L 11 KR 1426/13 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 540/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1426/13 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 21.03.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtschutzverfahrens gegen die Nachforderung von Beiträgen zur freiwilligen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.

Der am 20.09.1980 geborene Antragsteller ist rumänischer Staatsbürger und beantragte am 18.08.2011 für sich, seine Ehefrau sowie seine beiden minderjährigen Kinder die Aufnahme in die freiwillige gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung bei den Antragsgegnerinnen. Zuvor war der Antragsteller aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei den Antragsgegnerinnen pflichtversichert. Ab dem 21.06.2011 meldete er ein Gewerbe in Form von Bodenbelagsarbeiten an (Gewerbeanmeldung Blatt 6 der Verwaltungsakte). Im Fragebogen zum Einkommen gab der Antragsteller an, dass er ab dem 21.06.2011 als Bodenleger mit einer 40 Stundenwoche selbständig sei. Die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit betrügen geschätzt monatlich 1700 EUR. Mit Bescheid vom 24.08.2011 bestätigte die Antragsgegnerin zu 1) die freiwillige Mitgliedschaft des Antragstellers und seiner Angehörigen und legte den Mindestbeitrag von 334,39 EUR monatlich (Kranken- und Pflegeversicherung) zugrunde. Die Beiträge würden erstmals im September 2011 für den Monat August 2011 abgebucht. Für die Zeit vom 21.06.2011 bis 31.07.2011 sei ein Beitrag von 445,86 EUR zu berechnen. Ein weiterer Bescheid vom 24.08.2011 der Antragsgegnerin zu 1) bestätigte die Mitgliedschaft für den Zeitraum 24.05. bis 20.06.2011; für diesen Zeitraum wurde ein Beitrag von 133,94 EUR aus der gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststufe für freiwillig Versicherte berechnet.

In einem Schreiben vom 06.09.2011 führte der Antragsteller aus, dass das erwartete Einkommen im Zeitraum vom 21.06.2011 bis August geringer gewesen sei und er für die Monate September bis Ende Oktober ein Einkommen von 1250 EUR pro Monat erwarte. Für den Zeitraum Dezember 2011 bis Ende Februar 2012 sei es von den Witterungsbedingungen abhängig und er erwarte ein Einkommen von etwa 800 EUR. Der Antragsteller legte Rechnungen über Bodenbelagsarbeiten über den Zeitraum vom 18.07.2011 bis zum 01.09.2011 bei. Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf Blatt 22 bis 28 der Verwaltungsakte verwiesen.

Nachdem ab August 2011 keine Beiträge gezahlt wurden, mahnten die Antragsgegnerinnen zunächst die Beitragszahlung am 26.09.2011 an und teilten dem Antragsteller schließlich am 28.10.2011 mit, dass der Anspruch auf Leistungen infolge des Beitragsrückstandes ab dem 04.11.2011 ruhe. Mit Schreiben vom 09.11.2011 leiteten die Antragsgegnerinnen ein Vollstreckungsersuchen an den Gerichtsvollzieher des Amtsgerichts E. ein. Das Vollstreckungsersuchen blieb jedoch erfolglos. Eine zunächst vereinbarte Ratenzahlung vom 05.01.2012 wurde vom Antragsteller nicht eingehalten. Ein Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 29.03.2012 wurde nicht wahrgenommen.

