Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
6
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 9 SO 22/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 SO 3/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 28/13 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Parallelverfahren (Schulgeld Kreis Marburg): S 6 SO 5/10 (Daume) und 4/10 (Schreiber)
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 27. November 2009 aufgehoben, soweit darin der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger ab dem 8. Juni 2007 Leistungen der Eingliederungshilfe in Höhe von 100,00 EUR monatlich zu zahlen. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander für das Verfahren erster und zweiter Instanz keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 1. Juni 2007 Leistungen der Eingliederungshilfe in Form von Schulgeld zu gewähren.
Der 1991 geborene Kläger hat eine expressive Sprachstörung und allgemeine Entwicklungsverzögerung bei Intelligenzminderung im Grenzbereich zwischen Lernbehinderung und geistiger Behinderung. Er wurde im April 1997 zunächst für ein Jahr vom Schulbesuch zurückgestellt. Unter dem 8. März 1998 erstellte der Sonderschullehrer QW. ein förderdiagnostisches Gutachten, das zu den Möglichkeiten der Beschulung des Klägers ausführt, dem von der Mutter des Klägers geäußerten Wunsch auf Förderung im Sprachheilzentrum OP. solle vorbehaltlich des Ergebnisses der dort terminierten Untersuchung entsprochen werden. Falls der Kläger dort nicht aufgenommen werden sollte, scheine die Mutter eine Beschulung in der privaten ER. Schule in Erwägung zu ziehen. Dies könne schon aus formalen Gründen nicht angeraten werden. Es solle auch die Beschulung in der TZ.-Schule (Schule für Praktisch Bildbare) in Betracht gezogen werden. Am 25. März 1998 fand eine Überprüfung zur Aufnahme in den stationären Bereich des Sprachheilzentrums OP. statt. Diese hatte zum Ergebnis, dass die Entwicklungsrückstände des Klägers so gravierend seien, dass er mit den Anforderungen im Sprachheilzentrum deutlich überfordert wäre und eine Beschulung in der UO.-Schule, einer privaten Sonderschule für Sprachbehinderte und Kranke, nicht adäquat wäre. Eine Beschulung in der ER.-Schule in B-Stadt könne eine gute Förderperspektive darstellen.
Mit Bescheid vom 8. Mai 1998 stellte das Staatliche Schulamt für den Landkreis Marburg-Biedenkopf aufgrund des Antrags der Grundschule PA. vom 17. Dezember 1997 nach eingehender sonderpädagogischer Überprüfung und der Anhörung durch die Sonderschule fest, dass für den Kläger sonderpädagogischer Förderbedarf bestehe. Dieser Förderungsbedarf werde in der (öffentlichen) TZ.-Schule, SD. (Sonderschule für Praktisch Bildbare) erfüllt. Der Kläger werde daher diese Schule ab 1. August 1998 besuchen. Es bestehe Einverständnis mit der Beschulung in der ER.-Schule. Bei dieser Schule handelt es sich um eine staatlich genehmigte Ersatzschule und Schule für praktisch Bildbare, Körperbehinderte, Lernhilfe und Erziehungshilfe auf anthroposophischer Grundlage. Träger der Schule ist der Verein für Heilende Erziehung B-Stadt e.V.
Am 30. Juli 1998 schlossen die Eltern des Klägers mit dem Verein für Heilende Erziehung B-Stadt e.V. einen Schulvertrag, wonach der Kläger mit Wirkung vom September 1998 in die erste Klasse der Schule aufgenommen wird. Ziffer 6 des Vertrages lautet: "Das Schulgeld wird mit dem Kostenträger vereinbart". Mit einer "Beitragserklärung" vom 3. September 1998 sagten die Eltern gegenüber dem Verein für heilende Erziehung B-Stadt e.V. zu, ab September 1998 für ihren Sohn ein monatliches Schulgeld in Höhe von 180,00 DM (entspricht 92,03 EUR) zu zahlen. Der Kläger besuchte die Schule seit September 1998. Ab der Umstellung auf Euro Anfang 2002 erbrachten die Eltern des Klägers monatliche Zahlungen in Höhe von 100,00 EUR an die ER.-Schule bzw. deren Trägerverein. Nach Angaben der Eltern ist die Zahlung aus Vereinfachungsgründen umgestellt worden.
Mit Schreiben vom 4. Juni 2007, bei dem Beklagten eingegangen am 8. Juni 2007, beantragte die ER.-Schule im Namen der Eltern des Klägers (und der Eltern weiterer 26 Kinder) unter Vorlage entsprechender Vollmachten die Übernahme des für den Kläger (und für die weiteren 26 Kinder) entstehenden Schulgeldes in Höhe von monatlich 302,92 EUR [sic] ab sofort gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII). Der Kläger erfülle die Voraussetzungen des § 53 SGB XII. Wegen mehrerer beim Sozialgericht Gießen und Marburg bereits oder demnächst anhängiger Streitverfahren zur Frage der Übernahme von Schulgeld einer privaten Förderschule solle über den Antrag zunächst noch nicht entschieden werden.
Mit Schreiben vom 19. August 2008 verlängerte das Staatliche Schulamt für den Landkreis Marburg-Biedenkopf auf Antrag der Eltern die Schulbesuchspflicht für den Kläger um ein Jahr bis zum 31. Juli 2009, weil die bisherige Entwicklung erwarten lasse, dass der Kläger dadurch dem angestrebten Abschluss nähergebracht werden könne. Mit amtsärztlichen Gutachten vom 30. Dezember 2008 stellte die Amtsärztin des Beklagten FG. nach Untersuchung des Klägers am 15. Dezember 2008 fest, bei dem Kläger bestehe eine medikamentös recht gut eingestellte Epilepsie, eine mittelgradige Intelligenzminderung und eine leichte Sprachstörung. Er gehöre zum Personenkreis des § 53 SGB XII. Die Schulbesuchspflicht für den Kläger wurde auf Antrag der Eltern schließlich nochmals um ein Jahr bis zum 31. Juli 2010 verlängert.
Mit Bescheid vom 7. Januar 2009 lehnte der Beklagte die Übernahme von Schulgeld in Höhe von 303,92 ab. Zur Begründung führte er aus, für den Kläger bestehe die Möglichkeit, eine staatliche Schule, nämlich die TZ.-Schule, kostenfrei zu besuchen. Insoweit sei die Gewährung des Schulgeldes als Maßnahme der Eingliederungshilfe nicht erforderlich. Sowohl die öffentliche TZ.-Schule als auch die private ER.-Schule würden ausschließlich Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichten. Im Unterschied zu integrativ unterrichtenden Regelschulen biete die ER. Schule keinen integrativen Mehrwert der Beschulung (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2007 – 5 C 35/06, juris). Dem Wunsch der Eltern könne nicht nachgekommen werden, da dessen Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden sei. Ein Schulwechsel sei dem Kläger auch jetzt noch zumutbar, ohne dass ihm hierdurch wesentliche Nachteile entstünden. Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben am 15. Januar 2009 Widerspruch. Er berief sich darauf, die Mehrkosten aufgrund Schulgeldes, die durch das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern entstünden, seien nicht unverhältnismäßig. Die Kosten für das Schulgeld dürften nicht für sich betrachtet werden, sondern es sei auch zu berücksichtigen, dass die kommunalen Schulträger ihre Aufgaben nach dem Hessischen Schulgesetz nur erfüllen könnten, wenn sie die Angebote privater Ersatzschulen einbezögen. Damit verbiete es sich, den Kläger, wenn er die Übernahme von Schulgeld geltend mache, auf eine öffentliche Schule zu verweisen. Es sei auch nicht dargelegt, dass der Kläger tatsächlich an einer öffentlichen Schule aufgenommen werden könnte. Überdies sei der Besuch einer privaten Ersatzschule durch den Kläger mit Übernahme des Schulgeldes durch den Beklagten und des vom kommunalen Schulträger zu zahlenden Gastschulbeitrags nach § 8 Ersatzschulfinanzierungsgesetz für die Allgemeinheit als Steuerzahler günstiger, als wenn der Kläger eine öffentliche Förderschule besuchte. Da der Beklagte sowohl die Aufgaben des Schulträgers als auch die des Sozialhilfeträgers als kommunale Selbstverwaltungsaufgabe wahrnehme, spare der Beklagte durch den Besuch der ER.-Schule durch den Kläger Finanzmittel ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2009 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wird ausgeführt, dass nur im Einzelfall, wenn keine der Begabung angemessene Beschulung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht an unentgeltlichen öffentlichen Schulen angeboten werden könne, im Rahmen der Eingliederungshilfe ein Anspruch auf eine Beschulung an einer Privatschule bestehen könne. Das Staatliche Schulamt habe den Eltern des Klägers ohne Einzelfallprüfung den Besuch einer staatlichen oder einer privaten Förderschule freigestellt. Ein gegebenenfalls bestehender sonderpädagogischer Förderbedarf könne gegebenenfalls mit Unterstützung durch Integrationshelfer auch an einer allgemeinen Schule gedeckt werden. Eine Prüfung, ob es dem Kläger möglich gewesen wäre, die in seinem Falle erforderliche Schulbildung an einer staatlichen Schule zu erlangen, habe durch die staatliche Schulaufsicht nicht stattgefunden. Der Kläger besuche die ER.-Schule auf Wunsch seiner Eltern. Unterließen es die Eltern eines Kindes, die zuständigen Stellen zur Prüfung der Beschulbarkeit des Kindes an den öffentlichen Schulen einzuschalten, könne nur dann angenommen werden, dass das Kind auf einer öffentlichen (Förder-)Schule nicht beschult werden könne, wenn sich dies auch ohne Beteiligung der schulischen Fachstellen aufdränge. Allein das Vorliegen einer Behinderung i.S. von § 53 Abs. 1 SGB XII sei nicht ausreichend, um davon auszugehen, dass für den Kläger keine öffentliche Förderschule hätte gefunden werden können. Ob der Besuch einer privaten Ersatzschule durch den Kläger weniger Mittel der Allgemeinheit erfordere, als wenn dieser eine öffentliche Förderschule besuchen würde, könne und brauche durch die Widerspruchsbehörde nicht beurteilt zu werden. Es bestehe kein Bedarf des Klägers auf Übernahme des Schulgeldes. Das gemäß § 9 Abs. 2 SGB XII normierte Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten beziehe sich zum einen auf die Gestaltung der Hilfe hinsichtlich deren Leistungsart und Umfang, und zum anderen auf die Frage der unverhältnismäßigen Mehrkosten im Vergleich von ambulanten zu stationären Hilfen. Es liege aber nicht im Belieben des Klägers und seiner Eltern, zwischen Selbsthilfe und der Inanspruchnahme der Sozialhilfe zu wählen.
