L 9 U 295/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 1025/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 295/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer höheren Verletztenrente sowie von Pflegeleistungen wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles.

Der 1949 geborene Kläger war am 11.12.2003 bei der Firma M. GmbH in I. als Qualitätskontrolleur beschäftigt, als er an diesem Tag gegen 7.00 Uhr morgens auf dem Weg zu einer Einsatzstelle in S. auf der Autobahn K. zwischen K. und R. auf eisglatter Fahrbahn auf einen querstehenden PKW auffuhr. Im Durchgangsarztbericht von Privatdozent Dr. H., K. wurde eine Berstungsfraktur des 4. Lendenwirbelkörpers, Querfortsatzfrakturen 1. bis 4. Lendenwirbel, Rippenfrakturen beidseits und fragliche multiple BWK-Erniedrigungen festgestellt und der Kläger sodann per Hubschrauber in die orthopädische Klinik K. verbracht. Dort wurde eine Flexions-Distraktions-Fraktur LWK 4 Typ BII mit Ruptur der Bandscheibe L4/5, Ruptur des Lig. flavum L4 und L5 und Ruptur des Lig. interspinosum L4/5, Querfortsatzfrakturen L1 bis L4 links, Rippenfrakturen 9 bis 11 rechts, 11 und 12 links und ein Bone bruise BWK 2 diagnostiziert und am 17.12.2003 eine Spondylodese L4/L5 durchgeführt. Die Weiterbehandlung erfolgte ab dem 09.02.2004 in der Klinik F., Bad H ... Im Entlassungsbericht vom 04.03.2004 über den bis 30.01.2004 andauernden Aufenthalt gaben Dr. F., Dr. K. und Dr. Z. an, der Zustand habe sich gegenüber der Aufnahme gebessert. Der Kläger leide noch unter bewegungsabhängigen Schmerzen im Rückenbereich und im Operationsgebiet. Prognostisch gehe man noch von zehn bis zwölf Wochen Arbeitsunfähigkeit aus. Im neurologischen Befundbericht vom 20.01.2004 von Dr. O. wird als vorläufige Diagnose - abgesehen von einer eventuell bestehenden leichten sensiblen Ataxie - kein weiteres neurologisches Defizit festgestellt. Psychisch sei der Kläger schmerzfixiert, ansonsten psychisch unauffällig, nicht depressiv.

Auf Anfrage teilte der behandelnde Orthopäde Dr. L. unter dem 17.02.2004 mit, den Kläger am 03.04.2003 aufgrund eines HWS- und LWS-Syndroms bei degenerativen HWS- und LWS-Veränderungen behandelt zu haben. In dem von der LVA Baden-Württemberg beigezogenen Reha-Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik S., D., wo sich der Kläger vom 25.06.2003 bis 16.07.2003 zur stationären Behandlung befunden hatte, wurden die Diagnosen eines chronischen HWS- und LWS-Syndroms bei Fehlstellung und degenerativer Wirbelsäulenerkrankung, eine chronische Bronchitis mit deutlicher Funktionsbeeinträchtigung, ein ausgeprägtes metabolisches Syndrom mit tablettenpflichtigem Diabetes mellitus, eine therapiepflichtige arterielle Hypertonie, eine therapiepflichtige Hyperlipidämie und Übergewicht, eine chronische Gastritis sowie ein psychovegetativer Erschöpfungszustand bei familiärer Belastung beschrieben. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie V. berichtete unter dem 25.02.2004 über eine Vorstellung des Klägers wegen einer Überwärmung des linken Beines und Fußes, die einer Sympaticusläsion an der linken unteren Extremität entspreche. Klinisch-neurologisch hätten sich keine schwerwiegenden Ausfallerscheinungen im Sinne von Paresen oder Störungen der Oberflächensensibilität feststellen lassen. Unter dem 28.04.2004 berichtete der Neurologe und Psychiater V. darüber hinaus über Nacken-, Schulter- und Nackenhinterkopfschmerzen sowie weiterhin auch über heftige Rückenschmerzen. Der Kläger gehe weiterhin an Gehstützen und trage ein Stützkorsett. Bei der neurologischen Untersuchung habe sich kein Hinweis auf eine cerebrale oder spinale Schädigung oder eine funktionell bedeutsame radikuläre Läsion ergeben. Die Wirbelsäulensituation habe sich im Vergleich zur Voruntersuchung nicht verschlechtert. Wegen anhaltender Beschwerden wurde der Kläger zu einem stationären Heilverfahren ab 20.07.2004 in die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen (BGU) aufgenommen. Im Abschlussbericht von Professor Dr. W., Dr. V. und Dr. L. vom 17.08.2004 (Dauer der stationären Behandlung bis 19.08.2004) war ausgeführt worden, dass der Kläger von seinen Stöcken habe abtrainiert werden können. Er benutze als "seelische Hilfe" noch einen Handstock, der eigentlich nicht mehr notwendig sei. Neurologisch habe sich eine Sympathicusläsion im Bereich des linken Beines ergeben, die nicht beeinflusst werden könne. Bei Entlassung habe der Kläger von Schmerzmitteln weitgehend entwöhnt werden können. Das Gangbild und die Haltung hätten sich ganz wesentlich verbessert, der Kläger sei flott gehfähig, die Bewegungen seien flüssiger gewesen. Geplant sei die berufliche Wiedereingliederung mit einer Belastungserprobung ab September. Im Zwischenbericht der BGU vom 21.09.2004 wurde über eine Vorstellung des Klägers am 17.09.2004 berichtet und ergänzend die Diagnose einer reaktiven Depression angegeben. Der Kläger habe gerade eine Stunde täglich arbeiten können und sei zuhause sehr depressiv. Im Bericht der BGU vom 05.10.2004 wurde beschrieben, dass der Kläger stark humpelnd mit einem Unterarmgehstock erschienen sei und er während der Arbeitserprobung bislang nicht mehr als eine Stunde habe meistern können. Nach einer weiteren Vorstellung des Klägers in der BGU wurde unter dem 15.10.2004 von einem Verharrungszustand ausgegangen; der Kläger wolle die Berentung beantragen.

Die Beklagte zog ein Vorerkrankungsverzeichnis der A. E. und Stadt P. und das Gutachten des Orthopäden R. für die LVA Baden-Württemberg vom 22.11.2004 bei. Er berichtete in diesem Gutachten über eine auffallend verstärkte Schmerzdarstellung, die zum klinischen Befund und den Untersuchungsmaßnahmen nicht adäquat gewesen sei. Er habe sich von seiner Tochter die Hose und die Schuhe anziehen lassen, obwohl die Beweglichkeit in Hüft- und Kniegelenken nicht eingeschränkt sei. Die postoperativen Kontrollen in Langensteinbach hätten kein sensomotorisches Defizit bei regelrechter radiologischer Kontrolle ergeben. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen ein vollschichtiges Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr. Das Gangbild wurde mit und ohne Schuhwerk als Vierpunktegang, flüssig und noch raumgreifend beschrieben. Die mitgebrachten Unterarmgehstützen zeigten im Bereich der Gumminoppen keinerlei Gebrauchsspuren.

