L 3 U 19/10

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 224/07
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 19/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin für rückständige Unfallversicherungsbeiträge der insolventen K. Baugesellschaft mbH&Co KG (im Folgenden: Firma K.) zu haften hat.

Die Klägerin ist eines von mehreren Tochterunternehmen der P. Verwaltungsgesellschaft mbH. Als Unternehmenszweck des am XXXXX 1979 angemeldeten Gewerbes ist im Gewerberegister der "Erwerb und die Veräußerung von Grundstücken, deren Bebauung zum Zweck späterer Veräußerung sowie alle hiermit im Zusammenhang stehenden Geschäfte, ausgenommen erlaubnispflichtige Tätigkeiten" eingetragen. Auf der Homepage der "P.-Gruppe" heißt es: "Aus dem ehemaligen Handwerksbetrieb, gegründet 1919 durch Herrn P., der über viele Jahre erfolgreich im Baugewerbebereich tätig war, ist ein modernes Dienstleistungsunternehmen der Immobilienwirtschaft entstanden. Rund 2000 Einheiten mit einer vermieteten Fläche von über 115.000 m² in der Metropolregion H. aus dem Bestand der P.-Gruppe werden von uns gemanagt."

Die Klägerin beauftragte im Jahr 2004 die Firma K., ein Mitgliedsunternehmen der Beklagten, mit dem schlüsselfertigen Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses in H., M.-Straße, welches von der Beauftragten im Zeitraum vom 3. Mai 2004 bis zum 29. April 2005 für einen Gesamtpreis von etwa 750.000 Euro errichtet wurde. Hierbei entfiel auf das Jahr 2005 eine Gesamtrechnungssumme von 466.034,62 Euro.

Im Januar 2006 ging bei der Beklagten eine Mitteilung des Amtsgerichts Stade ein, dass über das Vermögen der Firma K. das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Die Beklagte meldete daraufhin zunächst eine Forderung von 100.000 Euro zur Insolvenz-tabelle an und ermittelte die Klägerin als für eine Auftraggeberhaftung in Betracht kommen¬des Unternehmen. Ihre Forderung gegenüber der Firma K. berichtigte die Beklagte nach Durchführung einer Betriebsprüfung, welche für das Jahr 2005 einen Beitragsrückstand von 13.647,01 Euro ergeben hatte, gegenüber dem Insolvenzverwalter auf 13.650 Euro. Diesen Betrag erkannte der Insolvenzverwalter als zur Tabelle angemeldeten rückständigen Beitrag an.

Mit Schreiben vom 20. November 2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Firma K. habe für die Lohnsummen des Beitragsjahres 2005 Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung nicht oder nicht vollständig gezahlt und hörte die Klägerin zu einem beabsichtigten Haftungsbescheid nach § 150 Abs. 3 Alt. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) an. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2006 forderte sie von der Klägerin aus Auftraggeberhaftung 5.657 EUR Beitrag für das Jahr 2005, wobei sie aus dem Auftragsvolumen für das Bauvorhaben M.-Straße einen Teilbetrag von 470.000 EUR für das betreffende Jahr zugrunde legte, die Bruttolohnsumme hiervon ausgehend auf 20 % (93.000 EUR) schätzte und hieraus den Beitrag errechnete.

Mit der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2007) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie sei kein Unternehmen des Baugewerbes. Vielmehr sei sie lediglich die "technische Abteilung" der P.-Gruppe. Sie erbringe (ausschließlich) Dienstleistungen für zwei weitere Tochter¬unternehmen der P. Verwaltungsgesellschaft mbH, die P. Grundstücksverwaltung GmbH&Co KG und die P. GbR, und beschäftige sich für diese mit der Vermietung von Wohnraum und der Betreuung im kaufmännischen und technischen Bereich. Insbesondere beschäftige sie keine eigenen Bauarbeiter. Sie sei wie ein Bauherr aufgetreten. Lediglich aufgrund ihrer Funktion als technische Abteilung der P. Gruppe habe sie die Firma K. mit der Errichtung eines schlüsselfertigen Bauwerks auf dem Grundstück der P. Grundstücksverwaltung GmbH & Co KG beauftragt. Außerdem sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen, ihre Forderung durch Erlass eines Beitragsbescheides zu geltend zu machen.