In seiner am 8. April 2009 erhobenen Klage trägt der Kläger vor, das Staatliche Schulamt für den Landkreis habe den Kläger einer öffentlichen Förderschule zugewiesen, aber auch ausdrücklich die Möglichkeit des Besuchs der privaten ER.-Schule, einer staatlich anerkannten Ersatzschule, eröffnet. Tragender Grund für die Haltung des Beklagten, den Kläger auf den Besuch einer öffentlichen Förderschule zu verweisen, seien die vermeintlich höheren Kosten, die durch den Besuch der privaten Schule entstünden. Ob aber zusätzliche Kosten für die Allgemeinheit entstünden, sei nur durch einen Vergleich der Kosten, die beim Besuch einer öffentlichen Förderschule entstünden, mit den Kosten, die der Allgemeinheit durch den Besuch einer privaten Schule durch den Kläger entstünden, zu ermitteln. Der Verweis darauf, dass der Kläger eine öffentliche Schule hätte besuchen können, für deren Besuch Schulgeld nicht angefallen wäre, trage schon vom Ansatz her nicht. Die ER.-Schule sei als staatlich anerkannte Ersatzschule für Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem pädagogischem Förderbedarf im Einzugsbereich der kommunalen Schulträger (Universitätsstadt B-Stadt und Landkreis Marburg-Biedenkopf) nicht hinweg zu denken. Ohne die ER.-Schule wären die Schulträger nicht in der Lage gewesen, ihre Aufgaben zu erfüllen. Für eine bestimmte Anzahl von Schülerinnen und Schülern sei der Besuch der ER.-Schule ohne staatliche Alternative. Die Ungleichbehandlung öffentlicher und staatlich anerkannter Ersatzschulen durch den Beklagten werde der Systematik des Hessischen Schulwesens nicht gerecht. Die hessischen Schulträger seien nach § 144 Hessisches Schulgesetz (HSchG) verpflichtet, ein Schulangebot vorzuhalten, das dem öffentlichen Bedürfnis entspreche. Ohne das Angebot der ER.-Schule wäre das öffentliche Bedürfnis an Beschulungsmöglichkeiten in Förderschulen (§ 53 HSchG) nicht sichergestellt. Schließlich befinde sich der Kläger in der Schlussphase seines Schulbesuchs und sei ihm deshalb ein Schulwechsel nicht mehr zuzumuten.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 27. November 2009 den Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 2009 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, an den Kläger ab dem 8. Juni 2007 Leistungen der Eingliederungshilfe in Höhe von 100 EUR monatlich zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei im tenorierten Umfang begründet. Anspruchsgrundlage für die Übernahme des Schulgeldes sei § 53 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 54 Abs. S. 1 Nr. 1 SGB XII (Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung). Der Kläger gehöre zum Kreis der Personen die eingliederungshilfeberechtigt seien, denn er habe eine Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX), die ihn wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, einschränke. Die geistigen Fähigkeiten des Klägers wichen von dem für das Lebensalter typischen Zustand ab, denn er leide an Epilepsie, einer mittelgradigen Intelligenzminderung sowie einer leichten Sprachstörung. Diese Defizite beeinträchtigten ihn in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Die Übernahme des Schulgeldes stelle auch eine mögliche Leistung der Eingliederungshilfe dar. Wie sich schon aus § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII ergebe, gehörten Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung zu den Eingliederungshilfeleistungen. Auch die Übernahme von Schulgeld könne eine solche Leistung sein, sofern die Übernahme des Schulgeldes Voraussetzung für den Besuch einer Schule sei, die dem Betroffenen die entsprechende "angemessene Schulbildung" vermittele. Der Besuch der ER.-Schule sei zur Eingliederung des Klägers in die Gesellschaft geeignet und auch erforderlich. Dass die Schule geeignet sei, den Eingliederungshilfebedarf des Klägers zu decken, ergebe sich bereits aus dem Bescheid des Staatlichen Schulamtes vom 8. Mai 1998. Zwar habe das Schulamt den Kläger in diesem Bescheid der staatlichen TZ.-Schule zugewiesen. Mit der gleichzeitig erteilten Erlaubnis, die ER.-Schule zu besuchen, habe die Behörde beide Schulen jedoch als gleichermaßen geeignet zur Deckung des sonderpädagogischen Förderbedarfs des Klägers eingestuft. An diese schulrechtliche Einstufung sei der Sozialhilfeträger gebunden (Verweis auf BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2007 – 5 C 35/06, juris). Soweit ersichtlich, stelle der Beklagte die grundsätzliche Eignung der ER. Schule zur Beschulung des Klägers auch nicht in Frage. Der Besuch der ER.-Schule sei darüber hinaus auch eingliederungshilferechtlich erforderlich. Die Erforderlichkeit entfalle nicht dadurch, dass dem Kläger die Möglichkeit offengestanden habe, eine schulgeldfreie Schule zu besuchen. Ob eine für den Sozialhilfeträger kostenmäßig günstigere Eingliederungshilfemaßnahme, auf die der Leistungsempfänger zulässigerweise verwiesen werden dürfe, zur Verfügung stehe, sei unter Heranziehung des § 9 Abs. 2 SGB XII zu prüfen. Nach S. 1 dieser Vorschrift "soll" der Träger Wünschen, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, entsprechen, soweit sie "angemessen" sind. Den Wünschen "soll" gemäß § 9 Abs. 2 S. 3 SGB XII "in der Regel" nicht entsprochen werden, wenn ihre Erfüllung mit "unverhältnismäßigen Mehrkosten" verbunden sei. Der Auffassung der Beklagten, § 9 Abs. 2 SGB XII komme gar nicht zur Anwendung, weil der Besuch der ER.-Schule nicht Bestandteil des notwendigen Lebensunterhalts im Sinne von § 19 Abs. 1 S. 1 SGB XII und - wegen der Möglichkeit des Besuchs einer schulgeldfreien Schule - auch nicht erforderlich sei, vermöge sich die Kammer nicht anzuschließen.
Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 9. Dezember 2009 und dem Beklagten am 15. Dezember 2009 zugestellt worden.
Mit der am 29. Dezember 2009 eingelegten Berufung hat der Kläger sein Begehren zunächst weiterverfolgt mit dem Ziel einer Abänderung des Urteils und einer Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von Leistungen in Höhe von 303,92 EUR. Der Kläger trägt vor, die Eltern des Klägers hätten mit der ER.-Schule einen Vertrag zu Beschulung des Klägers geschlossen. Gegenstand dieses Vertrages sei die Zahlung von Schulgeld gewesen, das seit vielen Jahren unverändert 303,92 EUR monatlich betragen habe. Dieser Vertrag begründe die Verpflichtung des Klägers zur Entrichtung des Schulgeldes. In der Erkenntnis, dass die Eltern den entfallenden Betrag nicht würden leisten können, habe die Schule die Beitrittserklärung vom 3. September 1998 akzeptiert. Die Gründe für eine derartige Verfahrensweise seien in einem Schriftsatz vom 9. Juli 2009 dargelegt worden. Eine vom üblichen Schulgeld abweichende Vereinbarung, die das Gericht offenbar unterstelle, sei zu keinem Zeitpunkt geschlossen worden. Auch ein Verzicht der Schule auf die Entrichtung des vertragsgemäßen Schulgeldes sei mit der akzeptierten Beitrittserklärung nicht verbunden gewesen. Die Verpflichtung des Klägers bzw. seiner Eltern hätte unverändert fortbestanden, auch wenn sie nicht in voller Höhe erfüllt worden sei. Die Vertragsparteien seien sich vielmehr darin einig gewesen, dass die Eltern des Klägers den zu zahlenden Betrag aufstocken würden, wenn sie dazu finanziell in der Lage gewesen wären.
Der Kläger hat seine Berufung am 13. September 2010 zurückgenommen.
