L 1 R 409/11

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 4 R 274/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 409/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 10. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).

Die am ... 1949 geborene Klägerin erlernte von 1966 bis 1969 den Beruf des Industriekaufmanns. Anschließend war sie bis März 1994 als Sachbearbeiterin tätig. Seit April 1994 ist die Klägerin arbeitsuchend, unterbrochen durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sowie einer Weiterbildung zur Qualitätsmanagement-Fachkraft von Oktober 1998 bis November 1999. Seit dem 01. Oktober 2009 bezieht sie eine Altersrente für Frauen (Bescheid vom 19. August 2009, nicht bestandskräftig).

Bei der Klägerin erfolgte am 26. Februar 2007 eine Thorakotomie links mit Unterlappenresektion und systematischer Lymphadenektomie (Lymphknotenentfernung). Sie beantragte daraufhin am 22. März 2007 bei ihrer Krankenkasse die Gewährung einer Anschlussheilbehandlung. Diesen Antrag leitete diese bezugnehmend auf § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) an die Beklagte weiter. Die Beklagte bewilligte der Klägerin eine medizinische Rehabilitation, die vom 27. März 2007 bis zum 17. April 2007 in den A. B.-kliniken in B. S. durchgeführt wurde. Die Ärzte der Rehaeinrichtung diagnostizierten im Entlassungsbericht vom 02. Mai 2007:

atypische, teils chronisch karnifizierende Pneumonie (Lungenentzündung) linker Unterlappen, Unterlappenresektion 26. Februar 2007,

Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) nach Struma-OP,

Schlafapnoe,

arterielle Hypertonie.

Die Ärzte führten aus, dass die Klägerin als Industriekaufmann sechs Stunden und mehr täglich tätig sein könne. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie leichte Arbeiten überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen sechs Stunden und mehr verrichten. Inhalative Belastungen sollten vermieden werden.

Am 23. April 2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog daraufhin den Rehaentlassungsbericht vom 02. Mai 2007 bei. Mit Bescheid vom 14. Juni 2007 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Die Klägerin sei in der Lage, in ihrem bisherigen Beruf sowie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hiergegen legte die Klägerin am 19. Juni 2007 Widerspruch ein. Die ärztlichen Befunde seien nicht vollständig berücksichtigt worden. Bei der Lungenoperation sei ein Tumor entfernt und zudem eine zweite Nachoperation durchgeführt worden. Dies sei einer bösartigen Tumor-Operation gleichzusetzen. Die durchgeführte Reha-Maßnahme habe ihren Gesundheitszustand nicht wesentlich gebessert, da sie wegen nässender Wunden nur einen Teil der Behandlungen habe in Anspruch nehmen können. Sie selbst habe bei den geringsten körperlichen Belastungen noch starke Beschwerden. Sie könne kaum Treppensteigen oder sich Bücken. Bei der täglichen Hausarbeit müsse sie sich schon nach einer Stunde ausruhen. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens holte die Beklagte einen Befundbericht des Facharztes für Innere Medizin Dr. F. vom 16. Juli 2007 ein. Anschließend beauftragte sie Dr. L., Fachärztin für Innere Medizin/Pneumologie, mit der Erstellung eines Gutachtens. Dr. L. stellte im Gutachten vom 07. Januar 2008 aufgrund Untersuchung am 30. November 2007 folgende Erkrankungen fest:

Pleuraschwiele links,

arterielle Hypertonie.

