Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 32/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 247/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 10. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, da er den tödlichen Verkehrsunfall seiner Ehefrau als Arbeitsunfall ansieht.
Der Kläger war der Ehemann der 1968 geborenen und am 14.10.2003 verstorbenen Versicherten (V.).
V. erlitt am 14.10.2003 um 11:45 Uhr einen tödlichen Verkehrsunfall. Die Verstorbene verließ kurz vor dem Unfallzeitpunkt ihre Arbeitsstelle bei der Fa. C. GmbH in der I. in N., bei der sie als Reinigungskraft geringfügig beschäftigt war. Sie ging zu Fuß in Richtung B., wobei nicht mehr feststellbar ist, ob sie am rechten Fahrbahnrand oder auf einem schmalen Gehweg der I. ging. Auf der Höhe des Gebäudes mit der Nr. 12 kam sie aus nicht mehr feststellbaren Gründen - möglicherweise, weil sie von dem dort befindlichen Hund erschreckt wurde - vom Fußweg oder dem Fahrbahnrand ab und wich auf die Straße aus, wo sie von einem - in Richtung B. - vorbeifahrenden Lkw mit Anhänger erfasst und von dem Anhänger überrollt wurde. Die Versicherte erlitt bei dem Unfall schwere Verletzungen (Polytrauma mit komplexer Beckenfraktur und Aortenruptur) und verstarb gegen 13:35 Uhr in den S. Kliniken (Klinikum am P.) in Bad F. an einem hämorrhagischen Schock.
Gegenüber den am Unfallort eingetroffenen Polizeibeamten PHM S. und PHW W. gab V., die zu diesem Zeitpunkt noch ansprechbar war, an, sie sei auf dem Weg zur Schule gewesen, um ihre Kinder abzuholen; diese hätten um 13:00 Uhr Schulende. Da sie sich sehr um ihre Kinder sorgte und unter Schock stand, war eine weitere Befragung der Verletzten ausweislich der Verkehrsunfallbeschreibung der Polizei nicht möglich. In der Verkehrsunfallbeschreibung ist weiter vermerkt, dass die Kleidung der Verstorbenen im Krankenhaus sichergestellt und der Kriminaltechnik übergeben wurde. Die Untersuchung des Leichenbluts der Verstorbenen ergab eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,24 Promille. Nach einem rechtsmedizinischen Gutachten von Prof. Dr. W. (Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Universität T.) vom 19.11.2003 lag eine geringe Ethanolbeeinflussung vor, die aber nicht geeignet war, eine Störung der Handlungsfähigkeit bzw. der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit hervorzurufen.
Die Polizei befragte in der Folgezeit Zeugen. Der Fahrer des unfallverursachenden LKW, Edgar Z., der sich zunächst vom Unfallort entfernt hatte und nach telefonischer Information über seine Unfallbeteiligung zurückgekehrt war, gab an, den Unfall nicht bemerkt zu haben. Im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung am 04.12.2003 wiederholte er dies. Er habe auf der I. weder einen Fußgänger noch entgegenkommende Fahrzeuge bemerkt und könne daher keine Angaben zu der Frau machen.
Die Zeugin Z. K. gab an, sie sei auf der I. als Beifahrerin eines PKW gefahren, als ihnen aus entgegengesetzter Richtung ein LKW entgegen kam. Sie seien noch etwa 30 Meter von dem LKW entfernt gewesen, als sie einen dumpfen Schlag gehört habe. Erst als der Lkw an ihnen vorbei gewesen sei, habe sie eine Frau auf der Straße liegen sehen. Die Frau habe in Höhe der Schiebetüre einer dort ansässigen Firma gelegen. Sie vermute, dass der Hund die Frau gebissen habe oder diese wegen des Hundes erschrocken sei und deswegen in den LKW gelaufen sei. Sie vermute dies wegen der schweren Verletzung der Frau am Bein; diese habe ausgesehen wie ein Hundebiss. Sie hätten angehalten und seien sofort zu der Frau gelaufen, während der LKW weitergefahren sei. Sie habe mit der Frau noch sprechen können. Diese habe von ihren Kindern erzählt, die sie abholen wollte.
Der Zeuge S. E. gab bei seiner Vernehmung am Tag nach dem Unfall an, er sei auf der I. mit seinem Pkw gefahren, als er gesehen habe, dass ihm auf der linken Straßenseite eine Frau zu Fuß entgegen kam. Diese sei auf der Höhe der geschlossenen Einfahrt der Fa. G. gegangen. Er könne nicht sagen, ob die Frau auf der Fahrbahn oder auf dem schmalen Streifen rechts vom Randstein gegangen sei. Plötzlich habe er den Schäferhund auf dem Grundstück Günter auf das Einfahrtstor in Richtung der Frau zuspringen sehen. Er habe den Hund dann bellen gehört und gesehen, dass die Frau erschrocken sei und einen schnellen Schritt in Richtung Fahrbahn gemacht habe. Er würde sagen, sie habe einen "Hopser" gemacht. In diesem Moment sei ihm dann die Sicht von einem entgegenkommenden LKW versperrt worden. Als der LKW vorbei war, habe die Frau am linken Fahrbahnrand liegen sehen. Er habe gleich gedacht, dass sie vom Hund gebissen worden sei. Die Frau müsse seitlich von dem LKW erfasst worden sein.
Die von der Polizei zwei Tage nach dem Unfall befragte Zeugin S. B. gab an, als sie mit ihrem PKW zur Unfallstelle gekommen sei, habe sie gesehen, dass dort vor dem Tor der Fa. G. ein verletzter Mensch lag. Nachdem sie angehalten habe, habe sie sich mit einer weiteren Frau um die Verletzte gekümmert. Sie habe dann noch mit der Verletzten gesprochen, die von ihren Kindern erzählt habe, die in der Schule seien. Sie habe die Frau beruhigt und sei dort geblieben, bis die Sanitäter kamen.
Der von der Polizei am 20.10.2003 telefonisch befragte Geschäftsführer der Fa. C. GmbH, der Zeuge W. B., gab an, die Verstorbene habe am Unfalltag in der Zeit zwischen 9:30 Uhr und ca. 11:30 Uhr die Büroräume gereinigt. Sie habe nach Arbeitsende des Öfteren ihre Kinder von der Schule abgeholt oder noch einen Einkauf bei Lidl oder Penny getätigt.
Nach dem Spurensicherungsbericht der Kriminalpolizei H. vom 10.11.2003 war V. ausweislich der vorgefundenen Spurenbilder mit dem linken Schuh unter das rechte Vorderrad des Anhängers des LKW geraten und dann nochmals vom rechten Hinterrad überrollt worden. Es wurden folgende Spuren am Unfallort gesichert: DNA-Material, Reifenspuren, Lackvergleichsmaterial, Textilfaserspuren, Kleider und Partikel aus Kleidern. Nicht gesichert wurden insbesondere Glasspuren; in dem Spurensicherungsbericht ist hierfür gesondert ein Kreuz zu setzen. Nach den Feststellungen der Polizei befinden sich die Lebensmittelgeschäfte Lidl und Penny auf dem Weg zur Schule der Kinder. Die Strecke zwischen Arbeitsstelle und Unfallstelle beträgt ca. 100 Meter, die Strecke zwischen Unfallstelle und Schule ca. 800 Meter.
In einer schriftlichen Erklärung gab der Zeuge W. B. am 19.07.2004 an, dass zum Tätigkeitsumfang der Verstorbenen auch das wöchentliche Entleeren des Glasmülls gehört habe. Die Unfallstelle liege örtlich zwischen den Büroräumen und dem Glascontainer, in welchen der Glasmüll zu entsorgen war.
In einer schriftlichen, an den Kläger gerichteten Erklärung gab die Zeugin I. F., die ebenfalls bei der Arbeitgeberin der Verletzten beschäftigt war, am 15.09.2004 an, die Verletzte habe ihren Arbeitsplatz meist zwischen 11:30 Uhr und 12:15 Uhr verlassen. Wann sie am Unfalltag ihren Arbeitsplatz verlassen habe, könne sie nicht mehr nachvollziehen. Sie habe sich von ihr verabschiedet, wisse aber nicht mehr, wann das war. Ob die Verstorbene etwas in der Hand hatte, um es zum Container zu bringen, wisse sie nicht.