Der Beklagte hat seinerseits am 15. Januar 2010 Berufung eingelegt und vorgetragen, entgegen der Begründung des angefochtenen Urteils sei der Besuch der ER.-Schule für den Kläger nicht eingliederungshilferechtlich erforderlich. Für den sonderpädagogischem Förderbedarf des Klägers sei die TZ.-Schule in SD. benannt. Die Eltern des Klägers hätten ihr Kind mit dem Wissen in die ER.-Schule geschickt, dass das Schulgeld von ihnen selbst zu tragen sei. Aus diesem Grunde sei auch das Schulgeld mit den Eltern in der Höhe entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit individuell vereinbart worden. Die Vereinbarungen der ER.-Schule mit den jeweiligen Eltern seien der Höhe nach von Elternpaar zu Elternpaar jeweils unterschiedlich und orientierten sich an deren Leistungsfähigkeit. Die nähere Festlegung über Art und Umfang der Hilfe nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII enthalte § 12 S. 1 Nr. 1 Eingliederungshilfeverordnung (EinglH-VO). Danach blieben die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt. Die Vermittlung einer "angemessenen" Schulbildung sei Angelegenheit des allgemeinen Schulsystems, den schulrechtlichen Anforderungen entsprechende Maßnahmen hätten Vorrang. Darüber hinaus verstoße das angegriffene Urteil des Sozialgerichts Marburg gegen den Nachrang der Sozialhilfe gemäß § 2 Abs. 1 SGB XII. Der Sozialhilfeträger könne einer Verlagerung von Kosten, die im Schulbereich anzusiedeln seien, in die Sozialhilfe nicht zustimmen. Darüber hinaus müsse man sich fragen, ob mit der Argumentationskette des Sozialgerichts auf der Grundlage des Wahlrechts der Eltern gemäß § 9 SGB XII auch die Tür zu einer Kostenübernahme von Schulgeld für private Regelschulen von Hilfeempfängern im SGB XII auf der Grundlage der §§ 28 und 42 SGB XII geöffnet werde.
Der Beklagte (Berufungskläger) beantragt,
das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 27. November 2009 aufzuheben, soweit darin der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger ab dem 8. Juni 2007 Leistungen der Eingliederungshilfe in Höhe von 100,00 EUR monatlich zu zahlen, und auch insoweit die Klage abzuweisen.
Der Kläger (Berufungsbeklagte) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, die Höhe des geltend gemachten Schulgeldes habe im Verwaltungsverfahren keine Rolle gespielt. Die Höhe des von der staatlich anerkannten Ersatzschule geforderten Schulgeldes habe bis zur Währungsumstellung 594,41 DM, seitdem 303,92 EUR betragen. Man könne erwägen, ob der Kläger nicht verpflichtet gewesen sei, bei einem überhöhten Schulgeld auf den Besuch der ER.-Schule zu verzichten. Ob die Akzeptanz des geringeren Betrages durch die Schule ursprünglich ein Verzicht auf den darüber hinausgehenden Betrag beinhaltet habe, könne offen bleiben. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei der Antrag des Klägers vom 4. Juni 2007, gerichtet auf die Übernahme von Schulgeld in Höhe von 303,92 EUR. Mit diesem Antrag hätten die Eltern des Klägers (in Verabredung mit der Schule, wie die Bevollmächtigung des Verwaltungsleiters der Schule zeige) gegenüber dem Beklagten ihre Verpflichtung deutlich gemacht, dass übliche Schulgeld auch zahlen zu wollen, es aber ohne die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht zu können.
Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 17. April 2013 verwiesen. Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie des Staatlichen Schulamtes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die allein noch anhängige Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht binnen der Monatsfrist des § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden.
Die Berufung des Beklagten ist auch begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 2009 (§ 95 SGG) über die Ablehnung der Übernahme des Schulgelds für den Besuch der ER.-Schule. Zulässige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 i.V.m. § 56 SGG).
Nicht Streitgegenstand sind Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII, auch nicht im Rahmen des sog. Meistbegünstigungsprinzips. Erwägungen zur Bedürftigkeit des Klägers spielen demzufolge keine Rolle bei Prüfung eines Anspruchs des Klägers auf Übernahme von Schulgeld. Gemäß § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 SGB XII sind Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Hilfeempfängers zu erbringen.
Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 15. November 2012 – B 8 SO 10/11 R – juris, in dem es in einem Parallelverfahren um die Übernahme von Schulgeld für den Besuch der ER.-Schule ging, gilt für einen Anspruch auf Übernahme von Schulgeld nach § 54 SGB XII Folgendes:
Nach § 53 Abs 1 Satz 1 i.V.m. § 54 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung i. S. von § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
Anders als in der der Entscheidung des Bundessozialgerichts zugrundeliegenden Fallgestaltung, in der das Bundessozialgericht Zweifel äußerte, ob der dort beklagte überörtliche Träger der Sozialhilfe für den streitigen Anspruch auf Übernahme des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe sachlich zuständig sei, ist vorliegend mit dem Landkreis der örtliche Träger der Sozialhilfe i. S. von § 1 Abs. 1 Hessisches Ausführungsgesetz zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (HAG) verklagt.
Der Beklagte ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 HAG sachlich zuständig für Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII und damit auch für Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII. Eine Ausnahme besteht nur gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 HAG (bis 31. Juni 2006 in der nach § 13 Abs 3 HAG bestimmten Fassung), wenn die Leistung in einer stationären oder teilstationären Betreuung oder in einer betreuten Wohnmöglichkeit für behinderte Menschen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII gewährt wird. Die ER.-Schule ist nicht als eine solche Einrichtung zur stationären oder teilstationären Betreuung im Sinne des § 13 SGB XII zu qualifizieren. Eine (teilstationäre) "Einrichtung" im Sinne des § 13 SGB XII ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und Leistungen der Sozialhilfe erbringt (BSG, aaO, juris Rn. 11 m.w.N.). Die ER.-Schule erbringt jedoch nicht Leistungen der Sozialhilfe, sondern bietet als Ersatz(förder)schule als Leistung die Beschulung des schulpflichtigen und nach § 53 SGB XII förderberechtigten Personenkreises.
Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf die im Streit stehende Leistung.
Allerdings erfüllt der Kläger die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII für eine Pflichtleistung. Die Voraussetzungen für eine Behinderung nach § 2 Abs 1 SGB IX sind erfüllt, wenn die geistige Fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
Der Kläger leidet nach dem förderdiagnostischen Gutachten vom 8. März 1998 an einer expressiven Sprachstörung und allgemeinen Entwicklungsverzögerung bei Intelligenzminderung im Grenzbereich zwischen Lernbehinderung und geistiger Behinderung und nach dem amtsärztlichen Gutachten vom 30. Dezember 2008 an einer medikamentös recht gut eingestellten Epilepsie, einer mittelgradigen Intelligenzminderung und einer leichten Sprachstörung.
Die geistige und sprachliche Behinderung des Klägers ist wesentlich i. S. des § 2 Eingliederungshilfe-VO, wonach eine wesentliche Behinderung vorliegt, wenn infolge einer Schwäche der geistigen Kräfte in erheblichem Umfang die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft eingeschränkt ist. Dies richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls und hängt deshalb von sehr unterschiedlichen, durch die individuelle Behinderung geprägten Umständen ab. Insoweit ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wie bei der Prüfung der Behinderung auch ihre Wesentlichkeit wertend auszurichten, insbesondere an den Auswirkungen für die Eingliederung in die Gesellschaft. Entscheidend ist mithin nicht, wie stark die geistigen Kräfte beeinträchtigt sind und in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt.
Das förderdiagnostische Gutachten von Herrn QW. vom 8. März 1998 kommt zu dem Ergebnis, dass eine Schule für Lernbehinderte und eine Schule für Sprachbehinderte für den Kläger wenig angebracht sei, weil dieser mit dem an diesen Schulen im Mittelpunkt stehenden Erlernen der Kulturtechniken des Lesens, Schreibens und Rechnens überfordert wäre. Damit standen hier die mit einer Behinderung einhergehenden Beeinträchtigungen der erfolgreichen Teilnahme des Klägers am Unterricht in einer allgemeinen (Grund-)Schule entgegen, weil er die Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht hätte aufnehmen und verarbeiten können. Seine geistige und sprachliche Behinderung bedingte einen sonderpädagogischen Förderbedarf, um die mögliche Vermittlung praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten überhaupt erst zu ermöglichen. Die Behinderung des Klägers ist daher wesentlich im Sinne des § 2 Eingliederungshilfe-VO. Der Kläger gehört danach zu dem leistungsberechtigten Personenkreis nach § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII.
Jedoch scheitert ein Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds daran, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 15. November 2012 – B 8 SO 10/11 R, juris) es sich bei der Übernahme zu zahlenden Schulgeldes nicht um eine Leistung der Eingliederungshilfe handelt. Mit dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht die Vorinstanz (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 22. November 2010 – L 9 SO 7/09, juris) nur im Ergebnis bestätigt, aber einen anderen Begründungsweg gewählt.
Nach § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Erfasst sind von dem Wortlaut der Vorschrift ("Hilfen") allerdings nur Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern.
