Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 7/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Sieht eine Notdienstordnung die Möglichkeit zur Befreiung vom allgemeinen Notdienst bei Vorliegen einer belastenden familiären Situation vor, kann im Rahmen der Ermessensausübung darauf abgestellt werden, ob diese Belastungen zu einer deutlichen Einschränkung der Praxistätigkeit des Arztes führen, insb. wenn die Notdienstordnung vorsieht, dass auch zu prüfen ist, ob anstatt einer Befreiung die Verpflichtung auszusprechen ist, die Dienste auf eigene Kosten oder zumindest mit einer Kostenbeteiligung des Vertragsarztes von einem eigenen Vertreter wahrnehmen zu lassen.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Befreiung vom ärztlichen Bereitschaftsdienst wegen besonderer familiärer Belastung.
Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in C-Stadt zugelassen. Er betreibt mit einem Kollegen eine allgemeinärztliche Gemeinschaftspraxis.
Der Kläger beantragte am 22.03.2012 die Befreiung von der Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst in der Bereitschaftsdienstzentrale YB. in AAD. wegen besonderer familiärer Belastung. Er trug vor, er sei verheiratet und habe vier Kinder. Die drei ältesten Kinder, Töchter im Alter von 24, 22 und 20 Jahren, lebten außer Haus und studierten in ZQ. bzw. in ZS ... Sein jüngstes Kind, sein Sohn C., geb. 1995, sei schwerst körperbehindert. Auf Grund eines vermutlich pränatalen Sauerstoffmangels bestehe eine ausgeprägte spastische Tetraparese. Er sei mittlerweile 16 Jahre alt, ca. 160 cm groß und wiege etwa 40 kg. Er könne weder stehen noch laufen und wegen einer Rumpfinstabilität auch nicht frei sitzen. Auch eine normale verbale Kommunikation sei nicht möglich, wenngleich er alles verstehe. Mit Einsatz von aufwendigen Hilfsmitteln (Laufgerät, Stehhilfe, Rollstuhl usw.) könne er notdürftig am gemeinschaftlichen Leben teilhaben. Er werde im häuslichen Bereich alleine von seiner Frau und ihm gepflegt. Auf Grund der altersbedingten Größen- wie auch Gewichtszunahme sowie zunehmender Beugekontrakturen beider Knie- und Hüftgelenke gestalte sich die Pflege immer schwieriger. Bei seiner Frau hätten sich mittlerweile gesundheitliche Störungen wie Bandscheibenvorfall und ein chronisches Schulter-Arm-Syndrom eingestellt, ganz zu schweigen von einem chronischen Erschöpfungssyndrom. Entsprechend könnten viele schwere körperbetonte Pflegearbeiten nur noch von ihm verrichtet werden. C. besuche derzeit werktags eine Schule in D-Stadt. Der Transfer erfolge durch einen speziellen Hol- und Bringedienst. An den Wochenenden und Feiertagen sei er zuhause. Die Schulferien könnten bis zu einem gewissen Grad durch Tagesbetreuung in einem Kinderheim überbrückt werden. Er und seine Frau seien aber durch die Mehrfachbelastung mittlerweile an den Grenzen ihrer Belastbarkeit angelangt. Der Beitritt zur ärztlichen Bereitschaftsdienstzentrale in AAD. im Jahr 2009 habe für die Wochenenden und Feiertage eine Entlastung gebracht. Er habe dadurch seine Frau in der Pflege entlasten können. Mittlerweile sei seine Anwesenheit an diesen Tagen unverzichtbar. Dem bisherigen Obmann habe er seine familiäre Situation deutlich machen können. Sein zum April 2012 eingesetzter Nachfolger habe bereits deutlich gemacht, dass er nach den Vorgaben der Notdienstsatzung wieder alle beteiligten Kollegen zu Diensten in der Notdienstzentrale verpflichten wolle. Er könne sich nicht vorstellen, wie er in dieser Zeit die pflegerische Versorgung seines Sohnes weiterhin sicherstellen solle. Hinzu komme eine Operation seines Sohnes, er dürfe mindestens danach 6 Wochen das Knie nicht belasten, für ein 1/4 Jahr werde der Pflegeaufwand nochmals deutlich größer sein. Dem Antrag fügte er verschiedene Unterlagen zum Nachweis der Erkrankung seines Sohnes bei.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 10.09.2012 den Antrag ab. Zur Begründung verwies sie auf die Notdienstverordnung und führte weiter aus, die Teilnahme am organisierten Bereitschaftsdienst sei auf Grund der geringen Diensteinteilung zumutbar. Dem Kläger stehe es auch frei, sich auf eigene Kosten einen geeigneten Vertreter zu nehmen.
Hiergegen legte der Kläger am 09.10.2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, die Frage nach der Zumutbarkeit sei bei seiner Konstellation nicht in erster Linie über die Häufigkeit der voraussichtlich zu erwartenden Dienste zu klären. Er sehe sich auf Grund seiner familiären Belastungssituation prinzipiell nicht mehr in der Lage, Bereitschaftsdienste zu leisten. Er schilderte nochmals seine persönliche Situation und den erforderlichen Einsatz für die Pflege des Sohnes. Weiter führte er aus, angesichts der geringen Häufigkeit von Diensten stelle sich umgekehrt die Frage, ob seine persönliche Verfügbarkeit zwingend erforderlich sei. Die Wahrscheinlichkeit, einen Vertreter zu finden, sei gering.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2012 den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte aus, nach § 3 Abs. 2 der Notdienstordnung könne eine ggf. befristete, teilweise bzw. vollständige Freistellung vom organisierten Notdienst auf Antrag eines Vertragsarztes ausgesprochen werden, wenn ein Vertragsarzt wegen besonderer belastender familiärer Pflichten nicht nur vorübergehend an der Teilnahme am organisierten Notdienst gehindert sei. Dies sei nicht der Fall. Zwar trage der Kläger eine belastende familiäre Situation vor, angesichts der geringen Diensteinteilung sei die Teilnahme am ärztlichen Notdienst jedoch zumutbar. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könne jeder Arzt, von wirtschaftlichen Härtefällen abgesehen, zur Teilnahme am Notfallvertretungsdienst herangezogen werden, wobei es seiner Entscheidung obliege, ob er dieser Verpflichtung persönlich oder durch Beauftragung eines Vertreters nachkomme. Außerdem sehe die Notdienstordnung vor, dass vor einer Freistellung zu prüfen sei, ob dem Vertragsarzt auferlegt werden könne, die Dienste auf eigene Kosten oder zumindest mittels Kostenbeteilung von einem eigenen Vertreter wahrnehmen zu lassen. Es sei nicht erforderlich, dass der Kläger die Dienste persönlich vornehme.