Lungenfunktionell bestehe nur eine geringgradige Einschränkung in Form einer leichten restriktiven Ventilationsstörung (Vitalkapazität ca. 79 %, TLC 84 %, TLCO 60 %). Die arterielle Blutgasanalyse weise in Ruhe und unter Belastung keine Gasaustauschstörung auf. Die maximale Sauerstoffaufnahme liege im Normbereich. Die maximale Sauerstoffaufnahme an der anaeroben Schwelle liege deutlich oberhalb der Dauerleistungsgrenze, die für leichte sitzende und stehende Tätigkeiten angegeben werde. Die Klägerin könne als Industriekaufmann noch sechs Stunden und mehr tätig sein. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie leichte Arbeiten überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen sechs Stunden und mehr verrichten. Arbeiten unter Einfluss von Nässe, Zugluft, extrem schwankenden Temperaturen und inhalativer Belastung mit Atemwegsnoxen sollten vermieden werden. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2008 zurück. Nach der im Rentenverfahren getroffenen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung sei die Klägerin in der Lage, in dem bisherigen Beruf als Industriekauffrau und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Auch der zusätzlich noch eingeholte Befundbericht und die durchgeführte pulmologische Begutachtung hätten keine weitere Einschränkung des festgestellten Leistungsvermögens ergeben.

Dagegen hat die Klägerin am 18. April 2008 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Sie hat ergänzend vorgetragen, dass die durchgeführte Anschlussheilbehandlung ihren Gesundheitszustand nicht wesentlich gebessert habe. Nach wie vor habe sie bei geringsten körperlichen Belastungen noch starke Beschwerden. Aus dem Befundbericht des behandelnden Hausarztes Dr. F. vom 16. Juli 2007 ergebe sich, dass seit Februar 2007 eine Verschlechterung und mithin eine Befundänderung eingetreten sei. Die angegebenen ärztlichen Befunde und deren Tragweite habe die Beklagte nicht vollständig berücksichtigt. Aus dem Bericht der A. Kliniken W. vom 05. April 2007 ergebe sich, dass der erhobene Befund als Vorstufe eines Karzinoms zu werten sei. Im durch die Beklagte eingeholten pneumologisch-internistischen Gutachten von Dr. L. vom 07. Januar 2008 sei das Problem der Schmerzen im linken OP-Narbenbereich und der linken Brust überhaupt nicht berücksichtigt oder ausgeführt worden. Da bei ihr nach zweimaliger Operation die Nerven nicht wieder in die Brust wachsen würden, habe sie ständig starke Probleme und Schmerzen im linken Brustbereich. Die ständigen Schmerzen würden bei jedem kleinen und großen Wetterumschwung auftreten sowie eine große physische und psychische Belastung darstellen. In keiner Weise sei bei der Feststellung des Restleistungsvermögens berücksichtigt worden, dass es auch auf orthopädischem Gebiet Leistungseinschränkungen gebe. Bei ihr habe am 18. Mai 2005 eine Untersuchung der Lendenwirbelsäule in zwei Ebenen stattgefunden, in der unter anderem eine schwere Bandscheibenschädigung befundet worden sei.

Das SG hat Befundberichte des Facharztes für Innere Medizin Dr. F. vom 03. Februar 2009, des Facharztes für Chirurgie und Gefäßchirurgie Dr. H. vom 10. Februar 2009 und des Facharztes für Innere Medizin Dr. S. vom 26. Februar 2009 eingeholt. Die Klägerin hat dem SG den vorläufigen Entlassungsbrief des Krankenhauses M.-M. in H. vom 02. Oktober 2009 sowie den Krankenhausbericht des Krankenhauses M.-M. in H. vom 27. Februar 2010 übersandt. Bei der Klägerin wurde am 15. Februar 2010 der linke Oberlappen bei karnifzierender Pneumonie (Restpneumonektomie) entfernt. Anschließend hat sie sich vom 17. März 2010 bis 07. April 2010 zur medizinischen Rehabilitation im Klinikzentrum B. S. befunden. Die Ärzte haben im Rehaentlassungsbericht vom 28. April 2010 diagnostiziert:

karnifizierende Pneumonie linker Oberlappen, Z. n. Unterlappenresektion links nach karnifizierender Pneumonie 2007,

essentielle arterielle Hypertonie.