Eine solche Maßnahme, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich ist, kann etwa die Stellung eines Integrationshelfers sein. Weist etwa die Schulbehörde ein behindertes Kind im Rahmen ihres schulrechtlichen Wahl- und Bestimmungsrechts einer Regelschule zu, so hat wegen der Tatbestandswirkung dieser Entscheidung für den Träger der Sozialhilfe dieser dann einen Integrationshelfer für den Besuch der Regelschule zu finanzieren, der bei dem Besuch einer Sonderschule nicht notwendig geworden wäre (BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 – 5 C 20/04, juris).
Die Auslegung des § 54 SGB XII im Sinne nur von Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung stehen, nicht aber im Sinne einer Finanzierung der angemessenen Schulbildung selbst, wird nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 15. November 2012 durch § 12 Eingliederungshilfe-VO bestätigt, der seinerseits nur von "Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung" spricht. Die von § 12 Eingliederungshilfe-VO (auch) erfassten Regelbeispiele betreffen dementsprechend nur die Schulbildung begleitende heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen und Hilfen. Deshalb kommt etwa die Übernahme der Kosten für die systemische Bewegungstherapie bei einem schwer behinderten Kind als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung i. S. von § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 1 EinglHV als Leistung der Eingliederungshilfe in Betracht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Februar 2012 - L 7 SO 1246/10 – juris).
Die Schulbildung selbst, also der Kernbereich der pädagogischen Arbeit, bestimmt sich gemäß dem genannten Urteil des Bundessozialgerichts nach der Gesetzessystematik nicht unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen, sondern der sozialhilferechtlichen Regelungen. Die so bestimmte Schulbildung obliegt allein den Schulträgern. Mit dieser Auslegung des § 54 SGB XII i.V.m. § 12 Eingliederungshilfe-VO hat das Bundessozialgericht einer Gesetzesauslegung eine Absage erteilt, wonach die Förderung des Schulbesuchs an einer privaten Förderschule durch Übernahme von Schulgeld eine "erforderliche Maßnahme" i.S. des § 12 Eingliederungshilfe-VO sein kann (so noch Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. August 2010 – L 6 SO 5/10). Die Übernahme von Schulgeld würde die Eltern des Klägers, soweit sie überhaupt dem Trägerverein der ER.-Schule gegenüber zur Zahlung von Schulgeld verpflichtet sind, zwar finanziell entlasten. Der Beklagte würde damit nach Auffassung des Bundessozialgerichts aber den Kernbereich der pädagogischen Arbeit der ER.-Schule finanzieren und keine den Schulbesuch nur begleitenden Maßnahmen, Therapien und Hilfen.
Im Ergebnis ist damit der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule den Regelungen über die Eingliederungshilfe entzogen und die Finanzierung des Schulbesuchs der ER.-Schule als Ersatzschule über das Sozialhilferecht ausgeschlossen. Es ist damit unerheblich, ob der Vortrag des Klägers zutrifft, wonach der Besuch der privaten Ersatzschule durch den Kläger mit Übernahme des Schulgeldes durch den Beklagten und des vom kommunalen Schulträger zu zahlenden Gastschulbeitrags nach § 8 Ersatzschulfinanzierungsgesetz für die Allgemeinheit als Steuerzahler günstiger gewesen sei, als wenn der Kläger eine öffentliche Förderschule besucht hätte.
Die schulrechtlichen Verpflichtungen bestehen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 13. August 1992 - 5 C 70/88 - juris ausgeführt, dass der Staat mit der Einrichtung der öffentlichen Grundschulen seinen Bildungs- und Erziehungsauftrag aus Art. 7 Abs. 1 GG nachkomme und die Schulgeldfreiheit aus übergreifenden bildungs- und sozialpolitischen Gründen eine eigenständige (landesrechtliche) Regelung außerhalb des Sozialhilferechts gefunden habe, sodass für einen Rechtsanspruch gegen den Sozialhilfeträger zur Deckung eines im Grundschulalter angemessenen Bildungsbedarfs Aufnahmebeiträge und monatliches Schulgeld für den Besuch einer privaten Grundschule als Sozialhilfeleistung nicht zu übernehmen seien. Dabei ist das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf die erforderliche Hilfe nicht von einer nach Maßgabe des Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe zu lösenden Anspruchskonkurrenz, sondern von einem Verhältnis der "Spezialität" ausgegangen, wobei es eine Ausnahme von diesem Grundsatz für möglich hielt, wenn der Besuch einer öffentlichen Grundschule aus objektiven Gründen (z. B. wegen ihrer räumlichen Entfernung vom Wohnort) oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar sei. Auf diese Rechtsprechung, der sich das Bundessozialgericht angeschlossen hat, hatte vorliegend der Beklagte auch bereits erstinstanzlich hingewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Rechtsprechung für Leistungen der Eingliederungshilfe bestätigt (Beschluss vom 2. September 2003 - 5 B 259/02, juris) und ausdrücklich ausgeführt, dass ein nachrangiges Eintreten der Sozialhilfe (nur) für solche Bedarfe nicht ausgeschlossen sei, die nicht in der Deckung des unmittelbaren Ausbildungsbedarfs im Rahmen der Schulpflicht bestünden, sondern damit lediglich - mehr oder weniger eng - zusammenhingen, etwa wie bei der Bereitstellung eines Integrationshelfers für behinderte Kinder an Regelschulen.
Auch eine jugendhilferechtliche Eingliederungshilfe nach § 35a Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) i.V.m. § 54 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XII soll die eigentliche pädagogische Arbeit der Lehrer absichern und mit die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass dem Kind ein erfolgreicher Schulbesuch ermöglicht wird. Der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Lehrer in der Schule wird - unabhängig von seiner exakten Bestimmung - von der Eingliederungshilfe nach dem Sozialhilfe wie nach dem Jugendhilferecht nicht erfasst (BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 – 5 C 21/11, juris Rn. 37). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat das Schulgeld in der mündlichen Verhandlung als "Eintrittsgeld" in die Schule bezeichnet. Dies bringt treffend zum Ausdruck, dass mit dem Schulgeld Zugang zur Hauptleistung der Schule – Unterricht und pädagogische Betreuung – erkauft wird, nicht aber flankierende Maßnahmen zur Ermöglichung des Schulbesuchs finanziert werden.
Nach diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe. Zu dem Kernbereich der Schule gehören alle schulischen Maßnahmen, die dazu dienen, die staatlichen Lehrziele zu erreichen, in erster Linie also der (unentgeltliche) Unterricht, der die für den erfolgreichen Abschluss notwendigen Kenntnisse vermitteln soll. Damit unterliegt auch das vom Kläger begehrte Schulgeld unmittelbar diesem Kernbereich, weil die Übernahme des Schulgelds die von der Schule selbst zu erbringende Leistung, also den Unterricht des Klägers an dieser Schule, ermöglicht. Das Schulgeld dient dem Zugang zur schulischen Bildung selbst und stellt keine bloß unterstützende Leistung im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung dar.
Im Parallelverfahren (L 6 SO 4/10) hat der Prozessbevollmächtigte der dortigen Klägerin vorgetragen und im vorliegenden Verfahren in der mündlichen Verhandlung nochmals bekräftigt, die ER.-Schule benötige das Schulgeld nicht zur Finanzierung der Kosten ihres Lehrpersonals und damit zur Finanzierung des Unterrichts und verwende es auch nicht hierfür. Vielmehr würden Personalkosten des nicht pädagogischen Personals, Betriebskosten, Bauunterhaltung und vieles anderes mehr aus dem Schulgeld bestritten. Es ist nicht ersichtlich wie diese Beschreibung der Verwendung des Schulgeldes durch die ER.-Schule einen Anspruch der Klägers im Rahmen des § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII ("Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung") gegen den Beklagten begründen können sollte. Damit § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII greift, verlangt das Bundessozialgericht Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung der nach § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII anspruchsberechtigten Person stehen. Diese Maßnahmen müssen also auf die nach § 53 SGB XII berechtigte Person zugeschnitten sein (z.B. Stellung eines Integrationshelfers in der Regelschule, systemische Bewegungstherapie, s.o.). Die Verwendung von Schulgeld für die allgemeine Aufrechterhaltung des Betriebs der Schule steht in keinem Zusammenhang mit irgendwelchen konkreten Maßnahmen oder Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, die nach § 53 SGB XII leistungsberechtigten Personen zugute kämen.
Wie die Entscheidung des Schulamts, den Kläger der TZ.-Schule zuzuweisen, zugleich aber das Einverständnis mit einer Beschulung in der ER.-Schule zu erklären, auszulegen ist und inwieweit sie auch für den Beklagten Bindungswirkung entfaltet, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ohne Belang. Es spielt nach dieser Rechtsprechung in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass sich der Beklagte mit der Beschulung in die ER.-Schule einverstanden erklärt hat. Auch die Ausübung eines elterlichen Wahlrechts, welche Schule besucht wird, hat nicht zur Folge, dass der Sozialhilfeträger ein etwaiges Schulgeld zahlen müsste.
Da vorliegend ausschließlich um Eingliederungshilfe gestritten wird, ist es für die Entscheidung auch unerheblich, ob die Aufnahme des Klägers in einer anderen Schule an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre. Denn für die Eingliederungshilfe ist eine entsprechende Klärung ohne Bedeutung. Ebensowenig ist von Belang, ob im Zeitpunkt der Antragstellung auf Übernahme von Schulgeld dem Kläger, der die ER. Schule mit einem Kostenbeitrag der Eltern finanziert bereits neun Jahre besucht hatte, ein Schulwechsel auf eine kostenlose öffentliche Förderschule noch zumutbar gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
II. Die Beteiligten haben einander für das Verfahren erster und zweiter Instanz keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 1. Juni 2007 Leistungen der Eingliederungshilfe in Form von Schulgeld zu gewähren.