Hiergegen hat der Kläger am 08.01.2013 die Klage erhoben. Er ist der Auffassung, seine besonders belastende familiäre Situation liege offen zu Tage. Daran ändere auch nur eine geringe Diensteinteilung nichts. Vertretungsbereite Ärzte gebe es nicht. Die Dienste seien öfters als ein- bis zweimal jährlich. Die bereits angespannte Pflegesituation werde durch die Aufforderung zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst im ca. 20 km entfernten AAD. an Wochenenden und Feiertagen gefährdet. Anfangs sei bon einer "Zwangsverpflichtung" nicht die rede gewesen, sonst hätte er auch einer Zusammenlegung nicht zugestimmt. Für den Dienst im Quartal I/13 habe er ohne Erfolg einen Vertreter gesucht, der erst vom stellvertretenden Obmann gefunden worden sei. Die Kosten für die Pflege überstiegen bei Weitem das Pflegegeld, so dass es keine Reserve gebe. Während der Woche wechsele sich seine Praxis mit einer anderen Gemeinschaftspraxis ab. Dies sei kein Problem, da er evtl. Besuche von zu Hause aus absolvieren könne.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn von der Verpflichtung zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst in der Bereitschaftsdienstzentrale YB. in AAD. wegen besonderer familiärer Belastung freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, der ärztliche Bereitschaftsdienstbezirk umfasse die Ortschaften AAD., B Stadt, D-Stadt, E-Stadt, F-Stadt, G-Stadt, A-Stadt, C-Stadt und H-Stadt. Es gebe im gesamten Bezirk 34 Arztsitze, wobei 28 dem ärztlichen Bereitschaftsdienst zugeordnet seien. Der Bereitschaftsdienst habe die Versorgung von Samstagmorgen 08:00 Uhr bis Montagmorgen 07:00 Uhr sowie an Vorabenden von Feiertagen 18:00 Uhr bis zum jeweils nachfolgenden Werktag 07:00 Uhr zu gewährleisten. Unter der Woche sei der Bereitschaftsdienst als kollegialer Vertretungsdienst eingerichtet. Der Dienst könne nicht immer mit dienstwilligen Vertragsärzten besetzt werden, so dass auf diejenigen zurückgegriffen werden müsse, die den Dienst noch nicht ausübten. Sie würden dann entweder für einen Fahrdienst, der formal 24 Std. praktisch aber nur 12 Std. dauere oder für einen 12 Std. dauernden Tag- oder Nachtdienst eingeteilt werden. Dies komme ein- bis zweimal pro Jahr und niedergelassenen Jahr vor. Daneben bestehe ein Hintergrunddienst als "Reserveschiene", in denen der Kläger zwei- bis dreimal pro Quartal eingeteilt werde. Dieser Dienst werde lediglich ein- bis zweimal jährlich in Anspruch genommen. Eine Befreiung komme gegenwärtig nicht in Betracht, weil auf Grund des Engpasses in der Versorgungsgruppe der Vertragsärzte andernfalls zu befürchten sei, dass die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung nicht mehr gewährleistet werden könne. Es könne grundsätzlich von jedem Arzt verlangt werden, den Notfallvertretungsdienst, der für ihn auch eine Entlastung darstelle, zumindest solange mitzutragen, wie er im vollen Umfang vertragsärztlich tätig sei, die wirtschaftlichen Möglichkeiten seines Berufs voll nutze. Der Kläger trage selbst vor, dass er, solange sein Sohn außerhäusig betreut werde, seine Praxistätigkeit uneingeschränkt ausüben könne und er keine wirtschaftliche Nachteile erleide. Doch selbst wenn man in der Pflege und Betreuung des Sohnes einen solchen schwerwiegenden Grund sehe, sei die Zumutbarkeitsgrenze zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst auf Grund der geringen Diensteinteilung nicht überschritten. Darüber hinaus liege die Freistellung in ihrem Ermessen. Sie prüfe gemäß § 6 Abs. 2a Notdienstordnung vor einer Entscheidung über eine Freistellung, ob dem Vertragsarzt eine andere Tätigkeit anderer Art im Rahmen der organisierten Dienste zugemutet werden könne und ob gemäß § 6 Abs. 2 NDO dem Vertragsarzt auferlegt werden könne, die Dienste auf eigene Kosten oder zumindest mit dessen Kostenbeteiligung von einem Vertreter wahrnehmen zu lassen, welcher auch selbst zu rekrutieren und zu überwachen sei. Der Kläger habe jedoch keine hinreichende Versuche dargelegt, einen Vertreter für seine Dienste zu finden, sondern nur pauschal vorgetragen, dass es schwierig sei, einen Vertreter zu finden. Dies reiche nicht aus. Ggf. sei er darauf zu verweisen, dass er jeweils für seine Einteilung im ärztlichen Bereitschaft und die Möglichkeit der Verhinderungspflege oder privat eine Pflegehilfe in Anspruch nehme.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 10.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2012 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf, ihn von der Verpflichtung zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst in der Bereitschaftsdienstzentrale YB. in AAD. wegen besonderer familiärer Belastung freizustellen.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen haben die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Die Sicherstellung umfasst auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst), nicht jedoch die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes, soweit das Landesrecht nichts anderes bestimmt (§ 75 Abs. 1 Satz 1 und 2 Sozialgesetzbuch, V. Buch, Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V). Zur Erfüllung ihrer Pflichten hat die Beklagte die hier anzuwendende und ab 01.05.2005 gültige Notdienstordnung erlassen, bekannt gegeben durch die Bekanntmachung vom 20.09.2002 (Teil I), geändert durch Beschluss der Abgeordnetenversammlung vom 24.11.2004, bekannt gegeben als Anlage 1 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom 15.12.2004, und durch Beschluss der Abgeordnetenversammlung vom 13.12.2008, bekannt gegeben durch Rundschreiben vom 29.12.2008. Diese Notdienstordnung hat Satzungsqualität. Nach der Notdienstordnung nehmen am organisierten allgemeinen Notdienst grundsätzlich alle niedergelassenen Vertragsärzte an einer Notdienstgemeinschaft teil (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Notdienstordnung). Eine ggf. befristete, teilweise bzw. vollständige Freistellung vom organisierten Notdienst kann auf Antrag eines Vertragsarztes vom Geschäftsausschuss der zuständigen Bezirksstelle bzw. nach der Änderung vom Vorstand oder einem von ihm beauftragten Gremium u. a. ausgesprochen werden, wenn
a) ein Vertragsarzt aus gesundheitlichen Gründen (Krankheit oder Behinderung) hierzu nicht in der Lage ist, und dies wesentliche Auswirkungen auf seine sonstige tägliche vertragsärztliche Tätigkeit hat;
b) bei einer Vertragsärztin eine Schwangerschaft besteht (bis zum 12. Monat nach der Entbindung);
c) ein Vertragsarzt das 65. Lebensjahr vollendet hat;
d) ein Vertragsarzt wegen besonders belastender familiärer Pflichten oder wegen politischer, berufspolitischer oder wissenschaftlicher Tätigkeit nicht nur vorübergehend an der Teilnahme am organisierten Notdienst gehindert ist;
e) sonstige von einem Vertragsarzt im Einzelfall darzulegende, schwerwiegende Gründe, aufgrund derer eine Teilnahme am Notdienst auf Zeit oder dauernd nicht zugemutet werden kann, bestehen.
