Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 787/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 5789/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 23. November 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Polyneuropathie als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1101 (Erkrankungen durch Blei) oder Nr. 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel und deren Gemische) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sowie eines Darmkarzinoms als Wie-BK streitig.
Der 1946 geborene Kläger war nach seiner Lehre zum Installateur und Blechner in diesem Beruf von 1971 bis 1977 in der Schweiz bei zwei Sanitär- und Spenglerunternehmen beschäftigt. Während der anschließenden Tätigkeit als Rohrschlosser bei der Firma R. Vitamine GmbH (jetzt DSM N. P.) bestand von 1977 bis 1986 kein wesentlicher Kontakt mit Bleirohren und nur in geringem Umfang zu organischen Lösemitteln. Ab 1986 bis zu seinem Vorruhestand 2005 war er für die Wartung der Rohre in den Laboren zuständig. Hierbei musste er Bleirohre durch Kunststoff- und Edelstahlrohre ersetzen und die Bleileitungen vor Ort durch Löten und Schweißen reparieren. 1998 erkrankte er an Darmkrebs, eine Chemotherapie war postoperativ nicht erforderlich. Zusätzlich trat 1999 bei einem Diabetes mellitus Typ II eine Polyneuropathie, diagnostiziert im Kantonspital Basel am 19. Juli 1999, auf (neurologisch distale Hyposensibilität der unteren Extremitäten, vermindertes Vibrationsempfinden sowie fehlender ASR beidseits). Seit Juli 2005 war der Kläger wegen eines Coloncarcinoms dauernd arbeitsunfähig, das Beschäftigungsverhältnis endete mit Ablauf des Monats Juni 2006.
Am 9. Dezember 2005 beantragte der Kläger die Anerkennung der Polyneuropathie als BK. Nachgewiesen sei eine erhöhte Bleikonzentration im Körper. Beigefügt waren u.a. Arztberichte des Neurologen und Psychiaters Dr. Sch.-B. vom 28. September 2004 (am ehesten eine diabetische Ätiologie der Polyneuropathie), der urologischen Gemeinschaftspraxis Dr. H. vom 16. Mai 2003 (PSA-Wert im Normbereich, keine wesentliche Beeinträchtigung der Miktionsverhältnisse, seit längerer Zeit erektile Dysfunktion) sowie des Internisten Dr. B. vom 21. Juli 2004 (bei routinemäßiger Nachkontrolle Ausschluss eines metachronen Zweitkarzinoms oder eines Lokalrezidivs).
Nachdem der Kläger weitere Arztberichte vorlegte und seine Beschäftigungsverhältnisse im einzelnen darlegte, ermittelte die Beklagte zunächst die berufliche Vorgeschichte des Klägers. Die DSM N. P. teilte mit Schreiben vom 22. Februar 2006 mit, der Kläger habe in der Zeit vom 1. April 1977 bis 31. März 2005 in dem Unternehmen gearbeitet. Dabei sei er zunächst bis 31. Dezember 1984 als Rohrschlosser in der Zentralwerkstatt (Konfektionieren und Montieren sowie Reparatur von Rohrleitungen, hauptsächlich im Werkstoffbereich V4a-Stahl) eingesetzt, danach ab 1. Januar 1985 als Spengler und Sanitärmonteur in der Zentralwerkstatt beschäftigt worden. Dabei habe er ab und zu auch Kontakt mit Blei und Bleilot gehabt. Es habe sich überwiegend um Reparaturarbeiten an noch vorhandenen Abwasserleitungen aus Blei, die jedoch im Laufe der Jahre durch Kunststoffleitungen ersetzt worden seien, gehandelt. Während im Bereich der Zentralwerkstatt Abzüge vorhanden gewesen und auch benutzt worden seien, sei dies bei Reparaturen vor Ort nicht der Fall gewesen. Atemschutz sei nicht zur Anwendung gekommen. Der Umgang mit Bleilot sei nicht der Hauptbestandteil der Arbeit gewesen. Arbeitsplatzmessungen habe man nicht durchgeführt, auch lägen keinerlei Unterlagen über die zeitlichen Dimensionen der Arbeiten vor. Ein berufsbedingter Umgang mit Lösemitteln sei ausgeschlossen.
In Auswertung dieser Angaben führte Dipl.-Ing. G. vom Technischen Aufsichtsdienst (TAD) am 19. April 2006 aus, ein berufsbedingter Umgang mit Lösemitteln könne ausgeschlossen werden. Was den Umgang mit Bleiverbindungen angehe, so werde auf die Mitteilung der Firma DSM N. P. verwiesen. In ihrer gewerbeärztlichen Feststellung kam die Ärztin für Arbeitsmedizin G. am 31. Mai 2006 zu dem Ergebnis, dass die BK 1317 nicht zur Anerkennung vorgeschlagen werde. Die aktenkundigen Informationen sprächen für eine schicksalhafte Genese der Polyneuropathie. Ein Zusammenhang mit der angeschuldigten beruflichen Tätigkeit könne nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. August 2006 die Anerkennung der beim Kläger festgestellten neurologischen Erkrankung als BK´en 1317 bzw. 1101 ab. Die schwere Darmerkrankung sei keine BK und werde auch nicht als Wie-BK anerkannt. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe eigenen Schilderungen zufolge seit Anfang/Mitte der neunziger Jahre wiederholt an Gelenkentzündungen verbunden mit Schmerzen am gesamten Körper gelitten. Ende 1995 hätten dann starke Kopfschmerzen in Verbindung mit Schwindel, gefolgt von einer schweren Darmerkrankung im Jahre 1998 vorgelegen. 1999 sei der Verdacht auf das Vorliegen einer Polyneuropathie geäußert worden. Der vom Kläger vermutete Zusammenhang mit einer beruflichen Exposition gegenüber Blei habe sich nicht erhärtet, da er nur gelegentlichen Kontakt mit metallischen Bleien gehabt habe. Somit habe eine Exposition, die geeignet gewesen wäre, neurologische Erkrankungen zu verursachen, nicht vorgelegen. Ein Zusammenhang werde nur bei einer massiven Exposition gegenüber Blei und auch nur bei Vorliegen einer Enzephalopathie diskutiert, nicht hingegen bei dem Erkrankungsbild einer Polyneuropathie. Hinsichtlich der BK 1317 fehle es an jeglicher Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln. Die Erkrankung des Darms sei nach den medizinischen Erkenntnissen nicht durch berufliche Einflüsse verursacht und könne deswegen weder als BK noch als Wie-BK anerkannt werden.
Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, seine Tätigkeit habe überwiegend darin bestanden, verstopfte Abflussrohre der Labore freizumachen und er sei deswegen gegenüber sämtlichen Substanzen exponiert gewesen, die in den Laboren verwendet worden seien und die sich in den Rohren angesammelt hätten. Ende der neunziger Jahre sei betriebsärztlich bei ihm eine erhöhte Bleikonzentration in den Haaren festgestellt worden.
Dipl.-Ing. G. führte nach Rücksprache mit der Sicherheitsfachkraft B. von dem Mitgliedsbetrieb R. Vitamine GmbH (DSM N. P.) am 16. November 2006 aus, schätzungsweise drei- bis viermal im Monat hätten Rohrleitungen im Bereich des Laborgebäudes gereinigt werden müssen. Vor der Reinigung seien diese durch das Laborpersonal mit Wasser gespült worden. In den meisten Fällen sei bei beginnenden Rohrverstopfungen bzw. schlechteren Ablaufverhältnissen zunächst die Abteilung "Sanitär" zur Störungsbehebung beauftragt worden. Im Laborbereich würden überdies alle Reste in dafür vorgesehene Abfallgebinde gegeben, nur anhaftende Stoffe gelangten beim Spülvorgang in die Kanalisation. Es könne zwar nicht ausgeschlossen werden, dass eine falsche Entsorgung über das Abwassernetz stattfinde, zu Vorkommen und Häufigkeit könnten jedoch keine Aussagen gemacht werden. Es müsse aufgrund des Spülens der Abflussleitungen vor Säubern der Rohrleitungen davon ausgegangen werden, dass - wenn überhaupt - sich nur geringste Mengen an Chemikalien noch in den Rohrleitungen befunden hätten, wobei Messwerte für diesen Bereich nicht vorlägen. Im Laborbereich seien weniger Leitungen aus Blei, sondern überwiegend Glasleitungen verlegt worden. Ab dem Kellerbereich hätten diese überwiegend aus Keramikmaterial bestanden. In Bereichen, in denen mit Säure gerechnet werden müsse, seien die Abwasserleitungen überwiegend aus Kunststoff gewesen. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass bei Arbeiten im Bereich von Abwasserleitungen im Laborbereich durch Spülvorgänge mit Wasser grundsätzlich eine Verdünnung von eventuell weggespülten Chemikalien erfolgt gewesen sei. Somit könne davon ausgegangen werden, dass bei Arbeiten an Abwasserleitungen nur geringste Mengen an Chemikalien zu erwarten gewesen seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin mit der Begründung zurück, die Überprüfung auf Exposition gegenüber Chemikalien habe ergeben, dass nur noch geringste Mengen an Chemikalien in den Abwasserleitungen zu erwarten gewesen seien. Selbst bei Unterstellung geringer Mengen von Chemikalien werde dabei noch keine Aussage über deren Neurotoxität getroffen. Denn nur bestimmte organische Lösungsmittel - und diese nur in ausreichend hohen Konzentrationen - könnten nach medizinisch wissenschaftlichen Erkenntnissen überhaupt Polyneuropathien verursachen. Die Aussage des Klägers, häufig Bleirohre zersägt oder gelötet zu haben, habe sich nicht bestätigen lassen. Denn überwiegend würden Glasleitungen verlegt, im Kellerbereich bestünden die Leitungen aus Keramikmaterial, ansonsten aus Kunststoff. Zum anderen gehe von Blei in metallischer Form kein wesentliches Gefährdungspotenzial aus. Die Polyneuropathie gehöre überdies, wie bereits ausgeführt, nicht zu den neurologischen Erkrankungen, die durch eine geeignete Bleiexposition hervorgerufen würden. Auch die Anerkennung der Darmerkrankung als BK bzw. Wie-BK sei zu Recht abgelehnt worden.
Hiergegen hat der Kläger am 9. Februar 2007 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben, zu deren Begründung er diverse Laborberichte aus den Jahren 1998 und 1999 vorgelegt hat.