Das SG hat die Fachärztin für Arbeitsmedizin J. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Die Sachverständige hat aufgrund ihrer Untersuchung am 21. September 2009 im Gutachten vom 09. Dezember 2010 folgende Erkrankungen festgestellt:

Intercostalneuralgie links bei

Zustand nach Unterlappenresektion nach chronisch karnifizierender Pneumonie 2007,

atypisches Infiltrat im apikalen Oberlappen links 2009, OP im Februar 2010?,

Asthma bronchiale,

essentiell arterielle Hypertonie,

Z. n. Schilddrüsenentfernung bei Struma nodosa 1982,

Schlaf-Apnoe-Syndrom geringen Grades,

degenerative Veränderungen der Kniegelenke links ) rechts, Z. n. Operation linksseitig,

degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule.

Die Klägerin könne leichte Arbeiten vorwiegend im Sitzen mit Wechsel von Stehen/Gehen/Sitzen durchführen. Sie könne keine Arbeiten mit ständigem Stehen, mit langen Anmarschwegen, mit einseitigen körperlichen Belastungen bzw. Zwangshaltungen, auf Gerüsten oder Leitern, Überkopfarbeiten oder Arbeiten in Armvorhalte verrichten. Es liege keine Höhentauglichkeit vor. Zudem könnten Arbeiten nur noch in geschlossenen Räumen unter Vermeidung von Umwelteinflüssen (Zugluft, irritative oder toxisch wirkende Stoffe, Stäube, Gase, Dämpfe, Rauche), in Tagesschicht und ohne besonderen Zeitdruck ausgeführt werden. Die Anforderungen an das Konzentrationsvermögen und Verantwortungsbewusstsein sollten gering gehalten werden. Die Klägerin könne Arbeiten noch drei bis sechs Stunden täglich verrichten. Aufgrund der zweifachen Lungenteilresektion verbunden mit einem zusätzlichen Asthma bronchiale sei die Leistungsfähigkeit der Klägerin herabgesetzt. Die Minderung der Leistungsfähigkeit bestehe mindestens seit Mai 2007 (erste Lungenoperation) und habe sich bis jetzt noch verschlechtert.

Die Klägerin hat am 12. Januar 2011 einen generalisierten epileptischen Anfall erlitten. Sie hat diesbezüglich den Kurz-Arztbrief vom 15. Januar 2011 und den Bericht des Klinikums B. in N. vom 21. Januar 2011 eingereicht. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 15. Juni 2011 hat die Sachverständige J. ausgeführt, dass bereits 2007 eine Minderung der Leistungsfähigkeit ersichtlich sei. Dies lasse sich anhand der in der Akte befindlichen Lungenfunktionsbefunde und Berichte der behandelnden Ärzte gut nachvollziehen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 10. Oktober 2011 abgewiesen. Das Gericht sei zu der Überzeugung gelangt, dass eine rentenrechtlich relevante Minderung des Leistungsvermögens im Sinne einer teilweisen Erwerbsminderung mit der Operation im Februar 2010 eingetreten sei, so dass im Prinzip ab diesem Zeitpunkt eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bewilligt werden könne. Unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Teilzeitarbeitsmarktes (Verschlossenheit) bestünde aus rechtlichen Gründen daneben eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit, die derzeit allerdings ebenfalls nicht zur Auszahlung gelangen könne, da dem der Bezug der Altersrente ab dem 01. Oktober 2009 entgegenstehe (§ 34 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI in der ab dem 01. Januar 2008 geltenden Fassung). Ein früherer Leistungsfall lasse sich nicht feststellen. Das Gericht folge nicht der Beurteilung der Sachverständigen J. Diese Beurteilung sei nicht schlüssig, da sie in eklatanten Widerspruch zu den zeitnah erhobenen Befunden stehe. In dem lungenfachärztlichen Gutachten von Dr. L. vom 22. Januar 2008 finde sich nämlich keine relevante pulmonale Belastungseinschränkung, was anhand der von ihr erhobenen Werte auch nachvollziehbar sei. Die Lungenfunktionsbefunde, die die Gutachterin Dr. L. wiedergegeben habe, würden eine leichtgradige restriktive Ventilationsstörung ohne bronchiale Hyperreagibilität und keine Gasaustauschstörung aufweisen, da sich die Sauerstoffaufnahme im Normbereich befunden habe. Mit diesen Befunden lasse sich eine rentenrechtlich relevante Minderung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht nicht begründen. Eine derartige Minderung ergebe sich auch nicht unter dem von der Klägerin angegebenen Gesichtspunkt der Schmerzen im Brust- bzw. Operationsbereich, da diese auch nach der Beurteilung durch die Sachverständige J. keine stärkeren Einschränkungen verursachen würden. Einem Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit stehe ebenfalls § 34 Abs. 4 SGB VI entgegen, da vor dem 01. Oktober 2009 keine Berufsunfähigkeit zu erkennen sei. Maßgeblicher Beruf sei bei der Klägerin die bis 1994 ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit als kaufmännische Angestellte. Nach Ansicht des Gerichts sei die Klägerin jedenfalls vor dem 01. Oktober 2009 nicht aus gesundheitlichen Gründen gehindert gewesen, die körperlich leichte Tätigkeit einer kaufmännischen Angestellten im Bürobereich auszuüben.