Unter dem 11.12.2004 berichtete der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie V. über weiterhin geklagte Schmerzen, der Kläger fühle sich schlecht, könne sich kaum konzentrieren und habe in den letzten Wochen ganz schlechte Stimmung, manchmal auch verknüpft mit lebensmüden Gedanken. Eine konkrete suizidale Handlungsabsicht bestehe nicht. Bei den letzten Vorstellungen habe sich eine depressive Reaktion eingestellt. Auch der Orthopäde Dr. L. äußerte unter dem 24.01.2005 den Verdacht auf eine fortgeschrittene somatisierte Depression, welche der Neurologe und Psychiater V. in einem weiteren Bericht vom 01.04.2005 als depressive Belastungsreaktion bestätigte. Der Kläger wurde am 11.04.2005 zu einer medizinischen Rehabilitationsbehandlung in die Klinik Dr. R., C. aufgenommen. Im Entlassungsbericht vom 13.05.2005 wurden die Diagnosen depressive Episode, Anpassungsstörung, schwere dauernde Rückenschmerzen nach LWK 4-Frakturen Dezember 2003, Spondylodese und Bandscheibenschaden (neurophatisch?, somatoform verstärkt?), Diabetes mellitus (Typ IIa), Hypertonus und Hyperlipidämie wiedergegeben.

In dem daraufhin von der Beklagten in Auftrag gegebenen nervenärztlichen Gutachten des Neurologen und Psychiaters V. vom 12.06.2005 wurden die Diagnosen eines chronischen Schmerzsyndroms und einer reaktiven Depression bei einem Zustand nach Wirbelsäulenfraktur L4 im Dezember 2003 gestellt. Das Schmerzsyndrom und die Depression stünden im ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall, der den Kläger aus seiner bisherigen Lebenssituation herausgerissen habe und eine existenzielle Bedrohung darstelle. Neurologisch ergäben sich keine Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit, psychiatrisch und durch das Schmerzsyndrom sei eine erhebliche Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) festzustellen, diese liege seit Wegfall der Arbeitsunfähigkeit, spätestens aber seit dem gescheiterten Arbeitsversuch im Oktober 2004 bei 100 %. Im Ersten Rentengutachten vom 11.08.2005 stellte Privatdozent Dr. H., Diakonissenkrankenhaus K., eine Flexions-Distraktionsverletzung LWK 4 bei vorbestehender Rückenproblematik fest, welche dorsoventral operativ versorgt worden sei. Das Implantatmaterial sei stabil, posttraumatisch klage der Kläger über persistierende Beschwerden in Bereich der Wirbelsäule. Er sei depressiv, auf fremde Hilfe angewiesen, eine posttraumatische Belastungsstörung müsse diskutiert werden. Die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule sei quasi aufgehoben, neurologisch zeige sich eine L5-Symptomatik beidseits, was sich mit dem Unfall in Zusammenhang bringen lasse. Die MdE auf unfallchirurgischem Fachgebiet sei mit 30 v.H. festzustellen.

Die Beklagte zog die Akten aus dem parallel anhängigen Schwerbehindertenverfahren bei und holte beratungsärztliche Stellungnahmen beim Diplom-Psychologen W. sowie beim Chirurgen Dr. S. ein. Der Diplom-Psychologe W. vertrat die Auffassung, dass das Unfallereignis lediglich als verschlimmernde Ursache eines depressiven Syndroms zu bewerten und deshalb auf psychischem Fachgebiet eine MdE von 20 v.H. anzuerkennen sei, zumal diese Erkrankung durch Psychotherapie erfolgreich behandelt werden könne. Dr. S. hielt eine Gesamt-MdE von 40 v. H. unter Berücksichtigung der Einwirkung der Unfallschäden auf unfallchirurgischem und die Störung auf nervenärztlichem Fachgebiet für angemessen.

Mit Fax vom 28.02.2006 beantragte der Kläger die Gewährung von Pflegegeld. Ein Erhebungsbogen zur Feststellung des Umfangs der Hilflosigkeit nach § 44 SGB VII vom 28.04.2006 liegt in der Akte vor (Bl. 556).

Im Rahmen einer vom Kläger aufgenommenen Psychotherapie gab der Nervenarzt G. in seinem Abschlussbericht nach Ende der Psychotherapie (ohne Datum, Behandlung vom 22.09.2005 bis 26.07.2006) eine posttraumatische Belastungsstörung, ein Schmerzsyndrom (chronisch), eine Depression - anhaltend ängstlich, sowie einen Z. n. Wirbelsäulenfraktur an.

Vom 01.08.2006 bis 17.08.2006 befand sich der Kläger erneut in stationärer Behandlung der BGU. Im Entlassungsbericht vom 18.08.2006 wurden eine verheilte dorsoventrale Spondylodese nach LWK-4-Fraktur 12/03, chronische Rückenschmerzen, eine reaktive Depression und Anpassungsstörung, Diabetes mellitus und Hypertonie als Diagnosen angegeben. Ein nochmaliges CT der Lendenwirbelsäule habe stabile Verhältnisse im Bereich der Spondylodese ergeben, die knöchern fest verheilt und ohne Hinweis auf einen Bandscheibenvorfall oder eine spinale Enge gewesen sei. Die aktuelle neurologische Untersuchung sei unauffällig gewesen und habe keine neurologischen Ausfälle ergeben. Der Behandlungsverlauf habe sich komplikationslos gestaltet. Der Kläger sei kooperativ gewesen, habe sich allerdings auf dem Gang nur mit Hilfe seiner beiden Gehstützen oder eines Gehwagens fortbewegt. Das Gangbild habe etwas verbessert werden können. Professor Dr. S. führte im Rahmen eines neurologisch-psychiatrischen Konzils während des stationären Aufenthaltes unter dem 16.08.2008 aus, der psychische Befund sei regelrecht, eine depressive Störung liege unter Zugrundelegung der üblichen diagnostischen Standards nicht vor. Der Kläger beklage zwar Verstimmungszustände, die aber nicht einer Depression entsprächen. Für eine posttraumatische Belastungsstörung ergäben sich keinerlei Hinweise. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet fänden sich keine Folgen des Unfalles vom 11.12.2003. Eine Verletzung des Nervensystems habe unmittelbar nach dem Unfall nicht bestanden. Der jetzige Beschwerdevortrag sei unspezifisch, das Verhalten des Klägers durch offensichtliche Ausgestaltung der Beschwerden gekennzeichnet. Ein relevantes Schmerzsyndrom liege nach klinischen Kriterien nicht vor, es hätten keine konsistenten Befunde hierfür erhoben werden können.