Im Rahmen einer von der Beklagten veranlassten Ortsbegehung durch einen Bediensteten vom 06.10.2004 wurde festgestellt, dass sich in einer Entfernung von ca. 30-50 Meter von der Unfallstelle auf der gegenüberliegenden Straßenseite mehrere Glascontainer befinden. Auf Grund der Örtlichkeiten könne der Weg zur Schule sowohl von der I. über die B. angetreten werden als auch von der I. über die S ... Der Pennymarkt und der Lidlmarkt seien voneinander durch ein Haus getrennt und befänden sich an der Ö. in direkter Nähe zur B. Der Weg dorthin führe von der I. über die B. rechts auf die Ö ... An der Ecke Ö./ G. liege noch ein Edeka Neukauf Markt.
Die Verstorbene wohnte in der H. in N ... Die Schule der Kinder, die H., befand sich in der G. Schulschluss war am Unfalltag um 12:55 Uhr (Bestätigung der H. N. vom 17.11.2004).
Mit Bescheid vom 03.11.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen anlässlich des Unfalls der Verstorbenen mit der Begründung ab, der Unfall sei nach Beendigung der beruflichen Tätigkeit der Verstorbenen als Reinigungskraft erfolgt. Die versicherte Tätigkeit könne nicht mit Gewissheit bewiesen werden. Es kämen insoweit mehrere Möglichkeiten in Betracht. Die Verstorbene habe sich nicht auf direktem Weg von der Arbeitsstelle nach Hause befunden, sondern in entgegengesetzter Richtung. Denkbar sei auch, dass die Verletzte ihre Kinder von der Schule abholen wollte. Dieser Weg wäre nur versichert, wenn die Kinder aufgrund der Berufstätigkeit der Eltern der Beaufsichtigung durch andere bedürften. Im vorliegenden Fall sei jedoch nicht davon auszugehen, dass sich die Kinder zur Beaufsichtigung in fremder Obhut befanden. Der Aufenthalt in der Schule sei in Erfüllung der Schulpflicht erfolgt. Die Verletzte könne aber auch beabsichtigt haben, entweder nur Einkäufe bei den Lebensmittelmärkten zu erledigen oder aber einzukaufen, um anschließend ihre Kinder von der Schule abzuholen. Die Lebensmittelgeschäfte befänden sich auf dem Weg zur Schule. Zwar habe es nach den Angaben des Arbeitgebers zu den Aufgaben der Verletzten gehört, Müll zu entsorgen. Ob die Verstorbene am Unfalltag Müll habe entsorgen wollen, habe aber nicht genau festgestellt werden können, weil es keine Zeugen gebe. Dagegen spreche allerdings die Tatsache, dass trotz intensiver Spurensicherung der Polizei keine Glassplitter an der Unfallstelle gefunden worden seien. Auf dem Rückweg vom Container könne sich die Verstorbene nicht befunden haben, da sie in östlicher Richtung gelaufen sei. Allein der Weg zum oder vom Container falle unter Versicherungsschutz. Allein die Möglichkeit, dass sich die Verletzte auf dem Weg zum Glascontainer befunden habe, reiche für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles nicht aus. Die objektive Beweislosigkeit gehe zu Lasten des Klägers. Dagegen erhob der Kläger am 22.11.2004 Widerspruch mit der Begründung, es sei völlig abwegig, dass sich die Verstorbene um 11:45 Uhr auf dem Weg zur Schule befunden habe, wenn erst um 13:00 Uhr Schulschluss war. Die Zeugin B. habe lediglich ausgesagt, dass die Verstorbene von ihren Kindern erzählt habe, die in der Schule seien. Zudem hätte sich die Verstorbene nicht in einem Rechtsbogen von der Schule entfernt, um dann dort ihre Kinder abzuholen. Auch die Annahme, sie sei zu Lidl bzw. Aldi gegangen, sei völlig abwegig, da sie dann den viel kürzeren Weg über die A. genommen hätte. Der Weg über die B. sei viel länger und steiler. Es mache wenig Sinn, anzunehmen, die Verstorbene habe einen Umweg gemacht, um zur Schule oder zu den Supermärkten zu gelangen. Auch sei nicht ersichtlich, warum die Verstorbene den schmalen gefährlicheren und für Fußgänger auch unangenehmeren Weg über die I. hätte wählen sollen, wo es sich doch bei der A. um eine bequeme breite Straße mit entsprechenden Gehwegen handele. Der Hinweis, dass die Polizei keine Glassplitter gefunden habe, gehe fehl. Zum einen ergäben sich hierfür keine Hinweise, zum anderen sei auch sämtliche persönliche Habe der Verstorbenen verschwunden. Zudem könnte die Verstorbene auch Papier entsorgt haben.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2005 zurück.
Am 18. April 2005 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben, die von diesem mit Beschluss vom 22.12.2005 wegen örtlicher Unzuständigkeit an das örtlich zuständige SG Heilbronn verwiesen worden ist.
Zur Klagebegründung hat der Kläger im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen verwiesen und dazu ausgeführt, es erscheine lebensfremd, anzunehmen, die Verstorbene hätte bei Lidl oder Aldi einkaufen wollen, um dann gegen 13.00 Uhr ihre Kinder von der Schule abzuholen. Kinder würden nach der Schule Mittag essen wollen. Die Verstorbene habe sicherlich nicht einkaufen gehen, ihre Kinder von der Schule abholen und dann Mittag essen kochen wollen. Dies widerspreche jeglicher sozialadäquater Kausalität. Die Gesamtwürdigung der Umstände lasse nur den Schluss zu, dass die Verstorbene auf dem Weg nach Hause gewesen sei.
Im Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes hat der Kläger am 19.09.2007 ergänzend vorgetragen, seine Kinder seien zum Unfallzeitpunkt 11 und 12 Jahre alt gewesen und hätten die 5. Klasse des Gymnasiums besucht. Zum Unfallzeitpunkt seien die Kinder nicht mehr von der Schule abgeholt worden. Dies sei nur während der Grundschulzeit der Fall gewesen. Seine Frau habe nach Arbeitsende niemals bei Lidl oder Penny eingekauft. Wenn sie dort eingekauft hätten, dann als Großeinkauf gemeinsam mit dem Pkw. Kleine Einkäufe habe seine Frau bei Neukauf in der H. neben der ehemaligen Wohnung getätigt.
In Termin zur Beweisaufnahme am 27.11.2008 sind die Zeugen B. und F. vernommen worden. Der Zeuge B. hat im Wesentlichen angegeben, die Verstorbene sei zweimal die Woche, dienstags und donnerstags, immer vormittags für je zwei Stunden zum Putzen gekommen. Wie oft sie den Glasmüll in den Glascontainer entleert habe, könne er nicht sagen. Am Unfalltag habe er keinen Kontakt zu der Verstorbenen gehabt. Zu der Zeit, als die Verstorbene bei der Fa. C. gearbeitet habe, sei mehr Glasmüll angefallen als heute. Die Glascontainer hätten sich damals ca. 30 - 40 Meter von der Unfallstelle und ca. 150 - 200 Meter vom Büro entfernt befunden; sie stünden heute nicht mehr an dieser Stelle.
Die Zeugin Ingeborg Fleischmann hat ausgesagt, sie habe immer dienstags von 6:30 Uhr - 16:00 Uhr bei der Fa. C. GmbH gearbeitet. Die Verstorbene habe dienstags und donnerstags immer zwei Stunden gearbeitet, in der Regel von 9:30 Uhr bis 11:30 Uhr, allerdings seien die Arbeitszeiten variabel gewesen. Sie hätten sich danach richten können, wie sie die Kinder von der Schule abholt oder diese zur Schule bringt oder einen Arzttermin hat. Sie habe gesehen, wie die Verstorbene ab und zu Glasmüll in Plastiktüten mitgenommen habe; ob sie dies aber regelmäßig getan habe, könne sie nicht sagen. Wenn sie den Glasmüll entsorgt habe, habe sie dies beim Verlassen der Büroräume getan. Sie sei dann nicht wieder zurück gekommen. Sie habe die Verstorbene am Unfalltag, kurz bevor diese gegangen sei, gesehen und sich auch kurz mit ihr unterhalten. Die Verstorbene habe sie etwas gefragt, sie wisse aber nicht mehr was. Wenn die Verstorbene Glasmüll entsorgt habe, dann habe sie diesen mitgenommen, wenn sie die Büros verlassen habe und sei dann nicht noch einmal wiedergekommen. Ob die Verstorbene am Unfalltag Glasmüll entsorgt habe, könne sie nicht sagen.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.12.2008 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen, weil nicht feststellbar sei, dass der Tod der Ehefrau infolge eines Arbeitsunfalls eingetreten sei. Der innere Zusammenhang zwischen dem im Unfallzeitpunkt zurückgelegten Weg bzw. dem ausgeübten Verhalten und einer versicherten Tätigkeit der Verstorbenen lasse sich nicht feststellen. Versicherte Tätigkeiten wären gewesen (1.) das Zurücklegen des unmittelbaren Weges von der Arbeitsstelle in der I. zur damaligen Wohnung in der H. und (2.) das Zurücklegen des Weges von der Arbeitsstelle in der I. zu den in derselben Straße befindlichen Glas- und Papiercontainern, um Glas- oder Papiermüll zu entsorgen, wenn dies mit den von der Versicherten wahrgenommenen Reinigungsarbeiten im inneren Zusammenhang gestanden hätte.