Gegen das am 25. November 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. Dezember 2011 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, dass das Gutachten der Ärztin J. sehr wohl schlüssig sei. Die Gutachterin habe das Gutachten unter Einbeziehung umfangreicher medizinischer Befunde erstellt. Die Gutachterin habe in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 15. Juni 2011 nochmals unterstrichen, dass unter Beachtung der mit den Diagnosen im Zusammenhang stehenden Einschränkungen bei ihr ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden täglich vorliege und die Minderung der Leistungsfähigkeit seit der ersten Operation bestehe. Hierbei habe sich die Gutachterin auf die vorliegenden Lungenfunktionsberichte gestützt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 10. Oktober 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab dem 01. März 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 10. Oktober 2011 zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihren bisherigen Vortrag sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.

Der Senat hat zur weiteren medizinischen Sachverhaltsermittlung Dr. A., Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie, Notfallmedizin, Medikamentöse Tumortherapie und Internistische Intensivmedizin, mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dr. L., Fachärztin für Diagnostische Radiologie, hat zunächst ein fachradiologisches Zusatzgutachten vom 21. September 2012 erstellt. Sie hat festgestellt, dass ein Zustand nach Pneumonektomie links mit regelrechten postoperativen Verhältnissen sowie im Bereich der rechten Lunge kein Infiltrat und keine interstitiellen Strukturveränderungen bestünden. Dr. A. hat aufgrund eigener Untersuchung am 21. September 2012 im Gutachten vom 11. Oktober 2012 folgende Erkrankungen festgestellt:

restriktive Ventilationsstörung bei

Zustand nach Unterlappenresektion links am 26. Februar 2007 bei chronisch-karnifizierender Pneumonie und atypischer adenomatöser Hyperplasie

Zustand nach Oberlappenresektion/Restpneumektomie links am 15. Februar 2010

arterielle Hypertonie (WHO II°)

medikamentöse Therapie

unzureichende Einstellung

Kniegelenksarthrose beidseits

Zustand nach linksseitiger Knie-Endoprothesenimplantation 02/2012

geplante Kniegelenksoperation rechtsseitig

chronisches Schmerzsyndrom nach Thorakotomie

Zustand nach Verdacht auf obstruktive Schlafapnoe

zuletzt unauffälliger Befund

medikamentöse Therapie mit Theophyllin

leichtgradiges Übergewicht (BMI 28,6)

Zustand nach Schilddrüsenoperation 1982

unter medikamentöser Therapie Euthyreose

zerebrales Anfallsleiden

medikamentöse Therapie.

