L 9 U 2788/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 17 U 1034/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 2788/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Ausschluss von Unfallversicherungsschutz im Rahmen von Regulierungsgesprächen nach einem Verkehrsunfall (im Anschluss an BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 26/07 - SozR 4-2700 § 8 Nr. 32)
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. April 2011 aufgehoben.

Die Klagen werden abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob es sich bei dem tödlichen Unfall des Ehemannes bzw. Vaters der Kläger vom 7.4.2008 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Der 1951 geborene G. K., im Folgenden K., wohnte mit seiner Familie (Ehefrau und damals drei Kindern) in Freiburg. Seit 17.3.2008 war er als Assistenzarzt auf Probe im St. Marien-Hospital in 34431 M. angestellt, wo er im Krankenhaus ein Zimmer hatte und während der Woche wohnte. Da K. am Montag, den 7.4.2008 Urlaub hatte, fuhr er am 7.4.2008 gegen 19:00 Uhr von seiner Wohnung in Freiburg los, um am nächsten Morgen, dem 8.4.2008, um 7:30 Uhr seinen Dienst im Krankenhaus anzutreten. Nach Angaben der Klägerin Ziff. 1 hatte K. die Absicht, den Weg in mehreren Etappen mit mehreren Pausen zurückzulegen und am Zielort unmittelbar die Arbeit aufzunehmen.

Auf der dreispurig ausgebauten Autobahn A 5 in Fahrtrichtung Kassel kam es gegen 23:30 Uhr in Höhe der Tank- und Rastanlage R. in der Gemarkung G. zu einer Kollision zwischen dem Fahrzeug des K., einem hellblauen VW Polo, und dem Fahrzeug des A., einem schwarzen Mitsubishi Lancer. K., der den rechten Fahrstreifen befuhr, wollte einen Lkw überholen und übersah dabei den auf dem mittleren Fahrstreifen fahrenden A. Hierbei kam es zu einer seitlichen Berührung beider Fahrzeuge, wobei die Hauptanstoßstelle am VW Polo des K. mittig des Fahrzeugs und beim Mitsubishi des A. an der rechten vorderen Fahrzeugseite lag. Der Mitsubishi geriet durch den Anprall ins Schleudern, stieß in die mittlere Leitplanke, von wo er abgewiesen wurde und kam schräg auf dem rechten Fahrstreifen zum Stillstand, wobei das Fahrzeugheck in den mittleren Fahrstreifen hineinragte. Das Fahrzeug von K. stand auf dem Ausfahrtstreifen der Tank- und Rastanlage äußerst weit rechts. Beide Fahrer hatten ihre Fahrzeuge verlassen. Nach einer kurzen Unterhaltung, bei der sich K. u.a. danach erkundigte, ob es A. gut gehe, machte sich A. auf in Richtung Tankstelle, um die Polizei zu benachrichtigen, während K. am Seitenstreifen/Ausfahrt zur Tankstelle blieb (so die Angaben von A. gegenüber der Polizei am 10.4.2008). Unmittelbar danach – A. hatte erst wenige Meter zurückgelegt – fuhr ein Großraum-Kastenwagen der Marke Fiat, Typ Ducato 120, frontal gegen die rechte hintere Seite des Mitsubishi des A. Dadurch wurde eine abrupte Verdrehung des Transporters ausgelöst und K. von dem herumschleudernden Transporter erfasst und tödlich verletzt. Die Unfallmeldung erfolgte um 23:35 Uhr; die Polizei traf um 23:48 Uhr an der Unfallstelle ein. Der Eintritt des Todes von K. ist mit 0:45 Uhr am 8.4.2008 bescheinigt.

Nachdem die Beklagte zunächst von einer kurzfristigen Unterbrechung des Arbeitsweges und einem weiterbestehenden Unfallversicherungsschutz des K. ausgegangen war, bewilligte sie der Klägerin Ziff. 1 Sterbegeld, das sie an das Sozialamt, das die Bestattungskosten getragen hatte, auszahlte und erstattete der Klägerin Ziff. 1 die Überführungskosten.

