S 8 R 614/07

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 8 R 614/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 154/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 19/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 30.01.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2007 wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab dem 01.06.2009 befristet bis zum 31.05.2012 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger 1/16 seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1966 geborene Kläger stellte am 14.11.2006 bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die Beklagte zog zur Aufklärung des Sachverhaltes einen Befundbericht zum Rentenantrag des HNO-Arztes Dr. T. vom 14.09.2006 bei. Dr. T. gab an, dass der Kläger unter einer chronischen Rhino-Sinusitis, einer vasomotorischen Rhinopathie und einer Störung des Schlafrhythmus mit Unkonzentriertheit und Tagesmüdigkeit leide. In dem ärztlichen Befundbericht zum Rentenantrag der Fachärztin für psychotherapeutische Medizin, Dr. D.-P. vom 6.10.2006 wurde von rezidivierenden depressiven Episoden bei chronischer Schweresymptomatik, einer kongenitalen Hüftdysplasie und einem Zustand nach TEP der linken Hüfte berichtet. Ferner lag der Beklagten der Reha-Entlassungsbericht vom 03.09.2003 vor, wo von einer muskulären Dysbalance nach Hüft-TEP-Implantation links vom 11.07.2003, einem Cervicobrachialsyndrom links, Dysplasiecoxarthrose rechts und einer chronischen Instabilität des linken OSG berichtet wurde. Der Kläger sei vollschichtig sowohl für den zuletzt ausgeübten Beruf des Datenverarbeitungsfachmannes als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei Beachtung bestimmter qualitativer Leistungseinschränkungen den Bewegungs- und Haltungsapparat betreffend leistungsfähig. In zwei sozialmedizinischen Gutachten des MDK Hessen vom 16.12.2003 und 20.04.2004 vertrat man die Auffassung, dass eine Minderung/Gefährdung der Erwerbsfähigkeit des Klägers aufgrund der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen nicht vorliege. Die Beklagte veranlasste sodann eine Begutachtung des Klägers auf fachorthopädischem Gebiet bei dem Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie, Sozialmedizin und Osteologie, Dr. P. LG. vom 11.01.2007. Der Sachverständige teilte folgende Diagnosen mit: Perthes-Erkrankung beider Hüften mit TEP links und Minderbeweglichkeit der linken Hüfte sowie Beinverkürzung und Muskelverschmächtigung, Kniebeschwerden rechts ohne funktionelle Defizite, Genickbeschwerden bei beginnenden degenerativen Veränderungen ohne radikuläre Hinweise und depressive Episoden. Der Kläger sei vollschichtig erwerbsfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, vorzugsweise im Sitzen.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.01.2007 den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab. Hiergegen legte der Kläger am 16.02.2006 Widerspruch ein, welchen er mit Schreiben vom 27.02.2007 ausführlich begründete. Im Widerspruchsverfahren wurden dann keine weiteren medizinischen Unterlagen beigebracht, so dass die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2007 als unbegründet zurückwies. Bei dem Kläger bestehe weder ein Anspruch auf Rente wegen voller noch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Er sei noch in der Lage, 6 Stunden und mehr täglich leichte, zeitweise mittelschwere Arbeiten mit Einschränkungen auszuführen. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liege bei dem Kläger nicht vor, so dass es deswegen der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht bedürfe.

Hiergegen richtet sich die am 28.09.2007 zum Sozialgericht Kassel erhobene Klage mit dem Ziel der Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Das Gericht hat über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers und deren Auswirkungen auf das Leistungsvermögen zunächst Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten bei dem behandelnden Orthopäden, Dr. C. vom 29.11.2007 und bei der behandelnden Therapeutin, Dr. D.-P., vom 14.04.2008.