Mit weiterem Bescheid vom 10. Mai 2007 hat die Beklagte festgestellt, dass die neurologische Erkrankung keine BK außerhalb der BKen 1317 bzw. 1101 begründe und auch nicht als Wie-BK anerkannt werden könne.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG ein arbeitsmedizinisches Gutachten bei dem Facharzt für Arbeits- und Allgemeinmedizin Dr. B. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 16. Februar 2008 ausgeführt, im Bereich des Biomonitorings hätten sich durchweg Messwerte gefunden, die weit unterhalb des bis 2003 gültigen biologischen Arbeitsstofftoleranzwertes (BAT-Wert) für Blei im Blut bei Männern von 400 µg/l und sogar unterhalb des Referenzwertes von unter 100 µg/l für die beruflich nicht-exponierte Normalbevölkerung gelegen hätten. U. a. sei im Befund des Umweltmedizinischen Labors München vom 6. November 1998 ein Wert von 67 µg/l im Blut, in einer Bleianalyse im Urin vom 25. November 1998 ein Wert von 3,9 µg/l (Referenzbereich ( 50 µg/l) und in einer Analyse vom Blei im EDTA-Blut vom 9. Februar 1999 ein Wert von 47 µg/l (Referenzbereich ( 100 µg/l für Normalbevölkerung) gemessen worden. Bei der aktuellen Untersuchung habe der Blutbleigehalt unter der Nachweisgrenze gelegen. Somit könne eine länger andauernde übergrenzwertige Exposition gegenüber den damals noch gültigen Grenzwerten von Blei als nicht zweifelsfrei gesichert gelten. Die haftungsbegründende Kausalität für eine berufsbedingte Erkrankung durch Blei oder seine Verbindungen nach der BK 1101 sei bei dem Kläger daher nicht gegeben. Ebenso habe ein übermäßiger Umgang mit Substanzen, die organische Lösemittel enthalten hätten, nicht bestanden. Eine gesicherte Exposition liege nicht vor, so dass auch die haftungsbegründende Kausalität für eine berufsbedingte Erkrankung durch organische Lösemittel nach BK 1317 nicht gegeben sei. Die von dem Kläger geäußerten Beschwerden seit Anfang/Mitte der neunziger Jahre ähnelten zwar denen eines prinzipiell reversiblen kritischen Anfangsstadiums einer bleibedingten Erkrankung mit außergewöhnlicher Müdigkeit, Schwindelattacken und Blässe. Eine zentrale Störung im Sinne einer Enzephalopathie als Ursache der Beschwerden habe aber weitestgehend durch vorangegangene klinische und neurologische Untersuchungen und die aktuelle klinisch-neurologische Untersuchung ausgeschlossen werden können. Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit wie z. B. Wortfindungsstörungen, Konzentrationsschwäche und Gedächtnisschwäche seien vom Kläger nicht angegeben worden und bei der Exploration auch nicht erkennbar gewesen. Der Kläger habe auch über keine Bauchkoliken berichtet. Gegen die Annahme einer bleibedingten Erkrankung sprächen die normwertigen Blutbildbefunde sowie die normwertigen Biomonitoring-Befunde, insbesondere des Bleigehalts von Blut und Urin. Lediglich die in der Haaranalyse nachgewiesene erhöhte Bleikonzentration weise auf eine möglicherweise dagewesene erhöhte Exposition hin. Somit könne insgesamt ein Vollbeweis der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 1101 nicht gelingen. Gleiches gelte für die BK 1317, für die ebenfalls die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Bei der Polyneuropathie spreche überdies mehr gegen eine berufliche Verursachung. Denn der Kläger leide mit Sicherheit an langjährigem, zur Zeit medikamentös therapiertem Diabetes mellitus bei wiederholt eindeutig pathologisch nüchternen und postprandialen Blutwerten. Des Weiteren sei eine schwere Hyperlipidämie und eine Gefäßsklerose mit Unterschenkelarteriopathie diagnostiziert worden, die bereits zu einer operativ interventionsbedürftigen peripheren arteriellen Verschlusskrankheit geführt habe. Schließlich fänden sich labortechnisch Hinweise auf eine fragliche borrelienassoziierte Erkrankung. Allein der Diabetes mellitus und die fragliche Borreliose seien in der Lage, eine Polyneuropathie der Beine zu verursachen. Seines Erachtens sei aber der langjährige Diabetes die führende Ursache. Die seit vier Jahren von dem Kläger eingenommenen Medikamente zur Optimierung der Stoffwechseleinstellung des Diabetes hätten zu normwertigen Blutzuckerwerten geführt und auch zur Rückbildung der Diabetes-assoziierten Polyneuropathie beigetragen. Es lägen keine Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft darüber vor, dass Spengler und Installateure einem erhöhten Risiko für die Entwicklung der BKén 1101 und 1317 unterlägen.
Nach vorangegangener Anhörung hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 23. November 2009, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 25. November 2009, die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen für die Anerkennung und Entschädigung der Erkrankungen einer Polyneuropathie und des Coloncarzinoms als BK oder Wie-BK seien nicht erfüllt. Da die Beklagte jedwede Entschädigung abgelehnt habe, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, sei die Klage nur als Feststellungsklage in Verbindung mit einer Anfechtungsklage statthaft. Dem auf Entschädigung gerichteten Teil des Antrags komme keine eigenständige Bedeutung zu. Gegenstand des Klageverfahrens sei auch der Bescheid vom 10. Mai 2007, denn dieser habe die im ursprünglich angefochtenen Bescheid enthaltene Ablehnung der Anerkennung als BK 1101 und 1317 inzidenter wiederholt und somit ersetzt. Nach der Rechtsprechung könnten Krebserkrankungen des Dickdarms grundsätzlich unter einzelne BK-Ziffern subsumiert werden, namentlich 1310 und 2402. Entsprechend werde eine darmkrebserregende Wirkung einzelner auch beruflich relevanter Einwirkungen in der Wissenschaft zumindest diskutiert, konkret bei 4-Amino-Diphenyl, aromatischen Aminen, Benzidin, 4-Chlor-o-Toluidin, ionisierenden Strahlen, S-Lost und N-Lost, Pyrolyseprodukten, 2-Naphthylamin und Nitrosaminen. Bei diesen Noxen sei die Validität der Erkenntnisse über die krebserregende Wirkung umstritten und sie setzten eine Einwirkung besonders hoher Intensität voraus. Gegenüber den genannten Noxen gebe es keinerlei Hinweise auf beruflichen Kontakt beim Kläger. Hierbei müsse auch berücksichtigt werden, dass Darmtumore häufig auch in der unbelasteten Bevölkerung, z. B. aufgrund der Ernährungsgewohnheiten aufträten und sich vielfach aus Dickdarmpolypen entwickelten, die zur Entartung neigten oder sich auf dem Boden gemischter genetischer Prädispositionen entwickelten. Die bloße Tatsache, dass der Kläger an einer derartigen Erkrankung gelitten habe, lege daher eine berufliche Ursache nicht von vornherein nahe. Der Kläger leide zwar an einer Polyneuropathie im Sinne der BK 1317. Diese Diagnose werde zuletzt auch von dem Sachverständigen Dr. B. bestätigt. Insoweit fehle es jedoch an den arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK. Das habe nicht nur der TAD in seinen Ermittlungen unter Beteiligung des letzten Arbeitgebers festgestellt. Auch die Befragung durch den Sachverständigen habe keine Hinweise auf einen übermäßigen Umgang mit Substanzen, die typischerweise organische Lösungsmittel enthielten, wie z. B. Entfetter oder Verdünner, ergeben. Selbst bei Unterstellung der arbeitstechnischen Voraussetzungen sei überdies ein ursächlicher Zusammenhang unwahrscheinlich, da bei dem Kläger ein langjähriger, ausgeprägter und über lange Zeiträume nicht hinreichend medikamentös eingestellter Diabetes mellitus nachgewiesen sei. Zusätzlich bestehe der Verdacht auf eine durchgemachte Borreliose und damit eine Erkrankung, die ebenfalls als Ursache von Polyneuropathien bekannt sei. Das habe auch der behandelnde Neurologe Dr. Sch.-B. so gesehen, der die Diabeteserkrankung ebenfalls als wahrscheinlichste Ursache der Polyneuropathie betrachtet habe. Die BK 1101 sei vom Sachverständigen zutreffend und nachvollziehbar trotz einiger dem Anfangsstadium einer bleibedingten Erkrankung vergleichbarer Symptome verneint worden, da diese unspezifisch gewesen seien und typischere Symptome wie kognitive Störungen und Bauchkoliken sich nicht hätten eruieren lassen. Auch der weitere Verlauf entspreche nicht dem einer Bleivergiftung. Schließlich zeigten die objektiven Befunde aus der Zeit der fraglichen Belastung und dem Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung Normalwerte, lediglich die Haaranalysen hätten eine erhöhte Konzentration erkennen lassen. Somit könne eine andauernde, übergrenzwertige Exposition gegenüber Blei und seinen Verbindungen nicht festgestellt werden.
Mit seiner dagegen am 9. Dezember 2009 eingelegten Berufung hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Exposition gegenüber Lösungsmitteln, gemischten und toxischen Noxen als erfüllt angesehen.
Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23. November 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2007 und den Bescheid vom 10. Mai 2007 aufzuheben und die Polyneuropathie sowie Darmerkrankung als Berufskrankheit nach Nrn. 1101 bzw. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung, hilfsweise wie eine Berufskrankheit festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der (vormalige) Senat den Kläger neurologisch und internistisch auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begutachten lassen (L 2 U 5789/09).
Prof. Dr. Dr. W. ist in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 25. April 2012 zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Polyneuropathie durch Lösungsmittel ebenso wie eine bleiinduzierte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu verneinen sei. Bereits eine Exposition durch Lösungsmittel sei nicht nachweisbar. Zum anderen fehlten die dafür erforderlichen typischen Symptome, welche die Annahme einer lösungsmittelinduzierten Schädigung erhärten könnten (pränarkotische Symptome, Besserung im Urlaub). Die Anamnese belege zwar, dass es häufig zu einer Exposition mit Bleistaub und auch Bleidämpfen über Jahre hinweg gekommen sei, welches auch dadurch dokumentiert werde, dass sich bei mehrmaligen Messungen in den Haaren eindeutig deutlich höhere Bleiwerte gefunden hätten. Andererseits hätten sich bei dem Kläger zu keiner Zeit typische Symptome einer Bleivergiftung wie Bauchschmerzen, Bauchkoliken oder Verstopfung gezeigt. Die Laborwerte dokumentierten ebenfalls keine "typische" Anämie. Nicht zuletzt beträfen Bleiintoxikationen vor allem das Gehirn bzw. das Zentralnervensystem, neuropathische Schäden seien rein motorisch und beträfen vor allem den Nervus radialis am Arm ("Fallhand bei Bleiintoxikation"). Nach aktuellem Wissensstand erscheine es zwar durchaus möglich, dass die distal betonte sensomotorische Polyneuropathie auf eine langjährige Intoxikation mit jeweils geringen Bleimengen zurückzuführen sei. Andererseits lägen aber konkurrierende Ursachen wie eine Polyarthritis, eine längere Gabe von Kortison, ein Diabetes mellitus, ein regelmäßiger Alkoholkonsum und auch eine arterielle Verschlusskrankheit der Beine vor, die allesamt geeignet seien, Polyneuropathien hervorzurufen. Eine Abgrenzung sei daher nur dann möglich, wenn auch heute noch in relevantem Umfang Blei im Körpergewebe nachzuweisen sei. Hierfür reiche der Nachweis von Blei in den Haaren nicht aus, weil der Bleistaub sich selbstverständlich in den Haaren absiedeln könne und dann bis zu deren "Auswachsen" über Monate nachweisbar sei, ohne dass damit auch eine systemische Bleiintoxikation nachgewiesen sei. Ein möglicher Zusammenhang zwischen einer Bleiintoxikation und dem stattgehabten Colon-Carzinom sei nach medizinischer Recherche eher unwahrscheinlich, müsse allerdings von internistischer Seite beurteilt werden.