Die Klägerin sei nur noch für leichte Arbeiten vorwiegend im Sitzen mit wechselnder Körperhaltung geeignet. Es müssten Arbeiten mit schwerer Belastung und Arbeiten mit ständigen bzw. längeren einseitigen körperlichen Belastungen bzw. Zwangshaltungen sowie Gerüst- und Leiterarbeiten vermieden werden. Auch längere Gehstrecken seien nicht zumutbar, da eine zwischenzeitlich ausgeprägte degenerative Erkrankung der Kniegelenke vorzuliegen scheine. Ein Wechsel der Arbeiten, die vorwiegend im Sitzen vorgenommen werden sollten, sei anzuraten. Aufgrund der möglichen schlafbezogenen Atmungsstörung, der Luftnotkomponente sowie der arteriellen Hypertonie sollten die Arbeiten möglichst nur in Tagschicht verrichtet werden. Besonderer Zeitdruck sei nicht zuträglich, aber auch nicht vollständig auszuschließen. Die Arbeiten sollten nur noch unter Ausschluss schädlicher Einflüsse wie Zugluft, atemwegsreizender Stoffe, Stäube, Gase, Dämpfe und Rauche erfolgen. Der Klägerin sei eine Beschäftigung allenfalls drei bis unter sechs Stunden am Tag zumutbar. Maßgeblich für diese Einschränkung seien die Lungenfunktionseinschränkung mit der dadurch bedingten reduzierten körperlichen Belastbarkeit und die Schmerzen, die durch Belastungen verstärkt werden könnten (insbesondere Kniegelenke). Die Minderung der Leistungsfähigkeit hinsichtlich der Lungenerkrankung sei absehbar erst nach operativer Entfernung des zweiten Lungenlappens auf der linken Seite im Februar 2010 eingetreten.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf deren Inhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet, weil der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 14. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2008 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

I.

Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI haben Versicherte, wenn die entsprechenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen, dann einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift ist derjenige teilweise erwerbsgemindert, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI haben Versicherte, wenn die entsprechenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen, einen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist derjenige voll erwerbsgemindert, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 Zweiter Halbsatz SGB VI).

1.

Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin seit Mitte Februar 2010 nicht in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich einer körperlich leichten Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Dies ergibt sich aus den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. A. im Gutachten vom 11. Oktober 2012. Bei der Klägerin besteht eine ausgeprägte restriktive Ventilationsstörung nach kompletter Entfernung der linken Lunge. Aufgrund des nicht mehr vollständig vorhandenen Lungenvolumens besteht bei ihr eine stark reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit. Die Klägerin kann nur noch leichte Beschäftigungen überwiegend im Sitzen und unter Einhaltung üblicher Ruhepausen im Umfang von drei bis unter sechs Stunden pro Tag verrichten.

Die Klägerin ist damit ab Mitte Februar 2010 auch voll erwerbsgemindert. Die für die frühere Erwerbsunfähigkeitsrente entwickelten Grundsätze zur Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes gelten weiter (Gürtner, in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand 4/2012, § 43 SGB VI Rdnr. 30 ff.). Dies bedeutet, dass über den Wortlaut der gesetzlichen Vorschriften hinaus ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits dann besteht, wenn das Restleistungsvermögen des Versicherten nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich beträgt. Nach wie vor ist nämlich davon auszugehen, dass der entsprechende Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist. Hieraus ergibt sich, dass die Klägerin trotz eines Leistungsvermögens von drei bis unter sechs Stunden täglich eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit beanspruchen kann.

2.

Der Senat ist jedoch davon überzeugt, dass die Klägerin im Zeitraum vom 01. März 2007 bis 14. Februar 2010 noch in der Lage war, eine körperlich leichte Tätigkeit überwiegend im Sitzen, Gehen und Stehen sechs Stunden und mehr zu verrichten. Zu vermeiden waren dabei Arbeiten unter Einfluss von Nässe, Zugluft, extrem schwankenden Temperaturen und inhalativer Belastung mit Atemwegsnoxen. Insoweit folgt der Senat aufgrund eigener Urteilsbildung den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. A. in dem Gutachten vom 11. Oktober 2012 sowie der Gutachterin Dr. L. in dem Gutachten vom 27. Dezember 2007. Nach diesen ärztlichen Unterlagen lagen bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen im oben genannten Zeitraum vor, die ihr Leistungsvermögen im Erwerbsleben beeinflussten:

atypische, teils chronisch karnifizierende Pneumonie linker Unterlappen, Unterlappenresektion 26. Februar 2007,

Hypothyreose nach Struma-OP,

Schlafapnoe,

arterielle Hypertonie.