Die Beklagte beauftragte daraufhin Dr. S., W., mit der Erstellung eines fachpsychiatrischen Gutachtens. Unter dem 30.08.2006 stellte Dr. S. die Diagnosen dysthyme Störung und anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Er führte aus, dass sich diese psychischen Gesundheitsstörungen nicht in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Schädigungsereignis vom 11.12.2003 manifestiert hätten, sondern sich erst ca. neun Monate später, nach einer substantiellen Besserung der motorischen Beeinträchtigungen unter stationärer unfallchirurgischen Behandlung und im Zusammenhang mit der Planung und kleinschrittigen Realisierung einer Arbeitsbelastungserprobung. Nach detaillierter Beschreibung der Tochter des Klägers habe der Kläger psychisch massiv auf die Mitteilung des Arztes in der T. BG Klinik reagiert, dass gegen die verschiedenen Restbeschwerden nichts mehr auszurichten sei. Der Kläger skotomisiere regelrecht die auch medizinisch dokumentierten, langjährigen, gravierenden und vorbestehenden Beeinträchtigungen durch degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit entsprechender Schmerzsymptomatik im LWS- und Beinbereich. Er blende auch die im Rahmen der stationären Rehabilitationsbehandlung bis Juli 2003 dokumentierte Erschöpfungssymptomatik mit Belastung durch die innerfamiliäre Situation aus. Der intellektuell schlicht strukturierte Kläger mache für seine Schmerzen, Mobilitätsdefizite und psychische Beeinträchtigungen in monokausaler Weise allein das Schädigungsereignis verantwortlich. Diese unkritische Fehlattribuierung erkläre, warum er so überzeugt sei von der Verrentungspflicht seines Leidens. Hierzu trage ein an Invalidität orientiertes Selbstbild bei, welches sich bereits vor dem Schädigungsereignis in dem Streben nach Anerkennung einer Schwerbehinderung manifestiere und wofür möglicherweise intrafamiliär Modelle bestünden. Schließlich sei bei der Tochter nach eigenanamnestischen Angaben ein GdB von 80 anerkannt und die Ehefrau sei wegen Fibromyalgie berentet. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die auf psychiatrisch/psychotherapeutischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen im Kern aus einer persönlichkeitsbedingten Krankheitsfehlverhaltung resultierten. Weder für das somatoforme Schmerzsyndrom noch für die dysthyme Störung stelle das Schädigungsereignis vom 11.12.2003 eine wesentliche Ursache dar. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege nicht vor.

Mit Bescheid vom 03.11.2006 gewährte die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 30 v.H. ab 09.06.2005. Bei der Bewertung der MdE seien an der Wirbelsäule ein mittels operativer Versteifung knöchern festverheilter LWK 4-Trümmerbruch und Querfortsatzbrüche L1 bis L4 mit noch einliegendem Metall sowie eine aufgehobene Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule, eine Muskelverhärtung im Lendenwirbelsäulenbereich sowie knöchern fest verheilte Rippenbrüche 9 bis 11 rechts und 11 bis 12 links berücksichtigt worden. Unabhängig vom Arbeitsunfall lägen ein Diabetes mellitus, eine Hypertonie, eine dysthyme Störung und ein anhaltendes somatoformes Schmerzsyndrom aufgrund einer persönlichkeitsbedingten Krankheitsfehlverarbeitung vor.

Mit Bescheid vom 07.12.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Pflegegeld aufgrund der Verletzungsfolgen ab, weil keine Pflegebedürftigkeit vorliege. Nach den Feststellungen der Beklagten sei der Kläger aufgrund von Verletzungsfolgen bei den einzelnen Verrichtungen des täglichen Lebens nicht in erheblichem Umfang auf Hilfe angewiesen. Vielmehr begründeten unfallunabhängige Leiden die Hilflosigkeit.

Am 27.11.2006 und 21.12.2006 erhob der Kläger gegen diese Bescheide Widerspruch. In getrennten Widerspruchsbescheiden vom 13.02.2007 wies die Beklagte die Widersprüche zurück.

Am 28.02.2007 hat der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 03.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2007 zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben. Gegen den ihm am 16.03.2007 zugegangen Widerspruchsbescheid (betreffend Pflegegeld) hat er am 27.03.2007 ebenfalls Klage zum SG Karlsruhe erhoben, welches mit Beschluss vom 11.04.2007 die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat.

Das SG hat zunächst ein Gutachten des Internisten Dr. S. aus dem parallel anhängigen Rentenverfahren des Klägers (S 12 R 809/05) beigezogen und dann den Nervenarzt G., den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie V. sowie den Orthopäden Dr. L. als sachverständige Zeugen gehört. Wegen der gemachten Angaben wird auf Blatt 54f., 60f. und 64f. der SG-Akten verwiesen.

Die Beklagte hat hierauf eine ergänzende Stellungnahme des Dr. S., W., vorgelegt, der daran festgehalten hat, dass eine posttraumatische Belastungsstörung nicht nachgewiesen sei. Er könne den diagnostischen Einschätzungen des Herrn G. nur in Teilbereichen folgen. Der vom behandelnden Psychotherapeuten gesehene Kausalzusammenhang könne von ihm so nicht nachvollzogen werden.

Das SG hat daraufhin Beweis erhoben durch das Einholen eines weiteren Gutachtens bei Dr. H., Institut für neurologische Begutachtung, K. In seinem Gutachten vom 26.02.2008 hat Dr. H. eine persönlichkeitsbedingte Fehlverarbeitung mit Regression und deutlicher Aggravation und chronische Kreuzschmerzen, partial organisch bedingt, festgestellt. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege nicht vor.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG den behandelnden Nervenarzt G. als Sachverständigen gehört. In seinem Gutachten vom 20.07.2008 stellte er die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung als auch eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode. Darüber hinaus lägen ein chronisches Schmerzsyndrom und ein Zustand nach Wirbelsäulenfraktur vor. Es liege eindeutig eine posttraumatische Belastungsstörung vor, mit aktuell vorhandenen Symptomen. Hierfür sei eine MdE um 100 % zu veranschlagen.

Hierauf hat das SG Dr. H. ergänzend gutachterlich angehört. In seiner Stellungnahme vom 27.10.2008 hat er an der von ihm vertretenen Auffassung, dass keine posttraumatische Belastungsstörung vorliege, festgehalten.

Mit Urteil vom 17.12.2008 hat das SG die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe die Gesamt-MdE des Klägers unter Berücksichtigung der Wirbelsäulenverletzungen sowie der knöchern fest verheilten Rippenbrüche zutreffend mit 30 v.H. festgestellt. Das Schmerzsyndrom und die Dysthymia seien ebenso wie die spätere Depression des Klägers zwar erstmals in Zeiträumen deutlich nach dem stattgehabten Unfallereignis festzustellen gewesen, sie seien aber erkennbar persönlichkeitsbedingt und fußten nicht auf dem Unfallgeschehen, sondern auf einer massiven Rentenerwartung bei einem gleichzeitig erwarteten und erhaltenen sekundären Krankheitsgewinn. Das Gericht folge den Feststellungen der nervenärztlichen Sachverständigen Dr. S. und Dr. H. Danach sei die neurologisch-psychiatrische Symptomatik sehr bewusstseinsnah, aggravierend und sogar - jedenfalls partiell - als simulatorisch zu beurteilen. Des Weiteren folge die Kammer dem von Amts wegen bestellten gerichtlichen Sachverständigen darin, dass er das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung verneine. Die gegenteiligen Feststellungen des wahlärztlichen Gutachters des Klägers hätten das Gericht nicht zu überzeugen vermocht. Bereits die Tatsache, dass der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige den Kläger zugleich tiefenpsychologisch und psychotherapeutisch betreue und bereits insgesamt 39 tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapiesitzungen mit dem Kläger durchgeführt habe, lasse an seiner generellen Eignung als an die Objektivität verpflichteter gerichtlich bestellter Sachverständiger ernsthafte Zweifel aufkommen. Hinzu komme, dass er sich bereits vor Gutachtenerstattung im Rahmen seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem erkennenden Gericht erheblich für den Kläger eingesetzt und eine höhere Verletztenrente wegen psychischer Unfallfolgen vorgeschlagen habe. Dass er im Gutachten sodann aufgrund der psychischen Unfallfolgen eine MdE von 100 v.H. bejahe, während er in der sachverständigen Zeugenaussage noch eine MdE von 50 v.H. wegen der psychischen Unfallfolgen vorschlage, vervollständige das Bild. Der Sachverständige trenne auch nicht hinreichend klar zwischen somatoformer Schmerzstörung einerseits und posttraumatischem Belastungssyndrom andererseits. Er negiere die Problematik der Inkongruenz der Symptome des Klägers. Eine solche sei gegeben, weil der Kläger über Schmerzen klage, denen ein organisches Korrelat fehle. Ob der Kläger wegen des geltend gemachten Anspruches auf Pflegegeld im Sinne der gesetzlichen Definition als hilflos anzusehen sei, bedürfe vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Im Hinblick auf die festgestellten simulatorischen Tendenzen des Klägers in Bezug auf seine Gehfähigkeit bestünden hieran zwar nicht unerhebliche Zweifel, die jedoch dahinstehen könnten. Jedenfalls bestehe die Hilflosigkeit des Klägers, so sie denn gegeben sein sollte, nicht infolge des Versicherungsfalles vom 11.12.2003. Denn die befassten Sachverständigen Dr. S., Dr. H. und Prof. Dr. S. hätten für das Gericht überzeugend ausschließen können, dass die zur Hilflosigkeit führenden neurologisch/psychiatrischen Gesundheitsstörungen des Klägers infolge des Unfallereignisses vom 11.12.2003 aufgetreten seien.