Der erkennende Senat hat das Berufungsverfahren im Wege einer Änderung der Geschäftsverteilung zum 1. Januar 2013 übernommen.
Der Internist Dr. K. ist in seinem internistischen Gutachten vom 8. März 2013 nach Durchführung eines Schwermetallmobilisationstests zur Bleimobilisation aus dem Knochen ebenfalls zu dem Ergebnis gelangt, dass keine bei dem Kläger diagnostizierte Gesundheitsstörung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf seine Berufstätigkeit zurückzuführen sei und deswegen keine BK (auch nicht die Nrn. 1310 und 2402) oder Wie-BK zur Anerkennung vorgeschlagen werden könne. Hinsichtlich der Darmkrebserkrankung erscheine eine familiäre Belastung möglich (weiterer Darmkrebsfall beim Bruder). Insoweit müsse auch der langjährige Nikotinabusus sowie die Mikro- und Makroangiopathie (gestörte Durchblutung der großen und kleinen Gefäße) als risikoerhöhend angesehen werden, die nicht durch die Berufstätigkeit bedingt seien. Eine relevante Exposition mit Karzinogenen fehle, was der Kläger mittlerweile auch einräume. Eine Enzephalopathie sei nicht nachgewiesen, wohl eine Polyneuropathie, wobei es an einer Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln fehle. Unter Berücksichtigung seiner Angaben sei der Einsatz des Klägers in Bereichen mit potentieller Exposition zu inhalativen Noxen bis 1986 unter Atemschutzmaßnahmen erfolgt, danach sei eine solche Tätigkeit mit Atemschutzpflicht von Seiten des betriebsärztlichen Dienstes verboten gewesen. Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht im Rahmen der Arbeitstätigkeit an Rohrleitungen lasse sich somit anhand der vorliegenden Daten nicht begründen. Eine Bleiexposition habe sich ausschließlich in den Haarproben in den Jahren 1998 und 1999 nachweisen lassen. Zu keinem Zeitpunkt hätten sich Nachweise von Blei im Blut oder Urin sowie als indirekter Hinweis einer Erhöhung der Delta-Aminolävulinsäure im Urin erheben lassen. Dies werde durch die vorliegenden betriebsärztlichen Untersuchungen, die Vorgutachten sowie die bei der Untersuchung gemachten Angaben bestätigt. Die von Prof. Dr. Dr. W. aufgeworfene Frage einer möglicherweise niederschwelligen chronischen Bleiexposition habe sich durch die nochmalige Bestimmung des Bleigehaltes im Blut nicht bestätigen lassen. Diese habe keinen Anhalt für eine extern zugeführte akute Bleibelastung aufgewiesen. Blutbildveränderungen hätten ebenfalls nicht festgestellt werden können, die Testergebnisse für Blei im Urin zeigten basal wie erwartet normale Werte, auch nach Mobilisation mit DMPS hätte kein Anstieg der Bleikonzentration beobachtet werden können. Insoweit werde ein Zeitraum von zehn Jahren nach Ende der möglichen Bleiexposition als durchaus möglich angesehen, um relevante Bleieinlagerungen im Knochen aufzuzeigen. Die klinischen Beschwerden belegten ebenfalls keine typische schwerwiegendere bzw. akute Bleivergiftung. Denn es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine bleibedingte Hirnschädigung (Enzephalopathie) oder motorische Neuropathie (Störung der Bewegung von Muskeln) oder ein für die Bleischädigung typischer Kraftverlust gezeigt. Ziehe man die ausgeprägte Verkalkung der Bauchschlagader sowie der Leisten- und Beinarterien in Betracht, so seien diese sicherlich durch eine Kombination von Nikotinkonsum, Zuckerkrankheit und arterieller Blutdruckerhöhung zu werten, während die Testung keinen neuen Aspekt aufgezeigt habe, der Ansprüche des Klägers weitergehend unterstützen könne. Die erhöhte Bleikonzentration in den Haaren sei nicht gleichzusetzen mit einer Inkorporation von Blei, so dass unter Berücksichtigung der Laborresultate keine relevante Bleibelastung des Organismus nachgewiesen werden könne. Sämtliche vom Kläger geschilderten möglicherweise bleiassoziierten Beschwerden (Schwindel, Gichtanfälle, Kopfschmerz, Polyneuropathie/Gefühlsstörungen der Beine) seien durch internistische Erkrankungen verursacht und sowohl hinsichtlich der Expositionsmenge als auch Dauer nicht belegt. Die BKén 1101 und 1317 lägen somit ebenso wenig wie eine Wie-BK vor.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 153 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und statthafte Berufung des Klägers (§§ 143, 144 SGG), über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger erstrebt im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gem. § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG die Aufhebung der das Vorliegen der BK‘en 1101 und 1317 und das Bestehen von Leistungsansprüchen ablehnenden Verwaltungsentscheidungen sowie die gerichtliche Feststellung des Vorliegens dieser BK‘en. Nachdem die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin einen Leistungsanspruch des Klägers insgesamt mit der Begründung verneint haben, die BK‘en 1101 und 1317 lägen nicht vor, ist zunächst diese Voraussetzung möglicher Leistungsansprüche im Wege der Feststellungsklage zu klären. Weitergehenden Anträgen betreffend Leistungsansprüche gegen die Beklagte kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. Urteil des Senats vom 22. November 2012 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 15. Februar 2005 - B 2 U 1/04 - SozR 4-2700 § 8 Nr. 12, Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 45/03 - SozR 4-2700 § 2 Nr. 2).
Allein mit diesem, dem vom Kläger erstinstanzlich zuletzt vom SG so aufgenommenen Antrag entsprechenden Begehren ist die Berufung zulässig. Der Senat hat daher den Berufungsantrag entsprechend sachdienlich ausgelegt.
Gegenstand des Klageverfahrens war auch der Bescheid vom 10. Mai 2007, das SG hat diesen zu Recht in das Klageverfahren nach § 96 SGG einbezogen. Nach § 96 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt nach Klageerhebung Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergeht und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Eine Abänderung oder ein Ersetzen setzt allgemein voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsakts mit demjenigen des früheren identisch ist, was durch einen Vergleich der Verfügungssätze festgestellt werden muss. Ausgehend hiervon hat der Bescheid vom 10. Mai 2007 die im ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 11. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2007 geregelte Ablehnung der Anerkennung der neurologischen Erkrankungen als BK 1101 und 1317 und der Darmerkrankung als BK oder Wie-BK insoweit ergänzt, als er auch die Anerkennung der neurologischen Erkrankungen als BK außerhalb der BK’en 1101 und 1317 sowie als Wie-BK abgelehnt hat.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der BK‘en 1101 und 1317 oder einer Wie-BK. Die Polyneuropathie sowie das Darmkarzinom sind nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit durch Stoffe im Sinne der BK‘en 1101 und 1317 verursacht. Vielmehr haben sich die Erkrankungen schicksalhaft auf dem Boden relevanter metabolischer und kardiovaskulärer Erkrankungen, begünstigt durch die Risikofaktoren eines langjährigen Nikotionabusus sowie niederschwelligen Alkoholkonsums entwickelt, wie der Sachverständige Dr. K. zusammenfassend zutreffend und übereinstimmend mit Dr. B. dargestellt hat.
BK‘en sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BK‘en bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als BK‘en zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB VII). Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als BK‘en anerkannten Krankheiten aufgeführt sind.
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis erwiesen sein, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2009 - B 2 U 9/08 R - Juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt jeweils das Bestehen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße - nicht auszuschließende - Möglichkeit. Danach muss bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999 - B 2 U 47/98 R - SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 2. Mai 2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Dass diese Voraussetzungen beim Kläger nicht vorliegen, hat das SG in Auswertung des Gutachtens von Dr. B. ausführlich begründet dargelegt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Würdigung in vollem Umfang an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab. Ergänzend ist im Hinblick auf die weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren auszuführen, dass auch die Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. und Dr. K. nicht den Nachweis der strittigen BKén oder Anhaltspunkte für eine Wie-BK erbracht haben.
Die neurologische Erkrankung ist keine BK 1101 (Erkrankungen durch Blei und seine Verbindungen).
Der Kläger hatte zwar beruflich Kontakt mit anorganischem Blei als Staub und in Form von Bleidämpfen beim Löten, denn seine Tätigkeit bestand u. a. im Aufschneiden und zum Teil Verlöten von Bleirohren. Diese Exposition lässt sich auch in den Haarprobenanalysen in den Jahren 1998 und 1999 nachweisen, was den berichteten beruflichen Umgang mit Blei unterstreicht. Eine außerhalb der Arbeit relevante Bleibelastung über dem für die Bevölkerung typischen Umfang kann mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, was der Senat den Gutachten von Dr. K. und Dr. B. entnimmt. Ein Kausalzusammenhang zwischen dieser Einwirkung und der Erkrankungen des Klägers ist jedoch nicht hinreichend wahrscheinlich. Denn zu keinem Zeitpunkt konnte Blei im Blut oder Urin sowie als indirekter Hinweis eine Erhöhung der Delta-Aminolävulinsäure im Urin erhoben werden. Vielmehr lagen die Messwerte weit unterhalb des bis 2003 gültigen biologischen Arbeitsstofftoleranzwertes (BAT-Wert) für Blei im Blut bei Männern von 400 µg/l und sogar unterhalb des Referenzwertes von ( 100 µg/l für die beruflich nicht-exponierte Normalbevölkerung. Der Senat entnimmt das der Auswertung von Dr. B., der den Befund des Umweltmedizinischen Labors München vom 6. November 1998 mit einen Wert von 67 µg/l im Blut, einer Bleianalyse im Urin vom 25. November 1998 mit einem Wert von 3,9 µg/l (Referenzbereich ( 50 µg/l) und der Analyse vom Blei im EDTA-Blut vom 9. Februar 1999 mit einem Wert von 47 µg/l als unter dem Referenzbereich ( 100 µg/l für Normalbevölkerung beschrieben hat. Das hat auch Dr. B. vom betriebsärztlichen Dienst der R. AG bei den regelmäßigen Kontrollen für die Zeit von 1988 bis 1993 bestätigt. Somit ließen sich weder in den betriebsärztlichen Untersuchungen noch bei allen Gutachtern Hinweise für eine akute Bleiintoxikation oder typische Spätkrankheiten im Sinne einer Schrumpfniere oder chronischer Enzephalopathie als Hinweis auf eine Bleiintoxikation belegen.