Ein Antrag auf Befreiung vom organisierten Notdienst gemäß Abs. 2 ist schriftlich mit entsprechender Begründung an die für die Notdienstgemeinschaft zuständige Bezirksstelle zu richten (§ 3 Abs. 3 Notdienstordnung). Der Geschäftsausschuss der zuständigen Bezirksstelle bzw. der Vorstand oder ein von ihm beauftragtes Gremium hat auf Antrag eines Vertragsarztes über dessen Freistellung von der Teilnahmeverpflichtung am organisierten Notdienst zu entscheiden. Dabei sind die unter § 3 genannten Sachverhalte zu prüfen. Bevor eine Entscheidung über eine vollständige oder teilweise, ggf. auch zeitlich begrenzte Freistellung erfolgt, ist zu prüfen ob
a) dem betreffenden Vertragsarzt eine ärztliche Tätigkeit anderer Art im Rahmen der organisierten Dienste zugemutet werden kann. Als solche Tätigkeiten kommen insbesondere in Betracht:
aa) Bereitschaft für Notdienstleistungen in den Räumen der eigenen Praxis oder in der Notdienstzentrale bzw. an einer dazu von der zuständigen Bezirksstelle vorgesehenen Stelle bzw. nach der Änderung vom Vorstand oder einem von ihm beauftragten Gremium
bb) telefonische ärztliche Beratung in einer Notdienstzentrale oder Notdienstleitstelle
cc) Dienst im Rahmen der Rufbereitschaft/Hintergrundbereitschaft
dd) Bereitschaftsdienst zur konsiliarischen Unterstützung des Notarztes;
b) im Falle der Freistellung aus gesundheitlichen Gründen oder wegen körperlicher Behinderung eine nachteilige Auswirkung der gesundheitlichen Verhältnisse auf die allgemeine berufliche Tätigkeit des Vertragsarztes festzustellen ist;
c) dem Vertragsarzt auferlegt werden kann, die Dienste auf eigene Kosten oder zumindest mit dessen Kostenbeteiligung von einem eigenen Vertreter wahrnehmen zu lassen; in diesem Fall hat die Bezirksstelle auch die Höhe des Kostenersatzes festzulegen (§ 6 Abs. 2 Notdienstordnung).
Grundsätzlich sind alle Vertragsärzte zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst geeignet. Der Anspruch eines Vertragsarztes beschränkt sich darauf, im Rahmen der Gleichbehandlung nicht öfters zum Notfalldienst herangezogen zu werden als die übrigen Ärzte.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat wiederholt betont, dass es sich bei der Sicherstellung eines ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienstes um eine gemeinsame Aufgabe der Vertragsärzte handelt, die nur erfüllt werden kann, wenn alle zugelassenen Ärzte unabhängig von der Fachgruppenzugehörigkeit und sonstigen individuellen Besonderheiten und ohne Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Personen oder Gruppen gleichmäßig herangezogen werden (vgl. BSG, Urt. v. 18.10.1995 - 6 RKa 66/94 - USK 95124, juris Rdnr. 15).
Der in der Notfalldienstverpflichtung liegende Eingriff in die Berufsfreiheit ist auch dann hinzunehmen, wenn er für den einzelnen Vertragsarzt besondere, über das übliche Maß hinausgehende Unannehmlichkeiten und Erschwernisse mit sich bringt. Erst beim Vorliegen schwerwiegender Gründe kann die Grenze der Zumutbarkeit überschritten und eine Befreiung des Betroffenen geboten sein (vgl. BSG, Urt. v. 18.10.1995 - 6 RKa 66/94 - USK 95124, juris Rdnr. 15). Die Kassenärztliche Vereinigung muss auf Erfüllung der Verpflichtung nicht bestehen, wenn genügend Kassenärzte freiwillig teilnehmen, sie kann allerdings die nicht teilnehmenden Vertragsärzte zur Finanzierung heranziehen (vgl. BSG, Urt. v. 03.09.1987 - 6 RKa 1/87 - SozR 2200 § 368m Nr. 4, juris Rdnr. 17). Der Notdienst ist in gleicher Weise Bestandteil der hausärztlichen als auch der fachärztlichen Versorgung (vgl. BSG, Urt. v. 06.09.2006 - B 6 KA 43/05 R - SozR 4-2500 § 75 Nr. 5 = MedR 2007, 504, juris Rdnr. 11). Auch Fachärzte sind grundsätzlich geeignet zur Teilnahme am Notfalldienst (vgl. BSG, Urt. v. 15.04.1980 - Az: 6 RKa 8/78 - USK 8055 m.w.N., juris Rdnr. 12). Beruft sich ein Facharzt auf einen Eignungsverlust, so trägt er hierfür die Feststellungslast (vgl. BSG, Urt. v. 15.04.1980 - Az: 6 RKa 8/78 - USK 8055 m.w.N. = juris Rdnr. 12; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 08.12.2004 - L 10 KA 5/04 - www.sozialgerichtsbarkeit.de.). Es besteht auch eine Pflicht zur Fortbildung für eine Tätigkeit im Notdienst (vgl. BSG, Urt. v. 15.04.1980 - Az: 6 RKa 8/78 - USK 8055 m.w.N. = juris Rdnr. 12; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 08.12.2004 - L 10 KA 5/04 - www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 16.07.2003 - L 5 KA 3081/02 - juris Rdnr. 22).