Gegen das ihm am 29.12.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.01.2009 Berufung eingelegt.

Er sieht sich durch die Aussagen seiner behandelnden Ärzte und durch die Gutachten des Neurologen und Psychiaters V. und des Nervenarztes G. in seiner Rechtsauffassung bestätigt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Dezember 2008 aufzuheben und 1. den Bescheid vom 03. November 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2007 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit ab dem 09. Juli 2005 Verletztenrente auf unbestimmte Zeit aufgrund einer MdE um 100 v. H. zu gewähren, sowie

2. den Bescheid vom 07. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Unfallpflegegeld ab Antragstellung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an der bislang vertretenen Auffassung fest.

Der Kläger hat den Bericht über eine Multislice-Spiral-CT vom 10.02.2009 der Gemeinschaftspraxis für bildgebende Diagnostik Dres. K. vorgelegt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch das ergänzende Befragen des erstinstanzlich gehörten Sachverständigen Dr. H. Er hat angegeben, dass sich eine andere Beurteilung aufgrund der vorliegenden kernspintomographischen Untersuchung nicht rechtfertigen ließe. An seiner bereits im Gutachten und in seiner ergänzenden Stellungnahme vertretenen Auffassung ändere sich daher nichts.

Der Kläger hat ein ärztliches Attest vorgelegt, in dem bestätigt wird, dass bei ihm eine außergewöhnliche Gehbehinderung vorliege. Außerdem hat er ein psychosomatisches Gutachten des Dr. H. und Dr. K., Zentrum für psychosoziale Medizin, H., erstellt für die Öffentliche Versicherungen S., M., vom 15. März 2010 vorgelegt. Die Sachverständigen kamen in diesem Gutachten zu dem Ergebnis, dass auf psychosomatischem Fachgebiet ein Schmerzsyndrom sowie eine Depression, die sich gegenseitig verstärkten und aufrecht erhielten, beständen, mit den Diagnosen chronisch depressive Störung, mittelgradig bis schwer, derzeitig mittelgradig und dissoziative Störung, gemischt (Bewegungsstörung sowie Sensibilitäts- und Empfindungsstörung). Dem Unfall und seinen körperlichen Folgen komme hierfür als schädigendes Ereignis die Bedeutung einer wesentlichen Bedingung zu.

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass den Gutachtern zwar die Gutachten vorgelegen hätten, die zu einem positiven Ergebnis für den Kläger geführt hätten, nämlich die der Herrn V. und G., nicht jedoch die Gutachten von Dr. S. und Dr. H., die einen Zusammenhang zwischen dem Unfall und den psychischen Beschwerden verneinten. Die Beklagte wies auf die in der gesetzlichen Unfallversicherung geltende Theorie der wesentlichen Bedingungen hin. Auch von den Gutachtern des Zentrums für psychosoziale Medizin seien neben dem Unfall eine vorbestehende unspezifische erhöhte Vulneralibität, eine Begehrenshaltung sowie unfallfremde Motive als Mitursachen aufgeführt worden. Dem Krankheitsverlauf würden zudem persönlichkeitsbedingte Faktoren zugeschrieben, sodass die Bewertung, es läge eine unfallbedingte Erwerbsminderung von 100 % vor, nicht nachvollziehbar sei und so auch nicht im Einklang mit den Bewertungskriterien der gesetzlichen Unfallversicherung stehe.

Die Beklagte hat das nervenärztliche Gutachten des Dr. H. vom 03.12.2009 sowie das auf Antrag des Klägers eingeholte chirurgische Gutachten des Dr. K. vom 02.09.2010 vorgelegt, erstellt in einem beim Sozialgericht Karlsruhe (S 4 U 1953/09) anhängigen Klageverfahren. Gegenstand dieses Verfahrens ist die Kostenablehnung einer Fußpflegebehandlung durch die Beklagte. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 16.12.2010 in diesem Verfahren war ebenfalls beim Senat anhängig (Urteil vom 14.05.2013, L 9 U 5924/10).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsaus-schließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger weder einen Anspruch auf eine höhere Rente (nachfolgend 1.) noch auf die Gewährung von Pflegegeld (nachfolgend 2.) hat. Die Klage gegen den Bescheid vom 07.12.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.02.2007 (eingegangen beim SG am 27.03.2007) ist auch zulässig, nachdem der Widerspruchsbescheid formlos an die Bevollmächtigte des Klägers übersandt worden war und diese versichert hat, diesen erst am 16.03.2007 erhalten zu haben.

1. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben gem. § 56 Abs. 1 S. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 S. 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (BSG, Urteil vom 02.04.2009 – B 2 U 29/07 R – in Juris m.w.N.). Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Gesundheitsstörung bzw. Funktionseinschränkung als Unfallfolge bei der Bemessung der MdE ist grundsätzlich u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis bzw. dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung im Urteil des BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209 und Juris).

Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nach dem Urteil des BSG vom 09.05.2006 (a.a.O. Rdnr. 15) nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn.

