L 2 SF 1534/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SF 1534/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf EUR 3.200,00 festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer.

Der 1947 geborene Kläger steht unter Betreuung. Im Ausgangsverfahren standen im Streit Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für den Zeitraum 13. Oktober 2005 bis 30. Juni 2007. Der Kläger erhielt in der hier streitigen Zeit eine Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet bis zum Februar 2009 - allerdings als Arbeitsmarktrente -.

Am 13. Oktober 2005 hatte der Kläger bei der Stadt Freiburg als Sozialhilfeträger die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung begehrt. Mit Bescheid vom 24. Juli 2006 lehnte die Stadt Freiburg die Gewährung von Leistungen gemäß § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) wegen fehlender Mitwirkung ab. Dieser Bescheid war Gegenstand einer Reihe von Verfahren, die im Ergebnis den Versagensbescheid bestätigten (S 9 SO 4232/06, S 9 SO 4734/06 ER, L 7 SO 5863/06 ER-B, L 7 SO 1298/07 und L 7 SO 1669/07, S 13 SO 1904/07 ER und L 7 SO 2486/07 ER-B). Letztlich hatte das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Beschlüssen vom 23. Januar 2007 und 5. Juli 2007 die jeweiligen Eilanträge abgelehnt und mit Urteilen vom 22. November 2007 auch in der jeweiligen Hauptsache die Berufungen gegen die klagabweisenden Urteile zurückgewiesen, die Nichtzulassungsbeschwerde wurde in einem Fall durch das Bundessozialgericht (BSG) als unzulässig mit Beschluss vom 20. März 2008 (B 8 SO 50/07 B) zurückgewiesen und im anderen Fall im Februar 2008 vom Kläger zurückgenommen (B 8 SO 51/07 B).

Im Ausgangsverfahren hatte die Frage im Streit gestanden, ob zwei Kaufverträge über Immobilien aus den Jahren 1995 und 1996 im Rahmen der Mitwirkungspflichten vorgelegt werden mussten. Dies wurde rechtskräftig durch das LSG bestätigt. Im Folgenden legte der Kläger nach Abschluss dieser Verfahren die Immobilienverträge vor.

Am 4. Juni 2008 wandte sich der Kläger erneut an das Sozialamt der Stadt Freiburg und erbat nunmehr die Ermessensentscheidung nach § 67 SGB I, im Hinblick auf die erfolgte Nachholung der Mitwirkungshandlung. Mit Bescheid vom 19. Juni 2008 lehnte das Sozialamt den Antrag auf Leistungen mit der Begründung ab, dass nicht der Sozialhilfeträger, sondern der Träger der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) zuständig sei. Der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2008 zurückgewiesen.

Hiergegen erhob der Kläger am 28. August 2008 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Freiburg (S 6 SO 4375/08) mit dem Begehren, für den Zeitraum vom 13. Oktober 2005 bis zum Wegfall der Hilfebedürftigkeit durch Erbschaft laufende Leistungen der wirtschaftlichen Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) zu gewähren. Letztlich beschränkte sich der streitige Zeitraum bis zum 1. Juli 2007, da dem Kläger nach dem 1. Juli 2007 weiteres Einkommen aus einem Vermächtnis zugegangen war.

Nachdem der Sozialhilfeträger den Antrag des Klägers an den Träger der Leistungen nach dem SGB II weitergeleitet hatte, ordnete das SG entsprechend dessen Vorschlag (Verfügung vom 5. November 2008) und auf Antrag der Beteiligten (Schreiben vom 10. November und 18. November 2008) mit Beschluss vom 5. Januar 2009 das Ruhen des Verfahrens an (S 6 SO 4375/08). Dieses Verfahren wurde vom Klägerbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 25. März 2010 wieder angerufen und unter dem Aktenzeichen S 4 SO 1664/10 fortgeführt.

Parallel hatte bezüglich eines Antrages des Klägers zunächst die ARGE Freiburg als SGB II-Leistungsträger keine Entscheidung getroffen, sondern die Bundesagentur für Arbeit als Träger von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) mit Bescheid vom 28. Februar 2007 und Widerspruchsbescheid vom 19. März 2007 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB III abgelehnt. Über Leistungen nach dem SGB II war darin nicht entschieden worden. Nachdem eine Entscheidung des SGB II-Trägers auch danach nicht erfolgte, erhob der Kläger am 10. August 2007 vor dem SG eine Untätigkeitsklage mit dem Ziel, die ARGE Freiburg zu verpflichten, über den Antrag vom 13. Oktober 2005 zu entscheiden (S 13 AS 4352/07). Nach einer Sachstandsanfrage des Klägers am 10. Juni 2008 erging ein umfangreicher Hinweis des SG an die ARGE Freiburg, im Rahmen dessen diese aufgefordert wurde, über den Antrag vom 13. Oktober 2005 nunmehr zu entscheiden. Am 24. März 2009 gab die ARGE Freiburg im dortigen Verfahren ein Anerkenntnis ab, das sie mit Bescheid vom 23. März 2009 parallel dazu bereits ausgeführt hatte, mit dem sie die begehrte Leistung (allerdings) in der Sache ablehnte. Hiergegen erhob der Kläger am 15. April 2009 Widerspruch und am 29. September 2009 vor dem SG eine weitere Untätigkeitsklage hinsichtlich des bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht beschiedenen Widerspruchs (S 2 AS 4907/09). Die ARGE Freiburg anerkannte den Anspruch auf Erlass eines Widerspruchsbescheides mit Schreiben vom 16. Februar 2010 an und erließ sodann am 1. März 2010 den im Rahmen dieser Untätigkeitsklage begehrten Widerspruchsbescheid.