Ausnahmen von der Teilnahmeverpflichtung können als Ermessensvorschrift ausgestaltet werden (vgl. BSG, Urt. v. 11.06.1986 - 6 RKa 5/85 - MedR 1987, 122, juris Rdnr. 12). Das BSG hat eine Bestimmung, nach der bei der Entscheidung über eine völlige, teilweise und zeitweilige Freistellung vom Notfallvertretungsdienst u. a. stets zu prüfen ist, ob dem Arzt aufgegeben werden kann, den Notfallvertretungsdienst auf eigene Kosten von einem geeigneten Vertreter wahrnehmen zu lassen, mit höherem Recht als vereinbar angesehen. Aus übergeordnetem Recht ergibt sich nicht, dass auf diese Prüfung zu verzichten ist, wenn der persönlichen Teilnahme am Notfallvertretungsdienst gesundheitliche Gründe entgegenstehen. Vielmehr lässt sich mit dem übergeordneten Recht vereinbaren, die Freistellung vom Notfallvertretungsdienst zusätzlich von beruflichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Arztes, insbesondere von seinem Honorarumsatz abhängig zu machen. Das Kassenarztrecht überträgt die ärztliche Versorgung der Versicherten denjenigen freiberuflich tätigen Ärzten, die dazu bereit sind. Mit der auf ihren Antrag hin ausgesprochenen Zulassung übernehmen die Ärzte die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung. Die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung ist nicht auf gewisse Zeiträume (z. B. Sprechstunden, Werktage) beschränkt, sondern muss auch in zeitlicher Hinsicht umfassend sein ("rund um die Uhr"). Die Erfüllung dieser Aufgabe macht es, wenn nicht anderweitig vorgesorgt, erforderlich, für bestimmte Zeiten (insbesondere für die Wochenenden) einen Notfallvertretungsdienst zu organisieren. Da es sich um eine gemeinsame Aufgabe aller Kassenärzte handelt, sind auch alle Kassenärzte zur Mitwirkung heranzuziehen, und zwar in einer alle gleichmäßig belastenden Weise. Persönliche Verhältnisse des einzelnen Arztes bleiben dabei grundsätzlich unberücksichtigt. Ein Kassenarzt hat den Notfallvertretungsdienst, der für ihn auch eine Entlastung darstellt, zumindest solange gleichwertig mitzutragen, wie er in vollem Umfange kassenärztlich tätig ist. Es ist nicht geboten, einzelne Kassenärzte zu Lasten ihrer Kollegen von kassenärztlichen Pflichten freizustellen, wenn sie im Übrigen ihrer beruflichen Tätigkeit uneingeschränkt nachgehen, also die wirtschaftlichen Möglichkeiten des freien Berufes voll nutzen und deshalb wirtschaftlich nicht schlechter, eventuell sogar besser gestellt sind als ihre Kollegen, auf deren Kosten sie die Freistellung begehren. Es ist daher mit den Grundsätzen des Kassenarztrechts vereinbar, wenn die Freistellung von der gemeinsamen Aufgabe des Notfallvertretungsdienst nicht allein von den gesundheitlichen Verhältnissen des Kassenarztes, sondern auch davon abhängig gemacht wird, ob die gesundheitlichen Verhältnisse sich nachteilig auf die allgemeine berufliche Tätigkeit des Arztes auswirken, z.B. dass sie zu einer deutlichen Einschränkung der Praxisausübung geführt oder dem Kassenarzt aufgrund seiner Einkommensverhältnisse (des Honorarumsatzes) nicht mehr zugemutet werden kann, den Notfallvertretungsdienst auf eigene Kosten von einem Vertreter wahrnehmen zu lassen (vgl. BSG, Urt. v. 11.06.1986 - 6 RKa 5/85 - MedR 1987, 122, juris Rdnr. 13).
An dieser Rechtsprechung hat das BSG festgehalten. Es hat betont, die bundesrechtliche Verpflichtung aller Vertragsärzte zu einem gleichwertigen Mittragen der Belastungen infolge des ärztlichen Notfalldienstes besteht auch für den Fall, dass einer persönlichen Teilnahme am Notfalldienst gesundheitliche Gründe entgegenstehen. Eine vollständige (ersatzlose) Befreiung kommt unter dem Gesichtspunkt gleichmäßiger Belastung (Art 3 Abs. 1 GG) nur unter zusätzlichen Voraussetzungen in Frage, wenn nämlich gesundheitliche oder vergleichbare Belastungen zu einer deutlichen Einschränkung der Praxistätigkeit des Arztes führen und ihm zudem aufgrund geringer Einkünfte aus der ärztlichen Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden kann, den Notfalldienst auf eigene Kosten durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen. Hat mithin der aus gesundheitlichen oder vergleichbar schwerwiegenden Gründen an der persönlichen Notdienstleistung gehinderte Arzt primär einen Vertreter zur Ableistung der ihm obliegenden Notfalldienste zu stellen, so muss unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots dasselbe erst recht gelten, wenn ein Arzt aus anderen Gründen - wie z. B. wegen fehlender aktueller Kenntnisse und Fähigkeiten für den Notdienst - den Notfalldienst nicht persönlich erbringen darf. Verfügt die Kassenärztliche Vereinigung den Ausschluss eines Arztes vom Notfalldienst wegen solcher Ungeeignetheit, so enthält dies lediglich das Verbot, den Notfalldienst persönlich zu erbringen. Seine Pflicht zum Mittragen der Belastungen des Notfalldienstes bleibt davon unberührt; deshalb muss er auf eigene Kosten einen geeigneten Vertreter für die Durchführung der ihm obliegenden Notdienste stellen (vgl. BSG v. 06.02.2008 - B 6 KA 13/06 R - juris Rn. - SozR 4-2500 § 75 Nr. 7 = ZMGR 2008, 213 = USK 2008-18 = Breith 2009, 111 = MedR 2009, 428, Rdnr. 14).
Ausgehend hiervon sind die genannten Satzungsbestimmungen der Beklagten, insbesondere § 3 Abs. 2 Buchst. d Notdienstordnung, der allein als Befreiungstatbestand in Betracht kommen, da andere Gründe nicht vorgetragen werden und auch nicht ersichtlich sind, nicht zu beanstanden.
Zutreffend geht die Beklagte im angefochtenen Bescheid als Rechtsgrundlage allein von § 3 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe d) Notdienstordnung aus. Aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Notdienstordnung wird ersichtlich, dass die unter dem Buchstaben a) bis e) genannten Gründe nebeneinander bestehen, es sich aber beim Buchstaben e) um eine allgemeine Härteklausel handelt. Buchstabe e) kann daher nur dann angewandt werden, wenn die Gründe für die Buchstaben a) bis d) nicht vorliegen. Für belastende familiäre Pflichten bedeute dies, dass diese als Befreiungstatbestand nur nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe d) Notdienstordnung zu prüfen sind und nicht ergänzend auf die Härteklausel nach Buchstabe e) abzustellen ist. Dies folgt bereits aus einer systematischen Auslegung, da Buchstabe d) speziellere Voraussetzungen hat.