Auch die nochmalige Bestimmung des Bleigehalts im Blut nach Mobilisation mit DMPS bei Dr. K. hat normale Werte erbracht, ein Anstieg der Bleikonzentration konnte nicht beobachtet werden. Der Sachverständige hat ausdrücklich bestätigt, dass der Test auch nach diesem Zeitablauf noch aussagekräftig ist.
Somit kann auch durch die neuen im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten ein Kausalzusammenhang im Sinne der BK 1101 nicht hergestellt werden. Beim Kläger liegen auch keine Anzeichen für eine bleibedingte Erkrankung vor. Blei führt zwar als anerkannte BK 1101 in ausgeprägten Fällen neben Anämie und abdominalen Koliken auch zu Polyneuropathie; als Folge massiver Exposition können eine Enzephalopathie und Nephropathie auftreten (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur Berufskrankheiten-Verordnung, M1101, S. 7).
Der Kläger hat zwar - zunächst unspezifisch - über Müdigkeit, Schwindelattacken und Anämie berichtet, also ähnliche Beschwerden wie bei dem Anfangsstadium einer bleibedingten Erkrankung. Das hat bereits der Sachverständige Dr. B. so beschrieben. Die typischen Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit oder Koliken bestanden aber nicht, worauf bereits Dr. B. hingewiesen hat. Auch Prof. Dr. Dr. W. ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sich beim Kläger zu keiner Zeit typische Symptome einer Bleivergiftung wie Bauchschmerzen, Bauchkoliken oder Verstopfung gezeigt haben. Die Laborwerte dokumentierten ebenfalls keine "typische" Anämie. Prof. Dr. Dr. W. und Dr. K. haben weiter ausgeführt, dass auch die klinischen Beschwerden keinen Anhalt für eine typische schwerwiegendere bzw. akute Bleivergiftung zeigen, die Polyneuropathie vielmehr - wie dies auch der vorangegangene Gutachter Dr. B. und nicht zuletzt Dr. Sch.-B. - so gesehen haben - auf die begleitenden Erkrankungen (Zuckerkrankheit, Gefäßsklerose und Blutdruckerhöhung zurückzuführen sind.
Somit beruht die distal betonte sensomotorische Polyneuropathie der Beine nicht auf der BK 1101, was im Ergebnis sämtliche Gutachter so bestätigt haben.
Auch die BK 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel und deren Gemische) ist zu verneinen.
Auch hier fehlt es an einem Kausalzusammenhang zwischen beruflicher Einwirkung und Erkrankung, was der Senat insbesondere den Ausführungen des TAD, der sich auf die Ergebnisse der Rücksprache mit der Sicherheitsfachkraft B. gestützt hat, wie den Angaben der DSM N. P., die er jeweils im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat, entnimmt. Selbst bei falscher Entsorgung der Chemikalien bestand kaum eine Kontaktmöglichkeit des Klägers mit organischen Lösungsmitteln, weil die Abflussleitungen zunächst durchgespült und dann die Abteilung Sanitär mit der Reinigung der verstopften Rohre beauftragt wurde, erst dann war der Kläger eingesetzt. Der Kläger war auch, was zuletzt die Anamnese von Dr. K. ergeben hat, nur bis 1986 für Tätigkeiten mit Atemschutzmaske zugelassen, so dass nur für diesen Zeitraum überhaupt mit einer entsprechenden Belastung mit flüchtigen inhalativen Noxen zu rechnen ist. Der Kläger war nur ab 1985 überhaupt im Sanitärbereich der Labore tätig und hatte nur während diesem Jahr Arbeiten an potentiell kontaminierten Rohren zu verrichten. Danach hat der betriebsärztliche Dienst eine Tätigkeit mit Atemschutzpflicht verboten. Bereits Dr. B. ist deswegen zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass keine langjährig gesicherte Überschreitung der entsprechenden Grenzwerte für organische Lösungsmittel vorliegt.
Kann über die versicherte Tätigkeit eines Versicherten lediglich ermittelt werden, dass er bei der Ausübung Kontakt zu organischen Lösungsmittel hatte, jedoch nicht, wie oft der Versicherte es mit welchen Mengen dieser Mittel zu tun hatte und aus welchen Inhaltsstoffen diese genau zusammengesetzt waren, ist damit die konkrete Einwirkung gefährdender Stoffe auf den Versicherten nicht belegbar und der erforderliche Vollbeweis für die Einwirkung von Schadstoffen nicht erbracht (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. März 2012 - L 3 U 99/11 - Juris).
Darüber hinaus hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. W. in Auswertung der vom Kläger erfragten Symptome, welche die Annahme einer lösungsmittelinduzierten Schädigung erhärten könnten (pränarkotische Symptome, Besserung im Urlaub), verneint, so dass auch ansonsten keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Polyneuropathie durch Lösungsmittel verursacht worden ist. Vielmehr hat der geringe berufliche Kontakt zu organischen Lösungsmitteln weder zur Entstehung der Polyneuropathie noch zu deren Verschlimmerung beigetragen und war auch kein gleichwertiger Mitverursacher.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung des Darmkrebs als BK 1101 oder 1317. In dem Merkblatt zur BK 1101 ist ein Darmkrebs nicht als Spätfolge einer Exposition mit Blei oder seinen Verbindungen beschrieben. Ferner handelt es sich dabei nicht um eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie im Sinne der BK 1317.
Schließlich kann der Darmkrebs auch nicht als Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anerkannt werden.
Für die Feststellung einer Wie-BK genügt es nicht, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl. zum Folgenden BSG, Urteil vom 20. Juli.2010 - B 2 U 19/09 R). Denn die Regelung des § 9 Abs. 2 SGB VII beinhaltet keinen Auffangtatbestand und keine allgemeine Härteklausel (vgl. BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 17). Vielmehr darf die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BK‘en (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber sie also als neue Listen-BK in die BKV einfügen dürfte, aber noch nicht tätig geworden ist (vgl. BT-Drucks 13/2204, 77 f).
Nach § 9 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 SGB VII setzt die Feststellung einer Wie-BK voraus, dass eine bestimmte Personengruppe durch die Art der versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist. Die Personengruppe darf nicht vorab nach gesetzesfremden Merkmalen bestimmt werden, sondern ergibt sich durch die nachgenannten Prüfungen. Zuerst ist die Art der Einwirkungen zu ermitteln, die im Blick auf die vom Versicherten geltend gemachte Krankheit abstrakt-generell als Ursachen in Betracht kommen können. Dann ist zu klären, ob diese abstrakt-generell einer bestimmten Art einer vom Versicherten verrichteten versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind. Erst aus dieser Verbindung von krankheitsbezogenen Einwirkungen und versicherten Tätigkeiten ergibt sich die abstrakt-generelle Personengruppe, die sich von der Allgemeinbevölkerung unterscheidet. An die bestimmte Personengruppe sind keine besonderen Anforderungen hinsichtlich ihrer Größe (vgl. BSG, Urteil vom 29. Oktober 1981 - 8/8a RU 82/80 - SozR 2200 § 551 Nr. 20) oder sonstiger charakterisierender Merkmale zu stellen (z. B. nicht gemeinsamer Beruf, vgl. Becker in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII-Kommentar, Stand Mai 2010, § 9 RdNr. 55).
Die Einwirkungen, denen die Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit ausgesetzt ist, müssen abstrakt-generell nach dem Stand der Wissenschaft die wesentliche Ursache einer Erkrankung der geltend gemachten Art sein. Denn für die Beurteilung des generellen Ursachenzusammenhangs gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Vor der rechtlichen Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursachenart selbst muss auch hier die naturwissenschaftliche-philosophische Kausalitätsprüfung erfolgen. Dabei ist zu klären, ob nach wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen belegt ist, dass bestimmte Einwirkungen generell bestimmte Krankheiten der vom Versicherten geltend gemachten Art verursachen. Das ist anzunehmen, wenn die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf den jeweils in Betracht kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt. Bei der Erstellung und der gerichtlichen Überprüfung der Gutachten, die zur Ermittlung des Stands der Wissenschaft einzuholen sind, können z. B. auch Erkenntnisse der "militärischen" Forschung (Knickrehm, SGb 2010, 381, 388; Biesold, MedSach 2010, 23 ff) und die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften herangezogen werden (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a.a.O.).
Die Anerkennung einer Erkrankung als Wie-BK setzt somit voraus, dass der Erkrankte einer Personengruppe angehören muss, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist, dass die besonderen Einwirkungen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft generell geeignet sein müssen, eine bestimmte Erkrankung zu verursachen und dass diese Eignung anhand einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und einer langfristigen zeitlichen Überwachung derartiger Krankheitsbilder nachgewiesen sein muss.
Ferner müssen die Erkenntnisse neu sein und der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der gefährdenden Tätigkeit muss im konkreten Fall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststehen (zum Ganzen BSG, Urteil vom 29. November 2011, B 2 U 26/10 R, Juris).
Das Tatbestandsmerkmal der gruppenspezifischen Risikoerhöhung ist vorliegend nicht erfüllt, da keine Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft darüber vorliegen, dass Spengler und Installateure einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Darmkrebs unterliegen. Damit können aber auch keine "besonderen" Einwirkungen im obigen Sinne gegeben sein. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. fest, die auf dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft beruhen.
Ferner erbrachte die Anamnese von Dr. K. eine familiäre Belastung für Darmkrebserkrankungen erbracht, nachdem ein weiterer Darmkrebsfall beim Bruder des Klägers aufgetreten ist. Des Weiteren scheitert die Anerkennung auch daran, dass durch den langjährigen Nikotinabusus bzw. die Mikro- und Makroangiopathie (gestörte Durchblutung der großen und kleinen Gefäße) eine nicht durch die Berufstätigkeit bedingte Risikoerhöhung für das Entstehen des Darmkrebses vorliegt, so dass aufgrund dieser hohen Wahrscheinlichkeit einer Alternativenursache die Anerkennung einer Wie-BK auch aus diesem Grund ausscheidet.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Polyneuropathie als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1101 (Erkrankungen durch Blei) oder Nr. 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel und deren Gemische) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sowie eines Darmkarzinoms als Wie-BK streitig.