Der 1991 geborene Kläger hat eine expressive Sprachstörung und allgemeine Entwicklungsverzögerung bei Intelligenzminderung im Grenzbereich zwischen Lernbehinderung und geistiger Behinderung. Er wurde im April 1997 zunächst für ein Jahr vom Schulbesuch zurückgestellt. Unter dem 8. März 1998 erstellte der Sonderschullehrer QW. ein förderdiagnostisches Gutachten, das zu den Möglichkeiten der Beschulung des Klägers ausführt, dem von der Mutter des Klägers geäußerten Wunsch auf Förderung im Sprachheilzentrum OP. solle vorbehaltlich des Ergebnisses der dort terminierten Untersuchung entsprochen werden. Falls der Kläger dort nicht aufgenommen werden sollte, scheine die Mutter eine Beschulung in der privaten ER. Schule in Erwägung zu ziehen. Dies könne schon aus formalen Gründen nicht angeraten werden. Es solle auch die Beschulung in der TZ.-Schule (Schule für Praktisch Bildbare) in Betracht gezogen werden. Am 25. März 1998 fand eine Überprüfung zur Aufnahme in den stationären Bereich des Sprachheilzentrums OP. statt. Diese hatte zum Ergebnis, dass die Entwicklungsrückstände des Klägers so gravierend seien, dass er mit den Anforderungen im Sprachheilzentrum deutlich überfordert wäre und eine Beschulung in der UO.-Schule, einer privaten Sonderschule für Sprachbehinderte und Kranke, nicht adäquat wäre. Eine Beschulung in der ER.-Schule in B-Stadt könne eine gute Förderperspektive darstellen.
Mit Bescheid vom 8. Mai 1998 stellte das Staatliche Schulamt für den Landkreis Marburg-Biedenkopf aufgrund des Antrags der Grundschule PA. vom 17. Dezember 1997 nach eingehender sonderpädagogischer Überprüfung und der Anhörung durch die Sonderschule fest, dass für den Kläger sonderpädagogischer Förderbedarf bestehe. Dieser Förderungsbedarf werde in der (öffentlichen) TZ.-Schule, SD. (Sonderschule für Praktisch Bildbare) erfüllt. Der Kläger werde daher diese Schule ab 1. August 1998 besuchen. Es bestehe Einverständnis mit der Beschulung in der ER.-Schule. Bei dieser Schule handelt es sich um eine staatlich genehmigte Ersatzschule und Schule für praktisch Bildbare, Körperbehinderte, Lernhilfe und Erziehungshilfe auf anthroposophischer Grundlage. Träger der Schule ist der Verein für Heilende Erziehung B-Stadt e.V.
Am 30. Juli 1998 schlossen die Eltern des Klägers mit dem Verein für Heilende Erziehung B-Stadt e.V. einen Schulvertrag, wonach der Kläger mit Wirkung vom September 1998 in die erste Klasse der Schule aufgenommen wird. Ziffer 6 des Vertrages lautet: "Das Schulgeld wird mit dem Kostenträger vereinbart". Mit einer "Beitragserklärung" vom 3. September 1998 sagten die Eltern gegenüber dem Verein für heilende Erziehung B-Stadt e.V. zu, ab September 1998 für ihren Sohn ein monatliches Schulgeld in Höhe von 180,00 DM (entspricht 92,03 EUR) zu zahlen. Der Kläger besuchte die Schule seit September 1998. Ab der Umstellung auf Euro Anfang 2002 erbrachten die Eltern des Klägers monatliche Zahlungen in Höhe von 100,00 EUR an die ER.-Schule bzw. deren Trägerverein. Nach Angaben der Eltern ist die Zahlung aus Vereinfachungsgründen umgestellt worden.
Mit Schreiben vom 4. Juni 2007, bei dem Beklagten eingegangen am 8. Juni 2007, beantragte die ER.-Schule im Namen der Eltern des Klägers (und der Eltern weiterer 26 Kinder) unter Vorlage entsprechender Vollmachten die Übernahme des für den Kläger (und für die weiteren 26 Kinder) entstehenden Schulgeldes in Höhe von monatlich 302,92 EUR [sic] ab sofort gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII). Der Kläger erfülle die Voraussetzungen des § 53 SGB XII. Wegen mehrerer beim Sozialgericht Gießen und Marburg bereits oder demnächst anhängiger Streitverfahren zur Frage der Übernahme von Schulgeld einer privaten Förderschule solle über den Antrag zunächst noch nicht entschieden werden.
Mit Schreiben vom 19. August 2008 verlängerte das Staatliche Schulamt für den Landkreis Marburg-Biedenkopf auf Antrag der Eltern die Schulbesuchspflicht für den Kläger um ein Jahr bis zum 31. Juli 2009, weil die bisherige Entwicklung erwarten lasse, dass der Kläger dadurch dem angestrebten Abschluss nähergebracht werden könne. Mit amtsärztlichen Gutachten vom 30. Dezember 2008 stellte die Amtsärztin des Beklagten FG. nach Untersuchung des Klägers am 15. Dezember 2008 fest, bei dem Kläger bestehe eine medikamentös recht gut eingestellte Epilepsie, eine mittelgradige Intelligenzminderung und eine leichte Sprachstörung. Er gehöre zum Personenkreis des § 53 SGB XII. Die Schulbesuchspflicht für den Kläger wurde auf Antrag der Eltern schließlich nochmals um ein Jahr bis zum 31. Juli 2010 verlängert.
Mit Bescheid vom 7. Januar 2009 lehnte der Beklagte die Übernahme von Schulgeld in Höhe von 303,92 ab. Zur Begründung führte er aus, für den Kläger bestehe die Möglichkeit, eine staatliche Schule, nämlich die TZ.-Schule, kostenfrei zu besuchen. Insoweit sei die Gewährung des Schulgeldes als Maßnahme der Eingliederungshilfe nicht erforderlich. Sowohl die öffentliche TZ.-Schule als auch die private ER.-Schule würden ausschließlich Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichten. Im Unterschied zu integrativ unterrichtenden Regelschulen biete die ER. Schule keinen integrativen Mehrwert der Beschulung (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2007 – 5 C 35/06, juris). Dem Wunsch der Eltern könne nicht nachgekommen werden, da dessen Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden sei. Ein Schulwechsel sei dem Kläger auch jetzt noch zumutbar, ohne dass ihm hierdurch wesentliche Nachteile entstünden. Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben am 15. Januar 2009 Widerspruch. Er berief sich darauf, die Mehrkosten aufgrund Schulgeldes, die durch das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern entstünden, seien nicht unverhältnismäßig. Die Kosten für das Schulgeld dürften nicht für sich betrachtet werden, sondern es sei auch zu berücksichtigen, dass die kommunalen Schulträger ihre Aufgaben nach dem Hessischen Schulgesetz nur erfüllen könnten, wenn sie die Angebote privater Ersatzschulen einbezögen. Damit verbiete es sich, den Kläger, wenn er die Übernahme von Schulgeld geltend mache, auf eine öffentliche Schule zu verweisen. Es sei auch nicht dargelegt, dass der Kläger tatsächlich an einer öffentlichen Schule aufgenommen werden könnte. Überdies sei der Besuch einer privaten Ersatzschule durch den Kläger mit Übernahme des Schulgeldes durch den Beklagten und des vom kommunalen Schulträger zu zahlenden Gastschulbeitrags nach § 8 Ersatzschulfinanzierungsgesetz für die Allgemeinheit als Steuerzahler günstiger, als wenn der Kläger eine öffentliche Förderschule besuchte. Da der Beklagte sowohl die Aufgaben des Schulträgers als auch die des Sozialhilfeträgers als kommunale Selbstverwaltungsaufgabe wahrnehme, spare der Beklagte durch den Besuch der ER.-Schule durch den Kläger Finanzmittel ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2009 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wird ausgeführt, dass nur im Einzelfall, wenn keine der Begabung angemessene Beschulung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht an unentgeltlichen öffentlichen Schulen angeboten werden könne, im Rahmen der Eingliederungshilfe ein Anspruch auf eine Beschulung an einer Privatschule bestehen könne. Das Staatliche Schulamt habe den Eltern des Klägers ohne Einzelfallprüfung den Besuch einer staatlichen oder einer privaten Förderschule freigestellt. Ein gegebenenfalls bestehender sonderpädagogischer Förderbedarf könne gegebenenfalls mit Unterstützung durch Integrationshelfer auch an einer allgemeinen Schule gedeckt werden. Eine Prüfung, ob es dem Kläger möglich gewesen wäre, die in seinem Falle erforderliche Schulbildung an einer staatlichen Schule zu erlangen, habe durch die staatliche Schulaufsicht nicht stattgefunden. Der Kläger besuche die ER.-Schule auf Wunsch seiner Eltern. Unterließen es die Eltern eines Kindes, die zuständigen Stellen zur Prüfung der Beschulbarkeit des Kindes an den öffentlichen Schulen einzuschalten, könne nur dann angenommen werden, dass das Kind auf einer öffentlichen (Förder-)Schule nicht beschult werden könne, wenn sich dies auch ohne Beteiligung der schulischen Fachstellen aufdränge. Allein das Vorliegen einer Behinderung i.S. von § 53 Abs. 1 SGB XII sei nicht ausreichend, um davon auszugehen, dass für den Kläger keine öffentliche Förderschule hätte gefunden werden können. Ob der Besuch einer privaten Ersatzschule durch den Kläger weniger Mittel der Allgemeinheit erfordere, als wenn dieser eine öffentliche Förderschule besuchen würde, könne und brauche durch die Widerspruchsbehörde nicht beurteilt zu werden. Es bestehe kein Bedarf des Klägers auf Übernahme des Schulgeldes. Das gemäß § 9 Abs. 2 SGB XII normierte Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten beziehe sich zum einen auf die Gestaltung der Hilfe hinsichtlich deren Leistungsart und Umfang, und zum anderen auf die Frage der unverhältnismäßigen Mehrkosten im Vergleich von ambulanten zu stationären Hilfen. Es liege aber nicht im Belieben des Klägers und seiner Eltern, zwischen Selbsthilfe und der Inanspruchnahme der Sozialhilfe zu wählen.