Ausgehend von diesen Rechtsgrundlagen und Rechtsgrundsätzen hat die Antragsgegnerin ihr Satzungsrecht in nicht zu beanstandender Weise angewandt. Die Beklagte geht nach dem Vortrag des Klägers von einer belastenden familiären Situation aus, verneint aber eine Unzumutbarkeit der Teilnahme, da es dem Kläger möglich sei, einen Vertreter auf eigene Kosten zu bestellen. Die Kammer sieht hierin eine zulässige Ermessensausübung. § 3 Abs. 1 Satz 1 Notdienstordnung ist mit seinen Befreiungsvorschriften als Ermessensvorschrift ("kann") ausgestaltet. Auch wenn nur § 3 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a) Notdienstordnung auf die wesentlichen Auswirkungen auf die sonstige tägliche vertragsärztliche Tätigkeit abstellt und § 6 Abs. 2 Satz 3 Buchst. c) Notdienstordnung dem Vorstand die Befugnis gibt, anstatt einer Befreiung die Verpflichtung auszusprechen, die Dienste auf eigene Kosten oder zumindest mit einer Kostenbeteiligung des Vertragsarztes von einem eigenen Vertreter wahrnehmen zu lassen, so ist dieser Gesichtspunkt nicht hierauf beschränkt. Gerade unter der Maßgabe, dass es sich bei der Sicherstellung eines ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienstes um eine gemeinsame Aufgabe aller Vertragsärzte handelt und persönliche Verhältnisse des einzelnen Arztes dabei grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, kann auch bei anderen Belastungen als gesundheitlichen Einschränkungen darauf abgestellt werden, ob diese Belastungen zu einer deutlichen Einschränkung der Praxistätigkeit des Arztes führen. Unter Beachtung des Gleichheitsgebots ist vielmehr auch zu verlangen, dass bei den anderen Befreiungstatbeständen, die im Vergleich mit den gesundheitlichen Einschränkungen nicht als schwerwiegender anzusehen sind, nicht wesentlich geringere Anforderungen gestellt werden.
Die Möglichkeit einer Vertreterbestellung ist angesichts der Häufigkeit der Heranziehung des Klägers zu den Diensten nicht ausgeschlossen oder unzumutbar. So wurde der Kläger in den sechs Quartalen II/12 bis III/13 lediglich dreimal zum Bereitschaftsdienst (jeweils einmal in den Quartalen IV/12, I und II/13) und achtmal zum Hintergrunddienst (in den Quartalen II und IV/12 jeweils einmal, in den Quartalen III/12, I und III/13 jeweils zweimal) eingeteilt, wobei der Hintergrunddienst im Regelfall als Bereitschaftsdienst ohne Abruf absolviert werden kann.
Auch führt der Kläger nach den von der Beklagten vorgelegten Umsatzzahlen eine im Wesentlichen durchschnittliche Praxis. Seine familiäre Belastung hat insoweit nicht erkennbar dazu geführt, dass er nur noch eine unterdurchschnittliche Praxis führen könnte.
Nach allem war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Befreiung vom ärztlichen Bereitschaftsdienst wegen besonderer familiärer Belastung.
Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in C-Stadt zugelassen. Er betreibt mit einem Kollegen eine allgemeinärztliche Gemeinschaftspraxis.
Der Kläger beantragte am 22.03.2012 die Befreiung von der Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst in der Bereitschaftsdienstzentrale YB. in AAD. wegen besonderer familiärer Belastung. Er trug vor, er sei verheiratet und habe vier Kinder. Die drei ältesten Kinder, Töchter im Alter von 24, 22 und 20 Jahren, lebten außer Haus und studierten in ZQ. bzw. in ZS ... Sein jüngstes Kind, sein Sohn C., geb. 1995, sei schwerst körperbehindert. Auf Grund eines vermutlich pränatalen Sauerstoffmangels bestehe eine ausgeprägte spastische Tetraparese. Er sei mittlerweile 16 Jahre alt, ca. 160 cm groß und wiege etwa 40 kg. Er könne weder stehen noch laufen und wegen einer Rumpfinstabilität auch nicht frei sitzen. Auch eine normale verbale Kommunikation sei nicht möglich, wenngleich er alles verstehe. Mit Einsatz von aufwendigen Hilfsmitteln (Laufgerät, Stehhilfe, Rollstuhl usw.) könne er notdürftig am gemeinschaftlichen Leben teilhaben. Er werde im häuslichen Bereich alleine von seiner Frau und ihm gepflegt. Auf Grund der altersbedingten Größen- wie auch Gewichtszunahme sowie zunehmender Beugekontrakturen beider Knie- und Hüftgelenke gestalte sich die Pflege immer schwieriger. Bei seiner Frau hätten sich mittlerweile gesundheitliche Störungen wie Bandscheibenvorfall und ein chronisches Schulter-Arm-Syndrom eingestellt, ganz zu schweigen von einem chronischen Erschöpfungssyndrom. Entsprechend könnten viele schwere körperbetonte Pflegearbeiten nur noch von ihm verrichtet werden. C. besuche derzeit werktags eine Schule in D-Stadt. Der Transfer erfolge durch einen speziellen Hol- und Bringedienst. An den Wochenenden und Feiertagen sei er zuhause. Die Schulferien könnten bis zu einem gewissen Grad durch Tagesbetreuung in einem Kinderheim überbrückt werden. Er und seine Frau seien aber durch die Mehrfachbelastung mittlerweile an den Grenzen ihrer Belastbarkeit angelangt. Der Beitritt zur ärztlichen Bereitschaftsdienstzentrale in AAD. im Jahr 2009 habe für die Wochenenden und Feiertage eine Entlastung gebracht. Er habe dadurch seine Frau in der Pflege entlasten können. Mittlerweile sei seine Anwesenheit an diesen Tagen unverzichtbar. Dem bisherigen Obmann habe er seine familiäre Situation deutlich machen können. Sein zum April 2012 eingesetzter Nachfolger habe bereits deutlich gemacht, dass er nach den Vorgaben der Notdienstsatzung wieder alle beteiligten Kollegen zu Diensten in der Notdienstzentrale verpflichten wolle. Er könne sich nicht vorstellen, wie er in dieser Zeit die pflegerische Versorgung seines Sohnes weiterhin sicherstellen solle. Hinzu komme eine Operation seines Sohnes, er dürfe mindestens danach 6 Wochen das Knie nicht belasten, für ein 1/4 Jahr werde der Pflegeaufwand nochmals deutlich größer sein. Dem Antrag fügte er verschiedene Unterlagen zum Nachweis der Erkrankung seines Sohnes bei.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 10.09.2012 den Antrag ab. Zur Begründung verwies sie auf die Notdienstverordnung und führte weiter aus, die Teilnahme am organisierten Bereitschaftsdienst sei auf Grund der geringen Diensteinteilung zumutbar. Dem Kläger stehe es auch frei, sich auf eigene Kosten einen geeigneten Vertreter zu nehmen.
