L 11 R 3297/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 4544/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3297/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14.07.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Der 1957 geborene Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und seit Juli 1988 in der Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger hat eine Lehre zum Stahl- und Betonmonteur absolviert und übte zuletzt bis zum 05.02.2008 eine Tätigkeit als Bauhelfer im Maler- und Stuckateurbereich aus. Wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles (Lendenwirbelkörper 2 Fraktur mit Keilwirbelbildung in Fehlform/Kyphose) im Jahr 2006 bezieht der Kläger eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20%. Vom 11.09.2007 bis zum 02.10.2007 befand sich der Kläger in einer Maßnahme zur stationären Rehabilitation in der Rheumaklinik Bad W ... Im Entlassungsbericht vom 04.10.2007 wurden noch leichte Tätigkeiten als vollschichtig für zumutbar gehalten. (M 4 der Verwaltungsakte). Vom 04.02.2008 bis zum 20.09.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer beruflichen Integrationsmaßnahme.

Der Kläger beantragte am 10.11.2008 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte ließ den Kläger unfallchirurgisch begutachten. In seinem aufgrund einer ambulanten Untersuchung erstellten Gutachten vom 08.04.2009 kam Dr. N. zum Ergebnis, dass der Kläger noch leichte Tätigkeiten ohne Bücken, Heben und Tragen von Lasten und ohne Absturzgefahr mit wechselnder Körperhaltung abwechselnd im Gehen, Stehen und Sitzen verrichten könne. Dr. N. diagnostizierte einen Zustand nach Lendenwirbelsäulenanprall Vorderkantenfraktur Lendenwirbelkörper 2, subligamentäre Bandscheibenvorfälle L1/2 und L2/3 ohne erkennbare diesbezüglich maßgebliche nervale Kompression sowie einen Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung/Anpassungsstörung.

Die Beklagte ließ den Kläger des Weiteren nervenärztlich begutachten. Dr. Sch. kam in seinem aufgrund einer ambulanten Untersuchung erstellten Gutachten vom 07.05.2009 zu dem Ergebnis, dass dem Kläger noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig verrichten könne. Dr. Sch. diagnostizierte nach Arbeitsunfall mit Wirbelkörperfraktur keine neurologischen Reiz- oder Ausfallerscheinungen sowie funktionell überlagerte körperliche Beschwerden ohne derzeitigen Anhalt für somatoforme Schmerzstörungen im engeren Sinn.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 02.07.2009 ab. Der hiergegen am 29.07.2009 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2009 zurückgewiesen.

Der Kläger hat am 16.12.2009 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte ihren medizinischen Sachaufklärungspflichten unzureichend nachgekommen sei und die Leistungsfähigkeit des Klägers weder umfassend noch fachkompetent gewürdigt habe. So seien weder die Befundberichte der behandelnden Ärzte noch ein Gutachten eingeholt worden.

Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Schm. hat am 16.03.2010 mitgeteilt, dass eine Aussage zum aktuellen Leistungsvermögen nicht abgegeben werden könne, da sich der Kläger letztmalig am 03.06.2008 vorgestellt habe. Der Facharzt für Orthopädie Dr. D. kommt in seiner Stellungnahme vom 25.03.2010 zum Ergebnis, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, leichte Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten.

Das SG hat Dr. B. mit der Erstellung eines fachorthopädischen Gutachtens von Amts wegen beauftragt. In seinem am 08.06.2010 erstellten Gutachten führt Dr. B. aus, dass der Kläger unter der Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen noch leichte Tätigkeiten arbeitstäglich über sechs Stunden verrichten könne. Zusätzlich hat das SG Dr. Z. mit der Erstellung eines orthopädischen Gutachtens nach § 109 SGG beauftragt. In seinem am 23.03.2011 erstellten Gutachten kommt Dr. Z. zu der Einschätzung, dass der Kläger nur noch leichte Tätigkeiten unter drei Stunden täglicher Arbeitszeit auf Dauer ausführen könne.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 14.07.2011 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass durch das schlüssige und widerspruchsfreie Gutachten von Dr. B. die abweichende Leistungseinschätzung von Dr. Z. widerlegt sei. So habe Dr. Z. im Wesentlichen die gleichen Diagnosen wie Dr. B. und Dr. N. erhoben und seine abweichende Auffassung auf neurologische Störungen insbesondere auf fachfremde Befunde gestützt. Hieraus ergebe sich jedoch weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung, sondern lediglich qualitative Leistungseinschränkungen. So nehme der Kläger keine diesbezügliche Fachbehandlung wahr und Dr. Sch. habe in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten keine krankhaften Befunde objektivieren können.