In seiner am 8. April 2009 erhobenen Klage trägt der Kläger vor, das Staatliche Schulamt für den Landkreis habe den Kläger einer öffentlichen Förderschule zugewiesen, aber auch ausdrücklich die Möglichkeit des Besuchs der privaten ER.-Schule, einer staatlich anerkannten Ersatzschule, eröffnet. Tragender Grund für die Haltung des Beklagten, den Kläger auf den Besuch einer öffentlichen Förderschule zu verweisen, seien die vermeintlich höheren Kosten, die durch den Besuch der privaten Schule entstünden. Ob aber zusätzliche Kosten für die Allgemeinheit entstünden, sei nur durch einen Vergleich der Kosten, die beim Besuch einer öffentlichen Förderschule entstünden, mit den Kosten, die der Allgemeinheit durch den Besuch einer privaten Schule durch den Kläger entstünden, zu ermitteln. Der Verweis darauf, dass der Kläger eine öffentliche Schule hätte besuchen können, für deren Besuch Schulgeld nicht angefallen wäre, trage schon vom Ansatz her nicht. Die ER.-Schule sei als staatlich anerkannte Ersatzschule für Schülerinnen und Schüler mit festgestelltem pädagogischem Förderbedarf im Einzugsbereich der kommunalen Schulträger (Universitätsstadt B-Stadt und Landkreis Marburg-Biedenkopf) nicht hinweg zu denken. Ohne die ER.-Schule wären die Schulträger nicht in der Lage gewesen, ihre Aufgaben zu erfüllen. Für eine bestimmte Anzahl von Schülerinnen und Schülern sei der Besuch der ER.-Schule ohne staatliche Alternative. Die Ungleichbehandlung öffentlicher und staatlich anerkannter Ersatzschulen durch den Beklagten werde der Systematik des Hessischen Schulwesens nicht gerecht. Die hessischen Schulträger seien nach § 144 Hessisches Schulgesetz (HSchG) verpflichtet, ein Schulangebot vorzuhalten, das dem öffentlichen Bedürfnis entspreche. Ohne das Angebot der ER.-Schule wäre das öffentliche Bedürfnis an Beschulungsmöglichkeiten in Förderschulen (§ 53 HSchG) nicht sichergestellt. Schließlich befinde sich der Kläger in der Schlussphase seines Schulbesuchs und sei ihm deshalb ein Schulwechsel nicht mehr zuzumuten.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 27. November 2009 den Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 2009 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, an den Kläger ab dem 8. Juni 2007 Leistungen der Eingliederungshilfe in Höhe von 100 EUR monatlich zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei im tenorierten Umfang begründet. Anspruchsgrundlage für die Übernahme des Schulgeldes sei § 53 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 54 Abs. S. 1 Nr. 1 SGB XII (Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung). Der Kläger gehöre zum Kreis der Personen die eingliederungshilfeberechtigt seien, denn er habe eine Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX), die ihn wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, einschränke. Die geistigen Fähigkeiten des Klägers wichen von dem für das Lebensalter typischen Zustand ab, denn er leide an Epilepsie, einer mittelgradigen Intelligenzminderung sowie einer leichten Sprachstörung. Diese Defizite beeinträchtigten ihn in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Die Übernahme des Schulgeldes stelle auch eine mögliche Leistung der Eingliederungshilfe dar. Wie sich schon aus § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII ergebe, gehörten Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung zu den Eingliederungshilfeleistungen. Auch die Übernahme von Schulgeld könne eine solche Leistung sein, sofern die Übernahme des Schulgeldes Voraussetzung für den Besuch einer Schule sei, die dem Betroffenen die entsprechende "angemessene Schulbildung" vermittele. Der Besuch der ER.-Schule sei zur Eingliederung des Klägers in die Gesellschaft geeignet und auch erforderlich. Dass die Schule geeignet sei, den Eingliederungshilfebedarf des Klägers zu decken, ergebe sich bereits aus dem Bescheid des Staatlichen Schulamtes vom 8. Mai 1998. Zwar habe das Schulamt den Kläger in diesem Bescheid der staatlichen TZ.-Schule zugewiesen. Mit der gleichzeitig erteilten Erlaubnis, die ER.-Schule zu besuchen, habe die Behörde beide Schulen jedoch als gleichermaßen geeignet zur Deckung des sonderpädagogischen Förderbedarfs des Klägers eingestuft. An diese schulrechtliche Einstufung sei der Sozialhilfeträger gebunden (Verweis auf BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2007 – 5 C 35/06, juris). Soweit ersichtlich, stelle der Beklagte die grundsätzliche Eignung der ER. Schule zur Beschulung des Klägers auch nicht in Frage. Der Besuch der ER.-Schule sei darüber hinaus auch eingliederungshilferechtlich erforderlich. Die Erforderlichkeit entfalle nicht dadurch, dass dem Kläger die Möglichkeit offengestanden habe, eine schulgeldfreie Schule zu besuchen. Ob eine für den Sozialhilfeträger kostenmäßig günstigere Eingliederungshilfemaßnahme, auf die der Leistungsempfänger zulässigerweise verwiesen werden dürfe, zur Verfügung stehe, sei unter Heranziehung des § 9 Abs. 2 SGB XII zu prüfen. Nach S. 1 dieser Vorschrift "soll" der Träger Wünschen, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, entsprechen, soweit sie "angemessen" sind. Den Wünschen "soll" gemäß § 9 Abs. 2 S. 3 SGB XII "in der Regel" nicht entsprochen werden, wenn ihre Erfüllung mit "unverhältnismäßigen Mehrkosten" verbunden sei. Der Auffassung der Beklagten, § 9 Abs. 2 SGB XII komme gar nicht zur Anwendung, weil der Besuch der ER.-Schule nicht Bestandteil des notwendigen Lebensunterhalts im Sinne von § 19 Abs. 1 S. 1 SGB XII und - wegen der Möglichkeit des Besuchs einer schulgeldfreien Schule - auch nicht erforderlich sei, vermöge sich die Kammer nicht anzuschließen.
Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 9. Dezember 2009 und dem Beklagten am 15. Dezember 2009 zugestellt worden.
Mit der am 29. Dezember 2009 eingelegten Berufung hat der Kläger sein Begehren zunächst weiterverfolgt mit dem Ziel einer Abänderung des Urteils und einer Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von Leistungen in Höhe von 303,92 EUR. Der Kläger trägt vor, die Eltern des Klägers hätten mit der ER.-Schule einen Vertrag zu Beschulung des Klägers geschlossen. Gegenstand dieses Vertrages sei die Zahlung von Schulgeld gewesen, das seit vielen Jahren unverändert 303,92 EUR monatlich betragen habe. Dieser Vertrag begründe die Verpflichtung des Klägers zur Entrichtung des Schulgeldes. In der Erkenntnis, dass die Eltern den entfallenden Betrag nicht würden leisten können, habe die Schule die Beitrittserklärung vom 3. September 1998 akzeptiert. Die Gründe für eine derartige Verfahrensweise seien in einem Schriftsatz vom 9. Juli 2009 dargelegt worden. Eine vom üblichen Schulgeld abweichende Vereinbarung, die das Gericht offenbar unterstelle, sei zu keinem Zeitpunkt geschlossen worden. Auch ein Verzicht der Schule auf die Entrichtung des vertragsgemäßen Schulgeldes sei mit der akzeptierten Beitrittserklärung nicht verbunden gewesen. Die Verpflichtung des Klägers bzw. seiner Eltern hätte unverändert fortbestanden, auch wenn sie nicht in voller Höhe erfüllt worden sei. Die Vertragsparteien seien sich vielmehr darin einig gewesen, dass die Eltern des Klägers den zu zahlenden Betrag aufstocken würden, wenn sie dazu finanziell in der Lage gewesen wären.
Der Kläger hat seine Berufung am 13. September 2010 zurückgenommen.