Das Gericht hat sodann ein Gutachten auf fachorthopädischem Gebiet bei dem Facharzt für Orthopädie, Dr. F. vom 15.07.2008 eingeholt. Der Sachverständige stellte aufgrund der ambulanten Untersuchung am 14.07.2008 folgende Diagnosen bei dem Kläger fest:
1) Dysplasiecoxarthrose beidseits infolge eines Luxationsperhes und Zustand nach zementfreier Hüftendoprothese links,
2) durch Schuhwerk ausgeglichene Beinlängendifferenz und Muskelverschmächtigung des linken Beines,
3) rezidivierendes, überwiegend statisch funktionelles Cervicalsyndrom mit Bewegungseinschränkung der HWS,
4) beginnende mediale Gonarthrose beidseits.

Aufgrund dieser Erkrankungen halte er den Kläger aus orthopädischer Sicht für in der Lage, vollschichtig leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen unter Benutzung eines Arthrodesenstuhls auszuführen. Wegen der cervicalen Symptomatik sollten Arbeiten über Kopf oder über der Horizontale nicht gefordert werden, ebenso seien längeres Stehen beziehungsweise längere Wegestrecken aufgrund der Dysplasiecoxarthrose und der Schwäche der hüftübergreifenden Muskulatur nicht zu fordern. Bei Einhaltung dieser qualitativen Leistungseinschränkung sei das quantitative Leistungsvermögen jedoch nicht auf unter 6 Stunden herabgesetzt. Die Wegefähigkeit des Klägers sei hingegen nicht gegeben. Er sei jedoch in der Lage, ein Kfz zu führen, da die Beugefähigkeit der Hüfte offensichtlich einen Pedalwechsel zulasse und die oberen Extremitäten nicht limitiert seien. Auch seien betriebsunübliche Pausen zu begründen.

Weiterhin hat das Gericht ein Gutachten bei dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. E., vom 03.02.2009 eingeholt. Der Gutachter hat nach einer Untersuchung des Klägers am 19.11.2008 folgende Diagnosen auf seinem Fachgebiet feststellen können: Chronische Dysthymia mit rezidivierenden depressiven Episoden, derzeit remittiert bei chronischem Schmerzsyndrom, überwiegend durch organische Erklärungsfaktoren, keine somatoform-psychischen Überlagerungen; Stottern. Außerdem bestehe bei dem Kläger eine schizoid-depressive Persönlichkeitsausprägung mit reduzierter individueller Belastbarkeit und Kopmpensationsfähigkeit der Struktur. Auf psychiatrisch-psychosomatischem Fachgebiet gelang er zu der Auffassung, dass der Kläger selbst bei Einhaltung bestimmter qualitativer Leistungseinschränkungen nur noch in der Lage sei, mindestens 3 bis unter 6 Stunden täglich an 5 Tagen in der Woche arbeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Auch der Sachverständige, Dr. E. hielt die Wegefähigkeit des Klägers nicht für gegeben. Der Kläger sei jedoch in der Lage, ein Kfz im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Zusätzliche betriebsunübliche Pausen seinen bei einer vollschichtigen Tätigkeit zu begründen. Das von ihm festgestellte Leistungsvermögen bestehe seit dem Zeitpunkt der Untersuchung, also ab dem 19.11.2008. Aufgrund der aktenkundigen Befunde sei aufgrund der gegebenen Umstände der Erkrankung es nicht möglich, das Leistungsvermögen zu bessern.