Der Kläger hat hiergegen fristgerecht Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass die Schmerzsymptomatik im Gutachten von Dr. B. nicht ausreichend gewürdigt worden sei. Dr. Z. habe schlüssig dargelegt, dass eine Verschlechterung eingetreten sei. Insoweit gehe der Verweis auf die Gutachten von Dr. Sch. und Dr. N. durch das SG ins Leere, da diese bereits im Jahr 2009 ihre Gutachten erstellt hätten. Auch sei die Wegefähigkeit auch dann aufgehoben, wenn beim Gehen auch unter der Verwendung von Hilfsmitteln erhebliche Schmerzen aufträten.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 14. Juli 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2009 aufzuheben, 2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung auf die ihrer Auffassung nach zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Der Senat hat Dr. St. mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Amts wegen beauftragt. In seinem am 03.05.2012 erstellten Gutachten hat Dr. St. ausgeführt, dass neurologisch-psychiatrisch keine funktionsrelevanten Einschränkungen vorlägen. Der Kläger sei noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich einer regelmäßigen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen.

Am 17.10.2012 hat der Gutachter nach Beiziehung weiterer Befunde durch den Senat (Bl 69 bis 73, 79 sowie 83 bis 86 der Berufungsakte) eine ergänzende Stellungnahme abgegeben. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl 89 bis 91 der Berufungsakte verwiesen.

Am 17.04.2013 hat der Kläger die Anhörung eines Arztes nach § 109 SGG auf schmerztherapeutischem Fachgebiet beantragt. Diesen Antrag hat er nach Hinweis auf die Senatsrechtsprechung zur wiederholten Antragstellung nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Schreiben vom 23.05.2013 wieder zurückgenommen.

Der Senat hat darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss nach § 153 Abs 4 SGG zurückzuweisen, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Den Beteiligten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 27.05.2013 gegeben und der Hinweis an die Beteiligten zugestellt (Empfangsbekenntnisse Bl 108 der Berufungsakte).

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die beigezogenen Verfahrensakten in den Verfahren S 11 U 4139/07 und L 2 U 5911/09 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 02.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 10.11.2008.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach dem Ergebnis der vom SG sowie vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten, die der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Akkord, ohne Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck, ohne Nacht- oder Wechselschicht, ohne Tätigkeiten an laufenden Maschinen, ohne taktgebundene Arbeiten, ohne Arbeiten unter ungünstigen Witterungsverhältnissen, mit Einfluss von großen Temperaturschwankung, Zugluft, Kälte und/oder Nässe sowie ohne Arbeiten mit besonderer Anforderung an die nervliche Belastbarkeit und an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen sowie die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche verrichten kann. Der Kläger ist damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Dr. N. hat bei seiner im Verwaltungsverfahren erfolgten Untersuchung des Klägers keine Hinweise auf eine Nervenwurzelkompression feststellen können. Auch der Lasègue als Hinweis für Nervenwurzelreizsyndrome hat sich negativ gezeigt. Insgesamt bestand eine Diskrepanz zwischen den klinischen Befunden und dem Beschwerdevortrag. Die von Dr. N. festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen führen zum Ausschluss von Tätigkeiten mit Bücken, Heben und Tragen von Lasten oder mit Absturzgefahr. Tätigkeiten mit wechselnder Körperhaltung abwechselnd im Gehen, Stehen und Sitzen seien jedoch noch vollschichtig zumutbar. Auch nach Prüfung und Bewertung durch den Senat sind die von Dr. N. erhobenen Befunde und die hierauf gestützte Leistungseinschätzung schlüssig und überzeugend. Aus den anamnestischen Angaben geht zudem hervor, dass der Kläger noch in der Lage ist, wenn auch mit Pausen den Haushalt zu erledigen. Haushaltstätigkeiten entsprechen jedoch mindestens leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, sodass eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens nicht vorliegt.