Mit Urteil vom 22. April 2010, auf welches Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe ein vom Bauherrn zur Verfügung gestelltes Grundstück bebauen und später die fertige Bauleistung der Grundstücksverwaltung abliefern sollen; damit sei sie wie ein Unternehmen des Baugewerbes aufgetreten. Die Klägerin beschäftige darüber hinaus zwei Architekten und sei als eigenständiges, gewerbsmäßig handelndes Unternehmen am Markt aufgetreten. Schließlich könne sich die Klägerin auch nicht exkulpieren. Hierfür sei es nicht ausreichend, dass die beauftragte Firma bislang immer zuverlässig in guter Qualität ihre Aufträge erledigt habe.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 5. Mai 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. Juni 2010, einem Montag, Berufung eingelegt, mit welcher sie weiterhin vorträgt, sie sei lediglich als "technische Abteilung" der P. Grundstücksverwaltung zu begreifen und kein Unternehmen des Baugewerbes. Dies folge schon aus ihrer "historischen Stellung". Zwar sei die Klägerin 1979 als Bauträger-Gesellschaft gegründet worden, jedoch fungiere sie seit 2002 nicht mehr als Bauträger, da sie keine eigenen Grundstücke bebaue und veräußere. Vielmehr sei sie seit 2002 lediglich "kaufmännische und technische Abteilung" für andere Firmen der P.-Gruppe. Ihre wesentliche Geschäftstätigkeit in den Jahren 2005 und 2006 habe in der Vermietung von Wohnräumen und der Betreuung im kaufmännischen und technischen Bereich bestanden. Lediglich "auf Grund ihrer Historie" habe die Klägerin den Bauauftrag an die Firma K. erteilt. Da diese aber nur als "technische Abteilung" der P. Grund¬stücks¬verwaltung tätig werde, verfolge sie auch keine eigenen unmittelbaren gewerblichen Zwecke. Sie sei daher wie ein Bauherr oder Letztbesteller am Markt aufgetreten. Außerdem könne sie sich exkulpieren. Die Firma K. habe nämlich für die Freie und Hansestadt H. mehrere Aufträge ausgeführt. Daraus habe sie, die Klägerin, schließen dürfen, dass diese Firma ihren sozialversicherungsrechtlichen Pflichten nachkomme. Im Übrigen habe die Beklagte nicht dargelegt, dass zum Zeitpunkt der Beauftragung der Firma K. bereits Zahlungsrückstände hinsichtlich der Sozialversicherungspflichten bestanden hätten. Eine Haftung komme auch nur bis 29. April 2005 in Betracht, denn zu diesem Zeitpunkt seien die Arbeiten fertig gestellt gewesen. Schließlich habe die Firma Kästner auch noch im Juli 2005 eine Bürgschaft der R. Versicherungen über 70.000 EUR erhalten. Auch hieraus ergebe sich, dass die Firma zu diesem Zeitpunkt noch als zahlungsfähig gegolten habe. Das gleiche gelte auch mit Blick auf eine Freistellungsbescheinigung des Finanzamts der Freien und Hansestadt B. vom 5. November 2004 gemäß § 48b des Einkommensteuergesetzes, welche ihr vorliege und für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2007 erteilt worden sei. Demgemäß habe kein Anlass bestanden, sich vor dem Ablaufdatum der Bescheinigung eine neue Bescheinigung ausstellen zu lassen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 22. April 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, 5.657,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Gewerblicher Unternehmer des Baugewerbes im Sinne des §§ 28e Abs. 3a SGB IV sei, wer gewerbsmäßig Bauaufträge vergebe. Auf das Vorhandensein eines Baubetriebes beim Hauptunternehmer komme es nicht an. So genannte "Letztbesteller" seien ausschließlich private Bauherren und andere nicht baugewerblich tätige Auftraggeber. Die Klägerin könne sich auch nicht exkulpieren. Eine Freistellungsbescheinigung der Finanzbehörde reiche dafür nicht aus. Auch reiche nicht aus, dass die Beklagte gegebenenfalls eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt hätte, wenn sie denn angefordert worden wäre. Es sei vielmehr ein aktives Tätigwerden der Klägerin erforderlich gewesen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 5. Februar 2012 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden.