Im Urteil vom 09.05.2006 (a.a.O. Rdnr. 21) hat das BSG keinen Zweifel daran gelassen, dass die Theorie der wesentlichen Bedingung auch uneingeschränkt auf die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Arbeitsunfällen und psychischen Störungen anzuwenden ist, die nach Arbeitsunfällen in vielfältiger Weise auftreten können. Die Feststellung der psychischen Störung sollte angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglichen Schulenstreiten aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen. Denn je genauer und klarer die beim Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, desto einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen sowie letztlich die MdE zu bewerten (BSG a.a.O. Rdnr. 22). Das BSG hat im Weiteren darauf hingewiesen, dass es wegen der Komplexität von psychischen Gesundheitsstörungen im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel des Inhalts gebe, dass bei fehlender Alternativursache (etwa wenn eine Vorerkrankung oder Schadensanlage nicht nachweisbar sind) die versicherte naturwissenschaftliche Ursache (also die Einwirkung durch den Arbeitsunfall, festgestellt auf der ersten Stufe der Ursächlichkeitsprüfung) damit auch automatisch zu einer wesentlichen Ursache (im Sinne der Ursächlichkeitsprüfung auf der zweiten Stufe) wird. Dies würde angesichts der Komplexität psychischer Vorgänge und des Zusammenwirkens gegebenenfalls lange Zeit zurückliegender Faktoren zu einer Umkehr der Beweislast führen, für die keine rechtliche Grundlage erkennbar sei (BSG a.a.O. Rdnr. 39). Andererseits schließt aber eine "abnorme seelische Bereitschaft" die Annahme der psychischen Reaktion als Unfallfolge nicht aus. Wunschbedingte Vorstellungen sind aber als konkurrierende Ursachen zu würdigen und können der Bejahung eines wesentlichen Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und der psychischen Reaktion entgegenstehen (BSG a.a.O. Rdnr. 37 und 38).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Entscheidungen des SG und der Beklagten nicht zu beanstanden. Bei der MdE-Bewertung der Folgen des Arbeitsunfalles des Klägers, der als solcher zwischen den Beteiligten unstreitig und an dessen Vorliegen auch der Senat aufgrund der dokumentierten Fahrt des Klägers zu einem Einsatzort in S. zum Unfallzeitpunkt keinen Zweifel hegt, sind ein knöchern fest verheilter LWK-4-Trümmerbruch sowie Querfortsatzbrüche L1 bis L4, eine aufgehobene Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule und eine Muskelverhärtung im Lendenwirbelsäulenbereich zu berücksichtigen. Insoweit ist in Übereinstimmung mit dem Ersten Rentengutachten von Dr. H. vom 11.08.2005 der Unfallfolgezustand auch zutreffend mit einer MdE von 30 v.H. bewertet. Diese Bewertung trägt der in diesem Gutachten beschriebenen fast vollständigen Aufhebung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule und den persistierenden Beschwerden des Klägers ausreichend Rechnung. Bei einer verbliebenen Spondylodese L3 bis L5, reizlos einliegendem Osteosynthesematerial und ohne nachweisbare neurologische Ausfälle (Bericht BGU v. 16.02.2005 und 18.08.2006, jeweils unter Berücksichtigung angefertigter CT der LWS, ebenso: Gutachten V. vom 12.06.2005: "keine funktionell relevanten Ausfälle im Sinne peripherer oder radikulärer Nervenläsionen", keine neurogene Ursache für die geklagten Schmerzen) entspricht diese Bewertung auch den Empfehlungen in der Rentenliteratur, wonach selbst vollausgebildete Wirbelsäulenverletzungen bei instabiler Ausheilung mit einer MdE von 20 bis 30 v.H. (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 442f.) bewertet werden. Auch unvollständige Brustmark-, Lendenmark- oder Kaudaschädigungen mit mäßiger Teillähmung beider Beine ohne Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung werden insoweit mit einer MdE zwischen 20-40 bewertet (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 475). Mit dem im Berufungsverfahren vorgelegten Bericht des Radiologen Dr. W. vom 12.02.2009 lässt sich Abweichendes nicht begründen, worauf Dr. H. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18.05.2009 überzeugend hingewiesen hat. Eine im Bereich LWK 2/3 in der Multislice-Spiral-CT festgestellte Annäherung der Dornfortsätze erklärt die Einschränkung der Reklination, die aber im Rahmen der bereits berücksichtigten fast vollständigen Aufhebung der LWS-Beweglichkeit bereits ausreichend in die MdE-Bewertung Eingang gefunden hat. Schließlich weist Dr. W. darauf hin, dass Zeichen einer Instabilität in diesem Bereich nicht gefunden wurden und die übrige LWS unauffällig zur Darstellung gekommen war. Unter Berücksichtigung dessen geht der auf unfallchirurgischem und neurologischem Fachgebiet bestehende Unfallfolgezustand nach Überzeugung des Senats nicht über ein mit einer MdE um 30 v.H. zuerkanntes Ausmaß hinaus.

Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet lassen sich hingegen nicht mit der hierfür erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückführen. Der Senat stützt sich dabei im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. S., das er im Wege des Urkundenbeweises verwertet, sowie auf das Gutachten von Dr. H. nebst ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen. Ausgehend von den Feststellungen von Dr. S. liegen beim Kläger eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine dysthyme Störung vor, die nicht wesentlich durch das streitgegenständliche Unfallereignis verursacht sind.

In affektiver Hinsicht zeigte sich der Kläger bei der Untersuchung durch Dr. S. (bei un-auffälligen kognitiven Leistungen) lustlos, von sozialem Rückzug und Lebensüberdrussgedanken, von verlorenem Interesse an Sexualität und negativer Zukunftssicht geprägt. Darüber hinaus waren nach den Angaben von Frau und Tochter eine erhöhte Reizbarkeit und eine Ein- und Durchschlafstörung zu eruieren. Insgesamt betrachtet bestand eine herabgeminderte Stimmungslage, eine eingeschränkte emotionale Schwingungsfähigkeit mit überwiegend dysphorischem Affekt sowie eine ausgeprägte Klagsamkeit, die sich in dieser Ausprägung bis Ende September 2004 zurückverfolgen lässt. Eine nach ICD-10:F34.1 kodierte dysthyme Störung wurde auch vom behandelnden Nervenarzt G. im Rahmen seiner Berichte über die über 25 Sitzungen hinweg durchgeführte tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (vgl. Bericht ohne Datum, Blatt 622) und in Rahmen seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 25.05.2007 (nach weiteren 9 Sitzungen) angegeben. Soweit der Neurologe und Psychiater V. von einer Depression, reaktiv, spricht, ist diese Diagnose nicht klassifiziert worden und belegt - mangels eindeutiger Befunde - keine abweichende Beurteilung. Eine in der Klinik Dr. R. während des stationären Aufenthaltes diagnostizierte schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (ICD 10:F32.2) konnte, worauf Dr. S. in seinem Gutachten hinwies, durch seine Untersuchungen nicht verifiziert werden. Aufgrund des Rentenbeginns mit dem 09.05.2005 kann letztlich dahinstehen, ob für diesen Zeitraum von einer anderen Diagnose auszugehen sein könnte. Soweit der nach § 109 SGG gehörte Gutachter G. in dessen Gutachten abweichend von seinen Behandlungsberichten und seiner sachverständigen Zeugenaussage nunmehr von einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (F33.1), ausgeht, hat er diese Veränderung nicht erläutert. Aufgrund welcher vom Gutachten Dr. S. und der zuvor vorgenommenen eigenen Kodierung abweichenden Befunde er nunmehr zu einer qualitativ anderen psychiatrischen Erkrankung kommt, bleibt auch im Rahmen der Beantwortung der Beweisfrage 10 der vom SG gestellten Beweisfragen - Auseinandersetzung mit Vorgutachten - offen. Denn hier beschreibt er lediglich, dass es genügend diagnostische Kriterien gebe, die eine schwergradige depressive Episode untermauerten, ohne diese allerdings zu nennen und ohne sie in Relation zu den eigenen in der Vergangenheit erhobenen Befunden und denen des Dr. S. zu setzen. Der Senat hat daher keinen Zweifel an den von Dr. S. angegebenen Diagnosen, die er unter sorgfältiger Erhebung der Anamnese, unter Einbeziehung der Angaben von Ehefrau und Tochter sowie der in der Akte dokumentierten Befunde und Vorgutachten nachvollziehbar, schlüssig und überzeugend begründet hat.