Die Einschätzung von Dr. N. auf orthopädischem Fachgebiet wird bestätigt durch das im erstinstanzlichen Verfahren von Amts wegen eingeholte Gutachten von Dr. B. vom 08.06.2010. Dr. B. hat im Befund ein normales Gangbild mit einer endgradig eingeschränkten Beweglichkeit der Wirbelsäule, Blockierung der Brustwirbelsäule sowie Myogelosen ohne Hartspann der Lendenwirbelsäule aufgeführt. Es bestehe ein Klopfschmerz an der Lendenwirbelsäule. Die Untersuchung der sonstigen oberen und unteren Extremitäten hat keine pathologischen Befunde ergeben. In seiner Leistungseinschätzung führt Dr. B. aus, dass eine deutliche Bewegungseinschränkung ohne motorische Ausfälle mit einer funktionellen Überlagerung bestehe. Die vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen führten zum Ausschluss von Tätigkeiten mit Klettern und Steigen auf Leitern oder Gerüsten und/oder unter Absturzgefahr sowie von Tätigkeiten unter besonderem Zeitdruck, Nacht- oder Wechselschicht, Tätigkeiten an laufenden Maschinen oder taktgebundenen Arbeiten mit Akkord. Des Weiteren seien auch keine Arbeiten unter ungünstigen Witterungsverhältnissen mit Einfluss von großen Temperaturschwankungen, Zugluft, Kälte und/oder Nässe sowie Arbeiten mit besonderer Anforderung an die nervliche Belastbarkeit und an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen sowie die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit mehr zumutbar. Der Kläger sei jedoch noch in der Lage, zumindest leichte körperliche Tätigkeiten ohne Heben und Tragen sowie ohne die Einnahme von Zwangshaltungen für den Rumpf und die Wirbelsäule im Wechselrhythmus zwischen Sitzen, Gehen und Stehen zu verrichten. Zweifel an der Wegefähigkeit bestünden nicht. Das Gutachten von Dr. B. beruht auf einer eingehenden Anamnese und Befunderhebung und setzt sich insbesondere in der Leistungseinschätzung ausführlich mit den funktionellen Einschränkungen und den hieraus sich ergebenden sozialmedizinischen Schlussfolgerungen auseinander. Angesichts des Fehlens motorischer Ausfälle kann trotz der unzweifelhaft bestehenden Bewegungseinschränkung nach Überzeugung des Senats eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens auch für leichte Tätigkeiten nicht anerkannt werden.