Nach Ergehen des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.2.2009 – B 2 U 26/07 R –, in dem ausgeführt ist, Regulierungsgespräche nach einem Verkehrsunfall stünden nicht im sachlichen Zusammenhang mit dem Weg nach oder von dem Ort der Tätigkeit, wenn dieser nicht nur geringfügig unterbrochen worden sei, holte die Beklagte eine Auskunft bei A. vom 30.6.2009 ein (der nunmehr angab, der zweite Unfall habe sich noch während des Gesprächs über die Benachrichtigung der Polizei und des ADACs ereignet) und vertrat die Ansicht, bei dem Ereignis vom 7.4.2008 habe es sich um keinen Arbeitsunfall gehandelt.

Mit fünf getrennten Bescheiden vom 12.8.2009 teilte die Beklagte den Klägern mit, die Ereignisse vom 7.4.2008 seien keine Arbeitsunfälle. Ansprüche auf Hinterbliebenenleistungen bestünden nicht. Zur Begründung führte sie aus, bei der Zeugenvernehmung der Polizei und bei ihrer eigenen Befragung habe A. angegeben, dass er und K. rechts neben seinem PKW gestanden und beratschlagt hätten, ob die Polizei verständigt werden sollte, da bei dem Verkehrsunfall keiner von beiden verletzt worden sei. Noch während dieser Unterredung sei es dann zu dem weiteren Verkehrsunfall gekommen, bei dem K. die tödlichen Verletzungen erlitten habe. Da K. beim ersten Verkehrsunfall offenbar keine körperlichen Verletzungen erlitten habe, seien für dieses Ereignis die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls nicht erfüllt. Auch beim zweiten Verkehrsunfall habe es sich um keinen Arbeitsunfall gehandelt, da die zum Unfallzeitpunkt ausgeübte Tätigkeit dem privaten Lebensbereich zuzurechnen sei. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG stünden Regulierungsgespräche nach einem Verkehrsunfall entgegen früherer Rechtsauffassung grundsätzlich nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Auch wenn ein Unfallbeteiligter seinen Verhaltenspflichten nach der Straßenverkehrsordnung bzw. dem Strafgesetzbuch nachkomme, stehe diese Handlung nicht im inneren Zusammenhang mit dem allein versicherten Zurücklegen des Weges zum Dienstort, sondern sei als nicht versicherte eigenwirtschaftliche Tätigkeit zu werten.

Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein und trugen u.a. vor, entgegen der Auffassung der Beklagten liege ein versicherter Wegeunfall vor. Das Urteil des BSG vom 17.2.2009 sei vorliegend nicht einschlägig. Bei dem Gespräch zwischen K. und A. sei es nicht nur um die Frage gegangen, ob die Polizei verständigt werden sollte, sondern auch darum, dass K. möglichst zügig die Fahrt zu seinem Dienstort in Marsberg habe fortführen sollen, um dort pünktlich zum Dienst zu erscheinen. Es sei bei der Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses – auch und in erster Linie – um eine im sachlichen Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Arbeitsweges stehende Tätigkeit gegangen. Anders als im vom BSG entschiedenen Fall habe K. nach dem ersten Unfall angehalten, sei nur wenige Meter nach vorne zu dem unfallbeteiligten A. gelaufen, habe sich mit diesem unterhalten, wie weiter verfahren werden sollte und habe – also zielgerichtet – schnellstmöglich den Weg zur Arbeit fortsetzen wollen. Schon wenige Sekunden nach dem ersten Unfall sei es dann zu dem tödlichen zweiten Unfall gekommen. Auch insoweit unterscheide sich der Rechtsstreit von dem vom BSG entschiedenen, wo der Kläger erst nach einer Wartezeit von 10 Minuten gewendet und in die Gegenrichtung zurückgefahren sei. Vorliegend habe keine mehr als geringfügige Unterbrechung der Fahrt vorgelegt. Auch bei Annahme einer mehr als geringfügigen Unterbrechung würde ein innerer Zusammenhang der Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit bestehen. Denn Zielrichtung des Gesprächs zwischen K. und A. sei auch in erster Linie gewesen, möglichst kurzfristig die Weiterfahrt zur Arbeit zu ermöglichen. Zumindest habe eine sog. gemischte Tätigkeit vorgelegen.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 25.1.2010 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Zur Begründung führte sie aus, es sei nicht ersichtlich, wie das Gespräch zwischen den Unfallbeteiligten das weitere Zurücklegen des Weges habe ermöglichen oder fördern sollen. Zum Unfallzeitpunkt habe ein Gespräch über die Regulierung des Unfallereignisses stattgefunden. Darüber hinaus habe sich der Unfall um ca. 23:30 Uhr ereignet und Dienstbeginn sei für 7:30 Uhr vorgesehen gewesen. Unerheblich sei, dass K. nach der Regulierung des Schadens wahrscheinlich zügig die Weiterfahrt zu seinem Arbeitsort aufgenommen hätte, soweit dies der verkehrstechnische Zustand seines PKWs zugelassen hätte. Bei der Unterbrechung des versicherten Weges durch die Unfallregulierung habe es sich auch nicht um eine nur geringfügige Unterbrechung gehandelt, während der der Versicherungsschutz fortbestanden habe. Es habe sich auch nicht um eine gemischte Tätigkeit gehandelt. Wäre der private Zweck (Unfallregulierung) entfallen, hätte sich K. zum Unfallzeitpunkt nicht zu Fuß auf der Fahrbahn befunden. Mit dem Verlassen des PKWs habe K. nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden.

Hiergegen haben die Kläger am 26.2.2010 Klage zum Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben und die Anerkennung des Ereignisses vom 7.4.2008 als Arbeitsunfall sowie die Verurteilung der Beklagten zum Erlass eines Leistungsbescheids (Hinterbliebenenleistungen) begehrt. Sie haben ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Ergänzend haben sie vorgetragen, K. sei klar gewesen, dass er den ersten Unfall verursacht habe. Es habe daher nur der Erklärung von K. zum Anerkenntnis der Haftung sowie der Beseitigung des beschädigten Fahrzeugs von A. von der Fahrbahn bedurft, um ohne wesentliche zeitliche Verzögerung den Weg zur Arbeitsstelle fortzusetzen. Das Fahrzeug von K. sei fahrbereit gewesen. Es liege auch zumindest eine gemischte Tätigkeit vor. Erst mit der Entscheidung für eine Unfallaufnahme wäre eine Unterbrechung des Weges eingetreten. Es könne offen bleiben, ob dann, wenn sich die Unfallparteien entschieden hätten, auf die Polizei zu warten und den Unfall förmlich aufzunehmen, eine nicht mehr versicherte Unterbrechung des Weges eingetreten wäre. Denn da sich das zweite Unfallereignis bereits unmittelbar nach dem ersten Unfall und damit noch im Zusammenhang mit der geringfügigen Unterbrechung der Fahrt mit dem Ziel der möglichst zügigen Weiterfahrt ereignet habe, bedürfe es keiner weiteren Feststellung der Handlungstendenz.