Die Verstorbene habe nicht den unmittelbaren Weg von der Arbeitsstelle zur Wohnung zurückgelegt, da sie sich im Unfallzeitpunkt in entgegengesetzter Gehrichtung zur Wohnung befunden habe. Sie habe sich auch nicht auf dem Rückweg von den Containern befunden, da sie in Richtung B. ging. Dies hätten die polizeilichen Ermittlungen ergeben. Der von der Arbeitsstelle zurückgelegte Weg in die der Wohnung entgegengesetzte Richtung stehe nicht unter Versicherungsschutz, es sei denn er wäre mit betrieblichen Zwecken erklärbar. Dies wäre jedoch nur der Fall, wenn sich die Verstorbene zum Zweck der Müllentsorgung auf dem Weg in Richtung Müllcontainer befunden hätte. Es lasse sich nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die Verstorbene von ihrer Arbeitsstelle zu den Glas- und Papiercontainern gehen wollte, um Glas- oder Papiermüll zu entsorgen. Dies stelle lediglich eine von mehreren Möglichkeiten dar. Alternativ kämen noch die Möglichkeiten in Betracht, dass die Verstorbene ihre Kinder von der Schule abholen oder Einkäufe in den nahegelegenen Lebensmittelgeschäften erledigen wollte. Diese Wege fielen jedoch nicht unter den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Erledigung von Einkäufen stelle eine Wegeunterbrechung aus persönlichen, nicht betriebsbedingten eigenwirtschaftlichen Gründen dar. Das Abholen der damals 11 und 12 Jahre alten Kinder von der Schule falle nicht unter die versicherte Tätigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 a) Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII), da diese nicht die Schule besuchten wegen der beruflichen Tätigkeit des Klägers oder seiner Ehefrau, sondern vielmehr, weil sie der allgemeinen Schulpflicht unterlägen. Sie seien auch nicht der Obhut der Schule anvertraut, weil sie der allgemeinen Schulpflicht unterlägen.
Dagegen, dass die Verstorbene Glas- oder Papiermüll zu den Containern bringen wollte, spreche, dass im Rahmen der Spurensicherung weder Glas- noch Papierabfall sichergestellt wurde. Hätte die Verstorbene entsprechende Abfälle bei sich gehabt, wäre dies wohl geschehen. Dass sämtliche persönliche Gegenstände der Verstorbenen verschwunden seien, liege daran, dass sie von der Polizei asserviert wurden. Zwar habe es ausweislich der Aussagen der Zeugen B. und F. auch zu den Aufgaben der Verstorbenen gehört, den Müll in den besagten Containern zu entsorgen. Auch hätten sie die Verstorbene hin und wieder mit einer entsprechend gefüllten Plastiktüte aus den Büroräumen gehen sehen. Ob dies jedoch auch am Unfalltag der Fall war, konnten sie nicht sagen. Andere Zeugen hierfür gebe es nicht.
Dafür, dass die Verstorbene auf dem Weg zur Schule ihrer Kinder war, sprächen die Ermittlungen der Polizei. So habe die Verstorbene im Rahmen der Erstbefragung gegenüber den Polizeibeamten vor Ort angegeben, dass sie auf dem Weg zur Schule gewesen sei, um ihre Kinder abzuholen. Gegenüber der Zeugin K. habe sie angegeben, dass sie ihre Kinder abholen wolle. Auch der Zeugin B. habe die Verstorbene von ihren Kindern erzählt. Zwar habe die Zeugin B. ausgesagt, dass die Verstorbene lediglich gesagt habe, dass die Kinder in der Schule seien. Dies schließe jedoch nicht aus, dass sie auf dem Weg zur Schule war, insbesondere wenn man dies im Zusammenhang mit den Äußerungen gegenüber den Beamten und der Zeugin K. betrachte. Auch der Zeuge B. habe im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen im Oktober 2003 angegeben, dass die Verstorbene nach Arbeitsende des Öfteren ihre Kinder von der Schule abgeholt habe. Der Einwand des Klägers, dass seine Ehefrau nicht schon um 11:45 Uhr losgegangen wäre, um die Kinder abzuholen, wenn diese erst um 13:00 Uhr Schulschluss hatten, sei nicht überzeugend. So sei es insbesondere denkbar, dass sie auf dem Weg zur Schule noch Einkäufe erledigen wollte. Dies liege auch nicht außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung. Soweit der Kläger einwende, seine Ehefrau hätte für die Einkäufe und den Weg zur Schule einen anderen Weg benutzt, stelle dies eine bloße Vermutung dar. Laut Aussage des Zeugen B. im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen habe die Verstorbene des Öfteren nach Arbeitsende auch Einkäufe bei Penny oder Lidl gemacht. Diese Einkaufsmärkte befänden sich an der Ö. in unmittelbarer Nähe zur B. und damit auf dem Weg zur Schule in der G ... Da mehrere Möglichkeiten in Frage kämen, der Kläger die objektive Beweislast dafür trage, dass der innere Zusammenhang zwischen dem Verhalten und der Betriebstätigkeit bzw. zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Zurücklegen des Weges nach oder von dem Weg der Arbeitsstelle bestehe und dieser hier nicht feststellbar sei, gehe dies zu seinen Lasten.
Gegen das am 16.12.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.01.2009 Berufung eingelegt und sein bisheriges Vorbringen im Wesentlichen wiederholt und vertieft.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 10. Dezember 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 03. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Hinterbliebenenleistungen in gesetzlicher Höhe ab 1. November 2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Berichterstatter hat am 26.03.2010 einen Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes mit den Beteiligten durchgeführt und hierbei den Kläger ergänzend angehört. Dieser hat angegeben, er vermisse seit dem Unfall die Jacke, den Schlüssel und den Geldbeutel seiner Frau. Wenn sie zur Arbeit gegangen sei, habe sie keine Tasche mitgenommen, sondern nur das, was sie gebraucht habe. Er habe damals mit der Kriminalpolizei Kontakt aufgenommen. Diese habe ihn an die Asservatenkammer verwiesen und von dort habe er die Rückmeldung erhalten, dass dort nichts asserviert sei. Am Tag nach dem Unfall seien Polizeibeamte zu ihm gekommen, die ihm einen Ohrring und einen Ring seiner Frau gegeben hätten.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen. Wegen der beschriebenen Örtlichkeiten wird auf den dem Urteil des SG (Bl. 7) beigefügten Lageplan Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat.
Der Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen nach den hier streitigen Nr. 1 bis 3 des § 63 Abs. 1 SGB VII setzt gem. Satz 2 voraus, dass der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen, weil der Tod der V. nicht infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Der Tod selbst ist kein eigener Versicherungsfall, sondern kann lediglich Folge- und Spätschaden eines Versicherungsfalls sein. Der Tod eines Versicherten ist infolge eines Versicherungsfalls eingetreten, wenn er durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursacht wurde, d.h., wenn diese mit Wahrscheinlichkeit eine rechtlich wesentliche Bedingung hierfür waren (Bundessozialgericht (BSG), Urt. v. 07.02.2006 – B 2 U 31/04 R – SozR 4-2700 § 63 Nr. 3 und in Juris).
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs. 1 S. 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl. BSG, Urteile vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 42 und vom 18.01.2011 - B 2 U 9/10 R - BSGE 107, 197 = SozR 4-2700 § 2 Nr. 17 Rdnr. 10 und vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 30 Rdnr. 10 m.w.N.).
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 43).
