und für die Belastung im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV von Bedeutung seien, berücksichtigt worden. Er hat die Werte für diverse Baggertypen aus der Datenbank des Berufsgenossenschaftlichen Institutes für Arbeitssicherheit beigefügt. Er hat ferner dargelegt, beim Bedienen von Hydraulikbaggern liege die Einwirkungsdauer erfahrungsgemäß bei circa 70 bis 80 % der Arbeitszeit. Ausgehend davon seien als Einwirkungsdauer 80 % aus zehn Stunden und mithin acht Stunden berücksichtigt worden. Außerdem seien die vom Kläger angesprochenen hohen Schwingungsbelastungen bei Radladern und Radozzern nicht vergleichbar mit der Schwingungsbelastung bei Baggern, denn es handele sich bei Radladern und Radozzern um einen gänzlich anderen Baumaschinentyp. Es lägen derzeit keine Hinweise vor, dass beim Bedienen von Hydraulikbaggern höhere als die in der Berechnung zugrunde gelegten Schwingungswerte zu erwarten seien. Dabei spielten weder Baujahr noch Antrieb (mobil oder Kette) oder Anbauten (zum Beispiel Abbruchmeisel) eine relevante Rolle.
Der Kläger hat hiergegen eingewandt, die von der Beklagten vorgelegten Daten entsprächen nicht seiner arbeitstechnischen Realität, denn die von ihm benutzten Bagger der Marken G., O&K, M. F. und Liebherr mit dem Baujahr 1980 seien nicht aufgelistet. Was die den von ihm benutzten Baggern zugeordneten Werte aussagten, sei nicht dargelegt. Er hat hierzu eine eigene Berechnung anhand der Werte der Datenbank des Berufsgenossenschaftlichen Institutes für Arbeitssicherheit vorgelegt.
Dipl.-Ing. (FH) A. hat in seiner neuerlichen arbeitstechnischen Stellungnahme vom 18.05.2010 ausgeführt, für die Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV sei nur die Beurteilungsbeschleunigung in z-Richtung von Bedeutung. Die Datenbank des Berufsgenossenschaftlichen Institutes für Arbeitssicherheit erfasse hunderte von Messungen an unterschiedlichsten Baumaschinen, es könnten aber nur die Messwerte bedienter oder vergleichbarer Bagger herangezogen werden.
Ferner hat der Kläger eingewandt, eine korrekte Erfassung der Belastungen durch die Eigenart der Fahrzeuge und der Tätigkeiten sei seitens der Beklagten nicht erfolgt, da nur mit pauschalen Werten hantiert worden sei.
Dipl.-Ing. (FH) A. hat in seiner letzten arbeitstechnischen Stellungnahme vom 27.10.2010 ausgeführt, insgesamt müsse eine retrospektive Betrachtung und Bewertung über mehrere Tage, Wochen, Monate beziehungsweise Jahre erfolgen. Da es nicht möglich sei, retrospektiv für jeden Tag mit Maschinenbedienzeit einen eigenen Wert anzugeben, müssten für die Gesamtbeurteilung Durchschnittswerte beziehungsweise Mittelwerte angesetzt werden, die einen längeren Zeitraum und somit auch die permanent wechselnden Einsatzbedingungen, Betriebsbedingungen und Baustelleneigenarten abdeckten.
Der Berichterstatter hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten unter Hinzuziehung des Dipl.-Ing. (FH) A. am 19.03.2013 erörtert, der die Berechnung der Schwingungsbelastung noch einmal dargelegt hat. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom gleichen Tag verwiesen.
Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24. Februar 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2006 aufzuheben und seinen Wirbelsäulenschaden als Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien bereits im Verwaltungsverfahren abgeklärt worden. Auch unter Berücksichtigung der Belastungen durch den Hydromeisel von April 1963 bis Oktober 1997 liege keine Wirbelsäulengefährdung vor. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06) betreffe die Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV und sei auf die Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV nicht übertragbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung seines Wirbelsäulenschadens als Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV.
Anzuwenden sind die Vorschriften des zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), da der geltend gemachte Versicherungsfall erst mit der am 31.10.1997 und damit unter Geltung des SGB VII erfolgten Aufgabe der für wirbelsäulenschädlich gehaltenen Tätigkeit eingetreten sein kann (§ 212 Abs. 1 SGB VII). Die BKV ist in ihrer vom 01.01.1993 bis zum 30.11.1997 geltenden Fassung zugrunde zu legen.
