L 4 KR 3014/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 5458/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3014/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie ihre Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) bei der Beklagten durch Kündigung beendet hat.

Die am 1944 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie zog am 15. Oktober 1986 in die Bundesrepublik Deutschland zu, bezog vom 16. Oktober 1986 bis 22. November 1986 und vom 24. November 1986 bis 25. April 1987 Arbeitslosengeld und war bei der AOK Bremen in der Krankenversicherung der Arbeitslosen pflichtversichert. Am 27. November 1986 beantragte sie Erwerbsminderungsrente. Vom 26. April 1987 bis 3. März 1988 bezog sie Krankengeld, ab 4. März 1988 Rente wegen Erwerbsminderung. Bereits am 4. Dezember 1986 meldete sie sich zur KVdR und bestätigte, das Merkblatt über die KVdR erhalten und zur Kenntnis genommen zu haben, dass eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdR aufgrund einer privaten Krankenversicherung nur innerhalb eines Monats nach Beginn der Mitgliedschaft möglich sei. Ab 27. November 1986 war die Klägerin bei der AOK Bremen als Rentenantragsstellerin versicherungspflichtiges Mitglied in der KVdR, ab 4. März 1988 aufgrund des Rentenbezuges. 1994 heiratete sie einen Beamten, der im August 2003 verstarb. Ab 1. Oktober 2003 bezog sie als Hinterbliebene einen Versorgungsbezug der Performa Nord Eigenbetrieb des Landes Bremen. Zum selben Zeitpunkt zog sie nach Baden-Württemberg um und wechselte zur beklagten Krankenkasse. Seit Mai 2009 bezieht die Klägerin Regelaltersrente. Mit Schreiben vom 26. November 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Versorgungsbezug der Performa Nord dem Grunde nach beitragspflichtig sei, Beiträge jedoch nur bei Überschreiten der monatlichen Einnahmeuntergrenze von EUR 119,00 zu entrichten seien und in diesem Fall von der Zahlstelle einbehalten und an sie (die Beklagte) abgeführt würden. Im Dezember 2009 erfuhr die Klägerin nach ihrer Behauptung durch einen Fernsehbericht, dass sie beihilfeberechtigt sei, und kündigte daraufhin mit Schreiben vom 17. Dezember 2009 ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten zum nächstmöglichen Termin, da sie Beihilfe in Anspruch nehmen werde. Sie fügte eine Kranken- und eine Pflegeversicherungsbescheinigung der DeBeKa Krankenversicherungsverein a. G. vom 11. Dezember 2009, Versicherungsbeginn 1. Dezember 2009, bei.

Mit Bescheid vom 22. Dezember 2009 - ohne Rechtsbehelfsbelehrung - stellte die Beklagte fest, dass die Kündigung gemäß § 173ff Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zum 28. Februar 2010 nicht wirksam erfolgt sei, weil nicht innerhalb der Frist von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht ein Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 des SGB V gestellt worden sei. Die Klägerin äußerte am 7. Mai 2010 telefonisch gegenüber der Sachbearbeiterin der Beklagten Mira, von der Versicherungspflicht in der KVdR befreit werden zu wollen und erhob mit Schreiben vom 24. Juni 2010 Widerspruch. Die Beklagte müsse die Kündigung anerkennen. Darauf bestehe ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, da sie (die Klägerin) nicht auf die Kündigungsmöglichkeit hingewiesen worden sei. Außerdem beantrage sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeten Versäumens der Antragsfrist für den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdR. Ausweislich des Schreibens vom 26. November 2003 sei der Beklagten der Versorgungsbezug und damit auch die Beihilfeberechtigung bekannt gewesen. Eine hinreichende Aufklärung über die Kündigungsfrist bzw. Möglichkeiten des Ausscheidens aus der gesetzlichen Krankenversicherung sei nicht erfolgt.