Darüber hinaus liegt ein somatoformes Schmerzsyndrom vor, dessen Auftreten Dr. S. ebenfalls schlüssig und überzeugend in Verbindung mit der signifikanten Lebenssituation, also der vorangegangenen substantiellen Besserung der Leistungsfähigkeit und der Konfrontation mit der Arbeitswelt sieht. Die Diagnose der somatoformen Schmerzstörung (ICD:F45.4) steht in Übereinstimmung mit der in der Klinik Dr. R. gestellten Diagnose und auch der des Neurologen und Psychiaters V. sowie des Dr. H. ("chronisches Schmerzsyndrom").

Die genannten Erkrankungen beruhen nicht wesentlich auf dem Unfallereignis und dessen Folgen, sondern resultieren aus einer persönlichkeitsbedingten Krankheitsfehlverarbeitung, die sich in Form eines hartnäckigen und intermittierend extreme Intensitäten erreichenden Schmerzsyndroms im Bereich der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in beide Beine und massiven Bewegungseinschränkungen äußert. Wie Dr. S. anhand der Akte und der Fremdanamnesen belegen konnte, fehlt es schon an einem zeitlichen Zusammenhang der Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet mit dem Unfallereignis. Psychische Auffälligkeiten sind im Entlassungsbericht der Klinik F. vom 04.03.2004 nicht vermerkt worden, denn der Kläger war nach dem neurologischen Befund vom 09.01.2004 zwar als schmerzfixiert, aber psychisch unauffällig und nicht depressiv, später (Bericht v. 20.01.2004) zwar als schmerzfixiert, aber mit ansonsten realistischer Schmerzverarbeitung beschrieben worden. Anhaltspunkte für eine andere Beurteilung ergeben sich weder aus dem Bericht des Dr. L. vom 17.02.2004 noch aus dem Bericht des Neurologen und Psychiaters V. vom 28.04.2004 oder den Berichten des Klinikums K. vom 08.06.2004 und der BGU vom 30.06.2004, 28.07.2004, 17.08.2004 und 02.09.2004. Entsprechendes hat der im erstinstanzlichen Verfahren gehörte sachverständige Zeuge V. bestätigt, indem er angegeben hat, der Kläger habe ihn am 21.09.2004 erstmals wegen einer schweren psychiatrischen Symptomatik aufgesucht. Von einer reaktiven Depression war zudem erstmals im Bericht der BGU vom 21.09.2004 nach einer ambulanten Behandlung am 17.09.2004 die Rede. Er (V.) bestätigte in dieser Aussage auch, dass sich die psychische Situation etwa im September 2004 im Zusammenhang mit der gescheiterten Wiedereingliederung ins Berufsleben deutlich verschlechtert habe, seither hätten sich die psychischen Symptome chronifiziert. Insoweit verschlechterte sich aber nicht nur der psychische Befund, sondern auch die orthopädische Situation, den die BGU zuvor noch mit "freier Rumpfbeweglichkeit" (31.08.2004) beschrieben hatte. Denn nachdem im Rahmen des stationären Heilverfahrens (20.07. - 19.08.2004) die Verwendung von Stöcken abtrainiert werden konnte und selbst der noch mitgeführte Handstock nicht mehr als notwendig angesehen worden war, sowie auch eine weitgehende Entwöhnung von Schmerzmitteln erreicht werden konnte, wurde im Bericht vom 01.10.2004 zunächst vermerkt, dass am 27.09.2004 mit der Arbeitsbelastungserprobung begonnenen worden sei, der Kläger aber nicht mehr als eine halbe Stunde pro Tag habe meistern können. Unter dem 15.10.2004 (BGU) war wieder von heftigen Beschwerden berichtet worden, wobei die Schmerzsymptomatik noch zugenommen habe (vgl. auch Bericht der Klinik Dr. R. vom 13.05.2005). Schwerwiegende neurologische Funktionsausfälle waren aber auch bei der neurologischen Untersuchung vom 04.11.2004 nicht festzustellen. Im orthopädischen Gutachten von Dr. R. vom 22.11.2004 (für den Rentenversicherungsträger) war der Vier-Punkte-Gang im Übrigen noch als flüssig und noch raumgreifend, der Patient aber als insgesamt demonstrativ leidend, die Schmerzreaktion als sprunghaft und meist nicht adäquat beschrieben worden. So habe sich der Kläger die Hose und die Schuhe von der Tochter anziehen lassen, obwohl die Beweglichkeit im Hüft- und Kniegelenk nicht eingeschränkt gewesen sei. Die mitgebrachten Unterarmgehstützen zeigten darüber hinaus im Bereich der Gumminoppen keinerlei Gebrauchsspuren.

Darüber hinaus ist belegt, dass der Kläger bereits vor dem streitgegenständlichen Unfall an langjährigen und gravierenden vorbestehenden Beeinträchtigungen durch degenerative Veränderung-en der Wirbelsäule mit entsprechender Schmerzsymptomatik im LWS- und Beinbereich und auch unter einem psychovegetativen Erschöpfungszustand bei familiärer Belastung gelitten hat. Das vorbestehende Ausmaß der Beeinträchtigungen ergibt sich aus dem Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik S. vom 04.08.2003 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 25.06.2003 bis 16.07.2003, in deren Rahmen der Kläger über Kreuzschmerzen mit Ausstrahlung in beide Beine, verstärkt bei Belastung geklagt hat und die dort als WS-Beschwerden bei Fehlstellung und degenerativer WS-Erkrankung mit relativ großer Schmerzsymptomatik und deutlicher Funktionsbeeinträchtigung beschrieben worden sind.

Durch die Angaben des Klägers und die Fremdanamnese der Tochter im Rahmen der Begutachtung durch Dr. S. ist zudem belegt, dass nach dem Abbruch des Arbeitsversuches dem Kläger im Rahmen eines Gespräches mit dem Berufshelfer der Beklagten und einer Untersuchung in der BGU mitgeteilt worden war, medizinisch könne gegen die Beschwerden nichts mehr ausgerichtet werden, er mit den Schmerzen leben müsse und ihm empfohlen wurde, Rente zu beantragen, worauf er - so die Angaben der Tochter - psychisch massiv reagiert hat.

Unter Berücksichtigung dieses Verlaufes mit einer Verschlechterung von Gangbild und Schmerzsymptomatik nach Scheitern der Wiedereingliederung und des Hinweises, dass weitere ärztliche Behandlung keine Linderung mehr bringen könne, weswegen das Rentenverfahren einzuleiten sei, der dokumentierten und ebenfalls von einer Schmerzsymptomatik geprägten vorbestehenden Erkrankungen, den dokumentierten demonstrativen Verdeutlichungstendenzen in den Untersuchungssituationen bei Dr. R., Dr. S. (und später bei Prof. Dr. S. und Dr. H.) und der von Dr. S. anschaulich geschilderten Gesamtpersönlichkeit des Klägers mit einer regelrechten Leugnung vorbestehender Beeinträchtigungen durch degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit bereits bestehender Schmerzsymptomatik im LWS- und Beinbereich hat der Senat keinen Zweifel an der von Dr. S. gestellten Diagnose einer im wesentlichen unfallunabhängigen und letztlich persönlichkeitsabhängigen dysfunktionalen Krankheitsverarbeitung. Der Sachverständige hat anschaulich dargelegt, dass der Kläger für seine Schmerzen, Mobilitätsdefizite und psychischen Beeinträchtigungen in monokausaler Weise allein das Schädigungsereignis vom 11.12.2003 verantwortlich macht. Diese unkritische Fehlattribuierung erklärt, weshalb der Kläger von einer Berentungspflichtigkeit seines Leidens überzeugt ist. Dazu trägt auch das vom Sachverständigen überzeugend herausgearbeitete, an Invalidität orientierte Selbstbild des Klägers bei, welches sich schon vor dem Schädigungsereignis im Streben nach Anerkennung einer Schwerbehinderung manifestiert hat und für das es aufgrund der Berentung der Ehefrau wegen Fibromyalgie und einer schweren Behinderung einer Tochter möglicherweise intrafamiliäre Modelle gibt.