Mit Urteil vom 15.4.2011 hat das SG die Bescheide vom 12.8.2009 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25.1.2010 aufgehoben und festgestellt, dass der Tod von K. Folge eines Arbeitsunfalls war. Ferner hat es die Beklagte verurteilt, den Klägern Hinterbliebenenleistungen nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die als Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Klage sei sachlich begründet, da die gesetzlichen Voraussetzungen für die beantragte Feststellung erfüllt seien. Unter Berücksichtigung sämtlicher besonderer Umstände des Einzelfalls sei das SG zu der Überzeugung gelangt, dass die Tätigkeit von K. im Unfallzeitpunkt in einem inneren Zusammenhang mit dem Weg zur Arbeit zu bringen sei. Zum Zeitpunkt des Unfalls um 23:35 Uhr sei K. 4,5 Stunden unterwegs gewesen und habe bereits ca. drei Fünftel der Fahrtstrecke (von 507 km) zurückgelegt. Der Unfall habe sich bei nächtlicher Dunkelheit und damit eingeschränkten Orientierungsmöglichkeiten auf einer mit hohen Geschwindigkeiten befahrenen dreispurigen Autobahn ereignet. Nach Beurteilung des SG habe sich K. damit in einer für ihn sehr unangenehmen und offensichtlich gefährlichen Situation befunden. Nach den aktenkundigen Lichtbildern sei das Fahrzeug von K. mit einem beschädigten Reifen vorübergehend nicht mehr fahrbereit gewesen. Dies bedeute, dass aus Sicht des K. die Fahrt möglicherweise nach einer (im Verhältnis zum noch zurückzulegenden Weg) nur kurzen Unterbrechung nach einem Reifenwechsel fortzusetzen gewesen wäre. Zu berücksichtigen sei ferner, dass K., verheiratet und Vater von vier Kindern (eines davon damals noch ungeboren), die Arbeitsstelle im Marsberg erst vor wenigen Wochen nach längerer Arbeitslosigkeit angetreten hatte. Dies bedeute, dass er darauf angewiesen gewesen sei, die Fahrt möglichst bald wieder fortzusetzen, um seine Arbeit pünktlich aufnehmen zu können und das Arbeitsverhältnis nicht zu gefährden. Nach Aktenlage gehe das SG davon aus, dass zwischen beiden Unfällen nur wenige Minute gelegen und K. und A. nur wenige Worte gewechselt haben, als A. sich auf dem Weg zur Tank- und Rastanlage gemacht habe. Anhaltspunkte dafür, dass es sich hierbei um die Regulierung der Unfallfolgen, also den Austausch der Personalien und der Angaben zur Haftpflichtversicherung gehandelt habe, seien nicht ersichtlich. Das SG gehe deshalb davon aus, dass es ausschließlich um die Beseitigung der durch den Unfall hervorgerufenen unmittelbaren Gefahrenlage gegangen sei, nämlich um das Herbeirufen von ADAC und Polizei. Aus diesem Grund habe sich K. an der Unfallstelle aufgehalten, nämlich um deren Eintreffen abzuwarten. Eine auf eine Unterbrechung des Weges aus eigenwirtschaftlichen Gründen gerichtete Handelstendenz von K. sei nicht zu erkennen. Dieser habe sich – gegen seinen Willen aufgrund des vorangegangenen Unfalls – nur wenige Minuten im Bereich der Unfallstelle aufgehalten und damit keine Tätigkeiten entfaltet, die auf eine willensgesteuerte Unterbrechung des Weges aus eigenwirtschaftlichen Gründen hindeuteten. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 27.6.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5.7.2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, unstreitig sei, dass K. zum Zeitpunkt des ersten Unfalls unter Versicherungsschutz gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) gestanden habe. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17.2.2009 a.a.O.) ende der Versicherungsschutz jedoch, wenn das Verhalten des Versicherten nicht mehr durch den Willen zur Fortsetzung des Weges von oder zu dem Ort der versicherten Tätigkeit, sondern durch eine andere Handlungstendenz gekennzeichnet sei, wobei es auf die Dauer oder die Art der Unterbrechung des versicherten Weges nicht ankomme. Aufgrund des von ihm verursachten Unfalls sei K. verpflichtet gewesen, anzuhalten und die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen (§ 142 Abs. 1 StGB und § 34 StVO). Die Handlungstendenz sei zum Zeitpunkt des zweiten Unfalls nicht mehr auf die Fortsetzung des Weges gerichtet gewesen. Entgegen der Vermutung des SG dauere eine Unfallaufnahme nicht nur wenige Minuten. Auf der polizeilichen Bilddokumentation sei zudem zu erkennen, dass nicht nur der vordere Reifen beschädigt gewesen sei, sondern das linke Vorderrad (ohne eingeschlagen zu sein) am hinteren Radlauf aufliege. Hinweise darauf, dass K. die Unfallstelle habe absichern wollen, ergäben sich weder aus dem Polizeibericht noch dem verkehrstechnischen Gutachten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15. April 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Sie verweisen auf ihren bisherigen Vortrag und die Ausführungen im Urteil des SG. Ergänzend erwidern sie, entgegen der Ansicht der Beklagten spiele das zeitliche Moment bei der Beurteilung der Geringfügigkeit einer Unterbrechung des Fahrtwegs zur Arbeit eine entscheidende Rolle, wie sich aus dem Urteil des BSG vom 17.2.2009 ergebe. Der tödliche Unfall habe sich jedenfalls (noch) im Rahmen von Handlungen von K. zum Zwecke der zügigen Fortsetzung des Weges zur Arbeit ereignet.