Der 1946 geborene Kläger war nach seiner Lehre zum Installateur und Blechner in diesem Beruf von 1971 bis 1977 in der Schweiz bei zwei Sanitär- und Spenglerunternehmen beschäftigt. Während der anschließenden Tätigkeit als Rohrschlosser bei der Firma R. Vitamine GmbH (jetzt DSM N. P.) bestand von 1977 bis 1986 kein wesentlicher Kontakt mit Bleirohren und nur in geringem Umfang zu organischen Lösemitteln. Ab 1986 bis zu seinem Vorruhestand 2005 war er für die Wartung der Rohre in den Laboren zuständig. Hierbei musste er Bleirohre durch Kunststoff- und Edelstahlrohre ersetzen und die Bleileitungen vor Ort durch Löten und Schweißen reparieren. 1998 erkrankte er an Darmkrebs, eine Chemotherapie war postoperativ nicht erforderlich. Zusätzlich trat 1999 bei einem Diabetes mellitus Typ II eine Polyneuropathie, diagnostiziert im Kantonspital Basel am 19. Juli 1999, auf (neurologisch distale Hyposensibilität der unteren Extremitäten, vermindertes Vibrationsempfinden sowie fehlender ASR beidseits). Seit Juli 2005 war der Kläger wegen eines Coloncarcinoms dauernd arbeitsunfähig, das Beschäftigungsverhältnis endete mit Ablauf des Monats Juni 2006.
Am 9. Dezember 2005 beantragte der Kläger die Anerkennung der Polyneuropathie als BK. Nachgewiesen sei eine erhöhte Bleikonzentration im Körper. Beigefügt waren u.a. Arztberichte des Neurologen und Psychiaters Dr. Sch.-B. vom 28. September 2004 (am ehesten eine diabetische Ätiologie der Polyneuropathie), der urologischen Gemeinschaftspraxis Dr. H. vom 16. Mai 2003 (PSA-Wert im Normbereich, keine wesentliche Beeinträchtigung der Miktionsverhältnisse, seit längerer Zeit erektile Dysfunktion) sowie des Internisten Dr. B. vom 21. Juli 2004 (bei routinemäßiger Nachkontrolle Ausschluss eines metachronen Zweitkarzinoms oder eines Lokalrezidivs).
Nachdem der Kläger weitere Arztberichte vorlegte und seine Beschäftigungsverhältnisse im einzelnen darlegte, ermittelte die Beklagte zunächst die berufliche Vorgeschichte des Klägers. Die DSM N. P. teilte mit Schreiben vom 22. Februar 2006 mit, der Kläger habe in der Zeit vom 1. April 1977 bis 31. März 2005 in dem Unternehmen gearbeitet. Dabei sei er zunächst bis 31. Dezember 1984 als Rohrschlosser in der Zentralwerkstatt (Konfektionieren und Montieren sowie Reparatur von Rohrleitungen, hauptsächlich im Werkstoffbereich V4a-Stahl) eingesetzt, danach ab 1. Januar 1985 als Spengler und Sanitärmonteur in der Zentralwerkstatt beschäftigt worden. Dabei habe er ab und zu auch Kontakt mit Blei und Bleilot gehabt. Es habe sich überwiegend um Reparaturarbeiten an noch vorhandenen Abwasserleitungen aus Blei, die jedoch im Laufe der Jahre durch Kunststoffleitungen ersetzt worden seien, gehandelt. Während im Bereich der Zentralwerkstatt Abzüge vorhanden gewesen und auch benutzt worden seien, sei dies bei Reparaturen vor Ort nicht der Fall gewesen. Atemschutz sei nicht zur Anwendung gekommen. Der Umgang mit Bleilot sei nicht der Hauptbestandteil der Arbeit gewesen. Arbeitsplatzmessungen habe man nicht durchgeführt, auch lägen keinerlei Unterlagen über die zeitlichen Dimensionen der Arbeiten vor. Ein berufsbedingter Umgang mit Lösemitteln sei ausgeschlossen.
In Auswertung dieser Angaben führte Dipl.-Ing. G. vom Technischen Aufsichtsdienst (TAD) am 19. April 2006 aus, ein berufsbedingter Umgang mit Lösemitteln könne ausgeschlossen werden. Was den Umgang mit Bleiverbindungen angehe, so werde auf die Mitteilung der Firma DSM N. P. verwiesen. In ihrer gewerbeärztlichen Feststellung kam die Ärztin für Arbeitsmedizin G. am 31. Mai 2006 zu dem Ergebnis, dass die BK 1317 nicht zur Anerkennung vorgeschlagen werde. Die aktenkundigen Informationen sprächen für eine schicksalhafte Genese der Polyneuropathie. Ein Zusammenhang mit der angeschuldigten beruflichen Tätigkeit könne nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11. August 2006 die Anerkennung der beim Kläger festgestellten neurologischen Erkrankung als BK´en 1317 bzw. 1101 ab. Die schwere Darmerkrankung sei keine BK und werde auch nicht als Wie-BK anerkannt. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe eigenen Schilderungen zufolge seit Anfang/Mitte der neunziger Jahre wiederholt an Gelenkentzündungen verbunden mit Schmerzen am gesamten Körper gelitten. Ende 1995 hätten dann starke Kopfschmerzen in Verbindung mit Schwindel, gefolgt von einer schweren Darmerkrankung im Jahre 1998 vorgelegen. 1999 sei der Verdacht auf das Vorliegen einer Polyneuropathie geäußert worden. Der vom Kläger vermutete Zusammenhang mit einer beruflichen Exposition gegenüber Blei habe sich nicht erhärtet, da er nur gelegentlichen Kontakt mit metallischen Bleien gehabt habe. Somit habe eine Exposition, die geeignet gewesen wäre, neurologische Erkrankungen zu verursachen, nicht vorgelegen. Ein Zusammenhang werde nur bei einer massiven Exposition gegenüber Blei und auch nur bei Vorliegen einer Enzephalopathie diskutiert, nicht hingegen bei dem Erkrankungsbild einer Polyneuropathie. Hinsichtlich der BK 1317 fehle es an jeglicher Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln. Die Erkrankung des Darms sei nach den medizinischen Erkenntnissen nicht durch berufliche Einflüsse verursacht und könne deswegen weder als BK noch als Wie-BK anerkannt werden.
Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, seine Tätigkeit habe überwiegend darin bestanden, verstopfte Abflussrohre der Labore freizumachen und er sei deswegen gegenüber sämtlichen Substanzen exponiert gewesen, die in den Laboren verwendet worden seien und die sich in den Rohren angesammelt hätten. Ende der neunziger Jahre sei betriebsärztlich bei ihm eine erhöhte Bleikonzentration in den Haaren festgestellt worden.
Dipl.-Ing. G. führte nach Rücksprache mit der Sicherheitsfachkraft B. von dem Mitgliedsbetrieb R. Vitamine GmbH (DSM N. P.) am 16. November 2006 aus, schätzungsweise drei- bis viermal im Monat hätten Rohrleitungen im Bereich des Laborgebäudes gereinigt werden müssen. Vor der Reinigung seien diese durch das Laborpersonal mit Wasser gespült worden. In den meisten Fällen sei bei beginnenden Rohrverstopfungen bzw. schlechteren Ablaufverhältnissen zunächst die Abteilung "Sanitär" zur Störungsbehebung beauftragt worden. Im Laborbereich würden überdies alle Reste in dafür vorgesehene Abfallgebinde gegeben, nur anhaftende Stoffe gelangten beim Spülvorgang in die Kanalisation. Es könne zwar nicht ausgeschlossen werden, dass eine falsche Entsorgung über das Abwassernetz stattfinde, zu Vorkommen und Häufigkeit könnten jedoch keine Aussagen gemacht werden. Es müsse aufgrund des Spülens der Abflussleitungen vor Säubern der Rohrleitungen davon ausgegangen werden, dass - wenn überhaupt - sich nur geringste Mengen an Chemikalien noch in den Rohrleitungen befunden hätten, wobei Messwerte für diesen Bereich nicht vorlägen. Im Laborbereich seien weniger Leitungen aus Blei, sondern überwiegend Glasleitungen verlegt worden. Ab dem Kellerbereich hätten diese überwiegend aus Keramikmaterial bestanden. In Bereichen, in denen mit Säure gerechnet werden müsse, seien die Abwasserleitungen überwiegend aus Kunststoff gewesen. Es könne daher davon ausgegangen werden, dass bei Arbeiten im Bereich von Abwasserleitungen im Laborbereich durch Spülvorgänge mit Wasser grundsätzlich eine Verdünnung von eventuell weggespülten Chemikalien erfolgt gewesen sei. Somit könne davon ausgegangen werden, dass bei Arbeiten an Abwasserleitungen nur geringste Mengen an Chemikalien zu erwarten gewesen seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin mit der Begründung zurück, die Überprüfung auf Exposition gegenüber Chemikalien habe ergeben, dass nur noch geringste Mengen an Chemikalien in den Abwasserleitungen zu erwarten gewesen seien. Selbst bei Unterstellung geringer Mengen von Chemikalien werde dabei noch keine Aussage über deren Neurotoxität getroffen. Denn nur bestimmte organische Lösungsmittel - und diese nur in ausreichend hohen Konzentrationen - könnten nach medizinisch wissenschaftlichen Erkenntnissen überhaupt Polyneuropathien verursachen. Die Aussage des Klägers, häufig Bleirohre zersägt oder gelötet zu haben, habe sich nicht bestätigen lassen. Denn überwiegend würden Glasleitungen verlegt, im Kellerbereich bestünden die Leitungen aus Keramikmaterial, ansonsten aus Kunststoff. Zum anderen gehe von Blei in metallischer Form kein wesentliches Gefährdungspotenzial aus. Die Polyneuropathie gehöre überdies, wie bereits ausgeführt, nicht zu den neurologischen Erkrankungen, die durch eine geeignete Bleiexposition hervorgerufen würden. Auch die Anerkennung der Darmerkrankung als BK bzw. Wie-BK sei zu Recht abgelehnt worden.
Hiergegen hat der Kläger am 9. Februar 2007 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben, zu deren Begründung er diverse Laborberichte aus den Jahren 1998 und 1999 vorgelegt hat.