Die Beklagte hat durch ihren sozialmedizinischen Dienst am 24.02.2009 Stellung genommen und ausgeführt, dass die Leistungseinschätzungen des Sachverständigen Dr. E. vor allem vor dem Hintergrund, dass der Kläger keine Behandlung des Schmerzes vornehme, nicht nachvollziehbar erscheine. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24.04.2009 hat der Sachverständige Dr. E. ausgeführt, dass der Kläger seine ganz erheblichen Beeinträchtigungen durch ein diszipliniertes Verhalten kompensiere, indem er immer wieder Entspannungstechniken in seinen Alltag einbaue, seine Belastbarkeit durch rechtzeitige und häufige Pausen nicht überstrapaziere. Der Kläger habe so eine Form gefunden, im Arbeitsbereich zu funktionieren. Hierzu werde nicht unbedingt eine Psychotherapie und/oder Medikation benötigt. Hierzu hat der medizinische Dienst der Beklagten nochmals am 17.07.2009 Stellung genommen und an seiner bisherigen Kritik festgehalten. In der abschließenden ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen Dr. E. vom 12.01.20010 hat der Sachverständige ausgeführt, dass nach kritischer Würdigung der beratungsärztlichen Stellungnahme der Beklagten und selbstkritischer Prüfung er an seiner Einschätzung des Leistungsvermögens festhalte.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 30.01.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 01.11.2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung,
hilfsweise
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen, insbesondere wegen des Weiteren Vorbringens der Beteiligten und des genauen Inhalts der medizinischen Unterlagen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung der Kammer gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere form und fristgerecht beim zuständigen Sozialgericht erhoben worden (§§ 57, 87, 90, 91 und 92 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Sie ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft, da der Kläger sich gegen einen belastenden Verwaltungsakt wehrt sowie mit seiner Klage die Gewährung einer Leistung begehrt, auf die er bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Anspruch hat.

Die Klage ist jedoch nur in dem tenorierten Umfang begründet. Denn dem Kläger steht lediglich für die Zeit vom 01.06.2009 befristet bis zum 31.05.2012 ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu. Ein darüber hinaus gehender Anspruch des Klägers besteht hingegen nicht.

Der Kläger hat den Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit am 14.11.2006 gestellt. Der Rechtsstreit war daher nach den Vorschriften des SGB VI in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung zu entscheiden (§ 300 Abs. 1 und 2 SGB VI).

Gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.) voll erwerbsgemindert sind,
2.) in den letzten 5 Jahren vor dem Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.) vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI besteht ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung – unter den gleichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen – für Versicherte, die teilweise erwerbsgemindert sind.

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Abs. 3).

Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren sind, haben darüber hinaus nach § 241 Abs. 1 SGB VI bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie nicht mehr in der Lage sind, eine ihnen zumutbare Tätigkeit mindestens 6 Stunden täglich auszuüben.

Der Kläger hat ausweislich der Unterlagen in der beigezogenen Beklagtenakte die erforderlichen Beitrags- und Wartezeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt.

Bei dem Kläger besteht auch eine teilweise Erwerbsminderung. Diese Beurteilung des Leistungsvermögens ergibt sich unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalls aus einer Gesamtschau der zum Gesundheitszustand des Klägers eingeholten Befundberichte und der medizinischen Sachverständigengutachten. Die teilweise Erwerbsminderung ergibt sich jedoch nicht aufgrund der Beschwerden des Klägers auf orthopädischem Fachgebiet.

Auf orthopädischem Fachgebiet bestehen nach dem Sachverständigengutachten von Dr. F. multiple Beschwerden. So hat der Sachverständige eine Dysplasiecoxarthrose beidseits infolge eines Luxationsperthes und Zustand nach zementfreier Hüftendoprothese links, sowie eine durch Schuhwerk ausgeglichene Beinlängendifferenz und Muskelverschmächtigung des linken Beines feststellen können. Hinzu kommt ein rezidivierendes, überwiegend statisch funktionelles Cervicalsyndrom mit Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule und eine beginnende mediale Gonarthrose beidseits. Aufgrund der Beschwerden auf orthopädischem Fachgebiet muss der Kläger bei Ausübung einer Erwerbstätigkeit bestimmte qualitative Leistungseinschränkungen beachten. So sollten Arbeiten überwiegend im Sitzen unter Benutzung eines Arthrodesenstuhls ausgeführt werden. Wegen der cervicalen Symptomatik sollten Arbeiten über Kopf oder über der Horizontale nicht gefordert werden, ebenso soll längeres Stehen bzw. längere Wegstrecken aufgrund der Dysplasiecoxarthrose und der Schwäche der hüftübergreifenden Muskulatur nicht vorgenommen werden. Bei Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen hält der Sachverständige Dr. F. den Kläger jedoch für in der Lage, leichte Tätigkeiten vollschichtig auszuüben.