Sie ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Haftungsbescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrages im Baugewerbe ist § 150 Abs. 3 Alt. 2 SGB VII, der § 28e Abs. 3a des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) für entsprechend anwendbar erklärt. Nach § 28e Abs. 3a SGB IV (in der hier anzuwendenden, bis zum 1. April 2012 geltenden Fassung) haftet ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 175 Abs. 2 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III, jetzt: § 101 Abs. 2 SGB III; im streitigen Zeitraum 2005 war die wortgleiche Begriffsbestimmung in § 211 Abs. 1 SGB III enthalten) beauftragt, für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmers oder eines von diesem Unternehmer beauftragten Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürge.

I. Die Beklagte hat zur Geltendmachung des Haftungsanspruches aus § 150 Abs. 3 Alt. 2 SGB VII zu Recht die Handlungsform des Verwaltungsaktes gewählt. Die Rechtsgrundlage hierfür ergibt sich aus § 168 SGB VII, nach dessen Abs. 1 der Unfallversicherungsträger dem Beitragspflichtigen den von ihm zu zahlenden Beitrag schriftlich mitteilt und zwar – wie sich aus Abs. 2 ergibt – in Form eines Verwaltungsaktes. Die Ermächtigung des § 168 SGB VII, in der Form des Verwaltungsaktes handeln zu dürfen, erstreckt sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der der erkennende Senat folgt, auch auf den Haftungsanspruch aus § 150 Abs. 3 Alt. 2 SGB VII (BSG, Urteil vom 27. Mai 2008 – B 2 U 11/07 R – Juris, Rn. 11 ff. mit ausführlicher Begründung und weiteren Nachweisen).

II. Die Klägerin ist auch als Unternehmer des Baugewerbes im Sinne des § 28e Abs. 3a Satz 1 SGB IV tätig geworden. Dies gilt auch, obwohl sie selbst Bauleistungen nicht erbracht hat. Erfasst werden nämlich auch Unternehmer, die ausschließlich andere Unternehmer Bauleistungen für sich ausführen lassen und bei denen dies wesentlicher Gegenstand ihrer unmittelbaren geschäftlichen Betätigung ist.

Dies entspricht der erwähnten Rechtsprechung des BSG (a.a.O., Rn. 18 ff.) und ergibt sich aus dem Ziel der gesetzlichen Regelung, die einer Umgehung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen entgegenwirken soll. Es soll verhindert werden, dass durch die im Bereich der Bauwirtschaft besonders verbreitete Beauftragung von Nachunternehmern sich der Hauptunternehmer der Verpflichtung der Zahlung der auf diese Arbeitsleistung entfallenden Sozialversicherungs¬beiträge entzieht, obwohl ihm die wirtschaftlichen Vorteile der Arbeitsleistung zugute¬kommen. Insbesondere soll verhindert werden, dass die Haftung durch die Bildung von Bauträgergesellschaften oder vergleichbaren Konstruktionen umgangen wird. Die Haftung soll sich nicht nur auf Unternehmer beschränken, die selbst von einem Auftraggeber einen Bauauftrag erhalten haben, sondern auch gewerbliche Auftraggeber mit einbeziehen. Lediglich Unternehmen, die nur als "Bauherren", also als Letztbesteller eines Werkes auftreten, bleiben von der Haftung ausgeschlossen (vgl. BT-Drucks 14/8211 S. 15). Eine Ausklammerung von Unternehmen aus der Haftung, die selbst keine Bauleistungen erbringen, würde genau die Umgehungsmöglichkeit eröffnen, die durch die hier streitige Haftung verhindert werden sollte. Als "Bauherr" oder Letztbesteller ist ein Unternehmen dabei nur dann anzusehen, wenn es mit der in Auftrag gegebenen Bauleistung keine unmittelbaren gewerblichen Zwecke verfolgt, wenn also die Beauftragung von Bauleistungen nicht der wesentliche, unmittelbare Gegenstand des Unternehmens¬betriebes ist, was etwa bei Unternehmen, die für ihre eigene Produktion ein neues Werksgebäude in Auftrag geben, gilt (BSG a.a.O., Rn. 20).