Nach diesen Grundsätzen hat das SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchten Hinterbliebenenleistungen (§ 63 Abs. 1 SGB VII) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenrenten nicht besteht, weil sich nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass der tödliche Unfall in Ausübung einer versicherten Tätigkeit, nämlich auf dem Weg von der Arbeitsstelle nach Hause (Wegeunfall im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2a) SGB VII) bzw. zu den Glas- und Papiercontainern, wo die Verstorbene entsprechend ihrem Tätigkeitsfeld Müll entsorgen wollte (Arbeitsunfall gem. § 8 Abs. 1 SGB VII), geschah. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren sowie der im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen uneingeschränkt an und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab.
Ergänzend ist hierzu (lediglich) auszuführen, dass auch der Senat den für die "Verrichtung zur Zeit des Unfalls" erforderlichen Vollbeweis nicht als erbracht ansieht, da sich eine dahingehende Handlungstendenz der Verstorbenen nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen lässt. Zwar kommt die Sachverhaltsvariante, dass die Verstorbene sich in Ausübung ihrer Beschäftigung auf dem Weg zum Glas- und Papiercontainer befand, in Betracht. Sie ist aber nicht die einzige Möglichkeit; insbesondere ergeben sich für diese Variante keinerlei greifbare Beweise oder Anhaltspunkte über den reinen - zeitlichen und örtlichen - Anknüpfungspunkt hinaus, dass sich die Verstorbene auf dem Weg befand, den sie - wahrscheinlich immer - wählte, wenn sie weisungsgemäß Papier- bzw. Glasmüll nach Verlassen ihrer Arbeitsstelle entsorgte. Dieser Umstand ist aber für sich genommen nicht ausreichend zur Erbringung des Vollbeweises für die versicherte Tätigkeit. Hierfür bedürfte es objektiver Nachweise für eine dahingehende Handlungstendenz der Verstorbenen, an denen es aber fehlt. So wurde bei der Unfallaufnahme bei der Verstorbenen weder eine - von ihr üblicherweise verwendete - Plastiktüte mit Papier- oder Glasmüll gefunden noch wurden entsprechende Glasscherben am Unfallort gesichert. Das Auffinden von Glasmüll oder -resten am Unfallort wäre aber bei Vorliegen einer versicherten Tätigkeit zu erwarten gewesen, da die Verstorbene in Gehrichtung Container unterwegs war und entsprechenden Müll gegebenenfalls noch mitgeführt haben musste. Dass die nach dem Unfall sichergestellten Kleidungstücke der Verstorbenen dem Kläger nach dessen Angaben nicht zurückgegeben wurden, stellt die Sorgfältigkeit der Unfallaufnahme im Übrigen nicht in Frage. Auch im Übrigen gibt es für das Mitführen von Papier- oder Glasmüll - und damit für eine betrieblich veranlasste Verrichtung zur Zeit des Unfalls - keinen Nachweis, insbesondere konnte sich die Zeugin F., die sich noch kurz vor dem Unfall mit der Verstorbenen unterhielt, nicht daran erinnern, ob diese beim Verlassen des Gebäudes etwas in der Hand hatte, um es zum Container zu bringen.
Vielmehr legen einige Indizien, insbesondere die Angaben der Verstorbenen gegenüber den am Unfallort eingetroffenen Polizeibeamten PHM S. und PHW W. und der Zeugin K., nahe, dass diese im Unfallzeitpunkt aus eigenwirtschaftlichen Gründen auf der I. unterwegs war mit dem Ziel, ihre Kinder von der Schule abzuholen. Den unfallnahen Angaben der schwer verletzten, aber ansprechbaren Verstorbenen kommt besonderes Gewicht im Rahmen der Beweiswürdigung zu, zumal sich nicht erkennen lässt, warum diese - in dieser Situation - unzutreffende Angaben gemacht haben sollte und sich die Angaben mit den übrigen Beweisergebnissen decken. So hat die vom SG vernommene Zeugin F. angegeben, die Arbeitszeit der Verstorbenen sei variabel gehandhabt worden, je nachdem wie diese die Kinder von der Schule abgeholt oder zur Schule gebracht habe. Dies belegt, dass die Sachverhaltsvariante, dass die Verstorbene ihre Kinder von der Schule abholen wollte, keineswegs fernliegend ist. Genauso wenig fernliegend sind die weiteren Varianten, nämlich dass die Verstorbene vor der Abholung der Kinder noch Einkäufe bei einem der nahegelegenen Discounter erledigen wollte - Zeit hierfür war genügend vorhanden wegen des Unterrichtsendes um 12:55 Uhr - oder aber dass sie (nur) einkaufen und anschließend nach Hause gehen wollte. Der Zeuge B. hat gegenüber der Polizei bestätigt, dass die Verstorbene nach Arbeitsende des Öfteren ihre Kinder von der Schule abgeholt oder noch einen Einkauf bei Lidl oder Penny getätigt habe, so dass auch diese Varianten nicht unrealistisch sind.
Demgegenüber ist die Annahme spekulativ, die Verstorbene müsse sich, da sie im Unfallzeitpunkt auf der I. unterwegs war, auf dem Weg zu den Containern befunden haben, da sie andernfalls den - zu den Einkaufsmärkten bzw. der Schule ihrer Kinder - kürzeren und wegen eines breiteren Gehwegs angenehmeren Weg über die A. gewählt hätte. Denn für eine entsprechende Handlungstendenz gibt es - wie ausgeführt - weder einen konkreten Nachweis noch existiert ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass von einem Fußgänger immer der kürzeste bzw. angenehmste Weg genommen wird. Ein solcher Erfahrungssatz kommt zudem im vorliegenden Fall schon deswegen nicht zum Tragen, weil die Verstorbene nach Verlassen des Arbeitsplatzes ca. 75 Minuten zur Verfügung hatte, die es zu überbrücken galt, bis sie - wie von ihr selber angegeben - ihre Kinder um 12:55 Uhr von der Schule abholen konnte, so dass für sie jedenfalls keine Notwendigkeit bestand, den kürzesten Weg in Richtung der Einkaufsmärkte bzw. der Schule ihrer Kinder zu wählen.
Es liegt vorliegend auch keine Konstellation vor, in welcher eine "Beweislastumkehr" oder jedenfalls eine Beweiserleichterung zu Lasten des Klägers zu bejahen ist. "Beweiserleichterungen" kommen nach der klarstellenden Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 31.01.2012, B 2 U 2/11 R, in Juris, dort Rz 23, mit weiteren Nachweisen und zu den Voraussetzungen der Annahme sog. "Beweiserleichterungen" in Fällen ungeklärter Umstände) nur in Betracht, wenn der Versicherte den räumlichen Bereich, in dem er zuletzt die versicherte Tätigkeit verrichtet hat, nicht verlassen und dort kurz zuvor versicherte Tätigkeiten verrichtet hat. V. hatte hier jedoch ihren Arbeitsplatz, das Gebäude der Firma C., bereits verlassen, ohne dass nachgewiesen ist, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch einer zwar möglichen, aber nicht regelmäßig anfallenden versicherten Tätigkeit nachgegangen war. Es ist damit völlig offen, ob sie nach Verlassen ihres Arbeitsplatzes einer betrieblich veranlassten Tätigkeit nachging oder die versicherte Tätigkeit bereits beendet und sich eigenwirtschaftlichen, nicht versicherten Tätigkeiten zugewandt (Einkauf, Abholen der Kinder, etc.) hatte. Es verbleibt daher bei den allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht - hier Feststellung eines Arbeitsunfalls - für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (vgl. BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196, 198 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 Rdnr. 10 m.w.N. und vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 30 Rdnr. 10 m.w.N.). Bei Tatsachen, die das Gericht nur mit dem Überzeugungsgrad des Vollbeweises feststellen darf, schaden rein theoretische Zweifel, die immer vorliegen können, ohnehin nicht (BSG, Urteil vom 31.01.2012 a.a.O. Rdnr. 28). Insbesondere liegt keine Konstellation vor, in welcher trotz Nichtaufklärbarkeit des genauen Geschehensablaufs ein Anscheinsbeweis zu Gunsten einer versicherten Tätigkeit spricht. Denn neben einer mit letzter Sicherheit feststellbaren Handlungstendenz der Verstorbenen zum Unfallzeitpunkt fehlt es aus den oben dargestellten Gründen, insbesondere den sonstigen in Betracht kommenden Handlungsvarianten und - tendenzen der V., an dem Erfahrungssatz des Inhalts, dass es sich angesichts des von ihr gewählten Weges (über die I.) und dem Unfallort (ca. 30-50 Meter entfernt von den auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Containern) nur um eine versicherte Verrichtung zur Zeit des Unfalls gehandelt haben kann.
Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, da er den tödlichen Verkehrsunfall seiner Ehefrau als Arbeitsunfall ansieht.
Der Kläger war der Ehemann der 1968 geborenen und am 14.10.2003 verstorbenen Versicherten (V.).
V. erlitt am 14.10.2003 um 11:45 Uhr einen tödlichen Verkehrsunfall. Die Verstorbene verließ kurz vor dem Unfallzeitpunkt ihre Arbeitsstelle bei der Fa. C. GmbH in der I. in N., bei der sie als Reinigungskraft geringfügig beschäftigt war. Sie ging zu Fuß in Richtung B., wobei nicht mehr feststellbar ist, ob sie am rechten Fahrbahnrand oder auf einem schmalen Gehweg der I. ging. Auf der Höhe des Gebäudes mit der Nr. 12 kam sie aus nicht mehr feststellbaren Gründen - möglicherweise, weil sie von dem dort befindlichen Hund erschreckt wurde - vom Fußweg oder dem Fahrbahnrand ab und wich auf die Straße aus, wo sie von einem - in Richtung B. - vorbeifahrenden Lkw mit Anhänger erfasst und von dem Anhänger überrollt wurde. Die Versicherte erlitt bei dem Unfall schwere Verletzungen (Polytrauma mit komplexer Beckenfraktur und Aortenruptur) und verstarb gegen 13:35 Uhr in den S. Kliniken (Klinikum am P.) in Bad F. an einem hämorrhagischen Schock.
Gegenüber den am Unfallort eingetroffenen Polizeibeamten PHM S. und PHW W. gab V., die zu diesem Zeitpunkt noch ansprechbar war, an, sie sei auf dem Weg zur Schule gewesen, um ihre Kinder abzuholen; diese hätten um 13:00 Uhr Schulende. Da sie sich sehr um ihre Kinder sorgte und unter Schock stand, war eine weitere Befragung der Verletzten ausweislich der Verkehrsunfallbeschreibung der Polizei nicht möglich. In der Verkehrsunfallbeschreibung ist weiter vermerkt, dass die Kleidung der Verstorbenen im Krankenhaus sichergestellt und der Kriminaltechnik übergeben wurde. Die Untersuchung des Leichenbluts der Verstorbenen ergab eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,24 Promille. Nach einem rechtsmedizinischen Gutachten von Prof. Dr. W. (Direktor des Instituts für Rechtsmedizin der Universität T.) vom 19.11.2003 lag eine geringe Ethanolbeeinflussung vor, die aber nicht geeignet war, eine Störung der Handlungsfähigkeit bzw. der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit hervorzurufen.
Die Polizei befragte in der Folgezeit Zeugen. Der Fahrer des unfallverursachenden LKW, Edgar Z., der sich zunächst vom Unfallort entfernt hatte und nach telefonischer Information über seine Unfallbeteiligung zurückgekehrt war, gab an, den Unfall nicht bemerkt zu haben. Im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung am 04.12.2003 wiederholte er dies. Er habe auf der I. weder einen Fußgänger noch entgegenkommende Fahrzeuge bemerkt und könne daher keine Angaben zu der Frau machen.
Die Zeugin Z. K. gab an, sie sei auf der I. als Beifahrerin eines PKW gefahren, als ihnen aus entgegengesetzter Richtung ein LKW entgegen kam. Sie seien noch etwa 30 Meter von dem LKW entfernt gewesen, als sie einen dumpfen Schlag gehört habe. Erst als der Lkw an ihnen vorbei gewesen sei, habe sie eine Frau auf der Straße liegen sehen. Die Frau habe in Höhe der Schiebetüre einer dort ansässigen Firma gelegen. Sie vermute, dass der Hund die Frau gebissen habe oder diese wegen des Hundes erschrocken sei und deswegen in den LKW gelaufen sei. Sie vermute dies wegen der schweren Verletzung der Frau am Bein; diese habe ausgesehen wie ein Hundebiss. Sie hätten angehalten und seien sofort zu der Frau gelaufen, während der LKW weitergefahren sei. Sie habe mit der Frau noch sprechen können. Diese habe von ihren Kindern erzählt, die sie abholen wollte.
Der Zeuge S. E. gab bei seiner Vernehmung am Tag nach dem Unfall an, er sei auf der I. mit seinem Pkw gefahren, als er gesehen habe, dass ihm auf der linken Straßenseite eine Frau zu Fuß entgegen kam. Diese sei auf der Höhe der geschlossenen Einfahrt der Fa. G. gegangen. Er könne nicht sagen, ob die Frau auf der Fahrbahn oder auf dem schmalen Streifen rechts vom Randstein gegangen sei. Plötzlich habe er den Schäferhund auf dem Grundstück Günter auf das Einfahrtstor in Richtung der Frau zuspringen sehen. Er habe den Hund dann bellen gehört und gesehen, dass die Frau erschrocken sei und einen schnellen Schritt in Richtung Fahrbahn gemacht habe. Er würde sagen, sie habe einen "Hopser" gemacht. In diesem Moment sei ihm dann die Sicht von einem entgegenkommenden LKW versperrt worden. Als der LKW vorbei war, habe die Frau am linken Fahrbahnrand liegen sehen. Er habe gleich gedacht, dass sie vom Hund gebissen worden sei. Die Frau müsse seitlich von dem LKW erfasst worden sein.
Die von der Polizei zwei Tage nach dem Unfall befragte Zeugin S. B. gab an, als sie mit ihrem PKW zur Unfallstelle gekommen sei, habe sie gesehen, dass dort vor dem Tor der Fa. G. ein verletzter Mensch lag. Nachdem sie angehalten habe, habe sie sich mit einer weiteren Frau um die Verletzte gekümmert. Sie habe dann noch mit der Verletzten gesprochen, die von ihren Kindern erzählt habe, die in der Schule seien. Sie habe die Frau beruhigt und sei dort geblieben, bis die Sanitäter kamen.
Der von der Polizei am 20.10.2003 telefonisch befragte Geschäftsführer der Fa. C. GmbH, der Zeuge W. B., gab an, die Verstorbene habe am Unfalltag in der Zeit zwischen 9:30 Uhr und ca. 11:30 Uhr die Büroräume gereinigt. Sie habe nach Arbeitsende des Öfteren ihre Kinder von der Schule abgeholt oder noch einen Einkauf bei Lidl oder Penny getätigt.
Nach dem Spurensicherungsbericht der Kriminalpolizei H. vom 10.11.2003 war V. ausweislich der vorgefundenen Spurenbilder mit dem linken Schuh unter das rechte Vorderrad des Anhängers des LKW geraten und dann nochmals vom rechten Hinterrad überrollt worden. Es wurden folgende Spuren am Unfallort gesichert: DNA-Material, Reifenspuren, Lackvergleichsmaterial, Textilfaserspuren, Kleider und Partikel aus Kleidern. Nicht gesichert wurden insbesondere Glasspuren; in dem Spurensicherungsbericht ist hierfür gesondert ein Kreuz zu setzen. Nach den Feststellungen der Polizei befinden sich die Lebensmittelgeschäfte Lidl und Penny auf dem Weg zur Schule der Kinder. Die Strecke zwischen Arbeitsstelle und Unfallstelle beträgt ca. 100 Meter, die Strecke zwischen Unfallstelle und Schule ca. 800 Meter.
In einer schriftlichen Erklärung gab der Zeuge W. B. am 19.07.2004 an, dass zum Tätigkeitsumfang der Verstorbenen auch das wöchentliche Entleeren des Glasmülls gehört habe. Die Unfallstelle liege örtlich zwischen den Büroräumen und dem Glascontainer, in welchen der Glasmüll zu entsorgen war.
In einer schriftlichen, an den Kläger gerichteten Erklärung gab die Zeugin I. F., die ebenfalls bei der Arbeitgeberin der Verletzten beschäftigt war, am 15.09.2004 an, die Verletzte habe ihren Arbeitsplatz meist zwischen 11:30 Uhr und 12:15 Uhr verlassen. Wann sie am Unfalltag ihren Arbeitsplatz verlassen habe, könne sie nicht mehr nachvollziehen. Sie habe sich von ihr verabschiedet, wisse aber nicht mehr, wann das war. Ob die Verstorbene etwas in der Hand hatte, um es zum Container zu bringen, wisse sie nicht.