Soweit Dr. H. im Gegensatz von Dr. S. von einer bewusstseinsnahen Ausgestaltung der Symptome ausgeht, kann dies im Ergebnis offenbleiben, weil sich hinsichtlich der Frage des Unfallzusammenhanges kein anderes Ergebnis ergäbe. Auch Dr. H. geht im Übrigen von einer persönlichkeitsbedingten Krankheitsfehlverarbeitung aus, wenn auch mit Regression und deutlicher Aggravation.

Schließlich ist der Senat auch nicht davon überzeugt, dass bei der MdE-Bewertung zusätzlich eine posttraumatische Belastungsstörung zu berücksichtigen ist. Der Senat folgt auch hier den schlüssigen und überzeugenden Ausführungen von Dr. S., die von Dr. H. und im Übrigen auch von Prof. Dr. S. in dessen Befundbericht vom 16.08.2006 als auch von Dr. H. in dessen Gutachten im Verfahren S 4 U 1953/09 geteilt werden. Auch für die in diesem Zusammenhang genannten Symptome (Nachhallerinnerungen, Alpträume, ) gilt, dass sie nicht in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis aufgetreten sind, sondern erstmals in den Behandlungsberichten des Nervenarztes G. (vgl. Befundbericht v. 22.11.2005) Erwähnung finden, also ebenfalls nach dem Beginn der manifesten psychischen Auffälligkeiten Ende September 2004. Selbst im Rahmen des stationären Aufenthaltes vom 11.04. bis 09.05.2005 in der Klinik Dr. R. wurde die Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung weder konstatiert noch eine entsprechende Diagnose gestellt. Gleiches gilt für die Berichte über die Behandlung beim Neurologen und Psychiater V. bzw. dessen Gutachten. Darüber hinaus hat der Kläger auch gegenüber Dr. S. nicht spontan bei offener Fragestellung unfallbezogene Alpträume und/oder Nachhallerinnerungen, Vermeidungsverhalten, und eine erhöhte Schreckhaftigkeit erwähnt, sondern erst auf gezielte Nachfrage unter Verweis auf die Berichte des behandelnden Nervenarztes. Die Untersuchung bei Dr. S. betätigte hingegen weder eine Hypervigilanz oder erhöhte Schreckhaftigkeit noch ist das Kriterium des Vermeidungsverhaltens nachgewiesen und erfüllt (zur Erforderlichkeit des Nachweises vgl. hierzu Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 144). Die Meidung der PKW-Nutzung bezog der Kläger gegenüber Dr. S. auf sein orthopädisches Leiden und die Notwendigkeit, im Beifahrersitz deutlich überstreckt liegen zu müssen. Ein Vermeidungsverhalten lässt sich zudem auch nicht positiv feststellen, denn der Kläger war längerfristig mehrmals pro Woche mit dem Taxi zur Krankengymnastik oder den physikalischen Anwendungen gefahren worden. Längere Strecken hat der Kläger als Beifahrer auch zu den gutachterlichen Untersuchungen bei Dr. S. zurückgelegt. Unabhängig davon, dass auch die geschilderten Nachhallerinnerungen in Form einer "Explosion", die so gegenüber dem behandelnden Psychotherapeuten geschildert wurden, mit dem realen Unfallhergang nicht in Übereinstimmung stehen, zeigten sich die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung damit nicht innerhalb von 6 Monaten nach dem Unfall (vgl. zur maximalen Latenz von 6 Monaten Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 144). In diesem zeitlichen Rahmen liegende Symptome lassen sich objektiv nicht feststellen. Soweit sich aus dem Gutachten des Nervenarztes G. anderes entnehmen lässt, insbesondere im Hinblick auf das Auftreten erster Symptome im Februar 2004, sieht der Senat den entsprechenden Nachweis für nicht erbracht. Objektive Belege etwa für das Auftreten einer Depression, von Alpträumen und Nachhallerinnerungen bereits im Februar 2004 im Abschnitt Anamnese und Befund des Gutachtens von G. werden dort nicht angeführt, gleiches gilt für die Behauptung, nach dem gescheiterten Arbeitsversuch Anfang Oktober seien Nachhallerinnerungen öfter aufgetreten. Er selbst hat den Kläger zu dieser Zeit noch nicht behandelt, auf eine Fremdanamnese beruft er sich insoweit ebenfalls nicht. Die Angaben sind aber auch schon deshalb unglaubwürdig, weil diese Feststellungen, die ausschließlich auf Angaben des Klägers beruhen dürften (jedenfalls ist anderes nicht angegeben) gemacht wurden, nachdem sowohl das Gutachten von Dr. S. als auch dessen ergänzende Stellungnahme vom 16.08.2007 (u.a. zur sachverständigen Zeugenaussage des Nervenarztes G.) im Klageverfahren vorgelegt worden sind, und daher offensichtlich war, aufgrund welcher Umstände und mit welcher Begründung eine posttraumatische Belastungsstörung nicht zur Anerkennung vorgeschlagen worden war. Gerade diese Umstände (zeitliche Verzögerung, Taxifahrten, ) werden nunmehr anders und für den Kläger belastend dargestellt. Es ist aber auch für den Senat nicht vorstellbar, dass Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung während des vierwöchigen Aufenthaltes in der Klinik Dr. R. unbemerkt geblieben sein könnten. Hierauf ist der Sachverständige in seinem Gutachten auch nicht eingegangen. Deshalb vermag der Senat dem Gutachten des nach § 109 SGG gehörten behandelnden Nervenarztes G. auch nichts grundlegend Abweichendes zur Frage der kausalen Verknüpfung der festgestellten psychischen Störungen mit dem Unfallereignis zu entnehmen. Der Senat teilt die Zweifel des SG am Beweiswert eines Gutachtens eines behandelnden Psychotherapeuten, der den Kläger über 2 ½ Jahre tiefenpsychologisch behandelt hat und seine Einschätzung vor der Begutachtung und damit Kenntnis der Aktenlage bereits in mehreren Behandlungsberichten und einer sachverständigen Zeugenaussage vertreten hatte. Es liegt in der Natur der Sache, dass insoweit bereits gestellte Diagnosen, die auch einer Behandlung zugrundegelegen haben, aus Sicht des Behandlers gewürdigt und auch verteidigt werden. Ungereimtheiten im Hinblick auf die Qualität der gestellten Diagnose hinsichtlich der depressiven Erkrankung sind bereits erwähnt worden, ebenso der Widerspruch hinsichtlich der Einschätzung der MdE von Seiten des SG im angefochtenen Urteil. Schließlich vermag das Gutachten aber schon deshalb nicht zu überzeugen, weil es sich auch nicht mit der in mehreren Gutachten beschriebenen Diskrepanz von dargebotener schwerer körperlicher Symptomatik und hiermit vergleichsweise geringem organischem Korrelat auseinandergesetzt hat. Eine kritische Hinterfragung der in den Vorgutachten beschriebenen Einschränkungen (Hilfe beim An- und Auskleiden, Fortbewegen mit Rollstuhl, mit Krücken nur wenige Meter) unter Berücksichtigung, dass neurologisch keine Störungen nachgewiesen sind, fehlt ebenso, weshalb hierauf eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für einen wesentlich unfallbedingten Ursachenzusammenhang nicht gegründet werden kann.