Der Widerspruchsbescheid ging dem Klägerbevollmächtigten am 3. März 2010 zu, wogegen er am 25. März 2010 Klage vor dem SG erhob, betreffend die geltend gemachten Ansprüche auf Leistungen der Grundsicherung für den Zeitraum 13. Oktober 2005 bis 30. Juni 2007 nach dem SGB II (S 4 AS 1633/10).

Mit Beschluss vom 4. August 2010 verband das SG dieses gegen den SGB II-Träger gerichtete Verfahren S 4 AS 1633/10 mit dem parallel dazu wieder angerufenen gegen den Sozialhilfeträger gerichteten Verfahren (S 4 SO 1664/10 - zuvor S 6 SO 4375/08 -). Im Folgenden fand am 12. Oktober 2010 ein Erörterungstermin statt, in dem der Kammervorsitzende auf seiner Meinung nach verschiedene hier zu berücksichtigende Punkte (rechtliche wie auch noch tatsächliche Fragen) verwies. Am 4. April 2011 erfolgte ein weiterer Erörterungstermin, im Rahmen dessen nochmals verschiedene Aspekte des Falles hinsichtlich der Zuständigkeit der verschiedenen Träger als auch der Frage der Bedürftigkeit des Klägers und seines Gesundheitszustandes (Frage der Erwerbsminderung) angesprochen wurden. Am 31. Oktober 2011 gab sodann der Träger der Leistungen nach dem SGB II ein Anerkenntnis ab, wonach dem Kläger ab dem 13. Oktober 2005 Leistungen bis zum Wegfall des Bedarfs wegen Einkommen aus einem Vermächtnis gewährt wurden, das der Klägerbevollmächtigte am 4. November 2011 annahm und den Rechtstreit für erledigt erklärte.