Im Rahmen einer von der Beklagten veranlassten Ortsbegehung durch einen Bediensteten vom 06.10.2004 wurde festgestellt, dass sich in einer Entfernung von ca. 30-50 Meter von der Unfallstelle auf der gegenüberliegenden Straßenseite mehrere Glascontainer befinden. Auf Grund der Örtlichkeiten könne der Weg zur Schule sowohl von der I. über die B. angetreten werden als auch von der I. über die S ... Der Pennymarkt und der Lidlmarkt seien voneinander durch ein Haus getrennt und befänden sich an der Ö. in direkter Nähe zur B. Der Weg dorthin führe von der I. über die B. rechts auf die Ö ... An der Ecke Ö./ G. liege noch ein Edeka Neukauf Markt.
Die Verstorbene wohnte in der H. in N ... Die Schule der Kinder, die H., befand sich in der G. Schulschluss war am Unfalltag um 12:55 Uhr (Bestätigung der H. N. vom 17.11.2004).
Mit Bescheid vom 03.11.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen anlässlich des Unfalls der Verstorbenen mit der Begründung ab, der Unfall sei nach Beendigung der beruflichen Tätigkeit der Verstorbenen als Reinigungskraft erfolgt. Die versicherte Tätigkeit könne nicht mit Gewissheit bewiesen werden. Es kämen insoweit mehrere Möglichkeiten in Betracht. Die Verstorbene habe sich nicht auf direktem Weg von der Arbeitsstelle nach Hause befunden, sondern in entgegengesetzter Richtung. Denkbar sei auch, dass die Verletzte ihre Kinder von der Schule abholen wollte. Dieser Weg wäre nur versichert, wenn die Kinder aufgrund der Berufstätigkeit der Eltern der Beaufsichtigung durch andere bedürften. Im vorliegenden Fall sei jedoch nicht davon auszugehen, dass sich die Kinder zur Beaufsichtigung in fremder Obhut befanden. Der Aufenthalt in der Schule sei in Erfüllung der Schulpflicht erfolgt. Die Verletzte könne aber auch beabsichtigt haben, entweder nur Einkäufe bei den Lebensmittelmärkten zu erledigen oder aber einzukaufen, um anschließend ihre Kinder von der Schule abzuholen. Die Lebensmittelgeschäfte befänden sich auf dem Weg zur Schule. Zwar habe es nach den Angaben des Arbeitgebers zu den Aufgaben der Verletzten gehört, Müll zu entsorgen. Ob die Verstorbene am Unfalltag Müll habe entsorgen wollen, habe aber nicht genau festgestellt werden können, weil es keine Zeugen gebe. Dagegen spreche allerdings die Tatsache, dass trotz intensiver Spurensicherung der Polizei keine Glassplitter an der Unfallstelle gefunden worden seien. Auf dem Rückweg vom Container könne sich die Verstorbene nicht befunden haben, da sie in östlicher Richtung gelaufen sei. Allein der Weg zum oder vom Container falle unter Versicherungsschutz. Allein die Möglichkeit, dass sich die Verletzte auf dem Weg zum Glascontainer befunden habe, reiche für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles nicht aus. Die objektive Beweislosigkeit gehe zu Lasten des Klägers. Dagegen erhob der Kläger am 22.11.2004 Widerspruch mit der Begründung, es sei völlig abwegig, dass sich die Verstorbene um 11:45 Uhr auf dem Weg zur Schule befunden habe, wenn erst um 13:00 Uhr Schulschluss war. Die Zeugin B. habe lediglich ausgesagt, dass die Verstorbene von ihren Kindern erzählt habe, die in der Schule seien. Zudem hätte sich die Verstorbene nicht in einem Rechtsbogen von der Schule entfernt, um dann dort ihre Kinder abzuholen. Auch die Annahme, sie sei zu Lidl bzw. Aldi gegangen, sei völlig abwegig, da sie dann den viel kürzeren Weg über die A. genommen hätte. Der Weg über die B. sei viel länger und steiler. Es mache wenig Sinn, anzunehmen, die Verstorbene habe einen Umweg gemacht, um zur Schule oder zu den Supermärkten zu gelangen. Auch sei nicht ersichtlich, warum die Verstorbene den schmalen gefährlicheren und für Fußgänger auch unangenehmeren Weg über die I. hätte wählen sollen, wo es sich doch bei der A. um eine bequeme breite Straße mit entsprechenden Gehwegen handele. Der Hinweis, dass die Polizei keine Glassplitter gefunden habe, gehe fehl. Zum einen ergäben sich hierfür keine Hinweise, zum anderen sei auch sämtliche persönliche Habe der Verstorbenen verschwunden. Zudem könnte die Verstorbene auch Papier entsorgt haben.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2005 zurück.
Am 18. April 2005 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben, die von diesem mit Beschluss vom 22.12.2005 wegen örtlicher Unzuständigkeit an das örtlich zuständige SG Heilbronn verwiesen worden ist.
Zur Klagebegründung hat der Kläger im Wesentlichen auf sein bisheriges Vorbringen verwiesen und dazu ausgeführt, es erscheine lebensfremd, anzunehmen, die Verstorbene hätte bei Lidl oder Aldi einkaufen wollen, um dann gegen 13.00 Uhr ihre Kinder von der Schule abzuholen. Kinder würden nach der Schule Mittag essen wollen. Die Verstorbene habe sicherlich nicht einkaufen gehen, ihre Kinder von der Schule abholen und dann Mittag essen kochen wollen. Dies widerspreche jeglicher sozialadäquater Kausalität. Die Gesamtwürdigung der Umstände lasse nur den Schluss zu, dass die Verstorbene auf dem Weg nach Hause gewesen sei.
Im Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes hat der Kläger am 19.09.2007 ergänzend vorgetragen, seine Kinder seien zum Unfallzeitpunkt 11 und 12 Jahre alt gewesen und hätten die 5. Klasse des Gymnasiums besucht. Zum Unfallzeitpunkt seien die Kinder nicht mehr von der Schule abgeholt worden. Dies sei nur während der Grundschulzeit der Fall gewesen. Seine Frau habe nach Arbeitsende niemals bei Lidl oder Penny eingekauft. Wenn sie dort eingekauft hätten, dann als Großeinkauf gemeinsam mit dem Pkw. Kleine Einkäufe habe seine Frau bei Neukauf in der H. neben der ehemaligen Wohnung getätigt.
In Termin zur Beweisaufnahme am 27.11.2008 sind die Zeugen B. und F. vernommen worden. Der Zeuge B. hat im Wesentlichen angegeben, die Verstorbene sei zweimal die Woche, dienstags und donnerstags, immer vormittags für je zwei Stunden zum Putzen gekommen. Wie oft sie den Glasmüll in den Glascontainer entleert habe, könne er nicht sagen. Am Unfalltag habe er keinen Kontakt zu der Verstorbenen gehabt. Zu der Zeit, als die Verstorbene bei der Fa. C. gearbeitet habe, sei mehr Glasmüll angefallen als heute. Die Glascontainer hätten sich damals ca. 30 - 40 Meter von der Unfallstelle und ca. 150 - 200 Meter vom Büro entfernt befunden; sie stünden heute nicht mehr an dieser Stelle.
Die Zeugin Ingeborg Fleischmann hat ausgesagt, sie habe immer dienstags von 6:30 Uhr - 16:00 Uhr bei der Fa. C. GmbH gearbeitet. Die Verstorbene habe dienstags und donnerstags immer zwei Stunden gearbeitet, in der Regel von 9:30 Uhr bis 11:30 Uhr, allerdings seien die Arbeitszeiten variabel gewesen. Sie hätten sich danach richten können, wie sie die Kinder von der Schule abholt oder diese zur Schule bringt oder einen Arzttermin hat. Sie habe gesehen, wie die Verstorbene ab und zu Glasmüll in Plastiktüten mitgenommen habe; ob sie dies aber regelmäßig getan habe, könne sie nicht sagen. Wenn sie den Glasmüll entsorgt habe, habe sie dies beim Verlassen der Büroräume getan. Sie sei dann nicht wieder zurück gekommen. Sie habe die Verstorbene am Unfalltag, kurz bevor diese gegangen sei, gesehen und sich auch kurz mit ihr unterhalten. Die Verstorbene habe sie etwas gefragt, sie wisse aber nicht mehr was. Wenn die Verstorbene Glasmüll entsorgt habe, dann habe sie diesen mitgenommen, wenn sie die Büros verlassen habe und sei dann nicht noch einmal wiedergekommen. Ob die Verstorbene am Unfalltag Glasmüll entsorgt habe, könne sie nicht sagen.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.12.2008 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen, weil nicht feststellbar sei, dass der Tod der Ehefrau infolge eines Arbeitsunfalls eingetreten sei. Der innere Zusammenhang zwischen dem im Unfallzeitpunkt zurückgelegten Weg bzw. dem ausgeübten Verhalten und einer versicherten Tätigkeit der Verstorbenen lasse sich nicht feststellen. Versicherte Tätigkeiten wären gewesen (1.) das Zurücklegen des unmittelbaren Weges von der Arbeitsstelle in der I. zur damaligen Wohnung in der H. und (2.) das Zurücklegen des Weges von der Arbeitsstelle in der I. zu den in derselben Straße befindlichen Glas- und Papiercontainern, um Glas- oder Papiermüll zu entsorgen, wenn dies mit den von der Versicherten wahrgenommenen Reinigungsarbeiten im inneren Zusammenhang gestanden hätte.