Auch Dr. Sch. konnte in seinem im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet keine segmentalen Reiz- oder Ausfallerscheinungen als Befund erheben. Der Lasègue hat sich negativ gezeigt. Des Weiteren bestanden bei der Begutachtung durch Dr. Sch. keine Anhaltspunkte für eine gravierende Schmerzsymptomatik. Auch eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sei nicht gesichert. Die von Dr. Sch. getroffene Leistungseinschätzung ist nach Überzeugung des Senats fundiert und auch angesichts der anamnestischen Angaben nachvollziehbar. Der Kläger hat danach angegeben, dass er immer wieder Rückenschmerzen habe. Er übe noch eine ehrenamtliche Tätigkeit in einer Seniorenwerkstatt aus. Er könne die Arbeit zwar nur langsam und vorsichtig verrichten und ermüde schnell. Er erledige den Haushalt allein, mache hierbei jedoch Pausen. Aktuell finde keine nervenfachärztliche Behandlung statt. Die anamnestischen Angaben belegen nach Auffassung des Senats, dass der Kläger zumindest noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten zu verrichten. Des Weiteren ist auch bezüglich der Funktionsbeeinträchtigungen auf psychiatrischem Fachgebiet festzustellen, dass der Kläger noch über einen sozialen Aktionsradius verfügt, sich bei einer Seniorenwerkstatt ehrenamtlich engagiert und auch derzeit keine fachspezifische Behandlung stattfindet. Diese Einschätzung entspricht auch der Anamnese und der Leistungseinschätzung des im Berufungsverfahren von Amts wegen eingeholten Gutachtens von Dr. St. auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Danach lebt der Kläger in einer zufriedenstellenden familiären Beziehung, erledigt den Haushalt und wirkt aktiv in der Seniorenwerkstatt mit, in der verschiedene Arbeiten für Senioren angegeben werden. Der Kläger hat über tägliche Schmerzen, auch Kopfschmerzen, berichtet. Im Befund konnten jedoch keine Paresen auf neurologischem Fachgebiet erhoben werden. Bezüglich der Sensibilität ergaben sich unklare Angaben. Im psychiatrischen Befund wird ein entspannter und lockerer und nicht schmerzgeplagter Kläger geschildert. Auch hätten sich während der anderthalbstündigen Untersuchung keine Umsetzungsbewegungen gezeigt. Der Kläger sei auch nicht antriebsarm. In der Elektromyographie zeigte sich nur ein sehr geringer neurogener Umbau/Schädigung im Bereich L5. Folgerichtig kommt Dr. St. nach Überzeugung des Senats zur Auffassung, dass dem Kläger noch leichte Tätigkeiten vollschichtig zumutbar sind. Funktionsrelevante Ausfälle konnten bei der Begutachtung durch Dr. St. nicht erhoben werden. Dr. St. weist auch zutreffend darauf hin, dass der Kläger wegen der negativen beruflichen Aussichten zwar nachdenklich, jedoch nicht depressiv wirke. Auch liege kein schwerwiegendes Schmerzerlebnis vor, da aktuell keine Schmerztherapie durchgeführt werde. Diese Einschätzung von Dr. St. wird nach Auffassung des Senats auch nicht durch die im Berufungsverfahren nach Vorlage des Gutachtens von Seiten des Klägers eingereichten Unterlagen entkräftet. So wurde der Kläger am 11.05.2012 zum Schädel-CT überwiesen. Die Befundberichte über die entzündliche Schleimhautschwellung zeigen eine zwar behandlungsbedürftige, jedoch vorübergehende Erkrankung ohne bleibende Funktionsbeeinträchtigungen. Auch dem Brief von Dr. Schm. ist kein konkreter pathologischer Befund auf neurologischem Fachgebiet zu entnehmen. Dr. St. weist auch in seiner ergänzenden Stellungnahme zutreffend darauf hin, dass eine spezielle Schmerztherapie mit entsprechender Medikation aus den Unterlagen nicht hervorgeht.