Am 11. April 2012 hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten (per Fax) Klage vor dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg wegen überlanger Verfahrensdauer, betreffend die Leistungen der Grundsicherung erhoben. Der Kläger begehrt die Verurteilung des beklagten Landes Baden-Württemberg zur Zahlung einer Entschädigung nach § 198 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) i.H.v. 3.200,00 EUR. Zur Begründung machte der Klägerbevollmächtigte geltend, dass hier das Verfahren (wohl gerechnet ab der Klageerhebung am 28. August 2008) insgesamt 38 Monate bis zum Anerkenntnis im November 2011 gedauert habe. Angemessen sei eine Dauer von sechs Monaten. Damit bestehe für 32 Monate Anspruch auf Entschädigung i.H.v. 100,00 EUR monatlich, insgesamt also 3.200,00 EUR. Die Entschädigungsklage sei auch noch statthaft, das Anerkenntnis sei dem Bevollmächtigten am 3. November 2011 zugegangen, die Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wäre damit bis zum 3. Mai 2012 möglich gewesen, sodass die Voraussetzungen des Artikel 23 Satz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz von überlangen Gerichtsverfahren erfüllt sei.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger eine Entschädigung nach § 198 Abs. 2 GVG i.H.v. 3.200,00 EUR zu zahlen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der hier letztlich maßgeblichen Verfahren (S 4 AS 1633/10 und S 4 SO 1664/10, vormals S 6 SO 7375/08) dürfte die Klage zwar statthaft und damit zulässig sein, jedoch nicht begründet. Hinsichtlich des ersten Verfahrensdurchgangs vom 21. September 2006 bis zum 20. März 2008 habe der Kläger diese Leistungsablehnung angegriffen, was jedoch bis zum Bundessozialgericht ohne Erfolg geblieben sei. Damit sei rechtskräftig bestätigt worden, dass dem Kläger bereits wegen unterlassener Mitwirkung die Sozialhilfe habe versagt werden dürfen. Insoweit habe sich der Kläger die Verzögerungen der Leistungsgewährung selbst zuzuschreiben, abgesehen davon, dass die Verfahrensdauer hier für alle drei durchlaufenen Instanzen einschließlich einer Reihe vom Kläger angestoßener Nebenverfahren nur 18 Monate gedauert habe. Hinsichtlich des zweiten Verfahrensdurchlaufs, mit dem Antrag des Klägers im Juni 2008 auf erneute Leistungen nach dem SGB XII beim Träger der Sozialhilfe, sei festzustellen, dass der vorangegangene Abschnitt 2006 bis 2008 im Zusammenhang mit der Versagung von Leistungen nach § 66 SGB I rechtskräftig abgeschlossen sei, und nicht mehr dem zweiten Verfahrensdurchlauf hinzugerechnet werden könne. Konkret bezüglich des zweiten Abschnittes sei darauf zu verweisen, dass in diesen Verfahren von Anfang an sowohl die Bedürftigkeit des Klägers als auch dessen Erwerbsfähigkeit streitig gewesen sei. Ab dem August 2007 habe dies zur Eröffnung eines zweiten Verfahrensstrangs mit neuem Streitgegenstand geführt, dieser sei nicht auf Bewilligung von Sozialhilfe, sondern auf Gewährung von Arbeitslosengeld II durch die ARGE gerichtet gewesen. Die beiden insoweit vom Kläger erhobenen Untätigkeitsklagen - vom 10. August 2007 (S 13 AS 4352/07) und vom 28. September 2009 (S 2 AS 4907/09) - seien jeweils durch Anerkenntnis beendet worden, die Verfahrenslaufzeiten dieser beiden Untätigkeitsklagen seien mit 19 Monaten bzw. fünf Monaten nicht unangemessen lang gewesen. Der Kläger hätte zwar die Möglichkeit gehabt, nach Erhebung der Untätigkeitsklage den Erlass des Widerspruchsbescheides abzuwarten und später nach Erlass desselben seine Untätigkeitsklage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage unter Einbeziehung des Widerspruchsbescheides in den Klagantrag fortzuführen. Diesen Weg sei der Kläger jedoch nicht gegangen. Daher sei vom vollständigen Abschluss zweier isolierter Untätigkeitsklageverfahren auszugehen. Deren Dauer seien bei Inkrafttreten des Gesetzes über einen Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren nicht Gegenstand eines beim EGMR anhängigen Individualbeschwerdeverfahrens gewesen und habe zum Zeitpunkt des Inkrafttretens auch nicht mehr aufgrund des Ablaufes der Sechsmonatsfrist des Artikel 35 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvension (EMRK) noch zum Gegenstand einer Individualbeschwerde gemacht werden können. Darüber hinaus werde darauf verwiesen, dass die im Verwaltungsverfahren eingetretenen Verzögerungen, die diese Untätigkeitsklageverfahren notwendig gemacht hätten, dem Land Baden-Württemberg insoweit auch nicht zuzurechnen seien. Im zweiten Verfahrensdurchgang bestehe im Hinblick auf das gerichtliche Verfahren ab 28. August 2008 die Besonderheit, dass das die Bewilligung von Sozialhilfe betreffende Verfahren (auch) auf Antrag des Klägers in der Zeit vom 19. November 2008 faktisch und ab dem 5. Januar 2009 förmlich bis zum 25. März 2010 geruht habe. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des EGMR (Urteil vom 29. Mai 2012 - Nr. 53126/07 unter Nr. 45) habe aber dieser Zeitraum bei der Würdigung der Gesamtdauer des Verfahrens als sachlich gerechtfertigte Verfahrensverzögerung außer Betracht zu bleiben (EGMR Urteil vom 2. März 2006 - Nr. 29935/99; Hinweis auf weitere Entscheidungen). Erfolg habe der Kläger schließlich mit der am 25. März 2010 erhobenen Klage S 4 AS 1633/10 (verbunden mit der wiederangerufenen Klage S 6 SO 4375/08, fortgeführt unter S 4 SO 1664/10). Mit dieser Klage habe er einen Anspruch auf Gewährung von Alg II ab Oktober 2005 geltend gemacht und dieses Verfahren habe am 7. November 2011 seine Erledigung gefunden. Dieses Verfahren sei vom SG zügig betrieben worden und nach rund 20 Monaten zum Abschluss gebracht worden. Diese Verfahrensdauer sei der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten angemessen. Denn der Verfahrensgegenstand sowie das prozessuale Auftreten der Beteiligten und ihrer Bevollmächtigten hätte es für das Gericht erforderlich gemacht, umfangreiche Ermittlungen anzustellen und die Bevollmächtigten des Klägers anzuhalten, nach Kräften zum zügigen Fortgang des Verfahrens beizutragen. Auch belegten die beiden vom SG durchgeführten Erörterungstermine die intensive Befassung des Gerichts mit dem Rechtsstreit. Darüber hinaus hemmten sie zudem die Dauer einer etwaigen dem Land Baden-Württemberg anzulastende Verfahrensdauer (Hinweis auf EGMR, Urteil vom 6. Oktober 2005, Nr. 69584/01, unter Nr. 38). Insgesamt sei die Verzögerung des gerichtlichen Rechtsschutzes in der Sozialhilfesache bis März 2008 allein dem Kläger zuzurechnen (Nichtvorlage erforderlicher Dokumente). Die im August 2008 erhobene erneute Sozialhilfeklage habe auf Antrag des Klägers bis zum 25. März 2010 geruht, auch dieser Zeitraum falle in die Sphäre des Klägers. Die danach noch verbleibende Verfahrensdauer sei keineswegs unangemessen gewesen. In diesem Zusammenhang falle auch ins Gewicht, dass dem Kläger letztlich von Anfang an kein Anspruch auf Sozialhilfe zugestanden habe. Hinsichtlich der beiden Untätigkeitsklageverfahren aus den Jahren 2007 und 2009 beruhten die Verzögerungen hier jeweils allein auf der Arbeitsweise der beklagten ARGE und lasse sich auch insoweit daher hier keine unangemessene Verfahrensdauer feststellen. Abschließend werde noch darauf verwiesen, dass das LSG bereits in seinen beiden Beschlüssen vom 23. Januar 2007 (L 7 SO 5863/06 ER-B) und vom 5. Juli 2007 (L 7 SO 2486/07 ER-B) die Lösung des Rechtsstreits aufgezeigt habe, wie sie der Erledigung der nachfolgenden Verfahren im Jahr 2011 zugrunde gelegt worden sei. Bereits dort habe das LSG darauf hingewiesen, dass eine Zuständigkeit des SGB II-Trägers und nicht eine solche des SGB XII-Trägers anzunehmen gewesen sei. Dennoch habe der Kläger auf der Gewährung von SGB XII-Leistungen beharrt und damit maßgebend Komplikation und Verzögerungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren hineingetragen. In der Rechtsprechung des EGMR sei aber anerkannt, dass auch eine "kompromisslose Haltung" eines Klägers bei der Gesamtbetrachtung der Ursachen für die Dauer von Verfahren zu berücksichtigen seien (EGMR Urteil vom 6. Oktober 2005, unter Nr. 81).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Vorakten des SG Freiburg sowie des LSG und Senatsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg wäre für die hier beabsichtigte Klage zuständig (§ 51 Abs. 1 Nr.10, § 202 Satz 2 SGG i.V.m. den §§ 198 ff. GVG), da es sich bei dem Ausgangsverfahren um ein Verfahren aus dem Bereich der Sozialgerichtsbarkeit handelt.