Die Verstorbene habe nicht den unmittelbaren Weg von der Arbeitsstelle zur Wohnung zurückgelegt, da sie sich im Unfallzeitpunkt in entgegengesetzter Gehrichtung zur Wohnung befunden habe. Sie habe sich auch nicht auf dem Rückweg von den Containern befunden, da sie in Richtung B. ging. Dies hätten die polizeilichen Ermittlungen ergeben. Der von der Arbeitsstelle zurückgelegte Weg in die der Wohnung entgegengesetzte Richtung stehe nicht unter Versicherungsschutz, es sei denn er wäre mit betrieblichen Zwecken erklärbar. Dies wäre jedoch nur der Fall, wenn sich die Verstorbene zum Zweck der Müllentsorgung auf dem Weg in Richtung Müllcontainer befunden hätte. Es lasse sich nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die Verstorbene von ihrer Arbeitsstelle zu den Glas- und Papiercontainern gehen wollte, um Glas- oder Papiermüll zu entsorgen. Dies stelle lediglich eine von mehreren Möglichkeiten dar. Alternativ kämen noch die Möglichkeiten in Betracht, dass die Verstorbene ihre Kinder von der Schule abholen oder Einkäufe in den nahegelegenen Lebensmittelgeschäften erledigen wollte. Diese Wege fielen jedoch nicht unter den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Erledigung von Einkäufen stelle eine Wegeunterbrechung aus persönlichen, nicht betriebsbedingten eigenwirtschaftlichen Gründen dar. Das Abholen der damals 11 und 12 Jahre alten Kinder von der Schule falle nicht unter die versicherte Tätigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 a) Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII), da diese nicht die Schule besuchten wegen der beruflichen Tätigkeit des Klägers oder seiner Ehefrau, sondern vielmehr, weil sie der allgemeinen Schulpflicht unterlägen. Sie seien auch nicht der Obhut der Schule anvertraut, weil sie der allgemeinen Schulpflicht unterlägen.
Dagegen, dass die Verstorbene Glas- oder Papiermüll zu den Containern bringen wollte, spreche, dass im Rahmen der Spurensicherung weder Glas- noch Papierabfall sichergestellt wurde. Hätte die Verstorbene entsprechende Abfälle bei sich gehabt, wäre dies wohl geschehen. Dass sämtliche persönliche Gegenstände der Verstorbenen verschwunden seien, liege daran, dass sie von der Polizei asserviert wurden. Zwar habe es ausweislich der Aussagen der Zeugen B. und F. auch zu den Aufgaben der Verstorbenen gehört, den Müll in den besagten Containern zu entsorgen. Auch hätten sie die Verstorbene hin und wieder mit einer entsprechend gefüllten Plastiktüte aus den Büroräumen gehen sehen. Ob dies jedoch auch am Unfalltag der Fall war, konnten sie nicht sagen. Andere Zeugen hierfür gebe es nicht.
Dafür, dass die Verstorbene auf dem Weg zur Schule ihrer Kinder war, sprächen die Ermittlungen der Polizei. So habe die Verstorbene im Rahmen der Erstbefragung gegenüber den Polizeibeamten vor Ort angegeben, dass sie auf dem Weg zur Schule gewesen sei, um ihre Kinder abzuholen. Gegenüber der Zeugin K. habe sie angegeben, dass sie ihre Kinder abholen wolle. Auch der Zeugin B. habe die Verstorbene von ihren Kindern erzählt. Zwar habe die Zeugin B. ausgesagt, dass die Verstorbene lediglich gesagt habe, dass die Kinder in der Schule seien. Dies schließe jedoch nicht aus, dass sie auf dem Weg zur Schule war, insbesondere wenn man dies im Zusammenhang mit den Äußerungen gegenüber den Beamten und der Zeugin K. betrachte. Auch der Zeuge B. habe im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen im Oktober 2003 angegeben, dass die Verstorbene nach Arbeitsende des Öfteren ihre Kinder von der Schule abgeholt habe. Der Einwand des Klägers, dass seine Ehefrau nicht schon um 11:45 Uhr losgegangen wäre, um die Kinder abzuholen, wenn diese erst um 13:00 Uhr Schulschluss hatten, sei nicht überzeugend. So sei es insbesondere denkbar, dass sie auf dem Weg zur Schule noch Einkäufe erledigen wollte. Dies liege auch nicht außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung. Soweit der Kläger einwende, seine Ehefrau hätte für die Einkäufe und den Weg zur Schule einen anderen Weg benutzt, stelle dies eine bloße Vermutung dar. Laut Aussage des Zeugen B. im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen habe die Verstorbene des Öfteren nach Arbeitsende auch Einkäufe bei Penny oder Lidl gemacht. Diese Einkaufsmärkte befänden sich an der Ö. in unmittelbarer Nähe zur B. und damit auf dem Weg zur Schule in der G ... Da mehrere Möglichkeiten in Frage kämen, der Kläger die objektive Beweislast dafür trage, dass der innere Zusammenhang zwischen dem Verhalten und der Betriebstätigkeit bzw. zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Zurücklegen des Weges nach oder von dem Weg der Arbeitsstelle bestehe und dieser hier nicht feststellbar sei, gehe dies zu seinen Lasten.
Gegen das am 16.12.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.01.2009 Berufung eingelegt und sein bisheriges Vorbringen im Wesentlichen wiederholt und vertieft.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 10. Dezember 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 03. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Hinterbliebenenleistungen in gesetzlicher Höhe ab 1. November 2003 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angegriffenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Berichterstatter hat am 26.03.2010 einen Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstandes mit den Beteiligten durchgeführt und hierbei den Kläger ergänzend angehört. Dieser hat angegeben, er vermisse seit dem Unfall die Jacke, den Schlüssel und den Geldbeutel seiner Frau. Wenn sie zur Arbeit gegangen sei, habe sie keine Tasche mitgenommen, sondern nur das, was sie gebraucht habe. Er habe damals mit der Kriminalpolizei Kontakt aufgenommen. Diese habe ihn an die Asservatenkammer verwiesen und von dort habe er die Rückmeldung erhalten, dass dort nichts asserviert sei. Am Tag nach dem Unfall seien Polizeibeamte zu ihm gekommen, die ihm einen Ohrring und einen Ring seiner Frau gegeben hätten.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen. Wegen der beschriebenen Örtlichkeiten wird auf den dem Urteil des SG (Bl. 7) beigefügten Lageplan Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat.
Der Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen nach den hier streitigen Nr. 1 bis 3 des § 63 Abs. 1 SGB VII setzt gem. Satz 2 voraus, dass der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen, weil der Tod der V. nicht infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Der Tod selbst ist kein eigener Versicherungsfall, sondern kann lediglich Folge- und Spätschaden eines Versicherungsfalls sein. Der Tod eines Versicherten ist infolge eines Versicherungsfalls eingetreten, wenn er durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursacht wurde, d.h., wenn diese mit Wahrscheinlichkeit eine rechtlich wesentliche Bedingung hierfür waren (Bundessozialgericht (BSG), Urt. v. 07.02.2006 – B 2 U 31/04 R – SozR 4-2700 § 63 Nr. 3 und in Juris).
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs. 1 S. 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl. BSG, Urteile vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 42 und vom 18.01.2011 - B 2 U 9/10 R - BSGE 107, 197 = SozR 4-2700 § 2 Nr. 17 Rdnr. 10 und vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 30 Rdnr. 10 m.w.N.).
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen, im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 43).