Mit dem als Anhörung nach § 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) bezeichneten Nichtabhilfebescheid vom 6. Juli 2010 stellte die Beklagte fest, der Widerspruch sei zulässig, aber nicht begründet. Da die Klägerin ab 4. März 1988 pflichtversichert gewesen sei, habe sie gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 SGB V innerhalb von drei Monaten, also bis zum Ablauf des 4. Juni 1988, einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht stellen können. Dies habe sie nicht getan. Aufklärung, Beratung und Auskunft seien hinreichend erfolgt, da die Klägerin durch ihre Unterschrift bestätigt - am 27. November 1986 das Merkblatt über die KVdR erhalten habe, in dem beschrieben sei, unter welchen Voraussetzungen mit welchen Fristen eine Befreiung von der KVdR möglich sei. Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei deshalb nicht möglich. Die Zahlung des Versorgungsbezuges der Performa Nord und die Kenntnis der Beihilfeberechtigung hätten keine Möglichkeit der Befreiung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V ausgelöst. Die Kündigung gemäß § 175 Abs. 4 SGB V bei Nachweis der Mitgliedschaft in einer anderen Krankenkasse oder des Bestehens einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall sei für die zweite Alternative nur für freiwillig versicherte, versicherungsfreie Mitglieder gegeben. Die Pflichtversicherung in der KVdR verdränge unabhängig von einem möglichen Beihilfeanspruch eine private Krankenversicherung. Die Wahl einer privaten Krankenversicherung, wie hier der DeBeKa, sei für eine pflichtversicherte Rentnerin ungültig. Die Entscheidung hinsichtlich der Krankenversicherung gelte analog für die Pflegeversicherung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2010 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Im Jahr 1986 bzw. 1988 habe gemäß § 173a Reichsversicherungsordnung (RVO) die Möglichkeit bestanden, innerhalb eines Monats nach Beginn der Mitgliedschaft einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht zu stellen, wenn zu diesem Zeitpunkt ein ausreichender Versicherungsschutz aufgrund einer Privatversicherung bzw. einer sogenannten Krankheitsvollversicherung bestanden habe. Nach den vorliegenden Unterlagen sei weder ein Antrag gestellt worden, noch habe ein anderweitiger ausreichender Versicherungsschutz bestanden. Durch die Aushändigung des Merkblatts über die KVdR sei eine Beratung erfolgt, so dass weder ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch geltend gemacht werden könne noch die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfüllt seien, da die Klägerin nicht ohne ihr Verschulden gehindert gewesen sei, einen solchen Antrag zu stellen. Im Übrigen wird im Widerspruchsbescheid die Begründung der Nichtabhilfeentscheidung vom 6. Juli 2010 wiederholt.

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2010 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Widerspruchsbescheid vom 23. September 2010 ein und beantragte, die Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzuändern und diese zu gewähren.

Mit ihrer am 25. Oktober 2010 zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren auf Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung ihrer Mitgliedschaft mit Schreiben vom 17. Dezember 2009 weiter. Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Beteiligten wiederholten ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.

Mit Urteil vom 31. Mai 2012 wies das SG die Klage ab. Die Dreimonatsfrist für den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht sei zum Zeitpunkt der von der Klägerin erklärten Kündigung abgelaufen gewesen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch könne ebenfalls nicht beansprucht werden. Zum Zeitpunkt des Schreibens der Beklagten vom 26. November 2003 sei die Dreimonatsfrist bereits verstrichen, eine Kündigung nicht mehr möglich gewesen. Die Klägerin sei bei Rentenantragstellung durch das ausgehändigte Merkblatt über die Befreiungsmöglichkeit unterrichtet gewesen. Ein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheide aus. Nach einem Jahr seit Ende der versäumten Frist könne Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt, die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich gewesen sei.