Dr. A. hat nachvollziehbar festgestellt, dass von einer deutlich besseren Situation im April 2007 auszugehen war. Zum damaligen Zeitpunkt war der linke Oberlappen noch voll funktionsfähig erhalten und die zweite Operation zur Entfernung des linken Oberlappens war noch nicht durchgeführt worden. Die dokumentierte Lungenfunktion im Jahr 2007 war ebenfalls noch deutlich besser. Es ist daher davon auszugehen, dass erst mit Entfernung des zweiten Lungenlappens auf der linken Seite eine wesentliche Verschlechterung eingetreten ist. Möglicherweise hat bei der Veränderung im linken Lungenoberlappen noch vor der zweiten Operation im Februar 2010 eine Verschlechterung stattgefunden. Dies lässt sich aufgrund der vorliegenden Befunde jedoch nicht sicher belegen. Auch hinsichtlich der Schmerzen nach der damals erfolgten Operation am Brustkorb ist nicht von einem Leistungsvermögen von unter sechs Stunden auszugehen, da nicht ersichtlich ist, dass ein so ausgeprägtes Schmerzsyndrom vorgelegen hat. Informationen diesbezüglich finden sich in keiner der Unterlagen.

Dr. A. stimmt in seiner Leistungsbeurteilung mit dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. L. überein. Diese hat im Gutachten vom 27. Dezember 2007 ebenfalls ausgeführt, dass lediglich eine leichtgradige restriktive Ventilationsstörung besteht. Der Transferfaktor war lediglich leicht eingeschränkt. Die CO-Diffusion bezogen auf das Alveolarvolumen war nicht eingeschränkt. In Ruhe und unter Belastung war keine Gasaustauschstörung nachweisbar. Ferner wurde im Rehaentlassungsbericht der A. B.-kliniken in B. S. vom 02. Mai 2007 eingeschätzt, dass bei der Klägerin ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr für leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt besteht. Lediglich inhalative Belastungen sollten vermieden werden.

Der Senat folgt nicht der Leistungseinschätzung der Gutachterin J. Sie hat in ihrem Gutachten vom 09. Dezember 2010 ausgeführt, dass die Klägerin nur noch in der Lage sei, drei bis sechs Stunden (gemeint sein dürfte drei bis unter sechs Stunden) täglich erwerbstätig zu sein. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 15. Juni 2011 hat die Sachverständige angegeben, dass bereits 2007 eine Minderung der Leistungsfähigkeit ersichtlich sei. Dies lasse sich ihrer Meinung nach anhand der in der Akte befindlichen Lungenfunktionsbefunde und der Berichte der behandelnden Ärzte gut nachvollziehen. Anhand der mitgelieferten Befunde lasse sich nachweisen, dass die Befunde stark schwanken würden und es auch zur manifesten Atemwegsobstruktion komme. Dies sei ein typischer Befund bei Asthma bronchiale. Diese Einschätzung überzeugt den Senat nicht, da bei ihrer Untersuchung am 21. September 2009 die Lungenfunktionsparameter, die eine Obstruktion (Atemwegsverengung) anzeigen, nur leicht unter den Normalwerten lagen. Die Vitalkapazität war ebenso nur leichtgradig eingeschränkt. Der Atemwegswiderstand und das Residualvolumen waren normal. Die Gutachterin erklärt an keiner Stelle, wie sich die reduzierte Leistungsfähigkeit nach der ersten Operation erklären sollte. Sie hat insbesondere auch keine Lungenfunktionsbefunde mit absoluten Werten oder Grafiken aufgeführt. Weder Dr. L. noch Dr. A. stellten zudem die Diagnose eines Asthma bronchiale.

Im Ergebnis der Beurteilungen ergibt sich danach ein drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen der Klägerin lediglich ab Mitte Februar 2010.

3.