Rechtsgrundlage für die Feststellung einer Berufskrankheit sind die §§ 7 und 9 SGB VII in Verbindung mit der BKV.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII).
Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
Aus diesen gesetzlichen Vorgaben hat die Rechtsprechung (zuletzt in BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 9/08 R - juris) die folgenden Grundsätze entwickelt:
Für die Feststellung einer Erkrankung als Berufskrankheit ist erforderlich, dass die Verrichtungen des Versicherten einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtungen zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und dass diese Einwirkungen eine Krankheit des Versicherten verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).
Die versicherte Tätigkeit, die Verrichtungen, die Einwirkungen und die Krankheit müssen als rechtserhebliche Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen.
Für die Einwirkungskausalität und die haftungsbegründende Kausalität, welche nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen die berufliche Verursachung spricht, so dass auf diesen Grad der Wahrscheinlichkeit vernünftigerweise die Entscheidung gestützt werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Bei der Anwendung dieser Beweismaßstäbe ist zu beachten, dass für die tatsächlichen Grundlagen der Wertentscheidung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, soweit es sich nicht um den Kausalverlauf als solchen handelt, also insbesondere für Art und Ausmaß der schädigungsgeeigneten Einwirkung als wichtiges Kriterium für die Prüfung der haftungsbegründenden Kausalität, der volle Nachweis zu erbringen ist.
Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Wenn es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen gibt, ist sozialrechtlich allein relevant, ob die Einwirkungen wesentlich waren. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere/n Ursache/n keine überragende Bedeutung hat/haben. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur diese Ursache/n "wesentlich" und damit Ursache/n im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jede/s andere alltäglich vorkommende Ereignis oder Einwirkung zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BSG, Urteil vom 09.05.2005 - B 2 U 1/05 R - juris; BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - juris).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind vorliegend auch zur Überzeugung des Senats die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV nicht gegeben.
Als Berufskrankheit sind bezeichnet in Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können.
Vorliegend ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die bei den Verrichtungen des Klägers als Baggerfahrer erfolgten Einwirkungen dessen Wirbelsäulenschaden verursacht haben. Es fehlt es an der haftungsbegründenden Kausalität zwischen Einwirkungen und Erkrankung.
Es sind bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Vorliegen der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV nicht gegeben.
Der Senat legt bei seiner Beurteilung das zu dieser Berufskrankheit durch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziales am 01.05.2005 bekannt gemachte Merkblatt (BArbBl. 7/2005, Seite 43) zu Grunde.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R - juris) ist es Aufgabe der Verwaltung und der Gerichte, die im Text der BKV nur unbestimmt beschriebenen Einwirkungen zu präzisieren. Dazu kann die Festlegung gehören, welches Maß an Schwingungsbelastungen im Verlauf der versicherten Berufstätigkeit mindestens erreicht worden sein muss, damit überhaupt ein Kausalzusammenhang mit der Wirbelsäulenerkrankung in Betracht kommt. Zwar ist dem Wortlaut der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV für die Notwendigkeit einer Mindestbelastungsdosis nichts zu entnehmen. Aus dem Fehlen einer Angabe zum Grad der erforderlichen Einwirkungen kann aber nicht gefolgert werden, dass Ganzkörperschwingungen schlechthin, unabhängig von ihrer Intensität und Stärke, als geeignet angesehen werden, Bandscheibenschäden zu verursachen, sofern sie nur langjährig einwirken. Der Verordnungsgeber verzichtet bei der Formulierung der Berufskrankheiten-Tatbestände vielfach bewusst auf die Angabe konkreter Belastungsarten und Belastungsgrenzwerte und verwendet stattdessen auslegungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe, um bei der späteren Rechtsanwendung Raum für die Berücksichtigung neuer, nach Erlass der Verordnung gewonnener oder bekannt gewordener wissenschaftlicher Erkenntnisse zu lassen. Von daher ist es notwendig, die Begriffe auf der Grundlage des im Entscheidungszeitpunkt erreichten Forschungsstandes zu konkretisieren und festzustellen, wie danach die beruflichen Einwirkungen beschaffen sein müssen, um die betreffende Krankheit hervorrufen zu können. Wird eine Mindestbelastungsdosis bestimmt, muss deren Wert so niedrig bemessen werden, dass im Falle seiner Unterschreitung auch in besonders gelagerten Fällen, etwa auch beim Zusammenwirken der Schwingungsbelastungen mit anderen schädlichen Einwirkungen und unter Berücksichtigung der multifaktoriellen Entstehung von bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule ein rechtlich