Nach diesen Grundsätzen hat das SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchten Hinterbliebenenleistungen (§ 63 Abs. 1 SGB VII) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenrenten nicht besteht, weil sich nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass der tödliche Unfall in Ausübung einer versicherten Tätigkeit, nämlich auf dem Weg von der Arbeitsstelle nach Hause (Wegeunfall im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2a) SGB VII) bzw. zu den Glas- und Papiercontainern, wo die Verstorbene entsprechend ihrem Tätigkeitsfeld Müll entsorgen wollte (Arbeitsunfall gem. § 8 Abs. 1 SGB VII), geschah. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren sowie der im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen uneingeschränkt an und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab.
Ergänzend ist hierzu (lediglich) auszuführen, dass auch der Senat den für die "Verrichtung zur Zeit des Unfalls" erforderlichen Vollbeweis nicht als erbracht ansieht, da sich eine dahingehende Handlungstendenz der Verstorbenen nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen lässt. Zwar kommt die Sachverhaltsvariante, dass die Verstorbene sich in Ausübung ihrer Beschäftigung auf dem Weg zum Glas- und Papiercontainer befand, in Betracht. Sie ist aber nicht die einzige Möglichkeit; insbesondere ergeben sich für diese Variante keinerlei greifbare Beweise oder Anhaltspunkte über den reinen - zeitlichen und örtlichen - Anknüpfungspunkt hinaus, dass sich die Verstorbene auf dem Weg befand, den sie - wahrscheinlich immer - wählte, wenn sie weisungsgemäß Papier- bzw. Glasmüll nach Verlassen ihrer Arbeitsstelle entsorgte. Dieser Umstand ist aber für sich genommen nicht ausreichend zur Erbringung des Vollbeweises für die versicherte Tätigkeit. Hierfür bedürfte es objektiver Nachweise für eine dahingehende Handlungstendenz der Verstorbenen, an denen es aber fehlt. So wurde bei der Unfallaufnahme bei der Verstorbenen weder eine - von ihr üblicherweise verwendete - Plastiktüte mit Papier- oder Glasmüll gefunden noch wurden entsprechende Glasscherben am Unfallort gesichert. Das Auffinden von Glasmüll oder -resten am Unfallort wäre aber bei Vorliegen einer versicherten Tätigkeit zu erwarten gewesen, da die Verstorbene in Gehrichtung Container unterwegs war und entsprechenden Müll gegebenenfalls noch mitgeführt haben musste. Dass die nach dem Unfall sichergestellten Kleidungstücke der Verstorbenen dem Kläger nach dessen Angaben nicht zurückgegeben wurden, stellt die Sorgfältigkeit der Unfallaufnahme im Übrigen nicht in Frage. Auch im Übrigen gibt es für das Mitführen von Papier- oder Glasmüll - und damit für eine betrieblich veranlasste Verrichtung zur Zeit des Unfalls - keinen Nachweis, insbesondere konnte sich die Zeugin F., die sich noch kurz vor dem Unfall mit der Verstorbenen unterhielt, nicht daran erinnern, ob diese beim Verlassen des Gebäudes etwas in der Hand hatte, um es zum Container zu bringen.
Vielmehr legen einige Indizien, insbesondere die Angaben der Verstorbenen gegenüber den am Unfallort eingetroffenen Polizeibeamten PHM S. und PHW W. und der Zeugin K., nahe, dass diese im Unfallzeitpunkt aus eigenwirtschaftlichen Gründen auf der I. unterwegs war mit dem Ziel, ihre Kinder von der Schule abzuholen. Den unfallnahen Angaben der schwer verletzten, aber ansprechbaren Verstorbenen kommt besonderes Gewicht im Rahmen der Beweiswürdigung zu, zumal sich nicht erkennen lässt, warum diese - in dieser Situation - unzutreffende Angaben gemacht haben sollte und sich die Angaben mit den übrigen Beweisergebnissen decken. So hat die vom SG vernommene Zeugin F. angegeben, die Arbeitszeit der Verstorbenen sei variabel gehandhabt worden, je nachdem wie diese die Kinder von der Schule abgeholt oder zur Schule gebracht habe. Dies belegt, dass die Sachverhaltsvariante, dass die Verstorbene ihre Kinder von der Schule abholen wollte, keineswegs fernliegend ist. Genauso wenig fernliegend sind die weiteren Varianten, nämlich dass die Verstorbene vor der Abholung der Kinder noch Einkäufe bei einem der nahegelegenen Discounter erledigen wollte - Zeit hierfür war genügend vorhanden wegen des Unterrichtsendes um 12:55 Uhr - oder aber dass sie (nur) einkaufen und anschließend nach Hause gehen wollte. Der Zeuge B. hat gegenüber der Polizei bestätigt, dass die Verstorbene nach Arbeitsende des Öfteren ihre Kinder von der Schule abgeholt oder noch einen Einkauf bei Lidl oder Penny getätigt habe, so dass auch diese Varianten nicht unrealistisch sind.
Demgegenüber ist die Annahme spekulativ, die Verstorbene müsse sich, da sie im Unfallzeitpunkt auf der I. unterwegs war, auf dem Weg zu den Containern befunden haben, da sie andernfalls den - zu den Einkaufsmärkten bzw. der Schule ihrer Kinder - kürzeren und wegen eines breiteren Gehwegs angenehmeren Weg über die A. gewählt hätte. Denn für eine entsprechende Handlungstendenz gibt es - wie ausgeführt - weder einen konkreten Nachweis noch existiert ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass von einem Fußgänger immer der kürzeste bzw. angenehmste Weg genommen wird. Ein solcher Erfahrungssatz kommt zudem im vorliegenden Fall schon deswegen nicht zum Tragen, weil die Verstorbene nach Verlassen des Arbeitsplatzes ca. 75 Minuten zur Verfügung hatte, die es zu überbrücken galt, bis sie - wie von ihr selber angegeben - ihre Kinder um 12:55 Uhr von der Schule abholen konnte, so dass für sie jedenfalls keine Notwendigkeit bestand, den kürzesten Weg in Richtung der Einkaufsmärkte bzw. der Schule ihrer Kinder zu wählen.
Es liegt vorliegend auch keine Konstellation vor, in welcher eine "Beweislastumkehr" oder jedenfalls eine Beweiserleichterung zu Lasten des Klägers zu bejahen ist. "Beweiserleichterungen" kommen nach der klarstellenden Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 31.01.2012, B 2 U 2/11 R, in Juris, dort Rz 23, mit weiteren Nachweisen und zu den Voraussetzungen der Annahme sog. "Beweiserleichterungen" in Fällen ungeklärter Umstände) nur in Betracht, wenn der Versicherte den räumlichen Bereich, in dem er zuletzt die versicherte Tätigkeit verrichtet hat, nicht verlassen und dort kurz zuvor versicherte Tätigkeiten verrichtet hat. V. hatte hier jedoch ihren Arbeitsplatz, das Gebäude der Firma C., bereits verlassen, ohne dass nachgewiesen ist, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch einer zwar möglichen, aber nicht regelmäßig anfallenden versicherten Tätigkeit nachgegangen war. Es ist damit völlig offen, ob sie nach Verlassen ihres Arbeitsplatzes einer betrieblich veranlassten Tätigkeit nachging oder die versicherte Tätigkeit bereits beendet und sich eigenwirtschaftlichen, nicht versicherten Tätigkeiten zugewandt (Einkauf, Abholen der Kinder, etc.) hatte. Es verbleibt daher bei den allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht - hier Feststellung eines Arbeitsunfalls - für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (vgl. BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196, 198 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 Rdnr. 10 m.w.N. und vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 30 Rdnr. 10 m.w.N.). Bei Tatsachen, die das Gericht nur mit dem Überzeugungsgrad des Vollbeweises feststellen darf, schaden rein theoretische Zweifel, die immer vorliegen können, ohnehin nicht (BSG, Urteil vom 31.01.2012 a.a.O. Rdnr. 28). Insbesondere liegt keine Konstellation vor, in welcher trotz Nichtaufklärbarkeit des genauen Geschehensablaufs ein Anscheinsbeweis zu Gunsten einer versicherten Tätigkeit spricht. Denn neben einer mit letzter Sicherheit feststellbaren Handlungstendenz der Verstorbenen zum Unfallzeitpunkt fehlt es aus den oben dargestellten Gründen, insbesondere den sonstigen in Betracht kommenden Handlungsvarianten und - tendenzen der V., an dem Erfahrungssatz des Inhalts, dass es sich angesichts des von ihr gewählten Weges (über die I.) und dem Unfallort (ca. 30-50 Meter entfernt von den auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindlichen Containern) nur um eine versicherte Verrichtung zur Zeit des Unfalls gehandelt haben kann.
Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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