Die Klägerin war im Zeitraum vom 01. März 2007 bis 14. Februar 2010 auch nicht deshalb voll erwerbsgemindert, weil sie wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein konnte. Eine konkrete Verweisungstätigkeit war daher nicht zu benennen. Ihr Restleistungsvermögen reichte vielmehr noch für leichte körperliche Verrichtungen wie z. B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 – GS 2/95 –, SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33 f.; in der Anwendbarkeit auf die aktuelle Rechtslage bestätigt in BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 78/09 R – juris, Rdnr. 14 ff.).

Schließlich war sie im oben genannten Zeitraum auch nicht aus gesundheitlichen Gründen gehindert, einen Arbeitsplatz aufzusuchen (sog. Wegefähigkeit, vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris). Dies ergibt sich übereinstimmend aus den Gutachten. Die festgestellte Kniegelenksproblematik bestand akut erst im Jahr 2012.

4.

Gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt gemäß § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Gemäß § 101 Abs. 1 SGB VI werden befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Rentenbeginn für die Rente wegen voller Erwerbsminderung wäre daher der 01. September 2010. Da seit dem 15. Februar 2010 ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden auf Dauer vorliegt, müsste die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01. März 2010 gewährt werden.

Gleichwohl sind im vorliegenden Fall aufgrund der Vorschrift des § 34 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI weder die Rente wegen voller Erwerbsminderung noch die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren. § 34 Abs. 4 SGB VI ist mit Wirkung zum 01. Januar 2008 dahingehend geändert worden, dass ein Wechsel von einer Rentenart in eine andere nicht nur dann ausgeschlossen ist, wenn eine Rente bereits bestandskräftig bewilligt wurde, sondern auch für Zeiten des Bezuges. Diese Vorschrift ist auf den Antrag der Klägerin vom 22. März 2007 auch nach § 300 Abs. 1 SGB VI anzuwenden, da die Leistung erst nach der Gesetzesänderung – nämlich ab März bzw. September 2010 – zu zahlen wäre. Nachdem ein Wechsel von der Altersrente in die Erwerbsminderungsrente aufgrund des tatsächlichen Bezuges der Altersrente seit 01. Oktober 2009 nicht mehr möglich ist, kommt eine Gewährung nicht in Betracht.

II.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Danach haben Versicherte bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie vor dem ... 1961 geboren und berufsunfähig sind. Die Klägerin ist zwar vor diesem Zeitpunkt geboren worden (nämlich 18. September 1949), sie ist aber nicht berufsunfähig.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit vom bisherigen Beruf der Versicherten auszugehen. Es ist zu prüfen, ob sie diesen Beruf ohne wesentliche Einschränkungen weiter ausüben können. Sind sie hierzu aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, ist der qualitative Wert des bisherigen Berufs dafür maßgebend, auf welche Tätigkeiten die Versicherten verwiesen werden können. Bisheriger Beruf ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Dabei ist nicht unbedingt auf die letzte Berufstätigkeit abzustellen, sondern auf diejenige, die bei im Wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft nicht nur vorübergehend eine nennenswerte Zeit ausgeübt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 16. November 2000 – B 13 RJ 79/99 R –, SozR 3-2600 § 43 Nr. 23). "Bisheriger Beruf" der Klägerin war der der Sachbearbeiterin. Die von den Gutachtern Dr. L. und Dr. A. gegebenen Leistungseinschätzungen standen dieser Tätigkeit bis Mitte Februar 2010 nicht entgegen. Die Gutachter haben nachvollziehbar eingeschätzt, dass die Klägerin noch körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig verrichten konnte. Lediglich inhalative Belastungen sollten vermieden werden. Die Ärzte der A. B.-kliniken in B. S. haben im Rehaentlassungsbericht vom 02. Mai 2007 ebenfalls festgestellt, dass die Klägerin als Industriekaufmann noch sechs Stunden und mehr tätig sein kann. Somit konnte die Klägerin ihren bisherigen Beruf noch ausüben und war deshalb nicht berufsunfähig. Ab dem 01. März 2010 liegen zwar die Voraussetzungen für die teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vor. Aufgrund des § 34 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI kann eine Gewährung jedoch nicht erfolgen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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