Der Senat hat die Akten der Staatsanwaltschaft Gießen beigezogen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats und die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Gießen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe gemäß § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das SG hat zu Unrecht die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass der Tod von K. Folge eines Arbeitsunfalls ist. Soweit das SG die Beklagte verurteilt hat, den Klägern Hinterbliebenenleistungen nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren, handelt es sich schon um ein unzulässig unbestimmtes unechtes Grundurteil ohne einen bezüglich der "Leistungsgewährung" vollstreckungsfähigen Inhalt (vgl. BSG, Urteil vom 17.2.2009 – B 2 U 26/07 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 32 und in Juris).

Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; S. 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (S. 2). Für einen Arbeitsunfall eines Versicherten ist danach im Regelfall erforderlich, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauerndem Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Feststellung eines Arbeitsunfalls. Zu den versicherten Tätigkeiten eines Versicherten zählt nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben. Diese Formulierung kennzeichnet – wie das BSG zu § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ausgeführt hat – den sachlichen Zusammenhang der unfallbringenden versicherten Fortbewegung als Vor- oder Nachbereitungsverhandlung mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit. Er besteht, wenn die Fortbewegung von dem Zweck bestimmt ist, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung zu erreichen. Die darauf gerichtete Handlungstendenz muss durch die objektiven Umstände bestätigt werden. Allerdings muss auch die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses im sachlichen Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen des Weges stehen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Handeln des Versicherten zur Fortbewegung auf dem Weg zur oder von der Arbeitsstätte gehört (vgl. BSG, Urteil vom 17.2.2009, a.a.O., m.w.N.).

K., ein beim Marienhospital M. angestellter Arzt, war als Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert. Er befand sich auf der Fahrt von seiner Familienwohnung in Freiburg zu seinem Dienstort im M. auf einem gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII versicherten Weg. Diese versicherte Fortbewegung wurde durch den ersten Unfall, bei dem sich K. keine bzw. keine bekannten nennenswerten Verletzungen zuzog und bei dem er unter Unfallversicherungsschutz stand, unterbrochen. Diese Unterbrechung war auch nicht nur lediglich geringfügig.

K. verrichtete seine versicherte Tätigkeit nur solange, wie er sich in Richtung Marsberg, seinem Arbeitsort, mit seinem PKW fortbewegte. Er übte aber keine versicherte Tätigkeit mehr aus, als er nach dem ersten Unfall, der Kollision mit dem Fahrzeug des A., aus seinem Fahrzeug ausstieg, sich zum Fahrzeug des A. begab, um mit diesem abzusprechen, ob die Polizei gerufen bzw. wie der Unfall reguliert werden sollte. Dadurch ist der Weg zur Arbeit mehr als geringfügig unterbrochen worden. Der zunächst gegebene Versicherungsschutz ist mangels versicherter Fortbewegung entfallen. Der Aufenthalt ca. 40 m vom eigenen Fahrzeug entfernt neben dem Fahrzeug von A. zum Zwecke der Durchführung von Gesprächen über die weitere Vorgehensweise nach dem Unfall bzw. über die Regulierung des Schadens ist dem Weg zur Arbeit – unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG im oben genannten Urteil vom 17.2.2009, a.a.O., – nicht zuzurechnen. Ein Arbeitsunfall ist auch nicht wegen der Grundsätze zum Versicherungsschutz bei Vorbereitungshandlungen oder einer gemischten Tätigkeit anzunehmen.