II.

Die Klage ist auch zulässig. Sie ist insbesondere statthaft.

Es handelt sich bei diesen Verfahren, die mit Anerkenntnis der ARGE Freiburg vom 31.Oktober 2013 ihren Abschluss fanden, um sogenannte "Altverfahren" gem. Art. 23 des Gesetzes über den Rechtschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren.

Das Gerichtsverfahren im Sinne der §§ 198 ff. GVG beginnt mit der Einleitung, also der Klageerhebung, Antragstellung oder einem von Amts wegen veranlassten Tätigwerden (BT-Drs. 17/3802, Seite 22 zu § 198 Abs. 6 Nr. 1), wobei Verfahren über vorläufigen Rechtsschutz und die Gewährung von Prozesskostenhilfe mit erfasst werden (§ 198 Abs. 6 Nr. 1). Abgeschlossen ist das Gerichtsverfahren mit der (formellen) Rechtskraft, also wenn kein weiterer Rechtsbehelf mehr zur Verfügung steht. Maßgeblich ist daher nicht die einzelne Instanz (Roller DRiZ 2012 Heft Nr. 6 Beilage Seite 7 mit Hinweis auf BSG Urteil vom 2. Oktober 2008 – B 9 VH 1/07 RSozR 4-3100 § 60 Nr. 4; EGMR Beschluss vom 10. Februar 2009 Nr. 30209/05, juris).