relevanter Kausalzusammenhang ohne weitere medizinische Prüfung ausgeschlossen ist. Das bedeutet andererseits nicht, dass beim Erreichen der Mindestdosis der Ursachenzusammenhang zwischen den Einwirkungen und der Krankheit automatisch anzuerkennen ist, weil Art und Ausmaß der Einwirkungen nur ein Kriterium zur Beurteilung des Ursachenzusammenhangs sind. Diese Überlegungen erfordern also neben der Festlegung einer Mindestdosis unter Umständen auch die Benennung von höheren Dosiswerten, bei denen unter Einbeziehung weiterer Kriterien zur Beurteilung des Ursachenzusammenhangs die Wahrscheinlichkeit einer Verursachung der Krankheit durch die beruflichen Einwirkungen steigt. Soll ein Antrag auf Anerkennung einer Krankheit als Berufskrankheit allein aufgrund des Nichtvorliegens ausreichender Einwirkungen abgelehnt werden, ist es notwendig, die in der Definition der Berufskrankheit beschriebenen Einwirkungen zu konkretisieren und festzustellen, bei welcher Dosis sie nicht mehr geeignet sind, die betreffende Krankheit nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu verursachen. Für die höheren Dosiswerte, die unter Einbeziehung weiterer Kriterien zur Beurteilung des Ursachenzusammenhangs eine Anerkennung der Krankheit als Berufskrankheit rechtfertigen, gilt dasselbe entsprechend. Die Frage, welcher Einwirkungen es mindestens bedarf, um eine Berufskrankheit zu verursachen beziehungsweise die Anerkennung einer Berufskrankheit unter Einbeziehung weiterer Kriterien zu rechtfertigen, ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten. Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der G.en Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht. Das Gericht, das die für die Anerkennung als Berufskrankheit erforderlichen Einwirkungen zu präzisieren hat, muss sich Klarheit darüber verschaffen, welches in der streitigen Frage der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist. Ausgehend von der Begründung des Verordnungsgebers zur Einführung der Berufskrankheit können dazu einschlägige Publikationen, beispielsweise die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums und die wissenschaftliche Begründung des ärztlichen Sachverständigenbeirats, Sektion Berufskrankheiten, zu der betreffenden Berufskrankheit oder Konsensusempfehlungen der mit der Fragestellung befassten Fachmediziner herangezogen werden, sofern sie zeitnah erstellt oder aktualisiert worden sind und sich auf dem neuesten Stand befinden.
Nach dem somit heranzuziehenden Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV (siehe dazu LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.01.2010 - L 3 U 1139/05 - juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.11.2008 - L 2 U 55/02 - juris; Bayerisches LSG, Urteil vom 02.04.2008 - L 2 U 1 - juris 14/08; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.02.2008 - L 2 U 1270/06 - juris; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.01.2008 - L 2 U 1035/05 - juris) gelten folgende Grundsätze:
Bandscheibenerkrankungen der Lendenwirbelsäule (mit-)verursachende oder verschlimmernde vorwiegend vertikale Einwirkungen von Ganzkörperschwingungen im Sitzen können insbesondere Fahrer von Baggern bei intensiver Schwingungsbelastung, zum Beispiel bei Abbrucharbeiten, ausgesetzt sein (Merkblatt, I. Gefahrenquellen). Voraussetzung für die Annahme eines arbeitsbezogenen Kausalzusammenhangs ist eine fünf- bis zehnjährige oder längere wiederholte Einwirkung von vorwiegend vertikalen Ganzkörperschwingungen in Sitzhaltung mit einer Tagesdosis in Form der Beurteilungsbeschleunigung aw(8) von im Regelfall 0,63 m/s2 in der vertikalen z-Achse. In Ausnahmefällen können auch schon bei geringeren Beurteilungsbeschleunigungen Gesundheitsrisiken auftreten (Merkblatt, IV. Weitere Hinweise). Bei einer Expositionsdauer von mindestens zehn Jahren gilt dabei Folgendes: Bei einer Beurteilungsbeschleunigung aw(8) = 0,45 m/s2 (Untergrenze nach VDI 2057-1) beziehungsweise aw(8) = 0,50 m/s2 (Auslösewert nach EU-Richtlinie 2002/44/EG) kann ein Gesundheitsrisiko bestehen, falls die Exposition mit anderen risikoerhöhenden Faktoren einhergeht, wie Alter über 40 Jahre zum Beginn der Exposition, vorgeneigte oder verdrehte Haltung, Stoßhaltigkeit, kurze tägliche Expositionsabschnitte mit hoher Intensität in Verbindung mit längerandauernden Expositionspausen oder Zeiten mit sehr geringer Intensität. Bei einer Beurteilungsbeschleunigung aw(8) = 0,63 m/s2 (Mitte der Zone erhöhter Gesundheitsgefährdung nach VDI 2057-1) ist von einem Gesundheitsrisiko auszugehen (Merkblatt, Tabelle 2). Bei Baggern gilt für die Umrechnung der Werte nach VDI 2057:1987 in die Werte nach VDI 2057-1:2002 der Faktor 1,15 (Merkblatt, Tabelle 3). Bei der Berechnung der aw(8)-Werte, welche die Gesamtbelastung während eines Tages kennzeichnen, sind die Maschinenart und zahlreiche weitere Faktoren wie zum Beispiel der befahrene Untergrund, die individuelle Fahrgeschwindigkeit und Fahrweise und/oder Zuladung zu berücksichtigen (Merkblatt, IV. Weitere Hinweise).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Berechnungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten zum Ausmaß der mechanischen Belastung durch das Bedienen von Baggern für den Senat überzeugend.