Gegen das über ihren Bevollmächtigten am 18. Juni 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. Juli 2012 Berufung eingelegt. Sie erfülle zwar keinen der in § 8 SGB V festgeschriebenen Tatbestände. In der Norm seien Gruppen von Schutzbedürftigen aufgeführt, die ihre Beziehung zur gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund eigener Willensentschließung beenden dürften. Dies realisiere die Vorsorgefreiheit im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz. (GG). Für ihren (der Klägerin) Sonderfall habe der Gesetzgeber keine Befreiungsmöglichkeit vorgesehen. Dennoch müsse sie einen Anspruch auf Befreiung haben, damit sie ihren durch Beihilfeleistungen abgesicherten Anspruch auf ärztliche und medizinische Versorgung ihrer Wahl verwirklichen könne. Der anderweitige Versicherungsschutz sei nicht mehr Tatbestandsmerkmal, bestehe aber bei der Klägerin aufgrund des Beihilfeanspruchs. Fraglich sei, ob im Rahmen von §§ 13, 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) sie nicht darauf hätte hingewiesen werden müssen, dass sie sich auch bei einem Anspruch auf anderweitige Absicherung nicht von der Versicherungspflicht befreien lassen könne.

Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31. Mai 2012 und den Bescheid vom 22. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2010 aufzuheben und festzustellen, dass ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten durch die Kündigung vom 17. Dezember 2009 zum 28. Februar 2010 beendet ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend, bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen und die angegriffenen Bescheide.

Die Berichterstatterin hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 26. Oktober 2012 in nichtöffentlicher Sitzung erörtert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, weil der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. September 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

1. a) Der Senat sieht als streitgegenständlich wegen der ausdrücklichen Bezeichnung in der Klage- und Berufungsschrift "Leistungen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)" im Klage- und im Berufungsschriftsatz allein die Mitgliedschaft der Klägerin in der Krankenversicherung an, nicht in der Pflegeversicherung.

b) Bei sachgerechter Fassung des Klagebegehrens liegt eine Anfechtungs- und Feststellungsklage vor, weil die Kündigung im Falle ihrer Wirksamkeit unmittelbar rechtsgestaltend wirkt und zur Beendigung der Mitgliedschaft keine weitere Tätigkeit der Beklagten erforderlich wäre.

2. Rechtsgrundlage für die am 17. Dezember 2009 erklärte Kündigung der Mitgliedschaft ist nicht § 175 Abs. 4 Satz 4 SGB V. Nach dieser Vorschrift wird die Kündigung wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedschaftsbescheinigung oder das Bestehen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall nachweist. Besteht Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 12 SGB V über den Zeitpunkt hinaus, zu dem die Mitgliedschaft gekündigt wurde, ist die Kündigung aber nur wirksam, wenn die Mitgliedschaft bei einer anderen gesetzlichen Krankenversicherung nachgewiesen wird. Hierdurch wird sichergestellt, dass Versicherungspflichtige ihrer Pflicht zur Versicherung in einer gesetzlichen Krankenkasse nachkommen (Krauskopf-Baier, SozKV, Stand November 2012, § 175 SGB V, Rn. 43). Der Satzteil "oder das Bestehen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall" eingefügt durch Art. 1 Nr. 135 Buchst. b) aa) Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26. März 2007, BGBl. I, S. 378 m.W.v. 1. April 2007 wird teilweise einschränkend nur auf das Ende einer Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bezogen, deren Voraussetzungen bei Bestehen einer anderweitigen Absicherung nicht mehr gegeben sind (so Kasseler Kommentar-Peters, Stand 1. Dezember 2012, Rn 41 zu § 175 SGB V unter Hinweis auf den Gesetzentwurf BT-Drs. 16/3100 S. 39 m. Begr. S. 158). Nach anderer Ansicht begründet die Vorschrift auch eine Kündigungsmöglichkeit für freiwillig Versicherte (so Krauskopf-Baier, SozKV, a.a.O. § 175 SGB V, Rn. 43).