Gemäß Art. 23 Satz 1 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (BGBl. I Seite 2302), in Kraft seit 3. Dezember 2011, gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten bereits anhängig waren, sowie für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist oder noch werden kann. Nach Art. 23 Satz 2 gilt § 198 Abs. 3 GVG für anhängige Verfahren, die beim Inkrafttreten des Gesetzes zum Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren schon verzögert sind, mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben werden muss. In diesem Fall wahrt die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den vorausgehenden Zeitraum (Satz 3). Ist bei einem anhängigen Verfahren die Verzögerung in einer schon abgeschlossenen Instanz erfolgt, bedarf es keiner Verzögerungsrüge (Satz 4). In der Gesetzesbegründung (Bundesrats-Drucksache 540/10 Seite 46 bzw. BT-Drs. 17/3802 Seite 31 zu Art. 22) ist hierzu ausgeführt: "Nach Satz 1 werden als Altfälle auch Verfahren erfasst, die bei Inkrafttreten bereits anhängig oder abgeschlossen waren. Abgeschlossene Verfahren werden nur erfasst, wenn sie nach dem innerstaatlichen Abschluss vor dem EGMR zu einer Beschwerde wegen der Verfahrensdauer geführt haben oder noch führen können. Dadurch sollen weitere Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland verhindert und der EGMR entlastet werden. Da die Beschwerdefrist des Artikels 35 Abs. 1 EMRK sechs Monate beträgt, darf der Verfahrensabschluss nicht länger als sechs Monate zurückliegen."

Hieraus ergibt sich nach Auffassung des Senates, dass nur solche abgeschlossenen Altverfahren (noch) zum Gegenstand einer statthaften Entschädigungsklage (hier) vor dem Landessozialgericht gemacht werden können, deren Dauer bereits in zulässiger Weise mit einer Beschwerde vor dem EGMR beanstandet worden sind oder zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren noch beanstandet werden könnten. Die Übergangsregelung greift hingegen nicht ein, wenn ein Verfahren vor dem EGMR wegen offensichtlicher Verfristung nach Art. 35 Abs. 1 EMRK nicht mehr erhoben werden könnte. Zweck der Übergangsregelung ist es, weitere Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland zu vermeiden und andererseits den EGMR zu entlasten. Dem würde es aber zuwiderlaufen, wenn bereits die Einlegung offensichtlich unzulässiger Beschwerden beim EGMR die Erhebung von Entschädigungsklagen vor den nationalen Gerichten ermöglichen würde. Dies wäre gerade dann der Fall, wenn bereits vor Jahren rechtskräftig abgeschlossene Verfahren vor nationalen Gerichten bei offensichtlicher Missachtung der Beschwerdefrist des Art. 35 Abs. 1 EMRK zum Gegenstand einer Individualbeschwerde vor dem EGMR gemacht werden könnten. Einerseits würde durch solche Beschwerden, die zu sachwidrigen Zwecken erhoben würden, die Geschäftsbelastung des EGMR noch zusätzlich erhöht. Andererseits würde auch der Zweck, weiteren Erfolg versprechenden Individualbeschwerden gegen die Bundesrepublik Deutschland die Grundlage zu entziehen, verfehlt werden.

Die hier letztlich allein Gegenstand des Entschädigungsverfahrens betreffenden Verfahren S 6 SO 4375/08, fortgeführt unter S 4 SO 1664/10 und S 4 AS 1633/10 sind mit dem Anerkenntnis der ARGE Freiburg vom 31. Oktober 2011, vom Klägerbevollmächtigten am 4. November 2011 angenommen, zum Zeitpunkt des Inkrafttreten des Gesetzes zum Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren am 3. Dezember 2011 abgeschlossen gewesen. Zu diesem Zeitpunkt war die Sechsmonatsfrist gemäß Artikel 35 EMRK für die Erhebung einer Individualbeschwerde noch nicht abgelaufen, bestand also noch die Möglichkeit eine solche zu erheben. Die am 11. April 2012 per Fax erhobene Klage erfolgte auch innerhalb der Sechsmonatsfrist gemäß Artikel 23 Satz 6 des Gesetzes zum Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und ist damit fristgerecht erhoben worden.

III.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Nach § 198 Abs. 1 GVG in der seit 3. Dezember 2011 geltenden Fassung gem. Art. 23 des Gesetzes vom 24. November 2011 (BGBl. I , 2302) wird wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Gem. § 198 Abs. 2 GVG wird ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen. Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter gem. § 198 Abs. 3 GVG nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge. Nach § 198 Abs. 4 GVG ist Wiedergutmachung auf andere Weise insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind. Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar (§ 198 Abs. 5 GVG). Gem. § 198 Abs. 6 GVG ist im Sinne dieser Vorschrift 1. ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren; 2. ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Eine allgemein gültige Zeitvorgabe, wie lange ein (sozialgerichtliches) Verfahren höchstens dauern darf, um nicht als unangemessen lang zu gelten, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Auch sonst ist die generelle Festlegung, ab wann ein Verfahren unangemessen lange dauert – insbesondere als feste Jahresgrenze – angesichts der Unterschiedlichkeit der Verfahren nicht möglich (BVerfG stattgebender Kammerbeschluss vom 20. Juli 2000 – 1 BvR 352/00, NJW 2001,214; Scholz Sozialgerichtsbarkeit 2012 Seite 19, 21; Roller DRiZ 2012 Heft 6 Beilage Seite 7). Die vom Klägerbevollmächtigten behauptete maximal zulässige Bearbeitungsdauer von 6 Monaten in Verfahren nach dem SGB II findet daher gerade auch in der Rechtsprechung keine Grundlage.