Daraus ergibt sich, dass der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit als Baggerfahrer in der Zeit vom 01.04.1963 bis zum 31.10.1997 einer Tagesdosis in Form der Beurteilungsbeschleunigung aw(8) = 0,63 m/s2 in der vertikalen z-Achse, auch unter Berücksichtigung der Bedienung des Baggers mit Hydromeisel, nicht ausgesetzt war. Die umfangreichen und detaillierten Ausführungen des Dipl.-Ing. (FH) A. in seinen arbeitstechnischen Stellungnahmen und insbesondere im Rahmen des Erörterungstermins sind für den Senat schlüssig und gut nachvollziehbar.
Der Senat hält die Vorgehensweise des Dipl.-Ing. (FH) A., bei der in einem ersten Schritt zu ermittelnden konkreten Schwingungsbelastung die bei über 100 Baggertypen erfolgten Messungen der Messstelle sowie die Messdatenbanken des Berufsgenossenschaftlichen Instituts für Arbeitssicherheit heranzuziehen und dabei die unter den Arbeitsbedingungen des jeweiligen Versicherten erzielten Messwerte für die vom jeweiligen Versicherten benutzten Bagger, hilfsweise die Messwerte für vergleichbare Maschinen mit vergleichbarem Baujahr und vergleichbarem Gewicht beziehungsweise unter Auswertung der Erkenntnisse aus den zahlreichen Messungen einen repräsentativen Wert zu Grunde zu legen, für überzeugend. Im Fall des Klägers hat eine Durchsicht der Datenbanken ergeben, dass die von ihm benutzten Bagger beziehungsweise vergleichbare Baumaschinen den Grenzwert von aw(8) = 0,63 m/s² nicht erreicht haben, wobei Dipl.-Ing. (FH) A. sogar den sich aus den Datenbanken ergebenden Durchschnittswert für Bagger zu Gunsten des Klägers heraufgesetzt hat. So ergeben sich beispielsweise aus dem vorgelegten Datenbank-Auszug Schwingungsbelastungswerte in z-Richtung für die Radbagger der Marken O&K RH6 von aw(8) = 0,19 m/s2, Liebherr 902 von aw(8) = 0,29 bis 0,32 m/s2, Schaeff HML30 von aw(8) = 0,24 m/s2, Zeppelin ZM13 von aw(8) = 0,31 bis 0,42 m/s2, Zeppelin ZM15 von aw(8) = 0,24 m/s2 und Liebherr 912 von aw(8) = 0,26 bis 0,53 m/s2. Im Fall des Klägers ergeben sich unter Zugrundelegung dieser Vergleichswerte nach den vom Senat nicht zu beanstandenden Berechnungen des Dipl.-Ing. (FH) A. Beurteilungsbeschleunigungswerte für die Zeit vom 01.04.1963 bis zum 28.02.1979 von aw(8) = 0,56 m/s2, für die Zeit vom 01.03.1979 bis zum 31.12.1990 von aw(8) = 0,52 m/s2 und für die Zeit vom 01.01.1991 bis zum 31.10.1997 von aw(8) = 0,44 m/s2, die deutlich unter dem im Merkblatt angegebenen Grenzwert von aw(8) = 0,63 m/s2 liegen. Dass auch in der Zeit vom 01.04.1963 bis zum 28.02.1979 von keiner über dem Grenzwert liegenden Schwingungsbelastung auszugehen ist, ergibt sich aus den gut nachvollziehbaren Ausführungen des Dipl.-Ing. (FH) A., die sich auf zahlreich durchgeführte Messungen an ähnlichen oder vergleichbaren Baggern stützen. Danach sind Bagger älteren Baujahres zwar möglicherweise mit schlechteren und weniger beziehungsweise nicht gedämmten Fahrersitzen ausgestattet gewesen, haben jedoch im Vergleich zu den neueren Baggern weniger Leistung gehabt, so dass eine erhöhte Belastung durch Ganzkörpervibrationen auch hier nicht vorgelegen hat. Dass dies der Arbeitsrealität des Klägers entspricht, ergibt sich daraus, dass bei Maschinen, die fahrend auf schlechtem Untergrund eingesetzt werden - wie beispielsweise Baustellen-Lastkraftwagen - hohe Vibrationen, aber bei Maschinen, die langsam bewegt beziehungsweise im Stand genutzt werden - wie