Für die Klägerin bestand jedenfalls keine Kündigungsmöglichkeit nach § 175 Abs. 4 Satz 4 SGB V. Sie ist nach den - von der Klägerin nicht bestrittenen - Feststellungen der AOK Bremen vom 11. Dezember 1986 und vom 11. Juni 1990 gemäß § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO, § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V versicherungspflichtig in der KVdR seit Rentenantragstellung und wegen des Rentenbezuges ab 4. März 1988. Da die Klägerin bereits am 31. Dezember 1988 eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezog, ist es unerheblich, ob sie die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V für die Versicherungspflicht erfüllt (Art. 56 Gesetz zur Struktur im Gesundheitswesen - GRG -). Die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V beginnt und endet gemäß §§ 189, 190 SGB V ausschließlich in den dort geregelten Fällen, die hier nicht vorliegen, von Gesetzes wegen. Wesen der Versicherungspflicht ist es, dass ein Versicherungsverhältnis unabhängig vom Willen der Beteiligten zustande kommt (BSG SozR § 213 RVO Nr. 1; Krauskopf-Baier, a.a.O., Vor § 5 SGB V, Rn. 3). Sie kann demgemäß nicht durch Kündigung beendet werden.

3. Die Klägerin ist nicht als beihilfeberechtigte Hinterbliebene eines Beamten versicherungsfrei. Gemäß § 6 Abs. 2 SGB V sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V versicherungspflichtige Hinterbliebene der in Abs. 1 Nr. 2 und 4 bis 6 genannten Personen versicherungsfrei, wenn sie ihren Rentenanspruch nur aus der Versicherung dieser Personen herleiten und nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Beihilfe haben. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V sind versicherungsfrei Beamte, Richter, Soldaten auf Zeit sowie Berufssoldaten der Bundeswehr und sonstige Beschäftigte des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde, von öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten, Stiftungen oder Verbänden öffentlich-rechtlicher Körperschaften oder deren Spitzenverbänden, wenn sie nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe und Heilfürsorge haben. Der verstorbene Ehemann der Klägerin war gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB versicherungsfrei. Der beihilfeberechtigte Rentenbezieher ist aber nicht versicherungsfrei, wenn ein Rentenanspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus einem eigenen Versicherungsverhältnis und daneben ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung mit Beihilfeanspruch besteht (vgl. Krauskopf-Baier, a.a.O., § 6 SGB V, Rn. 41). Die Klägerin bezieht neben dem Versorgungsbezug Rente aus eigener Versicherung und ist daher nicht versicherungsfrei.

4.Einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht hat die Klägerin nicht gestellt. Zwar enthält der Verwaltungsvorgang der Beklagten eine Aktennotiz vom 7. Mai 2010 über ein Telefonat der Klägerin mit der Sachbearbeiterin Mira, dass "rückwirkend bzw. aktuell eine Befreiung von der Krankenversicherungspflicht als Rentnerin gewünscht" werde. Sie (die Klägerin) wolle "den Sachverhalt über ihren Rechtsanwalt klären lassen. Schriftwechsel folgt." Die Klägerin hat mit Schreiben vom 17. Dezember 2009 die Kündigung erklärt. Der erhobene Widerspruch vom 24. Juni 2010 ist auf Aufhebung des Bescheides vom 22. Dezember 2009 und Anerkennung der Kündigung gerichtet; gleichzeitig wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeten Versäumens der Antragsfrist für den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdR gestellt. Dieses Begehren hat sie im weiteren Verlauf des Verfahrens jedoch nicht in Form eines Antrages auf Befreiung weiter verfolgt, sondern jeweils als Argument für die Wirksamkeit der Kündigung angeführt. Sowohl der Klageantrag vor dem SG als auch der Antrag im Berufungsverfahren enthalten keinen Verpflichtungsantrag, gerichtet auf eine Befreiung durch Bescheid der Beklagten.