Ob der Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung seines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verletzt wurde, ist – wie in allen übrigen Verfahren - auch bei Gerichtsverfahren, die Ansprüche aus dem SGB II betreffen, vielmehr im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG zu beurteilen (vgl. auch BT-Drs. 17/3802, S. 1, 15). Als Maßstab nennt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (vgl. insoweit auch EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010, Beschwerde Nr. 21423/07, Rdnr. 32; Urteil vom 8. Juni 2006 Nr.75529/01 Rdnr. 128; Urteil vom 21. April 2011 Nr. 41599/09 Rdnr.42; BVerfG Beschluss vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11 - Rdnr. 16 in juris; Roller aaO S. 9; Scholz aaO S.22).

1. Im Rahmen der Prüfung der Schwierigkeit des Falles (vom EGMR als "complexity of the case" bezeichnet) sind sowohl rechtliche als auch tatsächliche Erschwernisse zu berücksichtigen, mithin etwa die Wichtigkeit und Sensibilität der zu beantwortenden rechtlichen Fragen und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Sorgfalt der gerichtlichen Prüfung und Untersuchung. Von Bedeutung sind auch der Umfang der gebotenen Anhörungen, das Ausmaß an erforderlicher Tatsachenaufklärung sowie das Erfordernis der Einholung von Sachverständigengutachten (EGMR, Entscheidung vom 25. September 2007, Nr. 71475/01, Rdnr. 172). Der EGMR unterscheidet hinsichtlich der Komplexität eines Falles 5 Kategorien in folgender Abstufung (siehe hierzu auch OVG Magdeburg Urteil vom 25. Juli 2012 - 7 KE 1/11 - juris Rdnr. 39ff):

1. nicht sonderlich bzw. besonders komplex ("not particularly complex"; EGMR, Urteil vom 30. Juni 2011, Nr. 11811/10, Rdnr. 28; Entscheidung vom 26. März 2009, Nr. 7369/04, Rdnr. 31) 2. gewisse sachliche und/oder rechtliche Komplexität ("certain complexity"; EGMR, Urteil vom 10. Februar 2011, Nr. 1521/06, Rdnr. 65) 3. ziemlich komplexe Sach- und Rechtsfragen bzw. erhebliche Komplexität ("considerable complexity"; EGMR, Urteil vom 29. Juni 2010, Nr. 29035/06, Rdnr. 56; Urteil vom 11. Januar 2007, Nr. 20027/02, Rdnr. 76; Urteil vom 26. März 2009, Nr. 20271/05, Rdnr. 64) 4. sehr komplex ("very complex"; EGMR, Urteil vom 25. September 2007, Nr. 71475/01, Rdnr. 172: Sorgerechtsverfahren) 5. sehr große Komplexität der Sache ("great complexity of the case"; EGMR, Urteil vom 2. März 2005, Nr. 71916/01 u. a., Rdnr. 131: Bodenreformgesetz).

Im Einzelnen ist unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze festzustellen, dass das Verfahren hinsichtlich der Schwierigkeit durch die Frage geprägt war, ob der Kläger in der hier streitigen Zeit zum Einen überhaupt hilfebedürftig ist und zum Anderen ob er erwerbsfähig im Sinne des SGB II ist, also noch mindestens drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachgehen konnte und damit Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II gehabt hätte oder aber er nicht mehr erwerbsfähig war und damit Anspruch auf Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII bzw. - wie wohl von Klägerseite auch geltend gemacht - Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gehabt hätte. Dies war auch vor dem Hintergrund streitig, als der Kläger zu dieser Zeit eine Rente wegen voller Erwerbsminderung erhielt, es sich hierbei jedoch um eine sogenannte Arbeitsmarktrente (§ 102 Abs. 2 Satz 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI)) handelte, also obwohl noch ein Leistungsvermögen für Teilzeittätigkeiten zwischen drei und sechs Stunden täglich vorhanden ist, im Hinblick auf einen verschlossenen Teilzeitarbeitsmarkt eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt wird. Dies heißt aber mit anderen Worten, dass noch von einem Leistungsvermögen von mindestens drei Stunden täglich auszugehen war, mit der Folge, dass in diesem Falle die Voraussetzungen für Leistungen nach dem SGB II gegeben gewesen wären. In dem Zusammenhang belegen auch die zwei vom SG durchgeführten Erörterungstermine am 12. Oktober 2010 und erneut am 4. April 2011, wonach ausweislich der Niederschrift sowohl auf tatsächlicher als auch auf rechtlicher Ebene Bedenken bestanden bzw. weitere Sachaufklärung von Seiten des SG als notwendig angesehen wurde, die hier bestehende Schwierigkeit des Falles, zumindest im Sinne einer gewissen sachlichen und rechtlichen Komplexität. Ganz abgesehen davon hatte das LSG in seinen beiden Beschlüssen im einstweiligen Rechtsschutz vom 23. Januar 2007 (L 7 SO 5863/06 ER-B) bzw. vom 5. Juli 2007 (L 7 SO 2486/07 ER-B) bereits darauf hingewiesen, dass alles dafür spreche, dass der richtige zuständige Leistungsträger nicht der im Ausgangsverfahren verklagte Sozialhilfeträger sondern der SGB II-Träger sei. Dennoch hat sich der Kläger zunächst in dem hier letztlich maßgeblich zu beurteilenden Verfahren im August 2008 erneut gegen den Sozialhilfeträger gewandt.