Die Einschränkung des Leistungsvermögens ergibt sich nach Auffassung der Kammer jedoch aufgrund der Beeinträchtigungen des Klägers auf psychiatrischem Fachgebiet. Der Sachverständige, Dr. E. hat ausgeführt, das bei dem Kläger eine chronische Dysthymia mit rezidivierenden depressiven Episoden besteht, derzeit remittiert bei chronischem Schmerzsyndrom, überwiegend durch organische Erklärungsfaktoren, keine somatoform-psychischen Überlagerungen. Das Funktionsvermögen sei erheblich durch die Funktionseinschränkung und das Schmerzsyndrom eingeschränkt, welches auf die Struktur einen dauerhaften Einfluss ausübe. Dieses chronische Schmerzempfinden bestehe bei dem Kläger seit der Kindheit. Das psychische und soziale Funktionsvermögen werde durch die körperlichen Behinderungen und das Schmerzsyndrom in Mitleidenschaft gezogen, löse eine Dysthymia, auch eine rezidivierende depressive Symptomatik in Belastungssituationen aus. Hieraus hat der Sachverständige gefolgert, dass der Kläger unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch in der Lage ist, mindestens 3 Stunden bis unter 6 Stunden arbeitstäglich an 5 Tagen in der Woche arbeiten zu verrichten.

An der Richtigkeit der in diesem Gerichtsgutachten vertretenen Auffassung und der Einschätzung des Sachverständigen zu zweifeln sieht das Gericht keinen Anlass. Es ist zu der Überzeugung gelangt, dass – unter Würdigung der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, der sich ausführlich mit den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers auseinandergesetzt hat – auch unter Berücksichtigung der Kritik des ärztlichen Dienstes der Beklagten der Einschätzung des Sachverständigen in vollem Umfang zu folgen ist. Bei dieser Sachlage hält das Gericht mit den von medizinischer Seite getroffenen Feststellungen den gesundheitlichen Zustand des Klägers für ausreichend geklärt und weitere Ermittlungen für nicht mehr geboten. Die Ausführungen des Sachverständigen sind in sich schlüssig, widerspruchsfrei und überzeugend. Die medizinischen Beurteilungen wird in dem vorgelegten Gutachten nach eingehender Befunderhebung mit nachvollziehbarer und für das Gericht einleuchtender Begründung aus den gestellten Diagnosen abgeleitet und steht im Einklang mit den übrigen Befundunterlagen.

Hingegen konnte das Gericht den Ausführungen des Sachverständigen Dr. E. nicht folgen, dass es unwahrscheinlich sei, dass die festgestellte Minderung des Leistungsvermögens behoben werden könne. Gemäß § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI werden Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Vom Vorliegen dieser Voraussetzung konnte sich die Kammer jedoch nicht überzeugen. Zwar hat der Sachverständige Dr. E. diese Voraussetzung bejaht, insofern war jedoch die Kritik des medizinischen Dienstes der Beklagten nach Auffassung des Gerichts gerechtfertigt. Dr. E. hat das eingeschränkte Leistungsvermögen in erster Linie auf die beim Kläger bestehende Schmerzsymptomatik zurückgeführt, die zu Bewegungseinschränkungen führe, nachlassender Konzentration, einem eingeschränkten Vitalgefühl und einem reduzierten Antrieb. In den letzten Jahren habe dieser Schmerz sogar mittelgradige depressive Episoden hervorgerufen. Die Kritik des ärztlichen Dienstes der Beklagten scheint dem Gericht insofern berechtigt, als dass es völlig unverständlich erscheint, dass der Kläger überhaupt keine Behandlung durchführt. Er nimmt keine Medikamente ein, auch keine Schmerzmittel. Weder wird er mit Psychopharmaka noch mit einer Psychotherapie behandelt. Die Begründung, so der ärztliche Dienst, er habe nach Schmerzmedikamenten mit heftigen Magen- und Darmschmerzen reagiert, überzeuge nicht, da es Analgetika gebe, die diese Nebenwirkungen nicht hätten (z.B. Traumadol). Sofern die orthopädischen Beschwerden gut auf nicht-steroidale Antirheumatika (z.B. Diglovinac) ansprechen, könnten Medikamente gegen die gastrointestinalen Beschwerden zusätzlich verordnet werden (z.B. Omeprazol). Auch nach den Ausführungen des Sachverständigen, Dr. E., erscheint dem Gericht diese Kritik durchaus berechtigt, der Sachverständige hat sie nicht ausräumen können. Insofern war dem Kläger die Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur befristet zuzusprechen.