Der Beklagte hat seinerseits am 15. Januar 2010 Berufung eingelegt und vorgetragen, entgegen der Begründung des angefochtenen Urteils sei der Besuch der ER.-Schule für den Kläger nicht eingliederungshilferechtlich erforderlich. Für den sonderpädagogischem Förderbedarf des Klägers sei die TZ.-Schule in SD. benannt. Die Eltern des Klägers hätten ihr Kind mit dem Wissen in die ER.-Schule geschickt, dass das Schulgeld von ihnen selbst zu tragen sei. Aus diesem Grunde sei auch das Schulgeld mit den Eltern in der Höhe entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit individuell vereinbart worden. Die Vereinbarungen der ER.-Schule mit den jeweiligen Eltern seien der Höhe nach von Elternpaar zu Elternpaar jeweils unterschiedlich und orientierten sich an deren Leistungsfähigkeit. Die nähere Festlegung über Art und Umfang der Hilfe nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII enthalte § 12 S. 1 Nr. 1 Eingliederungshilfeverordnung (EinglH-VO). Danach blieben die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt. Die Vermittlung einer "angemessenen" Schulbildung sei Angelegenheit des allgemeinen Schulsystems, den schulrechtlichen Anforderungen entsprechende Maßnahmen hätten Vorrang. Darüber hinaus verstoße das angegriffene Urteil des Sozialgerichts Marburg gegen den Nachrang der Sozialhilfe gemäß § 2 Abs. 1 SGB XII. Der Sozialhilfeträger könne einer Verlagerung von Kosten, die im Schulbereich anzusiedeln seien, in die Sozialhilfe nicht zustimmen. Darüber hinaus müsse man sich fragen, ob mit der Argumentationskette des Sozialgerichts auf der Grundlage des Wahlrechts der Eltern gemäß § 9 SGB XII auch die Tür zu einer Kostenübernahme von Schulgeld für private Regelschulen von Hilfeempfängern im SGB XII auf der Grundlage der §§ 28 und 42 SGB XII geöffnet werde.
Der Beklagte (Berufungskläger) beantragt,
das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 27. November 2009 aufzuheben, soweit darin der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger ab dem 8. Juni 2007 Leistungen der Eingliederungshilfe in Höhe von 100,00 EUR monatlich zu zahlen, und auch insoweit die Klage abzuweisen.
Der Kläger (Berufungsbeklagte) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, die Höhe des geltend gemachten Schulgeldes habe im Verwaltungsverfahren keine Rolle gespielt. Die Höhe des von der staatlich anerkannten Ersatzschule geforderten Schulgeldes habe bis zur Währungsumstellung 594,41 DM, seitdem 303,92 EUR betragen. Man könne erwägen, ob der Kläger nicht verpflichtet gewesen sei, bei einem überhöhten Schulgeld auf den Besuch der ER.-Schule zu verzichten. Ob die Akzeptanz des geringeren Betrages durch die Schule ursprünglich ein Verzicht auf den darüber hinausgehenden Betrag beinhaltet habe, könne offen bleiben. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei der Antrag des Klägers vom 4. Juni 2007, gerichtet auf die Übernahme von Schulgeld in Höhe von 303,92 EUR. Mit diesem Antrag hätten die Eltern des Klägers (in Verabredung mit der Schule, wie die Bevollmächtigung des Verwaltungsleiters der Schule zeige) gegenüber dem Beklagten ihre Verpflichtung deutlich gemacht, dass übliche Schulgeld auch zahlen zu wollen, es aber ohne die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht zu können.
Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 17. April 2013 verwiesen. Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte des Beklagten sowie des Staatlichen Schulamtes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die allein noch anhängige Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht binnen der Monatsfrist des § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden.
Die Berufung des Beklagten ist auch begründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 7. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 2009 (§ 95 SGG) über die Ablehnung der Übernahme des Schulgelds für den Besuch der ER.-Schule. Zulässige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 i.V.m. § 56 SGG).
Nicht Streitgegenstand sind Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII, auch nicht im Rahmen des sog. Meistbegünstigungsprinzips. Erwägungen zur Bedürftigkeit des Klägers spielen demzufolge keine Rolle bei Prüfung eines Anspruchs des Klägers auf Übernahme von Schulgeld. Gemäß § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 SGB XII sind Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Hilfeempfängers zu erbringen.
Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 15. November 2012 – B 8 SO 10/11 R – juris, in dem es in einem Parallelverfahren um die Übernahme von Schulgeld für den Besuch der ER.-Schule ging, gilt für einen Anspruch auf Übernahme von Schulgeld nach § 54 SGB XII Folgendes:
Nach § 53 Abs 1 Satz 1 i.V.m. § 54 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung i. S. von § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
Anders als in der der Entscheidung des Bundessozialgerichts zugrundeliegenden Fallgestaltung, in der das Bundessozialgericht Zweifel äußerte, ob der dort beklagte überörtliche Träger der Sozialhilfe für den streitigen Anspruch auf Übernahme des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe sachlich zuständig sei, ist vorliegend mit dem Landkreis der örtliche Träger der Sozialhilfe i. S. von § 1 Abs. 1 Hessisches Ausführungsgesetz zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (HAG) verklagt.
Der Beklagte ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 HAG sachlich zuständig für Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII und damit auch für Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII. Eine Ausnahme besteht nur gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 HAG (bis 31. Juni 2006 in der nach § 13 Abs 3 HAG bestimmten Fassung), wenn die Leistung in einer stationären oder teilstationären Betreuung oder in einer betreuten Wohnmöglichkeit für behinderte Menschen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII gewährt wird. Die ER.-Schule ist nicht als eine solche Einrichtung zur stationären oder teilstationären Betreuung im Sinne des § 13 SGB XII zu qualifizieren. Eine (teilstationäre) "Einrichtung" im Sinne des § 13 SGB XII ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und Leistungen der Sozialhilfe erbringt (BSG, aaO, juris Rn. 11 m.w.N.). Die ER.-Schule erbringt jedoch nicht Leistungen der Sozialhilfe, sondern bietet als Ersatz(förder)schule als Leistung die Beschulung des schulpflichtigen und nach § 53 SGB XII förderberechtigten Personenkreises.
Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf die im Streit stehende Leistung.
Allerdings erfüllt der Kläger die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII für eine Pflichtleistung. Die Voraussetzungen für eine Behinderung nach § 2 Abs 1 SGB IX sind erfüllt, wenn die geistige Fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
Der Kläger leidet nach dem förderdiagnostischen Gutachten vom 8. März 1998 an einer expressiven Sprachstörung und allgemeinen Entwicklungsverzögerung bei Intelligenzminderung im Grenzbereich zwischen Lernbehinderung und geistiger Behinderung und nach dem amtsärztlichen Gutachten vom 30. Dezember 2008 an einer medikamentös recht gut eingestellten Epilepsie, einer mittelgradigen Intelligenzminderung und einer leichten Sprachstörung.
Die geistige und sprachliche Behinderung des Klägers ist wesentlich i. S. des § 2 Eingliederungshilfe-VO, wonach eine wesentliche Behinderung vorliegt, wenn infolge einer Schwäche der geistigen Kräfte in erheblichem Umfang die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft eingeschränkt ist. Dies richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls und hängt deshalb von sehr unterschiedlichen, durch die individuelle Behinderung geprägten Umständen ab. Insoweit ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wie bei der Prüfung der Behinderung auch ihre Wesentlichkeit wertend auszurichten, insbesondere an den Auswirkungen für die Eingliederung in die Gesellschaft. Entscheidend ist mithin nicht, wie stark die geistigen Kräfte beeinträchtigt sind und in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt.
Das förderdiagnostische Gutachten von Herrn QW. vom 8. März 1998 kommt zu dem Ergebnis, dass eine Schule für Lernbehinderte und eine Schule für Sprachbehinderte für den Kläger wenig angebracht sei, weil dieser mit dem an diesen Schulen im Mittelpunkt stehenden Erlernen der Kulturtechniken des Lesens, Schreibens und Rechnens überfordert wäre. Damit standen hier die mit einer Behinderung einhergehenden Beeinträchtigungen der erfolgreichen Teilnahme des Klägers am Unterricht in einer allgemeinen (Grund-)Schule entgegen, weil er die Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht hätte aufnehmen und verarbeiten können. Seine geistige und sprachliche Behinderung bedingte einen sonderpädagogischen Förderbedarf, um die mögliche Vermittlung praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten überhaupt erst zu ermöglichen. Die Behinderung des Klägers ist daher wesentlich im Sinne des § 2 Eingliederungshilfe-VO. Der Kläger gehört danach zu dem leistungsberechtigten Personenkreis nach § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII.
Jedoch scheitert ein Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds daran, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 15. November 2012 – B 8 SO 10/11 R, juris) es sich bei der Übernahme zu zahlenden Schulgeldes nicht um eine Leistung der Eingliederungshilfe handelt. Mit dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht die Vorinstanz (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 22. November 2010 – L 9 SO 7/09, juris) nur im Ergebnis bestätigt, aber einen anderen Begründungsweg gewählt.
Nach § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Erfasst sind von dem Wortlaut der Vorschrift ("Hilfen") allerdings nur Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern.
Eine solche Maßnahme, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich ist, kann etwa die Stellung eines Integrationshelfers sein. Weist etwa die Schulbehörde ein behindertes Kind im Rahmen ihres schulrechtlichen Wahl- und Bestimmungsrechts einer Regelschule zu, so hat wegen der Tatbestandswirkung dieser Entscheidung für den Träger der Sozialhilfe dieser dann einen Integrationshelfer für den Besuch der Regelschule zu finanzieren, der bei dem Besuch einer Sonderschule nicht notwendig geworden wäre (BVerwG, Urteil vom 28. April 2005 – 5 C 20/04, juris).