2. Hinsichtlich der Bedeutung des Verfahrens ist hier vor allem auf das Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer baldigen Entscheidung abzustellen (siehe hierzu u.a. EGMR Urteil vom 8. Juni 2006 Nr. 75529/01 Rdnr. 133; Roller aaO S.9 unter Hinweis u.a., wenn die wirtschaftliche Existenz betroffen ist, auf BVerfG Beschluss vom 2. September 2009 – 1 BvR 3171/08, EuGRZ 2009; 695; BVerfG Beschluss vom 20. Juli 2000 – 1 BvR 352/00, NJW 2001, 214, 215; EGMR Urteil vom 21. Oktober 2010 Nr. 43155/08, juris und Urteil vom 13. Januar 2011, Nr. 34236/06, juris; wenn um den Lebensunterhalt sichernde sozialrechtliche Ansprüche gestritten wird siehe BVerfG Beschluss vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11, info also 2012, 28 (Grundsicherung für Arbeitsuchende); EGMR Beschluss vom 25. März 2010 Nr. 901/05, juris (Rente nach dem OEG); anders EGMR Beschluss vom10. Februar 2009 Nr. 30209/05, juris (Erziehungsgeld für abgelaufenen Zeitraum); s.a. Roderfeld aaO Rdnr. 11 mwN). Von einem solchen Interesse ist insbesondere dann auszugehen, wenn sich bei einer Verzögerung der Entscheidung für einen Beteiligten schwere und nicht oder nur begrenzt reparable Nachteile ergeben.

In diesem Zusammenhang ist einerseits festzustellen, dass die vom Kläger begehrten Leistungen primär der Existenzsicherung dienten und von daher grundsätzlich von einer entsprechenden höheren Bedeutung des Verfahrens auszugehen ist. Allerdings kann auch nicht ganz ausgeblendet werden, dass der Kläger sich im Vorfeld im Hinblick auf seinen bereits im Oktober 2005 gestellten Antrag zunächst geweigert hatte, entsprechende Unterlagen (über Immobilienverkäufe) vorzulegen, und es allein deswegen zu mehreren Verfahren sowohl des einstweiligen Rechtsschutzes als auch Klage- bzw. Berufungsverfahren gekommen war, bevor überhaupt eine Entscheidung in der Hauptsache im Juni 2008 herbeigeführt werden konnte. Hinzu kommt, dass der Kläger seit Juli bzw. August 2007 unstreitig nicht bedürftig war, da er über Einkommen aus einem Vermächtnis ab diesem Zeitpunkt verfügte, sodass das im August 2008 erhobene Klageverfahren nicht mehr auf die Sicherung eines aktuellen Bedarfs, die Sicherung des Existenzminimums, sondern allein auf die Gewährung von Leistungen für zwischenzeitlich abgelaufene Zeiträume gerichtet war.

3. Des Weiteren ist Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch, dass die unangemessene Verfahrensdauer durch staatliches Fehlverhalten verursacht wurde, etwa organisatorisches Verschulden bei der ausreichenden personellen Ausstattung der Gerichte. D.h. auf der anderen Seite, Entschädigungsansprüche scheiden schon dann grundsätzlich aus, wenn und soweit die Verzögerung des Verfahrens ausschließlich durch die Verfahrensbeteiligten selbst oder durch Dritte verursacht worden ist und das Gericht keine Möglichkeit hatte, dem wirksam entgegen zu steuern (siehe Roller aaO S. 10/11 mit verschiedenen Beispielen und Fundstellen; Roderfeld aaO Rdnr. 12).