Diese gesetzgeberische Intention hat auch im Gesetzestext und der Gesetzessystematik Ausdruck gefunden. § 28e Abs. 3a Satz 1 SGB IV a.F. nimmt nach Wortlaut und Satzaufbau nur hinsichtlich des Begriffes der "Bauleistung" Bezug auf die Definitionen des § 175 Abs. 2 SGB III. Der Begriff "Unternehmer des Baugewerbes" zu Beginn des Satzes steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang zu dieser Verweisung, zumal § 175 Abs. 2 SGB III ebenso wie seine Vorläufervorschrift in § 211 SGB III den Begriff "Unternehmer" nicht verwendet, sondern den des "Betriebs". Dieses Vorgehen zeigt, dass der Gesetzgeber zwischen dem Unternehmer bzw. der Art des Unternehmens, das einen Auftrag erteilt, und der Art dieses Auftrags unterscheidet. Die in Auftrag gegebene Leistung muss eine Bauleistung sein, denn die Beauftragung dieser Leistung begründet die Gefahr der Umgehung von sozialrechtlichen Zahlungspflichten, die Anlass für die vorliegende Haftung ist. Ob das beauftragende Unternehmen bzw. der Unternehmer selbst solche Arbeiten ausführt, ist hingegen für diese Gefahr nicht entscheidend. Im Übrigen würde eine andere Auslegung zu einer im Hinblick auf den gesetzgeberischen Zweck nicht gerechtfertigten Einengung des Anwendungsbereiches der Haftung führen (BSG a.a.O., Rn. 21).

Dabei ist es unerheblich, ob die Klägerin zu Umgehungszwecken gegründet wurde oder nicht. Denn ausschlaggebend für die Haftung ist allein, ob eine bei abstrakter Betrachtung für eine Umgehung der sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen typischerweise geeignete Konstellation vorliegt. Ein ordnungsgemäß arbeitendes Unternehmen hat dann im konkreten Einzelfall die Möglichkeit, sich im Rahmen der auch für den Bereich des SGB VII anzuwendenden Exkulpationsregelung von der Haftung zu befreien (BSG, a.a.O. Rn. 22 ff.).

Ausgehend von den vorstehenden Erwägungen, dem sich aus dem Gewerberegister ergebenden Unternehmenszweck und dem Vortrag der Klägerin, sie habe sich ihrem Schwesterunternehmen, der P. Grundstücksverwaltung, gegenüber verpflichtet, auf deren Grundstück ein Gebäude zu errichten bzw. errichten zu lassen, um das Gebäude dann an die P. Grundstücksverwaltung zu veräußern und in der Folge die Vermietung zu übernehmen, hat die Klägerin als Gegenstand ihrer unmittelbaren geschäftlichen Betätigung die Firma K. für sich Bauleistungen ausführen lassen. Denn die Beauftragung der Bauleistung diente damit wesentlich dem Unternehmens¬betrieb – Betreuung und Umsetzung von Bauvorhaben der P.-Gruppe – und nicht bloß eigenwirtschaftlichen Zwecken wie dies bei der vom BSG als Beispiel genannten Beauftragung der Errichtung eines neuen Werksgebäudes der Fall ist.

III. Die Zahlungsverpflichtung der Klägerin ist auch nicht nach § 28e Abs. 3b SGB IV a. F. ausgeschlossen. Hiernach entfällt die Haftung, wenn der Unternehmer nachweist, dass er ohne eigenes Verschulden davon ausgehen konnte, dass der Nachunternehmer seine Zahlungsverpflichtung erfüllt. Einen solchen Nachweis der Exkulpation hat die Klägerin nicht geführt.