Die Auslegung des § 54 SGB XII im Sinne nur von Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung stehen, nicht aber im Sinne einer Finanzierung der angemessenen Schulbildung selbst, wird nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 15. November 2012 durch § 12 Eingliederungshilfe-VO bestätigt, der seinerseits nur von "Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung" spricht. Die von § 12 Eingliederungshilfe-VO (auch) erfassten Regelbeispiele betreffen dementsprechend nur die Schulbildung begleitende heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen und Hilfen. Deshalb kommt etwa die Übernahme der Kosten für die systemische Bewegungstherapie bei einem schwer behinderten Kind als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung i. S. von § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 1 EinglHV als Leistung der Eingliederungshilfe in Betracht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Februar 2012 - L 7 SO 1246/10 – juris).
Die Schulbildung selbst, also der Kernbereich der pädagogischen Arbeit, bestimmt sich gemäß dem genannten Urteil des Bundessozialgerichts nach der Gesetzessystematik nicht unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen, sondern der sozialhilferechtlichen Regelungen. Die so bestimmte Schulbildung obliegt allein den Schulträgern. Mit dieser Auslegung des § 54 SGB XII i.V.m. § 12 Eingliederungshilfe-VO hat das Bundessozialgericht einer Gesetzesauslegung eine Absage erteilt, wonach die Förderung des Schulbesuchs an einer privaten Förderschule durch Übernahme von Schulgeld eine "erforderliche Maßnahme" i.S. des § 12 Eingliederungshilfe-VO sein kann (so noch Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. August 2010 – L 6 SO 5/10). Die Übernahme von Schulgeld würde die Eltern des Klägers, soweit sie überhaupt dem Trägerverein der ER.-Schule gegenüber zur Zahlung von Schulgeld verpflichtet sind, zwar finanziell entlasten. Der Beklagte würde damit nach Auffassung des Bundessozialgerichts aber den Kernbereich der pädagogischen Arbeit der ER.-Schule finanzieren und keine den Schulbesuch nur begleitenden Maßnahmen, Therapien und Hilfen.
Im Ergebnis ist damit der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule den Regelungen über die Eingliederungshilfe entzogen und die Finanzierung des Schulbesuchs der ER.-Schule als Ersatzschule über das Sozialhilferecht ausgeschlossen. Es ist damit unerheblich, ob der Vortrag des Klägers zutrifft, wonach der Besuch der privaten Ersatzschule durch den Kläger mit Übernahme des Schulgeldes durch den Beklagten und des vom kommunalen Schulträger zu zahlenden Gastschulbeitrags nach § 8 Ersatzschulfinanzierungsgesetz für die Allgemeinheit als Steuerzahler günstiger gewesen sei, als wenn der Kläger eine öffentliche Förderschule besucht hätte.
Die schulrechtlichen Verpflichtungen bestehen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 13. August 1992 - 5 C 70/88 - juris ausgeführt, dass der Staat mit der Einrichtung der öffentlichen Grundschulen seinen Bildungs- und Erziehungsauftrag aus Art. 7 Abs. 1 GG nachkomme und die Schulgeldfreiheit aus übergreifenden bildungs- und sozialpolitischen Gründen eine eigenständige (landesrechtliche) Regelung außerhalb des Sozialhilferechts gefunden habe, sodass für einen Rechtsanspruch gegen den Sozialhilfeträger zur Deckung eines im Grundschulalter angemessenen Bildungsbedarfs Aufnahmebeiträge und monatliches Schulgeld für den Besuch einer privaten Grundschule als Sozialhilfeleistung nicht zu übernehmen seien. Dabei ist das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf die erforderliche Hilfe nicht von einer nach Maßgabe des Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe zu lösenden Anspruchskonkurrenz, sondern von einem Verhältnis der "Spezialität" ausgegangen, wobei es eine Ausnahme von diesem Grundsatz für möglich hielt, wenn der Besuch einer öffentlichen Grundschule aus objektiven Gründen (z. B. wegen ihrer räumlichen Entfernung vom Wohnort) oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar sei. Auf diese Rechtsprechung, der sich das Bundessozialgericht angeschlossen hat, hatte vorliegend der Beklagte auch bereits erstinstanzlich hingewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Rechtsprechung für Leistungen der Eingliederungshilfe bestätigt (Beschluss vom 2. September 2003 - 5 B 259/02, juris) und ausdrücklich ausgeführt, dass ein nachrangiges Eintreten der Sozialhilfe (nur) für solche Bedarfe nicht ausgeschlossen sei, die nicht in der Deckung des unmittelbaren Ausbildungsbedarfs im Rahmen der Schulpflicht bestünden, sondern damit lediglich - mehr oder weniger eng - zusammenhingen, etwa wie bei der Bereitstellung eines Integrationshelfers für behinderte Kinder an Regelschulen.
Auch eine jugendhilferechtliche Eingliederungshilfe nach § 35a Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) i.V.m. § 54 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XII soll die eigentliche pädagogische Arbeit der Lehrer absichern und mit die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass dem Kind ein erfolgreicher Schulbesuch ermöglicht wird. Der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Lehrer in der Schule wird - unabhängig von seiner exakten Bestimmung - von der Eingliederungshilfe nach dem Sozialhilfe wie nach dem Jugendhilferecht nicht erfasst (BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 – 5 C 21/11, juris Rn. 37). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat das Schulgeld in der mündlichen Verhandlung als "Eintrittsgeld" in die Schule bezeichnet. Dies bringt treffend zum Ausdruck, dass mit dem Schulgeld Zugang zur Hauptleistung der Schule – Unterricht und pädagogische Betreuung – erkauft wird, nicht aber flankierende Maßnahmen zur Ermöglichung des Schulbesuchs finanziert werden.
Nach diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe. Zu dem Kernbereich der Schule gehören alle schulischen Maßnahmen, die dazu dienen, die staatlichen Lehrziele zu erreichen, in erster Linie also der (unentgeltliche) Unterricht, der die für den erfolgreichen Abschluss notwendigen Kenntnisse vermitteln soll. Damit unterliegt auch das vom Kläger begehrte Schulgeld unmittelbar diesem Kernbereich, weil die Übernahme des Schulgelds die von der Schule selbst zu erbringende Leistung, also den Unterricht des Klägers an dieser Schule, ermöglicht. Das Schulgeld dient dem Zugang zur schulischen Bildung selbst und stellt keine bloß unterstützende Leistung im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung dar.
Im Parallelverfahren (L 6 SO 4/10) hat der Prozessbevollmächtigte der dortigen Klägerin vorgetragen und im vorliegenden Verfahren in der mündlichen Verhandlung nochmals bekräftigt, die ER.-Schule benötige das Schulgeld nicht zur Finanzierung der Kosten ihres Lehrpersonals und damit zur Finanzierung des Unterrichts und verwende es auch nicht hierfür. Vielmehr würden Personalkosten des nicht pädagogischen Personals, Betriebskosten, Bauunterhaltung und vieles anderes mehr aus dem Schulgeld bestritten. Es ist nicht ersichtlich wie diese Beschreibung der Verwendung des Schulgeldes durch die ER.-Schule einen Anspruch der Klägers im Rahmen des § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII ("Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung") gegen den Beklagten begründen können sollte. Damit § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII greift, verlangt das Bundessozialgericht Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung der nach § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII anspruchsberechtigten Person stehen. Diese Maßnahmen müssen also auf die nach § 53 SGB XII berechtigte Person zugeschnitten sein (z.B. Stellung eines Integrationshelfers in der Regelschule, systemische Bewegungstherapie, s.o.). Die Verwendung von Schulgeld für die allgemeine Aufrechterhaltung des Betriebs der Schule steht in keinem Zusammenhang mit irgendwelchen konkreten Maßnahmen oder Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, die nach § 53 SGB XII leistungsberechtigten Personen zugute kämen.
Wie die Entscheidung des Schulamts, den Kläger der TZ.-Schule zuzuweisen, zugleich aber das Einverständnis mit einer Beschulung in der ER.-Schule zu erklären, auszulegen ist und inwieweit sie auch für den Beklagten Bindungswirkung entfaltet, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ohne Belang. Es spielt nach dieser Rechtsprechung in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass sich der Beklagte mit der Beschulung in die ER.-Schule einverstanden erklärt hat. Auch die Ausübung eines elterlichen Wahlrechts, welche Schule besucht wird, hat nicht zur Folge, dass der Sozialhilfeträger ein etwaiges Schulgeld zahlen müsste.
Da vorliegend ausschließlich um Eingliederungshilfe gestritten wird, ist es für die Entscheidung auch unerheblich, ob die Aufnahme des Klägers in einer anderen Schule an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre. Denn für die Eingliederungshilfe ist eine entsprechende Klärung ohne Bedeutung. Ebensowenig ist von Belang, ob im Zeitpunkt der Antragstellung auf Übernahme von Schulgeld dem Kläger, der die ER. Schule mit einem Kostenbeitrag der Eltern finanziert bereits neun Jahre besucht hatte, ein Schulwechsel auf eine kostenlose öffentliche Förderschule noch zumutbar gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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