Mit weiterem Bescheid vom 10. Mai 2007 hat die Beklagte festgestellt, dass die neurologische Erkrankung keine BK außerhalb der BKen 1317 bzw. 1101 begründe und auch nicht als Wie-BK anerkannt werden könne.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG ein arbeitsmedizinisches Gutachten bei dem Facharzt für Arbeits- und Allgemeinmedizin Dr. B. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 16. Februar 2008 ausgeführt, im Bereich des Biomonitorings hätten sich durchweg Messwerte gefunden, die weit unterhalb des bis 2003 gültigen biologischen Arbeitsstofftoleranzwertes (BAT-Wert) für Blei im Blut bei Männern von 400 µg/l und sogar unterhalb des Referenzwertes von unter 100 µg/l für die beruflich nicht-exponierte Normalbevölkerung gelegen hätten. U. a. sei im Befund des Umweltmedizinischen Labors München vom 6. November 1998 ein Wert von 67 µg/l im Blut, in einer Bleianalyse im Urin vom 25. November 1998 ein Wert von 3,9 µg/l (Referenzbereich ( 50 µg/l) und in einer Analyse vom Blei im EDTA-Blut vom 9. Februar 1999 ein Wert von 47 µg/l (Referenzbereich ( 100 µg/l für Normalbevölkerung) gemessen worden. Bei der aktuellen Untersuchung habe der Blutbleigehalt unter der Nachweisgrenze gelegen. Somit könne eine länger andauernde übergrenzwertige Exposition gegenüber den damals noch gültigen Grenzwerten von Blei als nicht zweifelsfrei gesichert gelten. Die haftungsbegründende Kausalität für eine berufsbedingte Erkrankung durch Blei oder seine Verbindungen nach der BK 1101 sei bei dem Kläger daher nicht gegeben. Ebenso habe ein übermäßiger Umgang mit Substanzen, die organische Lösemittel enthalten hätten, nicht bestanden. Eine gesicherte Exposition liege nicht vor, so dass auch die haftungsbegründende Kausalität für eine berufsbedingte Erkrankung durch organische Lösemittel nach BK 1317 nicht gegeben sei. Die von dem Kläger geäußerten Beschwerden seit Anfang/Mitte der neunziger Jahre ähnelten zwar denen eines prinzipiell reversiblen kritischen Anfangsstadiums einer bleibedingten Erkrankung mit außergewöhnlicher Müdigkeit, Schwindelattacken und Blässe. Eine zentrale Störung im Sinne einer Enzephalopathie als Ursache der Beschwerden habe aber weitestgehend durch vorangegangene klinische und neurologische Untersuchungen und die aktuelle klinisch-neurologische Untersuchung ausgeschlossen werden können. Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit wie z. B. Wortfindungsstörungen, Konzentrationsschwäche und Gedächtnisschwäche seien vom Kläger nicht angegeben worden und bei der Exploration auch nicht erkennbar gewesen. Der Kläger habe auch über keine Bauchkoliken berichtet. Gegen die Annahme einer bleibedingten Erkrankung sprächen die normwertigen Blutbildbefunde sowie die normwertigen Biomonitoring-Befunde, insbesondere des Bleigehalts von Blut und Urin. Lediglich die in der Haaranalyse nachgewiesene erhöhte Bleikonzentration weise auf eine möglicherweise dagewesene erhöhte Exposition hin. Somit könne insgesamt ein Vollbeweis der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 1101 nicht gelingen. Gleiches gelte für die BK 1317, für die ebenfalls die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Bei der Polyneuropathie spreche überdies mehr gegen eine berufliche Verursachung. Denn der Kläger leide mit Sicherheit an langjährigem, zur Zeit medikamentös therapiertem Diabetes mellitus bei wiederholt eindeutig pathologisch nüchternen und postprandialen Blutwerten. Des Weiteren sei eine schwere Hyperlipidämie und eine Gefäßsklerose mit Unterschenkelarteriopathie diagnostiziert worden, die bereits zu einer operativ interventionsbedürftigen peripheren arteriellen Verschlusskrankheit geführt habe. Schließlich fänden sich labortechnisch Hinweise auf eine fragliche borrelienassoziierte Erkrankung. Allein der Diabetes mellitus und die fragliche Borreliose seien in der Lage, eine Polyneuropathie der Beine zu verursachen. Seines Erachtens sei aber der langjährige Diabetes die führende Ursache. Die seit vier Jahren von dem Kläger eingenommenen Medikamente zur Optimierung der Stoffwechseleinstellung des Diabetes hätten zu normwertigen Blutzuckerwerten geführt und auch zur Rückbildung der Diabetes-assoziierten Polyneuropathie beigetragen. Es lägen keine Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft darüber vor, dass Spengler und Installateure einem erhöhten Risiko für die Entwicklung der BKén 1101 und 1317 unterlägen.
Nach vorangegangener Anhörung hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 23. November 2009, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 25. November 2009, die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen für die Anerkennung und Entschädigung der Erkrankungen einer Polyneuropathie und des Coloncarzinoms als BK oder Wie-BK seien nicht erfüllt. Da die Beklagte jedwede Entschädigung abgelehnt habe, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, sei die Klage nur als Feststellungsklage in Verbindung mit einer Anfechtungsklage statthaft. Dem auf Entschädigung gerichteten Teil des Antrags komme keine eigenständige Bedeutung zu. Gegenstand des Klageverfahrens sei auch der Bescheid vom 10. Mai 2007, denn dieser habe die im ursprünglich angefochtenen Bescheid enthaltene Ablehnung der Anerkennung als BK 1101 und 1317 inzidenter wiederholt und somit ersetzt. Nach der Rechtsprechung könnten Krebserkrankungen des Dickdarms grundsätzlich unter einzelne BK-Ziffern subsumiert werden, namentlich 1310 und 2402. Entsprechend werde eine darmkrebserregende Wirkung einzelner auch beruflich relevanter Einwirkungen in der Wissenschaft zumindest diskutiert, konkret bei 4-Amino-Diphenyl, aromatischen Aminen, Benzidin, 4-Chlor-o-Toluidin, ionisierenden Strahlen, S-Lost und N-Lost, Pyrolyseprodukten, 2-Naphthylamin und Nitrosaminen. Bei diesen Noxen sei die Validität der Erkenntnisse über die krebserregende Wirkung umstritten und sie setzten eine Einwirkung besonders hoher Intensität voraus. Gegenüber den genannten Noxen gebe es keinerlei Hinweise auf beruflichen Kontakt beim Kläger. Hierbei müsse auch berücksichtigt werden, dass Darmtumore häufig auch in der unbelasteten Bevölkerung, z. B. aufgrund der Ernährungsgewohnheiten aufträten und sich vielfach aus Dickdarmpolypen entwickelten, die zur Entartung neigten oder sich auf dem Boden gemischter genetischer Prädispositionen entwickelten. Die bloße Tatsache, dass der Kläger an einer derartigen Erkrankung gelitten habe, lege daher eine berufliche Ursache nicht von vornherein nahe. Der Kläger leide zwar an einer Polyneuropathie im Sinne der BK 1317. Diese Diagnose werde zuletzt auch von dem Sachverständigen Dr. B. bestätigt. Insoweit fehle es jedoch an den arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK. Das habe nicht nur der TAD in seinen Ermittlungen unter Beteiligung des letzten Arbeitgebers festgestellt. Auch die Befragung durch den Sachverständigen habe keine Hinweise auf einen übermäßigen Umgang mit Substanzen, die typischerweise organische Lösungsmittel enthielten, wie z. B. Entfetter oder Verdünner, ergeben. Selbst bei Unterstellung der arbeitstechnischen Voraussetzungen sei überdies ein ursächlicher Zusammenhang unwahrscheinlich, da bei dem Kläger ein langjähriger, ausgeprägter und über lange Zeiträume nicht hinreichend medikamentös eingestellter Diabetes mellitus nachgewiesen sei. Zusätzlich bestehe der Verdacht auf eine durchgemachte Borreliose und damit eine Erkrankung, die ebenfalls als Ursache von Polyneuropathien bekannt sei. Das habe auch der behandelnde Neurologe Dr. Sch.-B. so gesehen, der die Diabeteserkrankung ebenfalls als wahrscheinlichste Ursache der Polyneuropathie betrachtet habe. Die BK 1101 sei vom Sachverständigen zutreffend und nachvollziehbar trotz einiger dem Anfangsstadium einer bleibedingten Erkrankung vergleichbarer Symptome verneint worden, da diese unspezifisch gewesen seien und typischere Symptome wie kognitive Störungen und Bauchkoliken sich nicht hätten eruieren lassen. Auch der weitere Verlauf entspreche nicht dem einer Bleivergiftung. Schließlich zeigten die objektiven Befunde aus der Zeit der fraglichen Belastung und dem Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung Normalwerte, lediglich die Haaranalysen hätten eine erhöhte Konzentration erkennen lassen. Somit könne eine andauernde, übergrenzwertige Exposition gegenüber Blei und seinen Verbindungen nicht festgestellt werden.
Mit seiner dagegen am 9. Dezember 2009 eingelegten Berufung hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Exposition gegenüber Lösungsmitteln, gemischten und toxischen Noxen als erfüllt angesehen.
Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23. November 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2007 und den Bescheid vom 10. Mai 2007 aufzuheben und die Polyneuropathie sowie Darmerkrankung als Berufskrankheit nach Nrn. 1101 bzw. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung, hilfsweise wie eine Berufskrankheit festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der (vormalige) Senat den Kläger neurologisch und internistisch auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begutachten lassen (L 2 U 5789/09).
Prof. Dr. Dr. W. ist in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 25. April 2012 zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Polyneuropathie durch Lösungsmittel ebenso wie eine bleiinduzierte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu verneinen sei. Bereits eine Exposition durch Lösungsmittel sei nicht nachweisbar. Zum anderen fehlten die dafür erforderlichen typischen Symptome, welche die Annahme einer lösungsmittelinduzierten Schädigung erhärten könnten (pränarkotische Symptome, Besserung im Urlaub). Die Anamnese belege zwar, dass es häufig zu einer Exposition mit Bleistaub und auch Bleidämpfen über Jahre hinweg gekommen sei, welches auch dadurch dokumentiert werde, dass sich bei mehrmaligen Messungen in den Haaren eindeutig deutlich höhere Bleiwerte gefunden hätten. Andererseits hätten sich bei dem Kläger zu keiner Zeit typische Symptome einer Bleivergiftung wie Bauchschmerzen, Bauchkoliken oder Verstopfung gezeigt. Die Laborwerte dokumentierten ebenfalls keine "typische" Anämie. Nicht zuletzt beträfen Bleiintoxikationen vor allem das Gehirn bzw. das Zentralnervensystem, neuropathische Schäden seien rein motorisch und beträfen vor allem den Nervus radialis am Arm ("Fallhand bei Bleiintoxikation"). Nach aktuellem Wissensstand erscheine es zwar durchaus möglich, dass die distal betonte sensomotorische Polyneuropathie auf eine langjährige Intoxikation mit jeweils geringen Bleimengen zurückzuführen sei. Andererseits lägen aber konkurrierende Ursachen wie eine Polyarthritis, eine längere Gabe von Kortison, ein Diabetes mellitus, ein regelmäßiger Alkoholkonsum und auch eine arterielle Verschlusskrankheit der Beine vor, die allesamt geeignet seien, Polyneuropathien hervorzurufen. Eine Abgrenzung sei daher nur dann möglich, wenn auch heute noch in relevantem Umfang Blei im Körpergewebe nachzuweisen sei. Hierfür reiche der Nachweis von Blei in den Haaren nicht aus, weil der Bleistaub sich selbstverständlich in den Haaren absiedeln könne und dann bis zu deren "Auswachsen" über Monate nachweisbar sei, ohne dass damit auch eine systemische Bleiintoxikation nachgewiesen sei. Ein möglicher Zusammenhang zwischen einer Bleiintoxikation und dem stattgehabten Colon-Carzinom sei nach medizinischer Recherche eher unwahrscheinlich, müsse allerdings von internistischer Seite beurteilt werden.