K. ist einer versicherten Tätigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 SGB VII nachgegangen, solange und soweit er den Weg von seiner Familienwohnung seiner Arbeitsstätte zurückgelegt hat und auch als er mit dem Wagen von A. kollidiert ist. Zum Zeitpunkt des zweiten Unfallereignisses, bei dem K. tödlich verletzt wurde, befuhr er nicht mehr den Weg in Zielrichtung seiner Arbeitsstätte. K. war vielmehr aus seinem Wagen ausgestiegen und war zu Fuß ca. 40 m zum Wagen des A. gegangen. Damit war das Verhalten von K. nicht mehr durch den Willen zur Fortsetzung des Weges zur Arbeitsstätte, sondern durch eine andere Handlungstendenz, nämlich durch den Willen zur Kontaktaufnahme mit A. und zum Gespräch über die weitere Verfahrensweise bzw. die Einschaltung der Polizei, gekennzeichnet.

Bei dem Aussteigen aus dem eigenen Pkw, dem Zurücklegen von ca. 40 m zum Wagen des A., dem Gespräch mit A. und dem Warten auf die Polizei handelt es sich nicht nur um eine geringfügige Unterbrechung, während der der Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 4 SGB VII fortbestand. Eine Unterbrechung ist dann als geringfügig zu bezeichnen, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist. Das ist der Fall, wenn sie nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung des ursprünglich aufgenommenen Ziels führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenbei" erledigt werden kann (BSG, Urteil vom 17.2.2009, a.a.O., m.w.N.). Eine geringfügige Unterbrechung liegt jedenfalls beim Zurücklegen einer Wegstrecke von ca. 40 m zum Unfallgegner, einem Gespräch mit dem Unfallgegner und dem Warten auf die - zum Zwecke der Unfallaufnahme gerufenen - Polizei nicht vor. Dies umso mehr, als hier - auch aufgrund des Schadensbildes am PKW des K. - in zeitlicher Hinsicht nicht ohne Weiteres davon auszugehen war, dass dieser die Fahrt zum Arbeitsort alsbald hätte fortsetzen können, sei es mit dem eigenen PKW oder auf andere Weise.

Diese Wegeunterbrechung hat nach der Rechtsprechung des BSG im oben genannten Urteil vom 17.2.2009, das der Senat seiner Entscheidung zu Grunde legt, zum Verlust des Versicherungsschutzes geführt. Denn der Aufenthalt von K. neben dem Fahrzeug von A., mit dem Ziel sich mit A. über die weitere Vorgehensweise nach dem Unfall bzw. das Rufen der Polizei zu verständigen, stellt ein Gespräch über die Regulierung des Verkehrsunfalls und ein Verhalten dar, zu dem K. nach dem StGB und der StVO verpflichtet war. Dieses Verhalten ist – nach dem oben genannten Urteil des BSG vom 17.2.2009 – dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen.