Nach der Gesetzesbegründung muss sich der Nachweis fehlenden Verschuldens darauf erstrecken, dass der Unternehmer bei der Auswahl des Nachunternehmers die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns angewandt hat, er also eine kalkulatorische, kaufmännische Prüfung vorgenommen hat (BT-Drs. 14/8221, S. 15). Hierzu gehört nach dem Willen des Gesetzgebers auch eine gewissenhafte Nachprüfung, ob die angebotene Leistung die Lohnkosten mit den Sozialversicherungsbeiträgen zutreffend einkalkuliert hat. Eine derartige Nachprüfung hat die Klägerin ersichtlich nicht vorgenommen. Sie behauptet dies auch gar nicht. Indem sie vielmehr die Forderung der Nachprüfung, ob bei den Lohnkosten Sozialversicherungsbeiträge einkalkuliert sind, in ihrer Berufungs¬begründung und auch noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als lebensfremd bezeichnet, belegt sie den Mangel bei der Durchführung der ihr obliegenden Prüfung des durch die Firma K. abgegebenen Angebots.

Die Klägerin war dieser Prüfung auch nicht dadurch enthoben, dass ihr eine Freistellungsbescheidung des Finanzamtes der Freien und Hansestadt B. gemäß § 48b EStG vom 5. November 2004 vorlag. Dies kann sie jedenfalls im Hinblick auf die Haftung für Beitragsschulden nicht entlasten. Denn eine Freistellungsbescheinigung nach § 48b Einkommensteuergesetz lässt keinerlei Rückschlüsse auf bisheriges Verhalten in Beitragssachen zu (vgl. LSG Sachsen, Urteil v. 22. März 2012 – L 2 U 163/10 – Juris Rn. 42). Die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes, welche eine Exkulpation nach § 28e Abs. 3b SGB IV a. F. gebietet, ist deshalb nur dann gewahrt, wenn der dem Grunde nach haftende Unternehmer diejenigen Nachforschungen tätigt, welche ihm einen Rückschluss auf die Zuverlässigkeit des Nachunternehmers auch in Beitragsangelegenheiten ermöglicht. Hierzu zählt die kaufmännische Prüfung der dem Angebot des Nachunternehmers zugrundeliegenden Kalkulation auch mit Blick auf abzuführende Beiträge, welche nicht nur das Sozialgericht gefordert hat, sondern welche auch die Gesetzesbegründung ausdrücklich als zur Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns gehörend erachtet (vgl. BT-Drs. 14/8221, S. 15). Zwar hätte es der Klägerin auch offen gestanden, zur Wahrung der Sorgfaltspflicht eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Sozialversicherungsträgers, hier der Beklagten, einzuholen. Auch dies hat sie aber nicht getan. Die Frage, welches Ergebnis die Unbedenklichkeitsprüfung durch die Beklagte im konkreten Einzelfall erbracht hätte, ist dabei ohne Relevanz. Denn nur die vorliegende Unbedenklichkeitsbescheinigung mindert den Prüfungsumfang (vgl. BT-Drs. 14/8221, S. 15) und führt zur Exkulpation.

IV. Schließlich kann die Klägerin auch nicht mit dem Vortrag durchdringen, eine Haftung komme nur bis zum 29. April 2005 in Betracht. Der Bescheid ist zwar "für das Jahr 2005" erteilt, das heißt aber nicht, dass er einen bestimmten Zeitraum, respektive den vom 1.1.2005 bis zum 31.12.2005, umfasst. Der Beitrag ist vielmehr der Höhe nach aus dem Auftragsvolumen errechnet. Ausgehend von einem Gesamtrechnungsvolumen der der Klägerin in Rechnung gestellten Leistungen in Höhe von rund 470.000 EUR hat die Beklagte die in dieser Summe enthaltene Bruttolohnsumme auf 20% (entspricht rund 93.000 EUR) geschätzt, was rechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. die vom BGH bestätigte Nettolohnquote von 2/3 im Baugewerbe, Beschluss v. 10. November 2009 – 1 StR 283/09 – Juris Rn. 20 ff.) und daraus den Beitrag errechnet. Dies entspricht den Vorgaben der §§ 152 ff. SGB VII. Einwände hinsichtlich der Höhe hat die Klägerin im Übrigen nicht erhoben, so dass sich der Senat zu weiteren Ausführungen nicht veranlasst sieht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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