Ab dem 12.03.2012 wurde der Antragsteller dann infolge der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung von seinem Arbeitgeber zur Pflichtversicherung bei den Antragsgegnerinnen angemeldet. Auf Anfrage der Antragsgegnerinnen teilte der Antragsteller mit, dass er sein Gewerbe zum 23.02.2012 aufgegeben habe und keine Einnahmen aus einer selbständigen Tätigkeit mehr erziele (Gewerbeabmeldung Blatt 41 der Verwaltungsakte). Am 27.06.2012 erließen die Antragsgegnerinnen eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung über 4.133,52 EUR (rückständige Beiträge in Höhe von 3.460,82 EUR Säumniszuschläge in Höhe von 989,50 EUR und Gebühren in Höhe von 79,20 EUR). Nachdem der Arbeitgeber des Antragsstellers am 02.07.2012 mitteilte, dass der Antragsteller am 25.06.2012 aus dem Betrieb ausgeschieden sei, stellten die Antragsgegnerinnen mit Schreiben vom 19.09.2012 erneut einen Antrag auf Zwangsvollstreckung über einen Betrag von insgesamt 4.440,12 EUR. Nachdem der Antragsteller vom Gerichtsvollzieher am 02.12.2012 in seiner Wohnung nicht angetroffen und auch ein erneuter Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 22.11.2012 nicht wahrgenommen wurde, gab der Antragsteller nach Angabe der Antragsgegnerin zu Ziff 1) auf Blatt 45 der Verwaltungsakte am 31.01.2013 die eidesstattliche Versicherung ab (Blatt 50 bis 56 der Verwaltungsakte). Am 15.02.2013 unterzeichnete der Antragsteller ein unwiderrufliches Schuldanerkenntnis nach § 781 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) über Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 24.05.2011 bis zum 11.03.2012 in Höhe von 3.064,82 EUR, Säumniszuschläge in Höhe von 2.057 EUR Gebühren und Auslagen in Höhe von 133,50 EUR, insgesamt ein Betrag von 5.255,32 EUR. Es wurde eine monatliche Ratenzahlung in Höhe von 50 EUR beginnend ab dem 15.02.2013 vereinbart (Blatt 60-61 der Verwaltungsakte).

Mit E-Mail vom 17.02.2013 beantragte der Antragsteller die Neuberechnung der Krankenversicherungsbeiträge für die Monate Mai 2011 bis März 2012 sowie die Niederschlagung der Forderung. Er habe weniger Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit erzielt als erwartet und angegeben. Es sei ihm nicht möglich, die Forderung zu begleichen, denn er müsse noch seine Frau und seine zwei Kinder unterhalten. Er habe weder pfändbares Einkommen noch Vermögen. Die Forderung stelle eine unbillige Härte dar und sei nach § 76 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB IV zu erlassen. Er habe keine Versicherungsleistungen im Zeitraum, für den rückwirkend Beiträge erhoben worden seien, in Anspruch genommen. Er verweise auch auf die Niederschlagung in § 76 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB IV.

Am 20.02.2013 hat der Antragsteller Klage erhoben sowie einen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung des Gerichtsvollziehers beim Amtsgericht E. beim Sozialgericht Ulm (SG) gestellt. Zur Begründung hat der Antragsteller angeführt, dass er weniger Einkommen als erwartet und angegeben aus seiner selbständigen Tätigkeit erzielt habe. Er bitte zu verstehen, dass er den Unterhalt, die Ernährung und das Obdach für seine Familie vorrangig vor den Krankenversicherungsbeiträgen sehe und die Forderung nicht begleichen könne. Er habe keine Versicherungsleistungen im Zeitraum in Anspruch genommen. Die bereits angedrohten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seien aufgrund seiner finanziellen Situation ohne Erfolg. Er verweise diesbezüglich auf die Niederschlagung in § 76 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB IV.

Die Antragsgegnerinnen haben zur Antragserwiderung angeführt, dass die Vollstreckung infolge der Ratenzahlungsvereinbarung vom 15.02.2013 und der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 31.01.2013 vorerst ausgesetzt sei.

Mit Beschluss vom 21.03.2013 hat das SG den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass der Antrag infolge fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig sei. So sei die Zwangsvollstreckung durch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung beendet. Darüber hinaus hätten die Antragsgegnerinnen mitgeteilt, dass die Vollstreckung ausgesetzt sei. Auch habe der Antragsteller eine Ratenzahlungsverpflichtung unterzeichnet, so dass für die Antragsgegnerinnen momentan kein Anlass bestehe, an weitere Vollstreckungsmaßnahmen zu denken. Soweit sich der Antragsteller gegen die Höhe der Forderung wende, seien die Beitragsbescheide bestandskräftig geworden und die Rechtmäßigkeit ggf. im Rahmen eines Antrag nach § 44 SGB X zu überprüfen.

Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingelegte, mit Widerspruch betitelte Beschwerde. Der Antragsteller hat zunächst auf das Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren verwiesen und des weiteren vorgebracht, dass das Schuldanerkenntnis nur aus Angst abgegeben worden sei und er es hiermit für nichtig erkläre.

Der Antragsteller beantragt sachdienlich gefasst,

den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 21.03.2013 aufzuheben, die Zwangsvollstreckung einzustellen und die ausstehende Forderung in Höhe von 5.255,32 EUR nach § 76 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB IV niederzuschlagen.

Die Antragsgegnerinnen beantragen

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerinnen haben zur Beschwerdeerwiderung auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Gründe des Beschlusses vom 21.03.2013 verwiesen.

Am 17.05.2013 hat ein Termin zur Erörterung des Sachverhaltes stattgefunden. Der Antragsteller ist hierzu nicht erschienen. Die Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerinnen hat im Termin angegeben, dass die festgesetzten Beiträge in den Bescheiden vom 24.08.2011 Mindestbeiträge seien. Des weiteren seien von Seiten der Antragsgegnerinnen keine weiteren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in Folge der Abgabe der eidesstattlichen Versicherungen in nächster Zeit beabsichtigt.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerinnen verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Die gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs 3 Nr 1 SGG in der seit dem 11.08.2010 geltenden Fassung des Artikel 6 Drittes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und andere Gesetze vom 05.08.2010 (BGBl I Seite 1127) ausgeschlossen. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt, denn da aktuell keine Zwangsvollstreckung droht, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Eilentscheidung. Der Senat weist die Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht deshalb von einer weiteren Begründung ab (§ 142 Abs 2 Satz 3 SGG).

Lediglich ergänzend wird im Hinblick auf die Beschwerdebegründung ausgeführt, dass soweit sich der Antragsteller sinngemäß gegen die Höhe der Beiträge wendet, in den Beitragsbescheiden vom 24.08.2011 jeweils die Mindestbeiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung festgesetzt wurden. Dies bedeutet, dass selbst wenn der Antragsteller weniger Einkünfte als zunächst erwartet und angegeben erzielt hätte, eine Reduktion der Beiträge nicht möglich wäre. Insofern kann auch dahingestellt bleiben, ob das Schreiben vom 06.09.2011 einen Widerspruch darstellt und noch ein Widerspruchsverfahren offen ist. Diesbezüglich haben die Antragsgegnerinnen erklärt, dass derzeit ein Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X durchgeführt wird, so dass dem Begehren des Antragstellers nach Überprüfung der Beitragsbescheide Rechnung getragen wird. Auch soweit der Antragsteller eine Niederschlagung der Forderung nach § 76 Abs 2 Nr 2 SGB IV begehrt, steht dies im Ermessen der Antragsgegnerinnen. Es handelt sich zudem hierbei um eine endgültige Regelung, welche im Eilrechtsschutzverfahren nicht statthaft ist. Insofern ist es dem Antragssteller zumutbar, die Entscheidung der Antragsgegnerinnen über den Antrag auf Niederschlagung abzuwarten (vgl hierzu von Bötticher in juris PK-SGB IV, 2. Auflage 2011 § 76 SGB IV RdNr 15 ff).

Da nach den Angaben der Antragsgegnerinnen die Zwangsvollstreckung derzeit nicht betrieben wird und somit eine entsprechende Eilbedürftigkeit nicht besteht, kann auch dahingestellt bleiben, ob die als Anfechtung auszulegende Erklärung des Antragstellers, er erkläre die Unterschrift unter das Schuldanerkenntnis für nichtig, nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches tatsächlich wirksam ist. Hierzu müsste der Antragsteller einen Anfechtungsgrund darlegen. Allein das Vorbringen, er habe das Schuldanerkenntnis aus Angst unterzeichnet, reicht hierfür nicht aus (vgl. hierzu Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 71. Auflage 2012, § 123 RdNr 15 ff).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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