Soweit Dr. Z. in seinem Gutachten vom 07.10.2010 eine Erwerbsminderung annimmt, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Dr. Z. führt im Befund ein flüssiges und freies Gangbild auf. Im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule bestehe ein Klopfschmerz. Der Lasègue sei links bei 40 positiv und es bestünden Wurzelkompressionsschmerzen. Eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung liege vor. Dr. Z. begründet seine Leistungseinschätzung, wonach leichte Tätigkeiten im zeitlichen Umfang über drei Stunden arbeitstäglich nicht mehr zumutbar seien, damit, dass die erhobenen Befunde auch eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens gezeigt hätten. Des Weiteren sei auch die erforderliche Schmerzmitteleinnahme von drei bis sechs Mal täglich und die rezidivierenden Belastungsschmerzen und Taubheitsgefühle zu beachten. Im Vergleich zur Begutachtung bei Dr. B. habe sich eine Verschlechterung der Befunde auf neurologischem Fachgebiet und der Wirbelsäulenbeweglichkeit ergeben. Die von Dr. Z. erhobenen Funktionsbeeinträchtigungen insbesondere auf neurologischem Fachgebiet konnten jedoch bei der Begutachtung durch Dr. St. im neurologischen Befund nicht verifiziert werden. Auch ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Senats (vgl Landessozialgericht Baden-Württemberg, 24.04.2012 L 11 R 5956/10, veröffentlicht in sozialgerichtsbarkeit.de) ein Gesichtspunkt bei der Beurteilung von Schmerzen die Prüfung ist, ob eine schmerzbedingte Inaktivität bereits zu körperlich messbaren Folgen geführt hat. So ist allgemein bekannt, dass Muskeln, die nicht oder nur unzureichend beansprucht werden, zur Rückbildung neigen. Bei der Begutachtung durch Dr. Z. konnte jedoch eine derartige Muskelminderung als indirekter Hinweis auf eine schmerzbedingte Inaktivität nicht erhoben werden. Dem stehen auch die anamnestischen Angaben im nachfolgenden Gutachten bei Dr. St. entgegen. Die Lebensgestaltung des Betroffenen ist als weiteres Kriterium von Bedeutung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl Urteile vom 14.12.2010, L 11 R 3243/09, vom 20.07.2010 L 11 R 5140/09 und vom 24.09.2009 L 11 R 742/09) wird der Schweregrad psychischer Erkrankungen und somatoformer Schmerzstörungen aus den daraus resultierenden Defiziten im Hinblick auf die Tagesstrukturierung das allgemeine Interessenspektrum in die soziale Interaktionsfähigkeit abgeleitet und daran gemessen. Diesbezüglich steht die noch vorhandene soziale Integration des Klägers der Annahme einer schwerwiegende psychiatrischen Erkrankung entgegen. Des Weiteren ist auch zu beachten, ob und in welcher Form der Betroffene versucht, einem sich aus der Schmerzstörung ergebenden Leidensdruck durch angemessene therapeutische Bemühungen entgegenzuwirken. Im vorliegenden Fall wird nach den schlüssigen Aussagen von Dr. St. eine fachspezifische Schmerztherapie mit entsprechender Schmerzmedikation nicht durchgeführt. Allein die notwendige Schmerzmitteleinnahme von Schmerztropfen zwischen drei und sechs Mal täglich rechtfertigt eine zeitliche Leistungseinschränkung nicht. Den Ausführungen von Dr. Z. kann daher nicht gefolgt werden.

Durch die vom SG und vom Senat durchgeführte Beweiserhebung ist die Leistungseinschätzung des behandelnden Orthopäden Dr. D. widerlegt. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach st Rspr des Senats (vgl Urteil vom 17.01.2012, L 11 R 4953/10) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens idR keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen. Die häufig auch an die behandelnden Ärzte gerichtete Frage nach der Erwerbsfähigkeit eines Versicherten dient in erster Linie dazu, dem Gericht die Entscheidung über weitere Beweiserhebungen von Amts wegen zu erleichtern. Ist selbst nach Meinung der behandelnden Ärzte eine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit ausgeschlossen, kann häufig auf die (nochmalige) Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichtet werden. Auch soweit Dr. D. die Erwerbsminderung mit dem häufigen Auftreten akuter Schmerzsymptomatik und den zunehmenden Einschränkungen im Alltag begründet, folgt ihm der Senat nicht. Diesbezüglich haben Dr. B. und Dr. St. nach Auffassung des Senats schlüssig dargelegt, dass Befunde, die auch zum Ausschluss von leichten Tätigkeiten führen, nicht vorliegen und auch die therapeutischen Möglichkeiten bezüglich der angegebenen Schmerzsymptomatik noch nicht ausgeschöpft sind. Zudem konnte auch Dr. Schm. in seiner Befunderhebung am 26.04.2012 keine Paresen oder anderweitigen Bewegungsstörungen feststellen. Die Sensibilität war intakt und die Muskelreflexe an den Beinen seitengleich auslösbar.