Hierzu ist festzuhalten, dass nach Erhebung der Klage am 28. August 2008, der dortige beklagte Sozialhilfeträger bereits am 17./19. September 2008 erwiderte und auf Verfügung des SG vom 5. November 2008 die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 10. November 2008 (Sozialhilfeträger) bzw. vom 18. November 2008 (Klägerbevollmächtigte) ein Ruhen des Verfahren im Hinblick auf das parallel laufende Verfahren gegen den SGB II-Träger (S 13 AS 4352/07) beantragten, was das SG sodann mit Beschluss vom 5. Januar 2009 anordnete. Das heißt, ab dem November 2008 bis zur Wiederanrufung durch den Klägerbevollmächtigten am 25. März 2010 ruhte das Verfahren auch im Einverständnis mit dem Kläger für letztlich insgesamt über 16 Monate. Diese Zeit geht im Rahmen der hier vorzunehmenden Prüfung zur Dauer des Verfahrens nicht zu Lasten des Beklagten. Der Zeitraum von 4 Monaten ab dem Wiederanruf am 25. März 2010 bis zum Verbindungsbeschluss des Ausgangsverfahrens (S 6 SO 4375/08, ab 25. März 2010 fortgeführt unter S 4 SO 1664/10) ist in Verbindung auch mit dem parallel im März erhobenen weiteren Klageverfahren gegen den SGB II-Träger (S 4 AS 1633/10) nicht zu beanstanden. Zwei Monate nach der Verbindung führte das SG seinen ersten Erörterungstermin am 12. Oktober 2010 durch. Auch dieser Zeitraum ist im Hinblick auf die notwendige Vorbereitung der Streitsache und der oben beschriebenen durchaus bestehenden Schwierigkeiten nicht zu beanstanden. In dem Zusammenhang ist auch, nachdem das Verfahren, anders als vom SG im ersten Erörterungstermin vorgeschlagen, nicht zum Abschluss gekommen war, der erneute Erörterungstermin am 4. April 2011 (sechs Monate später) nicht zu beanstanden. Ab diesem Zeitpunkt vergingen nochmals sieben Monate bis zum Anerkenntnis durch den SGB II-Träger im Rahmen derer aber auch noch - wie dem Schriftwechsel zu entnehmen ist - zwischen den beiden Leistungsträgern (nach dem SGB XII bzw. nach dem SGB II) über die Frage der Zuständigkeit gestritten worden war, bevor der SGB II-Träger letztlich von seiner Zuständigkeit ausging und das Anerkenntnis vom 31. Oktober 2011 abgab.

4. Dies alles zeigt für den Senat in der Gesamtschau, dass letztlich das Verfahren zwar formal ab der Klageerhebung im August 2008 vergleichsweise lang gedauert hat, andererseits aber zunächst die Bearbeitung des Falles nach Klageeingang im August 2008 bis zur Stellung der Ruhensanträge im November 2008 ohne Verzögerung bearbeitet worden ist. Des Weiteren der Ruhenszeitraum bis zum 25. März 2010 ebenfalls nicht zu Lasten des Beklagten zu berücksichtigen ist. Die folgenden Zeiträume nach Wiederanruf des Verfahrens und Verbindung mit dem parallel erhobenen Klageverfahren gegen den SGB II-Träger im März 2010 bis zum Verbindungsbeschluss im August 2010 und dem Erörterungstermin im Oktober 2010 aus den oben genannten Gründen im Hinblick auch auf die durchaus bestehenden Schwierigkeiten und offensichtlich vom sachbearbeitenden Richter gesehenen Notwendigkeiten hinsichtlich der Tatsachenermittlungen ebenso wenig zu beanstanden sind wie auch die weitere Zeit zwischen dem Erörterungstermin im Oktober 2010 und dem weiteren Termin im April 2011, die erneut durch Ermittlungen des sachbearbeitenden Richters geprägt war, der offenkundig anders als der Kläger noch Aufklärungsbedarf hinsichtlich der Bedürftigkeit für die damals streitige Zeit als auch hinsichtlich des gesundheitlichen Zustandes des Klägers sah. So wurde unter Anderem noch die Rentenakte des Klägers bei der DRV Bund angefordert und fanden auch weitere Schriftwechsel zwischen dem Gericht, dem Kläger und dem dortigen Beklagten hinsichtlich u.a. der Erwerbsfähigkeit statt. Schließlich kann der Akte auch entnommen werden, dass das SG nach dem weiteren Erörterungstermin vom 4. April 2011 bemüht war, dass Verfahren zum Abschluss zu bringen, wobei die letzten Briefwechsel zwischen den Beteiligten insbesondere noch durch die Frage der Zuständigkeit des SGB XII-Trägers oder des SGB II-Trägers geprägt waren.

Aus diesen Gründen war die Klage abzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 197a, 183 Satz 5 SGG.

Der Streitwert war in Höhe der geforderten Entschädigung mit EUR 3.200,00 festzusetzen (§ 52 Abs. 1 und 3 GKG).

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor, denn es besteht weder eine grundsätzliche Bedeutung noch liegt ein Fall der Divergenz vor.
Rechtskraft
Aus
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