Der erkennende Senat hat das Berufungsverfahren im Wege einer Änderung der Geschäftsverteilung zum 1. Januar 2013 übernommen.
Der Internist Dr. K. ist in seinem internistischen Gutachten vom 8. März 2013 nach Durchführung eines Schwermetallmobilisationstests zur Bleimobilisation aus dem Knochen ebenfalls zu dem Ergebnis gelangt, dass keine bei dem Kläger diagnostizierte Gesundheitsstörung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf seine Berufstätigkeit zurückzuführen sei und deswegen keine BK (auch nicht die Nrn. 1310 und 2402) oder Wie-BK zur Anerkennung vorgeschlagen werden könne. Hinsichtlich der Darmkrebserkrankung erscheine eine familiäre Belastung möglich (weiterer Darmkrebsfall beim Bruder). Insoweit müsse auch der langjährige Nikotinabusus sowie die Mikro- und Makroangiopathie (gestörte Durchblutung der großen und kleinen Gefäße) als risikoerhöhend angesehen werden, die nicht durch die Berufstätigkeit bedingt seien. Eine relevante Exposition mit Karzinogenen fehle, was der Kläger mittlerweile auch einräume. Eine Enzephalopathie sei nicht nachgewiesen, wohl eine Polyneuropathie, wobei es an einer Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln fehle. Unter Berücksichtigung seiner Angaben sei der Einsatz des Klägers in Bereichen mit potentieller Exposition zu inhalativen Noxen bis 1986 unter Atemschutzmaßnahmen erfolgt, danach sei eine solche Tätigkeit mit Atemschutzpflicht von Seiten des betriebsärztlichen Dienstes verboten gewesen. Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht im Rahmen der Arbeitstätigkeit an Rohrleitungen lasse sich somit anhand der vorliegenden Daten nicht begründen. Eine Bleiexposition habe sich ausschließlich in den Haarproben in den Jahren 1998 und 1999 nachweisen lassen. Zu keinem Zeitpunkt hätten sich Nachweise von Blei im Blut oder Urin sowie als indirekter Hinweis einer Erhöhung der Delta-Aminolävulinsäure im Urin erheben lassen. Dies werde durch die vorliegenden betriebsärztlichen Untersuchungen, die Vorgutachten sowie die bei der Untersuchung gemachten Angaben bestätigt. Die von Prof. Dr. Dr. W. aufgeworfene Frage einer möglicherweise niederschwelligen chronischen Bleiexposition habe sich durch die nochmalige Bestimmung des Bleigehaltes im Blut nicht bestätigen lassen. Diese habe keinen Anhalt für eine extern zugeführte akute Bleibelastung aufgewiesen. Blutbildveränderungen hätten ebenfalls nicht festgestellt werden können, die Testergebnisse für Blei im Urin zeigten basal wie erwartet normale Werte, auch nach Mobilisation mit DMPS hätte kein Anstieg der Bleikonzentration beobachtet werden können. Insoweit werde ein Zeitraum von zehn Jahren nach Ende der möglichen Bleiexposition als durchaus möglich angesehen, um relevante Bleieinlagerungen im Knochen aufzuzeigen. Die klinischen Beschwerden belegten ebenfalls keine typische schwerwiegendere bzw. akute Bleivergiftung. Denn es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine bleibedingte Hirnschädigung (Enzephalopathie) oder motorische Neuropathie (Störung der Bewegung von Muskeln) oder ein für die Bleischädigung typischer Kraftverlust gezeigt. Ziehe man die ausgeprägte Verkalkung der Bauchschlagader sowie der Leisten- und Beinarterien in Betracht, so seien diese sicherlich durch eine Kombination von Nikotinkonsum, Zuckerkrankheit und arterieller Blutdruckerhöhung zu werten, während die Testung keinen neuen Aspekt aufgezeigt habe, der Ansprüche des Klägers weitergehend unterstützen könne. Die erhöhte Bleikonzentration in den Haaren sei nicht gleichzusetzen mit einer Inkorporation von Blei, so dass unter Berücksichtigung der Laborresultate keine relevante Bleibelastung des Organismus nachgewiesen werden könne. Sämtliche vom Kläger geschilderten möglicherweise bleiassoziierten Beschwerden (Schwindel, Gichtanfälle, Kopfschmerz, Polyneuropathie/Gefühlsstörungen der Beine) seien durch internistische Erkrankungen verursacht und sowohl hinsichtlich der Expositionsmenge als auch Dauer nicht belegt. Die BKén 1101 und 1317 lägen somit ebenso wenig wie eine Wie-BK vor.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 153 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und statthafte Berufung des Klägers (§§ 143, 144 SGG), über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger erstrebt im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gem. § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG die Aufhebung der das Vorliegen der BK‘en 1101 und 1317 und das Bestehen von Leistungsansprüchen ablehnenden Verwaltungsentscheidungen sowie die gerichtliche Feststellung des Vorliegens dieser BK‘en. Nachdem die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin einen Leistungsanspruch des Klägers insgesamt mit der Begründung verneint haben, die BK‘en 1101 und 1317 lägen nicht vor, ist zunächst diese Voraussetzung möglicher Leistungsansprüche im Wege der Feststellungsklage zu klären. Weitergehenden Anträgen betreffend Leistungsansprüche gegen die Beklagte kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (vgl. Urteil des Senats vom 22. November 2012 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 15. Februar 2005 - B 2 U 1/04 - SozR 4-2700 § 8 Nr. 12, Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 45/03 - SozR 4-2700 § 2 Nr. 2).
Allein mit diesem, dem vom Kläger erstinstanzlich zuletzt vom SG so aufgenommenen Antrag entsprechenden Begehren ist die Berufung zulässig. Der Senat hat daher den Berufungsantrag entsprechend sachdienlich ausgelegt.
Gegenstand des Klageverfahrens war auch der Bescheid vom 10. Mai 2007, das SG hat diesen zu Recht in das Klageverfahren nach § 96 SGG einbezogen. Nach § 96 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt nach Klageerhebung Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergeht und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Eine Abänderung oder ein Ersetzen setzt allgemein voraus, dass der Regelungsgegenstand des neu einzubeziehenden Verwaltungsakts mit demjenigen des früheren identisch ist, was durch einen Vergleich der Verfügungssätze festgestellt werden muss. Ausgehend hiervon hat der Bescheid vom 10. Mai 2007 die im ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 11. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2007 geregelte Ablehnung der Anerkennung der neurologischen Erkrankungen als BK 1101 und 1317 und der Darmerkrankung als BK oder Wie-BK insoweit ergänzt, als er auch die Anerkennung der neurologischen Erkrankungen als BK außerhalb der BK’en 1101 und 1317 sowie als Wie-BK abgelehnt hat.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der BK‘en 1101 und 1317 oder einer Wie-BK. Die Polyneuropathie sowie das Darmkarzinom sind nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit durch Stoffe im Sinne der BK‘en 1101 und 1317 verursacht. Vielmehr haben sich die Erkrankungen schicksalhaft auf dem Boden relevanter metabolischer und kardiovaskulärer Erkrankungen, begünstigt durch die Risikofaktoren eines langjährigen Nikotionabusus sowie niederschwelligen Alkoholkonsums entwickelt, wie der Sachverständige Dr. K. zusammenfassend zutreffend und übereinstimmend mit Dr. B. dargestellt hat.
BK‘en sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BK‘en bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als BK‘en zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz SGB VII). Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I, S. 2623) erlassen, in der die derzeit als BK‘en anerkannten Krankheiten aufgeführt sind.
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis erwiesen sein, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2009 - B 2 U 9/08 R - Juris). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt jeweils das Bestehen einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße - nicht auszuschließende - Möglichkeit. Danach muss bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999 - B 2 U 47/98 R - SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 2. Mai 2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Dass diese Voraussetzungen beim Kläger nicht vorliegen, hat das SG in Auswertung des Gutachtens von Dr. B. ausführlich begründet dargelegt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Würdigung in vollem Umfang an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab. Ergänzend ist im Hinblick auf die weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren auszuführen, dass auch die Gutachten von Prof. Dr. Dr. W. und Dr. K. nicht den Nachweis der strittigen BKén oder Anhaltspunkte für eine Wie-BK erbracht haben.
Die neurologische Erkrankung ist keine BK 1101 (Erkrankungen durch Blei und seine Verbindungen).
Der Kläger hatte zwar beruflich Kontakt mit anorganischem Blei als Staub und in Form von Bleidämpfen beim Löten, denn seine Tätigkeit bestand u. a. im Aufschneiden und zum Teil Verlöten von Bleirohren. Diese Exposition lässt sich auch in den Haarprobenanalysen in den Jahren 1998 und 1999 nachweisen, was den berichteten beruflichen Umgang mit Blei unterstreicht. Eine außerhalb der Arbeit relevante Bleibelastung über dem für die Bevölkerung typischen Umfang kann mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, was der Senat den Gutachten von Dr. K. und Dr. B. entnimmt. Ein Kausalzusammenhang zwischen dieser Einwirkung und der Erkrankungen des Klägers ist jedoch nicht hinreichend wahrscheinlich. Denn zu keinem Zeitpunkt konnte Blei im Blut oder Urin sowie als indirekter Hinweis eine Erhöhung der Delta-Aminolävulinsäure im Urin erhoben werden. Vielmehr lagen die Messwerte weit unterhalb des bis 2003 gültigen biologischen Arbeitsstofftoleranzwertes (BAT-Wert) für Blei im Blut bei Männern von 400 µg/l und sogar unterhalb des Referenzwertes von ( 100 µg/l für die beruflich nicht-exponierte Normalbevölkerung. Der Senat entnimmt das der Auswertung von Dr. B., der den Befund des Umweltmedizinischen Labors München vom 6. November 1998 mit einen Wert von 67 µg/l im Blut, einer Bleianalyse im Urin vom 25. November 1998 mit einem Wert von 3,9 µg/l (Referenzbereich ( 50 µg/l) und der Analyse vom Blei im EDTA-Blut vom 9. Februar 1999 mit einem Wert von 47 µg/l als unter dem Referenzbereich ( 100 µg/l für Normalbevölkerung beschrieben hat. Das hat auch Dr. B. vom betriebsärztlichen Dienst der R. AG bei den regelmäßigen Kontrollen für die Zeit von 1988 bis 1993 bestätigt. Somit ließen sich weder in den betriebsärztlichen Untersuchungen noch bei allen Gutachtern Hinweise für eine akute Bleiintoxikation oder typische Spätkrankheiten im Sinne einer Schrumpfniere oder chronischer Enzephalopathie als Hinweis auf eine Bleiintoxikation belegen.