So hat das BSG im Urteil vom 17.2.2009 – entgegen zahlreicher Literaturmeinungen – entschieden, dass übliche Regulierungsgespräche nach einem Verkehrsunfall, der Austausch von Personalien mit dem Unfallgegner und Unfallzeugen sowie Maßnahmen der Spurensicherung, grundsätzlich nicht im inneren Zusammenhang mit dem versicherten Weg stehen. Ein Unfallversicherungsschutz lasse sich auch nicht damit begründen, dass ein Versicherter den durch §§ 34 StVO und 142 StGB auferlegten Verhaltenspflichten nachkomme. Er lasse sich auch nicht damit begründen, dass der Versicherte einer Gefahr erlegen sei, der er wesentlich infolge des Zurücklegen des versicherten Weges ausgesetzt gewesen sei. Ein den Anforderungen der §§ 34 StVO und 142 StGB genügendes Verhalten diene nicht objektiv der Ermöglichung oder Förderung des allein versicherten (späteren) Zurücklegens des Weges. Diese Vorschriften schützten das private Interesse der Unfallbeteiligten und Geschädigten an einer möglichst umfassenden Aufklärung des Unfallhergangs und damit auch die Anspruchssicherung. Dem stehe auch nicht entgegen, dass ein Versicherter die Verletzungen nicht ohne das Zurücklegen des versicherten Weges erlitten hätte. Seine Schädigung sei nicht auf die betrieblich veranlasste Fortbewegung, sondern sein eigenwirtschaftliches Handeln mit dem Ziel, den Unfallgegner aufzusuchen und mit diesem einen unfallregulierendes Gespräch zu führen, entstanden.

Das Gespräch mit A. und das Warten auf die Polizei ist auch nicht als versicherte Vorbereitungshandeln für das versicherte Zurücklegen des Weges zur Arbeit anzusehen. Denn dieses Verhalten hat das versicherte Zurücklegen des Weges zur Arbeit nicht unmittelbar ermöglicht oder gefördert. Bei dem Gespräch mit A. bzw. dem Warten auf die Polizei handelt es sich auch nicht um eine sog. gemischte Tätigkeit. Diese setzt voraus, dass mit einer versicherten Tätigkeit gleichzeitig und untrennbar eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit verrichtet wird (BSG, Urteil vom 17.2.2009, a.a.O. m.w.N.). Der Weg zum Ort der Tätigkeit (mit dem PKW) lässt sich aber vom Weg zum Unfallgegner (zu Fuß) bzw. vom Verweilen neben dem Pkw des A. abgrenzen. Dass K. den ursprünglich angetretenen Weg zur Arbeit zu einem späteren Zeitpunkt (nach Eintreffen der Polizei, nach Unfallaufnahme, Reparatur seines Pkws bzw. Beschaffung eines Ersatzwagens oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln) wieder aufnehmen wollte, rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Unterbrechung des Zurücklegens des Weges zur Arbeit objektiv dazu gedient hat, seine Fortsetzung zu ermöglichen oder zu fördern.

Da Anhaltspunkte dafür, dass K. zum Zeitpunkt des zweiten Unfalls die Unfallstelle absicherte bzw. absichern wollte, nicht vorhanden sind, bestand auch kein Anlass, die Unfallkasse Hessen als für § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII zuständigen Versicherungsträger beizuladen. Darüber hinaus ist – wegen des Todes von K. – auch nicht aufklärbar, aus welchen Gründen im Einzelnen sich K. auf den Weg zum Wagen des A. gemacht hat, d.h. ob er von einer Verletzung von A. ausging und diesem primär Hilfe leisten wollte oder ob er lediglich seinen gesetzlichen Verpflichtungen aufgrund der Unfallverursachung nachkommen wollte. Zum Zeitpunkt des zweiten Unfalls war jedenfalls geklärt, dass durch den ersten Unfall keine Personen, auch nicht A., verletzt worden waren, weswegen überlegt worden ist, ob die Polizei überhaupt gerufen werden sollte.

Nach alledem waren die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden. Auf die Berufung der Beklagten mussten deswegen das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass das Begehren der Kläger letztlich keinen Erfolg hatte.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor, da der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und der Senat von der Entscheidung des BSG vom 17.2.2009, a.a.O. nicht abweicht.
Rechtskraft
Aus
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