Hiergegen legte der Kläger am 09.10.2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, die Frage nach der Zumutbarkeit sei bei seiner Konstellation nicht in erster Linie über die Häufigkeit der voraussichtlich zu erwartenden Dienste zu klären. Er sehe sich auf Grund seiner familiären Belastungssituation prinzipiell nicht mehr in der Lage, Bereitschaftsdienste zu leisten. Er schilderte nochmals seine persönliche Situation und den erforderlichen Einsatz für die Pflege des Sohnes. Weiter führte er aus, angesichts der geringen Häufigkeit von Diensten stelle sich umgekehrt die Frage, ob seine persönliche Verfügbarkeit zwingend erforderlich sei. Die Wahrscheinlichkeit, einen Vertreter zu finden, sei gering.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2012 den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte aus, nach § 3 Abs. 2 der Notdienstordnung könne eine ggf. befristete, teilweise bzw. vollständige Freistellung vom organisierten Notdienst auf Antrag eines Vertragsarztes ausgesprochen werden, wenn ein Vertragsarzt wegen besonderer belastender familiärer Pflichten nicht nur vorübergehend an der Teilnahme am organisierten Notdienst gehindert sei. Dies sei nicht der Fall. Zwar trage der Kläger eine belastende familiäre Situation vor, angesichts der geringen Diensteinteilung sei die Teilnahme am ärztlichen Notdienst jedoch zumutbar. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könne jeder Arzt, von wirtschaftlichen Härtefällen abgesehen, zur Teilnahme am Notfallvertretungsdienst herangezogen werden, wobei es seiner Entscheidung obliege, ob er dieser Verpflichtung persönlich oder durch Beauftragung eines Vertreters nachkomme. Außerdem sehe die Notdienstordnung vor, dass vor einer Freistellung zu prüfen sei, ob dem Vertragsarzt auferlegt werden könne, die Dienste auf eigene Kosten oder zumindest mittels Kostenbeteilung von einem eigenen Vertreter wahrnehmen zu lassen. Es sei nicht erforderlich, dass der Kläger die Dienste persönlich vornehme.
Hiergegen hat der Kläger am 08.01.2013 die Klage erhoben. Er ist der Auffassung, seine besonders belastende familiäre Situation liege offen zu Tage. Daran ändere auch nur eine geringe Diensteinteilung nichts. Vertretungsbereite Ärzte gebe es nicht. Die Dienste seien öfters als ein- bis zweimal jährlich. Die bereits angespannte Pflegesituation werde durch die Aufforderung zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst im ca. 20 km entfernten AAD. an Wochenenden und Feiertagen gefährdet. Anfangs sei bon einer "Zwangsverpflichtung" nicht die rede gewesen, sonst hätte er auch einer Zusammenlegung nicht zugestimmt. Für den Dienst im Quartal I/13 habe er ohne Erfolg einen Vertreter gesucht, der erst vom stellvertretenden Obmann gefunden worden sei. Die Kosten für die Pflege überstiegen bei Weitem das Pflegegeld, so dass es keine Reserve gebe. Während der Woche wechsele sich seine Praxis mit einer anderen Gemeinschaftspraxis ab. Dies sei kein Problem, da er evtl. Besuche von zu Hause aus absolvieren könne.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn von der Verpflichtung zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst in der Bereitschaftsdienstzentrale YB. in AAD. wegen besonderer familiärer Belastung freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, der ärztliche Bereitschaftsdienstbezirk umfasse die Ortschaften AAD., B Stadt, D-Stadt, E-Stadt, F-Stadt, G-Stadt, A-Stadt, C-Stadt und H-Stadt. Es gebe im gesamten Bezirk 34 Arztsitze, wobei 28 dem ärztlichen Bereitschaftsdienst zugeordnet seien. Der Bereitschaftsdienst habe die Versorgung von Samstagmorgen 08:00 Uhr bis Montagmorgen 07:00 Uhr sowie an Vorabenden von Feiertagen 18:00 Uhr bis zum jeweils nachfolgenden Werktag 07:00 Uhr zu gewährleisten. Unter der Woche sei der Bereitschaftsdienst als kollegialer Vertretungsdienst eingerichtet. Der Dienst könne nicht immer mit dienstwilligen Vertragsärzten besetzt werden, so dass auf diejenigen zurückgegriffen werden müsse, die den Dienst noch nicht ausübten. Sie würden dann entweder für einen Fahrdienst, der formal 24 Std. praktisch aber nur 12 Std. dauere oder für einen 12 Std. dauernden Tag- oder Nachtdienst eingeteilt werden. Dies komme ein- bis zweimal pro Jahr und niedergelassenen Jahr vor. Daneben bestehe ein Hintergrunddienst als "Reserveschiene", in denen der Kläger zwei- bis dreimal pro Quartal eingeteilt werde. Dieser Dienst werde lediglich ein- bis zweimal jährlich in Anspruch genommen. Eine Befreiung komme gegenwärtig nicht in Betracht, weil auf Grund des Engpasses in der Versorgungsgruppe der Vertragsärzte andernfalls zu befürchten sei, dass die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung nicht mehr gewährleistet werden könne. Es könne grundsätzlich von jedem Arzt verlangt werden, den Notfallvertretungsdienst, der für ihn auch eine Entlastung darstelle, zumindest solange mitzutragen, wie er im vollen Umfang vertragsärztlich tätig sei, die wirtschaftlichen Möglichkeiten seines Berufs voll nutze. Der Kläger trage selbst vor, dass er, solange sein Sohn außerhäusig betreut werde, seine Praxistätigkeit uneingeschränkt ausüben könne und er keine wirtschaftliche Nachteile erleide. Doch selbst wenn man in der Pflege und Betreuung des Sohnes einen solchen schwerwiegenden Grund sehe, sei die Zumutbarkeitsgrenze zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst auf Grund der geringen Diensteinteilung nicht überschritten. Darüber hinaus liege die Freistellung in ihrem Ermessen. Sie prüfe gemäß § 6 Abs. 2a Notdienstordnung vor einer Entscheidung über eine Freistellung, ob dem Vertragsarzt eine andere Tätigkeit anderer Art im Rahmen der organisierten Dienste zugemutet werden könne und ob gemäß § 6 Abs. 2 NDO dem Vertragsarzt auferlegt werden könne, die Dienste auf eigene Kosten oder zumindest mit dessen Kostenbeteiligung von einem Vertreter wahrnehmen zu lassen, welcher auch selbst zu rekrutieren und zu überwachen sei. Der Kläger habe jedoch keine hinreichende Versuche dargelegt, einen Vertreter für seine Dienste zu finden, sondern nur pauschal vorgetragen, dass es schwierig sei, einen Vertreter zu finden. Dies reiche nicht aus. Ggf. sei er darauf zu verweisen, dass er jeweils für seine Einteilung im ärztlichen Bereitschaft und die Möglichkeit der Verhinderungspflege oder privat eine Pflegehilfe in Anspruch nehme.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.
Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 10.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2012 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf, ihn von der Verpflichtung zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst in der Bereitschaftsdienstzentrale YB. in AAD. wegen besonderer familiärer Belastung freizustellen.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen haben die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Die Sicherstellung umfasst auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst), nicht jedoch die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes, soweit das Landesrecht nichts anderes bestimmt (§ 75 Abs. 1 Satz 1 und 2 Sozialgesetzbuch, V. Buch, Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V). Zur Erfüllung ihrer Pflichten hat die Beklagte die hier anzuwendende und ab 01.05.2005 gültige Notdienstordnung erlassen, bekannt gegeben durch die Bekanntmachung vom 20.09.2002 (Teil I), geändert durch Beschluss der Abgeordnetenversammlung vom 24.11.2004, bekannt gegeben als Anlage 1 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung vom 15.12.2004, und durch Beschluss der Abgeordnetenversammlung vom 13.12.2008, bekannt gegeben durch Rundschreiben vom 29.12.2008. Diese Notdienstordnung hat Satzungsqualität. Nach der Notdienstordnung nehmen am organisierten allgemeinen Notdienst grundsätzlich alle niedergelassenen Vertragsärzte an einer Notdienstgemeinschaft teil (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Notdienstordnung). Eine ggf. befristete, teilweise bzw. vollständige Freistellung vom organisierten Notdienst kann auf Antrag eines Vertragsarztes vom Geschäftsausschuss der zuständigen Bezirksstelle bzw. nach der Änderung vom Vorstand oder einem von ihm beauftragten Gremium u. a. ausgesprochen werden, wenn
a) ein Vertragsarzt aus gesundheitlichen Gründen (Krankheit oder Behinderung) hierzu nicht in der Lage ist, und dies wesentliche Auswirkungen auf seine sonstige tägliche vertragsärztliche Tätigkeit hat;
b) bei einer Vertragsärztin eine Schwangerschaft besteht (bis zum 12. Monat nach der Entbindung);
c) ein Vertragsarzt das 65. Lebensjahr vollendet hat;
d) ein Vertragsarzt wegen besonders belastender familiärer Pflichten oder wegen politischer, berufspolitischer oder wissenschaftlicher Tätigkeit nicht nur vorübergehend an der Teilnahme am organisierten Notdienst gehindert ist;
e) sonstige von einem Vertragsarzt im Einzelfall darzulegende, schwerwiegende Gründe, aufgrund derer eine Teilnahme am Notdienst auf Zeit oder dauernd nicht zugemutet werden kann, bestehen.
Ein Antrag auf Befreiung vom organisierten Notdienst gemäß Abs. 2 ist schriftlich mit entsprechender Begründung an die für die Notdienstgemeinschaft zuständige Bezirksstelle zu richten (§ 3 Abs. 3 Notdienstordnung). Der Geschäftsausschuss der zuständigen Bezirksstelle bzw. der Vorstand oder ein von ihm beauftragtes Gremium hat auf Antrag eines Vertragsarztes über dessen Freistellung von der Teilnahmeverpflichtung am organisierten Notdienst zu entscheiden. Dabei sind die unter § 3 genannten Sachverhalte zu prüfen. Bevor eine Entscheidung über eine vollständige oder teilweise, ggf. auch zeitlich begrenzte Freistellung erfolgt, ist zu prüfen ob
a) dem betreffenden Vertragsarzt eine ärztliche Tätigkeit anderer Art im Rahmen der organisierten Dienste zugemutet werden kann. Als solche Tätigkeiten kommen insbesondere in Betracht:
aa) Bereitschaft für Notdienstleistungen in den Räumen der eigenen Praxis oder in der Notdienstzentrale bzw. an einer dazu von der zuständigen Bezirksstelle vorgesehenen Stelle bzw. nach der Änderung vom Vorstand oder einem von ihm beauftragten Gremium
bb) telefonische ärztliche Beratung in einer Notdienstzentrale oder Notdienstleitstelle
cc) Dienst im Rahmen der Rufbereitschaft/Hintergrundbereitschaft
dd) Bereitschaftsdienst zur konsiliarischen Unterstützung des Notarztes;
b) im Falle der Freistellung aus gesundheitlichen Gründen oder wegen körperlicher Behinderung eine nachteilige Auswirkung der gesundheitlichen Verhältnisse auf die allgemeine berufliche Tätigkeit des Vertragsarztes festzustellen ist;
c) dem Vertragsarzt auferlegt werden kann, die Dienste auf eigene Kosten oder zumindest mit dessen Kostenbeteiligung von einem eigenen Vertreter wahrnehmen zu lassen; in diesem Fall hat die Bezirksstelle auch die Höhe des Kostenersatzes festzulegen (§ 6 Abs. 2 Notdienstordnung).
Grundsätzlich sind alle Vertragsärzte zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst geeignet. Der Anspruch eines Vertragsarztes beschränkt sich darauf, im Rahmen der Gleichbehandlung nicht öfters zum Notfalldienst herangezogen zu werden als die übrigen Ärzte.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat wiederholt betont, dass es sich bei der Sicherstellung eines ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienstes um eine gemeinsame Aufgabe der Vertragsärzte handelt, die nur erfüllt werden kann, wenn alle zugelassenen Ärzte unabhängig von der Fachgruppenzugehörigkeit und sonstigen individuellen Besonderheiten und ohne Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Personen oder Gruppen gleichmäßig herangezogen werden (vgl. BSG, Urt. v. 18.10.1995 - 6 RKa 66/94 - USK 95124, juris Rdnr. 15).
Der in der Notfalldienstverpflichtung liegende Eingriff in die Berufsfreiheit ist auch dann hinzunehmen, wenn er für den einzelnen Vertragsarzt besondere, über das übliche Maß hinausgehende Unannehmlichkeiten und Erschwernisse mit sich bringt. Erst beim Vorliegen schwerwiegender Gründe kann die Grenze der Zumutbarkeit überschritten und eine Befreiung des Betroffenen geboten sein (vgl. BSG, Urt. v. 18.10.1995 - 6 RKa 66/94 - USK 95124, juris Rdnr. 15). Die Kassenärztliche Vereinigung muss auf Erfüllung der Verpflichtung nicht bestehen, wenn genügend Kassenärzte freiwillig teilnehmen, sie kann allerdings die nicht teilnehmenden Vertragsärzte zur Finanzierung heranziehen (vgl. BSG, Urt. v. 03.09.1987 - 6 RKa 1/87 - SozR 2200 § 368m Nr. 4, juris Rdnr. 17). Der Notdienst ist in gleicher Weise Bestandteil der hausärztlichen als auch der fachärztlichen Versorgung (vgl. BSG, Urt. v. 06.09.2006 - B 6 KA 43/05 R - SozR 4-2500 § 75 Nr. 5 = MedR 2007, 504, juris Rdnr. 11). Auch Fachärzte sind grundsätzlich geeignet zur Teilnahme am Notfalldienst (vgl. BSG, Urt. v. 15.04.1980 - Az: 6 RKa 8/78 - USK 8055 m.w.N., juris Rdnr. 12). Beruft sich ein Facharzt auf einen Eignungsverlust, so trägt er hierfür die Feststellungslast (vgl. BSG, Urt. v. 15.04.1980 - Az: 6 RKa 8/78 - USK 8055 m.w.N. = juris Rdnr. 12; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 08.12.2004 - L 10 KA 5/04 - www.sozialgerichtsbarkeit.de.). Es besteht auch eine Pflicht zur Fortbildung für eine Tätigkeit im Notdienst (vgl. BSG, Urt. v. 15.04.1980 - Az: 6 RKa 8/78 - USK 8055 m.w.N. = juris Rdnr. 12; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 08.12.2004 - L 10 KA 5/04 - www.sozialgerichtsbarkeit.de; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 16.07.2003 - L 5 KA 3081/02 - juris Rdnr. 22).