Gemäß § 101 Abs. 1 SGB VI werden befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des 7. Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Der Sachverständige, Dr. E., hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass das von ihm festgestellte Leistungsvermögen ab dem Zeitpunkt der Untersuchung, dem 19.11.2008 gelte, so dass der Beginn der befristeten Rente auf den 01.06.2009 zu legen war. Die Rente war auch nicht als sogenannte Arbeitsmarktrente als Rente wegen voller Erwerbsminderung zu leisten, da der Kläger nach seinen eigenen Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung die von ihm ausgeübte selbständige Tätigkeit seit 2004 in einem wöchentlichen Umfang von 25 30 Stunden ausübt.

Zwar liegt nach den Ausführungen sowohl des Sachverständigen Dr. F., als auch des Sachverständigen Dr. E. bei dem Kläger eine aufgehobene Wegefähigkeit vor. So ist er nach den Ausführungen beider Gutachter nicht in der Lage, einen Fußweg von mehr als 500 m in einer Zeit unter 20 Minuten 4 x am Tag ohne zumutbare Schmerzen zu bewältigen. Gleichwohl gilt der Arbeitsmarkt nicht als verschlossen, weil der Kläger einen Arbeitsplatz mit Hilfe seines Kfz erreichen könnte. Darüber hinaus haben beide Sachverständigen die Einhaltung betriebsunüblicher Pausen für erforderlich gehalten, dies für das Gericht jedoch nicht nachvollziehbar begründet.

Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt bei dem Kläger nicht vor, sodass unter diesem Gesichtspunkt die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht erforderlich war. Bei der Prüfung der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sind grundsätzlich alle qualitativen Leistungseinschränkungen zu berücksichtigen, die nicht vom Erfordernis einer leichten körperliche Arbeit erfasst werden. Ungewöhnliche Leistungseinschränkungen liegen nicht vor in Bezug auf Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder Sitzen erfordern, in Kälte oder Nässe oder mit häufigem Bücken zu verrichten sind, besondere Fingerfertigkeiten voraussetzen, mit besonderer Unfallgefahr verbunden sind, im Akkord, im Schichtdienst, an laufenden Maschinen zu leisten sind oder besondere Anforderungen an das Seh-, Hör-, oder Konzentrationsvermögen stellen (BSG, SozR 2200, § 1246 Nr. 117; BSG, SozR 3-2600, § 44 Nr. 8, Seite 26 f.). Im vorliegenden Fall gehen die Einschränkungen der Leistungsfähigkeit über das Merkmal einer körperlich leichten Tätigkeit nicht hinaus. Eine Pflicht zur Benennung von zumutbaren Verweisungstätigkeiten besteht aus diesem Grund nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Verhältnis vom Obsiegen des Klägers zu seinem Unterliegen. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Kläger bis zum Eintritt des Rentenalters mit 65 Jahren eine Rente wegen voller Erwerbsminderung eingeklagt hat und letztlich für den Zeitraum von 3 Jahren mit einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung obsiegt hat.
Rechtskraft
Aus
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