beispielsweise Bagger - weniger hohe Vibrationen aufgetreten sind. Diese Erkenntnis spiegelt sich im Merkblatt zur Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV wieder. Denn danach gelten Bagger nicht schlechthin, sondern lediglich bei intensiver Belastung - zum Beispiel bei Abbrucharbeiten - als Gefahrenquelle und sind Bagger im stationären Einsatz aus dem Gefahrenbereich ausgenommen (Merkblatt, I. Gefahrenquellen). Grundsätzlich ist daher ein Fahren auf unebenem beziehungsweise unbefestigtem Gelände (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2110, Anmerkung 2 zum Merkblatt; Kummer, Schwingungsbelastung auf Erdbaumaschinen, Tiefbau 1998, 192ff., 192; Melzi-Thiel/Kinne/Schatte, Technik 23: Schwingungsbelastung in der Bauwirtschaft, Seite 4) zu verlangen. Auch haben nach den Darlegungen des Dipl.-Ing. (FH) A. Vibrationsmessungen an Hydraulikbaggern mit angebautem Abbruchmeisel im Vergleich zu normalen Baggertätigkeiten keine signifikant erhöhten Werte ergeben, so dass vom Kläger auch insoweit der Grenzwert nicht erreicht wird.
Zutreffend hat Dipl.-Ing. (FH) A. in einem zweiten Schritt die in der tatsächlich geleisteten mit Vibrationen verbundenen Arbeitszeit aufgetretene Schwingungsbelastung ermittelt. Er hat dabei schlüssig dargelegt, dass die sich im ersten Schritt ermittelte und auf eine Acht-Stunden-Schicht mit kontinuierlicher Arbeit mit der Baumaschine im laufenden Betrieb beziehende Schwingungsbelastung unter Heranziehung der aus Baustellenbesichtigungen gewonnenen Erfahrungswerte über Stillstandzeiten der Maschinen während der Arbeitszeit herabzusetzen ist und daher zu Recht in Bezug auf die vom Kläger angegebene tägliche Arbeitszeit von zehn Stunden einen Abschlag um 20 % vorgenommen.
Zu Recht hat Dipl.-Ing. (FH) A. dargelegt, dass die in einem dritten Schritt festzustellende Gesamt-Lebensarbeitszeitdosis nur unter Berücksichtigung von Tages-Schwingungsbelastungen aw(8) = 0,63 m/s² zu ermitteln ist. Der Richtwert für die Gesamt-Lebensarbeitszeitdosis ergibt sich aus der durch die Rein-Braun-Studie gewonnenen Erkenntnis, dass Fahrer sechs bis sieben Stunden täglich an 221 Arbeitstagen im Jahr zehn Jahre lang mit einer Schwingungsbelastung aw(8) = 0,81 m/s2 tätig sein müssen, um von einer berufskrankheitenrelevanten Einwirkung ausgehen zu können (Dupuis/Hartung, Arbeitstechnische Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2110, Die BG 1994, 346ff., 347). Mithin ergibt sich hieraus eine Gesamt-Lebensarbeitszeitdosis von DvRi = 10 Jahre x 221 Tage x 0,81 m/s2 x 0,81 m/s2 = 1.450 (m/s2)2 (diesen Wert auch annehmend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.01.2011 - L 8 U 4946/08 - juris). Da aber der Kläger den Tages-Grenzwert von aw(8) = 0,63 m/s² nicht erreicht hat, beträgt bei ihm die Gesamt-Lebensarbeitszeitdosis DvRi = 0 (m/s²)². Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers dessen Arbeiten mit Abbruchmeisel mit aw(8) = 0,63 m/s2 berücksichtigen würde - was angesichts des sich aus dem vorgelegten Datenbank-Auszugs ergebenden Wert für die Marke Caterpillar mit Aufbruchhammer von aw(8) = 0,43 m/s2 nicht der Fall sein dürfte -, so beliefe sich für eine Belastung an 30 Tagen im Jahr vom 01.03.1979 bis zum 31.10.1997 die Gesamt-Lebensarbeitszeitdosis auf DvRi = 18,5 Jahre x 30 Tage x 0,63 m/s² x 0,63 m/s² = 220 (m/s2)2, die weit unter dem Dosisrichtwert von DvRi = 1.450 (m/s2)2 liegen würde.
Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass im Falle des Klägers ein niedrigerer Beschleunigungswert, beispielsweise von aw(8) = 0,45 m/s2 beziehungsweise aw(8) = 0,50 m/s2 zu Grunde zu legen ist. Dies wäre nach dem Merkblatt nur möglich, falls die Exposition mit anderen risikoerhöhenden Faktoren - wie Alter über 40 Jahre zum Beginn der Exposition, vorgeneigte oder verdrehte Haltung, Stoßhaltigkeit, kurze tägliche Expositionsabschnitte mit hoher Intensität in Verbindung mit längerandauernden Expositionspausen oder Zeiten mit sehr geringer Intensität - einhergegangen wäre. All dies ist beim Kläger aber nach den gut nachvollziehbaren Ausführungen des Dipl.-Ing. (FH) A. nicht der Fall. Dieser hat zutreffend dargelegt, dass risikoerhöhende Faktoren wie vorgeneigte oder verdrehte Körperhaltung oder Stoßhaltigkeit beim Bedienen der jeweiligen Bagger nur in einem äußerst geringen Umfang vorgelegen und mithin für das tägliche Bedienen der Bagger kein bestimmendes Merkmal dargestellt haben. Auch kann der in der EU-Richtlinie 2002/44/EG angegebene und durch die Lärm- und Vibrationsschutzverordnung umgesetzte Auslösewert von aw(8) = 0,50 m/s2 nicht als Grenzwert für die Schwingungsbelastung im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV herangezogen werden, da dieser Wert nur eine Orientierung für die Prävention darstellt. Im Übrigen wird in der Lärm- und Vibrationsschutzverordnung ein Expositionsgrenzwert für Ganzkörpervibrationen von aw(8) = 0,80 m/s2 in z-Richtung angegeben. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der neuesten arbeitsmedizinischen Erkenntnisse an dem im Merkblatt zu Grunde gelegten Beschleunigungswert von aw(8) = 0,63 m/s2 fest. So haben aktuelle Sudien ergeben, dass sich bei einem Schwellenwert von aw(8) = 0,63 m/s2 ein signifikanter Anstieg des alterskorrigierten Prävalenzratenverhältnisses zwischen den unbelasteten Personen und denen, die bis zur Zehn-Jahres-Dosis dieses Tageswertes belastet waren, zeigt (DGUV Report: Validierung der neuen Ganzkörper-Schwingungs-Bewertungsverfahren anhand des Datenmaterials der epidemiologischen Studie "Ganzkörpervibration", Seite 106). Im Übrigen hat auch das Bundessozialgericht unter Heranziehung des Merkblattes den in Studien ermittelten Schwellenwert von aw(8) = 0,63 m/s2, der einer Beurteilungsschwingstärke von Kr = 12,5 entspricht, als Tagesdosis zugrunde gelegt, bei der im Regelfall ein arbeitsbezogener Kausalzusammenhang in Betracht gezogen werden kann (BSG, Urteil vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R - juris).
Nach alledem liegen die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV nicht vor. Der Kläger hat deshalb keinen Anspruch auf Feststellung seines Wirbelsäulenschadens als Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKV.
Darüber hinaus liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass bei dem Kläger auch die Halswirbelsäule betroffen war und er an einer anlagebedingten Osteochondrose leidet, mithin das Beschwerdebild durchaus dafür spricht, dass die Erkrankung des Klägers außerberuflich verursacht wurde. Das kann aber letztlich dahingestellt bleiben, weil es bereits an den arbeitstechnischen Voraussetzungen fehlt.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.
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