Auch die nochmalige Bestimmung des Bleigehalts im Blut nach Mobilisation mit DMPS bei Dr. K. hat normale Werte erbracht, ein Anstieg der Bleikonzentration konnte nicht beobachtet werden. Der Sachverständige hat ausdrücklich bestätigt, dass der Test auch nach diesem Zeitablauf noch aussagekräftig ist.
Somit kann auch durch die neuen im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten ein Kausalzusammenhang im Sinne der BK 1101 nicht hergestellt werden. Beim Kläger liegen auch keine Anzeichen für eine bleibedingte Erkrankung vor. Blei führt zwar als anerkannte BK 1101 in ausgeprägten Fällen neben Anämie und abdominalen Koliken auch zu Polyneuropathie; als Folge massiver Exposition können eine Enzephalopathie und Nephropathie auftreten (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur Berufskrankheiten-Verordnung, M1101, S. 7).
Der Kläger hat zwar - zunächst unspezifisch - über Müdigkeit, Schwindelattacken und Anämie berichtet, also ähnliche Beschwerden wie bei dem Anfangsstadium einer bleibedingten Erkrankung. Das hat bereits der Sachverständige Dr. B. so beschrieben. Die typischen Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit oder Koliken bestanden aber nicht, worauf bereits Dr. B. hingewiesen hat. Auch Prof. Dr. Dr. W. ist zu dem Ergebnis gelangt, dass sich beim Kläger zu keiner Zeit typische Symptome einer Bleivergiftung wie Bauchschmerzen, Bauchkoliken oder Verstopfung gezeigt haben. Die Laborwerte dokumentierten ebenfalls keine "typische" Anämie. Prof. Dr. Dr. W. und Dr. K. haben weiter ausgeführt, dass auch die klinischen Beschwerden keinen Anhalt für eine typische schwerwiegendere bzw. akute Bleivergiftung zeigen, die Polyneuropathie vielmehr - wie dies auch der vorangegangene Gutachter Dr. B. und nicht zuletzt Dr. Sch.-B. - so gesehen haben - auf die begleitenden Erkrankungen (Zuckerkrankheit, Gefäßsklerose und Blutdruckerhöhung zurückzuführen sind.
Somit beruht die distal betonte sensomotorische Polyneuropathie der Beine nicht auf der BK 1101, was im Ergebnis sämtliche Gutachter so bestätigt haben.
Auch die BK 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel und deren Gemische) ist zu verneinen.
Auch hier fehlt es an einem Kausalzusammenhang zwischen beruflicher Einwirkung und Erkrankung, was der Senat insbesondere den Ausführungen des TAD, der sich auf die Ergebnisse der Rücksprache mit der Sicherheitsfachkraft B. gestützt hat, wie den Angaben der DSM N. P., die er jeweils im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat, entnimmt. Selbst bei falscher Entsorgung der Chemikalien bestand kaum eine Kontaktmöglichkeit des Klägers mit organischen Lösungsmitteln, weil die Abflussleitungen zunächst durchgespült und dann die Abteilung Sanitär mit der Reinigung der verstopften Rohre beauftragt wurde, erst dann war der Kläger eingesetzt. Der Kläger war auch, was zuletzt die Anamnese von Dr. K. ergeben hat, nur bis 1986 für Tätigkeiten mit Atemschutzmaske zugelassen, so dass nur für diesen Zeitraum überhaupt mit einer entsprechenden Belastung mit flüchtigen inhalativen Noxen zu rechnen ist. Der Kläger war nur ab 1985 überhaupt im Sanitärbereich der Labore tätig und hatte nur während diesem Jahr Arbeiten an potentiell kontaminierten Rohren zu verrichten. Danach hat der betriebsärztliche Dienst eine Tätigkeit mit Atemschutzpflicht verboten. Bereits Dr. B. ist deswegen zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass keine langjährig gesicherte Überschreitung der entsprechenden Grenzwerte für organische Lösungsmittel vorliegt.
Kann über die versicherte Tätigkeit eines Versicherten lediglich ermittelt werden, dass er bei der Ausübung Kontakt zu organischen Lösungsmittel hatte, jedoch nicht, wie oft der Versicherte es mit welchen Mengen dieser Mittel zu tun hatte und aus welchen Inhaltsstoffen diese genau zusammengesetzt waren, ist damit die konkrete Einwirkung gefährdender Stoffe auf den Versicherten nicht belegbar und der erforderliche Vollbeweis für die Einwirkung von Schadstoffen nicht erbracht (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. März 2012 - L 3 U 99/11 - Juris).
Darüber hinaus hat der Sachverständige Prof. Dr. Dr. W. in Auswertung der vom Kläger erfragten Symptome, welche die Annahme einer lösungsmittelinduzierten Schädigung erhärten könnten (pränarkotische Symptome, Besserung im Urlaub), verneint, so dass auch ansonsten keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Polyneuropathie durch Lösungsmittel verursacht worden ist. Vielmehr hat der geringe berufliche Kontakt zu organischen Lösungsmitteln weder zur Entstehung der Polyneuropathie noch zu deren Verschlimmerung beigetragen und war auch kein gleichwertiger Mitverursacher.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung des Darmkrebs als BK 1101 oder 1317. In dem Merkblatt zur BK 1101 ist ein Darmkrebs nicht als Spätfolge einer Exposition mit Blei oder seinen Verbindungen beschrieben. Ferner handelt es sich dabei nicht um eine Polyneuropathie oder Enzephalopathie im Sinne der BK 1317.
Schließlich kann der Darmkrebs auch nicht als Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anerkannt werden.
Für die Feststellung einer Wie-BK genügt es nicht, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl. zum Folgenden BSG, Urteil vom 20. Juli.2010 - B 2 U 19/09 R). Denn die Regelung des § 9 Abs. 2 SGB VII beinhaltet keinen Auffangtatbestand und keine allgemeine Härteklausel (vgl. BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 17). Vielmehr darf die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BK‘en (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber sie also als neue Listen-BK in die BKV einfügen dürfte, aber noch nicht tätig geworden ist (vgl. BT-Drucks 13/2204, 77 f).
Nach § 9 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 SGB VII setzt die Feststellung einer Wie-BK voraus, dass eine bestimmte Personengruppe durch die Art der versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist. Die Personengruppe darf nicht vorab nach gesetzesfremden Merkmalen bestimmt werden, sondern ergibt sich durch die nachgenannten Prüfungen. Zuerst ist die Art der Einwirkungen zu ermitteln, die im Blick auf die vom Versicherten geltend gemachte Krankheit abstrakt-generell als Ursachen in Betracht kommen können. Dann ist zu klären, ob diese abstrakt-generell einer bestimmten Art einer vom Versicherten verrichteten versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind. Erst aus dieser Verbindung von krankheitsbezogenen Einwirkungen und versicherten Tätigkeiten ergibt sich die abstrakt-generelle Personengruppe, die sich von der Allgemeinbevölkerung unterscheidet. An die bestimmte Personengruppe sind keine besonderen Anforderungen hinsichtlich ihrer Größe (vgl. BSG, Urteil vom 29. Oktober 1981 - 8/8a RU 82/80 - SozR 2200 § 551 Nr. 20) oder sonstiger charakterisierender Merkmale zu stellen (z. B. nicht gemeinsamer Beruf, vgl. Becker in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII-Kommentar, Stand Mai 2010, § 9 RdNr. 55).
Die Einwirkungen, denen die Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit ausgesetzt ist, müssen abstrakt-generell nach dem Stand der Wissenschaft die wesentliche Ursache einer Erkrankung der geltend gemachten Art sein. Denn für die Beurteilung des generellen Ursachenzusammenhangs gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Vor der rechtlichen Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursachenart selbst muss auch hier die naturwissenschaftliche-philosophische Kausalitätsprüfung erfolgen. Dabei ist zu klären, ob nach wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen belegt ist, dass bestimmte Einwirkungen generell bestimmte Krankheiten der vom Versicherten geltend gemachten Art verursachen. Das ist anzunehmen, wenn die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf den jeweils in Betracht kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt. Bei der Erstellung und der gerichtlichen Überprüfung der Gutachten, die zur Ermittlung des Stands der Wissenschaft einzuholen sind, können z. B. auch Erkenntnisse der "militärischen" Forschung (Knickrehm, SGb 2010, 381, 388; Biesold, MedSach 2010, 23 ff) und die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften herangezogen werden (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a.a.O.).
Die Anerkennung einer Erkrankung als Wie-BK setzt somit voraus, dass der Erkrankte einer Personengruppe angehören muss, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist, dass die besonderen Einwirkungen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft generell geeignet sein müssen, eine bestimmte Erkrankung zu verursachen und dass diese Eignung anhand einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und einer langfristigen zeitlichen Überwachung derartiger Krankheitsbilder nachgewiesen sein muss.
Ferner müssen die Erkenntnisse neu sein und der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der gefährdenden Tätigkeit muss im konkreten Fall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststehen (zum Ganzen BSG, Urteil vom 29. November 2011, B 2 U 26/10 R, Juris).
Das Tatbestandsmerkmal der gruppenspezifischen Risikoerhöhung ist vorliegend nicht erfüllt, da keine Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft darüber vorliegen, dass Spengler und Installateure einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von Darmkrebs unterliegen. Damit können aber auch keine "besonderen" Einwirkungen im obigen Sinne gegeben sein. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. fest, die auf dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft beruhen.
Ferner erbrachte die Anamnese von Dr. K. eine familiäre Belastung für Darmkrebserkrankungen erbracht, nachdem ein weiterer Darmkrebsfall beim Bruder des Klägers aufgetreten ist. Des Weiteren scheitert die Anerkennung auch daran, dass durch den langjährigen Nikotinabusus bzw. die Mikro- und Makroangiopathie (gestörte Durchblutung der großen und kleinen Gefäße) eine nicht durch die Berufstätigkeit bedingte Risikoerhöhung für das Entstehen des Darmkrebses vorliegt, so dass aufgrund dieser hohen Wahrscheinlichkeit einer Alternativenursache die Anerkennung einer Wie-BK auch aus diesem Grund ausscheidet.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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