Der Senat konnte sich somit davon überzeugen, dass die von Dr. N., Dr. Sch., Dr. B. und Dr. St. genannten Gesundheitsstörungen vorliegen. Diese Gesundheitsstörungen führen aber nicht zu einem in zeitlicher Hinsicht eingeschränkten Leistungsvermögen des Klägers für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen und Einschätzungen der Gutachten von Dr. N., Dr. Sch., Dr. B. und Dr. St. an. Der Kläger ist mithin in der Lage, unter Beachtung und der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen pro Woche auszuüben.

Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit des Klägers - leichte Arbeiten mindestens 6-stündig - muss dem Kläger eine konkrete Tätigkeit, die er noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die der Versicherte mit seinem Leistungsvermögen noch auszuüben vermag, wird von der Rechtsprechung des BSG jedenfalls in den Fällen für erforderlich gehalten, in denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG Großer Senat (GS) BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8). Für die Prüfung, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt, gibt es keinen konkreten Beurteilungsmaßstab. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Daher ist eine genaue Untersuchung erforderlich, welche Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen durch die beim Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen im Einzelnen ausgeschlossen sind (BSG Urteile vom 19. August 1997 - 13 RJ 55/96 - und vom 30. Oktober 1997 - 13 RJ 49/97). Die Pflicht zur konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit hängt von der Anzahl, Art und Schwere der bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab. Je mehr diese geeignet erscheinen, gerade auch typische Arbeitsplätze für körperlich leichte Tätigkeiten zu versperren, umso eingehender und konkreter muss dargelegt werden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann.

Der Kläger kann zwar nach den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen bestimmte Tätigkeiten nicht mehr durchführen. Diese sog qualitativen Einschränkungen gehen aber nicht wesentlich über das hinaus, was bereits mit der Begrenzung des Leistungsvermögens auf nur noch leichte Arbeiten erfasst wird. Der Ausschluss von Arbeiten in Nässe und Kälte, beides ganz allgemein der Gesundheit abträglich, versperrt den Zugang zu typischen Arbeitsplätzen für leichte körperliche Arbeiten nicht in nennenswerter Weise. Die beim Kläger bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen, die sämtlich nicht ungewöhnlich sind, lassen keine ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass dieser noch wettbewerbsfähig in einem Betrieb einsetzbar ist. Aus den bestehenden Einschränkungen ergeben sich damit weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl BSG 11.03.1999, B 13 RJ 71/97 R, juris) dar. Der Kläger ist auch in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von 500 Metern innerhalb von jeweils 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel zu Hauptverkehrszeiten zweimal am Tag zu benutzen. Dies geht aus den Gutachten von Dr. N., Dr. Sch., Dr. B. und Dr. St. hervor. Die dort erhobenen Befunde haben keine Einschränkung der Wegefähigkeit erbracht.

Der Kläger ist damit nach Überzeugung des Senats noch in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und unter Beachtung der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche zu verrichten. Dieses Leistungsvermögen besteht nach Überzeugung des Senats seit dem 10.11.20008 und seither durchgehend. Mit diesem Leistungsvermögen ist der Kläger nicht erwerbsgemindert (§ 43 Abs 3 SGB VI); er hat damit keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser bzw voller Erwerbsminderung.

Ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI besteht zur Überzeugung des Senates nicht. Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 240 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 61 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die (1.) vor dem 02.01.1961 geboren und (2.) berufsunfähig sind (§ 240 Abs 1 SGB VI). Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs 2 Satz 2 SGB VI). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (§ 240 Abs 2 Satz 3 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs 2 Satz 4 SGB VI). Nach der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Bauhelfer ist der Kläger auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten und Arztauskünfte bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Die vorliegenden Gutachten von Dr. B. und Dr. St. in Verbindung mit den Verwaltungsgutachten von Dr. N. und Dr. Sch. haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Die Gutachten gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbare inhaltliche Widersprüche und geben keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter zu zweifeln; weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Gründe für die Zulassung nicht vorliegen (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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