Ein Antrag auf Befreiung hätte keinen Erfolg gehabt. Es bestand nämlich bereits zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung kein Anspruch auf Befreiung.

a) Es besteht kein Anspruch auf Befreiung nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V. Danach wird auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wer durch den Antrag auf Rente, den Bezug von Rente oder die Teilhabe an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Abs. 1 Nr. 6, 11, 12 SGB V) versicherungspflichtig wird. Gemäß Absatz 2 ist der Antrag innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse zu stellen. Voraussetzung ist, dass durch den Rentenantrag bzw. -bezug die Versicherungspflicht eintritt. Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall. Sie war nämlich bereits zuvor aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld versicherungspflichtig nach § 155 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der Krankenversicherung der Arbeitslosen. Normzweck der Befreiungsvorschrift ist es, Personen, die vorher nicht dem sozialen Sicherungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung angehörten, die Freiheit einzuräumen, sich gegen den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung zu entscheiden, an der bisherigen Art der Absicherung festzuhalten und hierzu zeitlich befristet eine Befreiung zu beantragen. Daher entstand auch ein neues Antragsrecht der Klägerin nicht mit dem Übergang von der Erwerbsminderungsrente zur Regelaltersrente. Ein nahtloser Wechsel von einer Rentenart zur anderen begründet keine neue eigenständige Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V, so dass der Wechsel kein erneutes Befreiungsrecht nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 auslöst (BSG, Urteil vom 24. Juni 2008 - B 12 KR 28/07 R -; in juris).

b) Es bestand kein Anspruch auf Befreiung nach § 173a RVO in der Fassung vom 1. Dezember 1981 (gültig bis 31. Dezember 1988). Nach Absatz 1 wird auf Antrag von der Versicherungspflicht nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO befreit, wer bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert ist und für sich und seine Angehörigen, für die ihm Familienkrankenpflege zusteht, Vertragsleistungen erhält, die der Art nach den Leistungen der Krankenhilfe entsprechen. Auch diese Befreiungsmöglichkeit bestand nur bei erstmaligem Eintritt der Versicherungspflicht bei Vorversicherung in einem privaten Krankenversicherungsunternehmen. Auch hier bestand die Möglichkeit der Befreiung nur für den Fall, dass eine Pflichtversicherung erstmals eintrat, weil man es dem Betroffenen überlassen wollte, ob er die private Versicherung fortsetzen oder die gesetzliche Pflichtversicherung begründen wollte (LSG für das Saarland, Urteil vom 22. Juni 2011 L 2 KR 80/10 - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 10. Juli 1985 - 5a RKn 24/83 - m.w.N.; beide in juris). Es wäre auch systemwidrig, dem Versicherungspflichtigen bei Rentenantragstellung oder -gewährung ein Wahlrecht einzuräumen, ob er sich gesetzlich oder privat krankenversichert. Die Befreiungstatbestände betreffen Statusänderungen, die ausschließlich Personen betreffen, die zuvor nicht krankenversicherungspflichtig waren. Die Möglichkeit, dass ein Versicherungspflichtiger sich außerhalb der Regelung der früheren Familienkrankenpflege nach § 205 RVO oder der heutigen Familienversicherung in § 10 SGB V bei seinem nicht versicherungspflichtigen Ehegatten mitversichern kann, ist auch bei Arbeitnehmern kein Befreiungstatbestand. Daher ist nicht erkennbar, warum etwas anderes gelten sollte, wenn die Pflichtversicherung statt auf einen Arbeitsverhältnis auf einem Rentenverhältnis beruht (LSG für das Saarland, a.a.O). Damit fiel auch bezüglich § 173a RVO die Klägerin, die bereits vor dem Rentenantrag gesetzlich krankenversichert war, nicht in den Personenkreis, dem eine Befreiungsmöglichkeit zusteht.

c) Ein Anspruch auf Befreiung besteht nicht nach Art. 56 Abs. 4 des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen - Gesundheits-Reformgesetz GRG). Danach konnte bis zum 30. Juni 1989 die Befreiung von der Versicherungspflicht als Rentner beantragen, wer am 31. Dezember 1988 aufgrund des Bezuges einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig war. Auch diese Übergangsnorm setzt voraus, dass die Versicherungspflicht erst durch den Rentenbezug entstanden ist, was bei der Klägerin nicht der Fall war.

d) Da ein Anspruch auf Befreiung zu keinem Zeitpunkt bestand, kommt es auf die hierfür zu beachtenden Fristen, eventuelle Hinweispflichten der Beklagten im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs und Fragen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung von Antragsfristen nicht an.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

6. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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