Soweit der Neurologe und Psychiater V. in seinem Gutachten vom 12.06.2005 ausführt, die Ausprägung der Schmerzen sei stark durch eine psychogene Komponente modifiziert worden und ein chronisches Schmerzsyndrom und eine reaktive Depression stünden im ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall, verkennt er die oben beschriebenen Zusammenhänge, weshalb sich der Senat dem ebenfalls nicht anzuschließen vermochte. Es fehlt insoweit schon an einer Auseinandersetzung mit den Befunden aus der Zeit vor dem Unfallereignis, die zwar erwähnt, aber nicht diskutiert werden, an einer kritischen Auswertung der Aktenlage und an der Erhebung einer Fremdanamnese, die zur Klärung einer Verschlechterung der Situation ab September 2004 erforderlich gewesen ist. Dies gilt umso mehr als er diese Verschlechterung in seiner sachverständigen Zeugenaussage vor dem SG selbst beschrieben hat.

Schließlich vermag auch das Gutachten von Dr. H. für eine private Versicherung eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Es beruht schon nicht auf Erwägungen, die die Maßstäbe der Kausalitätsbeurteilung der gesetzlichen Unfallversicherung berücksichtigt. Zudem ist es für den vorliegenden Fall schon deshalb nicht verwertbar, weil ihm maßgebliche Vorbefunde offensichtlich nicht zur Verfügung gestanden haben. So werden zwar die Berichte der Klinik F., des Klinikums K., der BGU und die Gutachten von V., Dr. R. und Dr. S. (letztere in Verfahren auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung), von Dr. H. sowie von G. zitiert, die Gutachten von Dr. S. und Dr. H. werden aber weder ausgewertet noch erwähnt, ebenso findet sich die Vorgeschichte mit stationärem Aufenthalt in der Rehaklinik S. nur in der Wiedergabe von Zitaten in anderen Gutachten, wie überhaupt die Mehrzahl von Befundberichten, insbesondere der BGU (vgl. Blatt 3 des Gutachtens), nur indirekt im Rahmen der aufgeführten Gutachten zitiert werden. Dabei kommt es schon zu offensichtlichen Unrichtigkeiten in der Wiedergabe der vertretenen Einschätzungen, wenn z.B. (vgl. Blatt 3) referiert wird, dass im Gutachten des Dr. S. (und/oder?) des Dr. R. das Leistungsvermögen auf 3 bis unter 6 Stunden eingeschätzt worden sei. In beiden Gutachten war jedoch das Leistungsvermögen bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und bezogen auf das jeweilige Fachgebiet mit 6 Stunden und mehr angegeben worden. Insoweit ist das Gutachten daher bereits für den Zeitpunkt der Erstellung dieser Gutachten (November 2004 bzw. Mai 2006) von einer schlechteren Leistungsfähigkeit ausgegangen, als dies diese Gutachter tatsächlich festgestellt hatten. Schließlich ist wesentliche Bezugsgröße des Gutachtens das Gutachten des behandelnden Nervenarztes G., zu dessen Aussagekraft der Senat bereits oben Stellung genommen hat. Unabhängig davon geht das Gutachten von einem Schmerzsyndrom sowie einer Depression aus, die sich gegenseitig verstärkend aufrechterhalten. Insoweit werden die Diagnosen chronische depressive Störung, mittelgradig bis schwer, derzeit mittelgradig (ICD10:F32.1) und eine dissoziative Störung, gemischt (Bewegungsstörung, sowie Sensibilitäts- und Empfindungsstörung (ICD10:F44.7) gestellt, und hierfür eine wesentliche Teilursächlichkeit des Unfalles angenommen. Dabei differenziert der Gutachter aber nach Entstehung, Aufrechterhaltung und Chronifizierung. Der Kausalität sei in den ersten beiden Jahren nach dem Unfallgeschehen 70 % Einfluss auf die unfallbedingten Beschwerden zuzuordnen, im weiteren Verlauf bekämen jedoch die speziellen sozialen und persönlichkeitsbedingten Faktoren in der Aufrechterhaltung des Beschwerdebildes zunehmend mehr Gewicht, sodass dem Unfallgeschehen nur noch 50 % Einfluss auf das Beschwerdebild zukomme. Eine solche Unterscheidung ist der Beurteilung der ursächlichen Zusammenhänge in der gesetzlichen Unfallversicherung aber fremd. Insoweit gilt das Alles-oder-Nichts-Prinzip; es muss also festgestellt werden, welcher Ursache die rechtlich wesentliche Bedeutung zukommt. Dies sind hier die persönlichkeitsbedingten Faktoren, wie sie der Senat den Gutachten von Dr. S. und Dr. H. entnimmt, und denen hier schon deshalb der Vorzug zu geben ist, weil die Wertung aufgrund einer sorgfältigen Würdigung der Aktenlage unter Berücksichtigung fremdanamnestischer Angaben begründet wurde. Hiermit setzt sich das Gutachten Dr. H. nicht auseinander. Festzuhalten bleibt jedoch, dass auch dieses Gutachten in einem nicht unerheblichen Umfang persönlichkeitsbedingte Umstände feststellt und allenfalls von einer subsyndromalen posttraumatischen Belastungsstörung ausgeht, ohne diese abschließend bei der Beantwortung der Beweisfragen nochmals zu wiederholen und als eigenständige Erkrankung aufzuführen.

2. Das SG hat die Klage zu Recht auch deswegen abgewiesen, weil ein Anspruch auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit und damit auf das beantragte Pflegegeld nicht besteht. Das SG hat im angefochtenen Urteil die maßgeblichen Rechtsvorschriften genannt und unter Berücksichtigung des Ermittlungsergebnisses zutreffend entschieden, dass Hilflosigkeit zumindest wegen der festgestellten Unfallfolgen nicht eingetreten ist. Diese Würdigung unterliegt nach eigener Prüfung durch den Senat keinen rechtlichen Bedenken und folgt schon aus den Schlussfolgerungen von Dr. S., dass die wesentlichen Anteile der geklagten Schmerzen, Mobilitätsdefizite und psychischen Beeinträchtigungen unfallunabhängigen Erkrankungen zuzuschreiben sind. Wegen der oben beschriebenen Einschränkungen von Seiten der Wirbelsäule ist der Kläger auch nach Überzeugung des Senats nicht so eingeschränkt oder hilflos, dass er für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in einem erheblichen Umfang auf Unterstützung anderer angewiesen ist. Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, verweist der Senat auf diese Ausführungen und sieht daher insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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