Ausnahmen von der Teilnahmeverpflichtung können als Ermessensvorschrift ausgestaltet werden (vgl. BSG, Urt. v. 11.06.1986 - 6 RKa 5/85 - MedR 1987, 122, juris Rdnr. 12). Das BSG hat eine Bestimmung, nach der bei der Entscheidung über eine völlige, teilweise und zeitweilige Freistellung vom Notfallvertretungsdienst u. a. stets zu prüfen ist, ob dem Arzt aufgegeben werden kann, den Notfallvertretungsdienst auf eigene Kosten von einem geeigneten Vertreter wahrnehmen zu lassen, mit höherem Recht als vereinbar angesehen. Aus übergeordnetem Recht ergibt sich nicht, dass auf diese Prüfung zu verzichten ist, wenn der persönlichen Teilnahme am Notfallvertretungsdienst gesundheitliche Gründe entgegenstehen. Vielmehr lässt sich mit dem übergeordneten Recht vereinbaren, die Freistellung vom Notfallvertretungsdienst zusätzlich von beruflichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Arztes, insbesondere von seinem Honorarumsatz abhängig zu machen. Das Kassenarztrecht überträgt die ärztliche Versorgung der Versicherten denjenigen freiberuflich tätigen Ärzten, die dazu bereit sind. Mit der auf ihren Antrag hin ausgesprochenen Zulassung übernehmen die Ärzte die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung. Die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung ist nicht auf gewisse Zeiträume (z. B. Sprechstunden, Werktage) beschränkt, sondern muss auch in zeitlicher Hinsicht umfassend sein ("rund um die Uhr"). Die Erfüllung dieser Aufgabe macht es, wenn nicht anderweitig vorgesorgt, erforderlich, für bestimmte Zeiten (insbesondere für die Wochenenden) einen Notfallvertretungsdienst zu organisieren. Da es sich um eine gemeinsame Aufgabe aller Kassenärzte handelt, sind auch alle Kassenärzte zur Mitwirkung heranzuziehen, und zwar in einer alle gleichmäßig belastenden Weise. Persönliche Verhältnisse des einzelnen Arztes bleiben dabei grundsätzlich unberücksichtigt. Ein Kassenarzt hat den Notfallvertretungsdienst, der für ihn auch eine Entlastung darstellt, zumindest solange gleichwertig mitzutragen, wie er in vollem Umfange kassenärztlich tätig ist. Es ist nicht geboten, einzelne Kassenärzte zu Lasten ihrer Kollegen von kassenärztlichen Pflichten freizustellen, wenn sie im Übrigen ihrer beruflichen Tätigkeit uneingeschränkt nachgehen, also die wirtschaftlichen Möglichkeiten des freien Berufes voll nutzen und deshalb wirtschaftlich nicht schlechter, eventuell sogar besser gestellt sind als ihre Kollegen, auf deren Kosten sie die Freistellung begehren. Es ist daher mit den Grundsätzen des Kassenarztrechts vereinbar, wenn die Freistellung von der gemeinsamen Aufgabe des Notfallvertretungsdienst nicht allein von den gesundheitlichen Verhältnissen des Kassenarztes, sondern auch davon abhängig gemacht wird, ob die gesundheitlichen Verhältnisse sich nachteilig auf die allgemeine berufliche Tätigkeit des Arztes auswirken, z.B. dass sie zu einer deutlichen Einschränkung der Praxisausübung geführt oder dem Kassenarzt aufgrund seiner Einkommensverhältnisse (des Honorarumsatzes) nicht mehr zugemutet werden kann, den Notfallvertretungsdienst auf eigene Kosten von einem Vertreter wahrnehmen zu lassen (vgl. BSG, Urt. v. 11.06.1986 - 6 RKa 5/85 - MedR 1987, 122, juris Rdnr. 13).
An dieser Rechtsprechung hat das BSG festgehalten. Es hat betont, die bundesrechtliche Verpflichtung aller Vertragsärzte zu einem gleichwertigen Mittragen der Belastungen infolge des ärztlichen Notfalldienstes besteht auch für den Fall, dass einer persönlichen Teilnahme am Notfalldienst gesundheitliche Gründe entgegenstehen. Eine vollständige (ersatzlose) Befreiung kommt unter dem Gesichtspunkt gleichmäßiger Belastung (Art 3 Abs. 1 GG) nur unter zusätzlichen Voraussetzungen in Frage, wenn nämlich gesundheitliche oder vergleichbare Belastungen zu einer deutlichen Einschränkung der Praxistätigkeit des Arztes führen und ihm zudem aufgrund geringer Einkünfte aus der ärztlichen Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden kann, den Notfalldienst auf eigene Kosten durch einen Vertreter wahrnehmen zu lassen. Hat mithin der aus gesundheitlichen oder vergleichbar schwerwiegenden Gründen an der persönlichen Notdienstleistung gehinderte Arzt primär einen Vertreter zur Ableistung der ihm obliegenden Notfalldienste zu stellen, so muss unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots dasselbe erst recht gelten, wenn ein Arzt aus anderen Gründen - wie z. B. wegen fehlender aktueller Kenntnisse und Fähigkeiten für den Notdienst - den Notfalldienst nicht persönlich erbringen darf. Verfügt die Kassenärztliche Vereinigung den Ausschluss eines Arztes vom Notfalldienst wegen solcher Ungeeignetheit, so enthält dies lediglich das Verbot, den Notfalldienst persönlich zu erbringen. Seine Pflicht zum Mittragen der Belastungen des Notfalldienstes bleibt davon unberührt; deshalb muss er auf eigene Kosten einen geeigneten Vertreter für die Durchführung der ihm obliegenden Notdienste stellen (vgl. BSG v. 06.02.2008 - B 6 KA 13/06 R - juris Rn. - SozR 4-2500 § 75 Nr. 7 = ZMGR 2008, 213 = USK 2008-18 = Breith 2009, 111 = MedR 2009, 428, Rdnr. 14).
Ausgehend hiervon sind die genannten Satzungsbestimmungen der Beklagten, insbesondere § 3 Abs. 2 Buchst. d Notdienstordnung, der allein als Befreiungstatbestand in Betracht kommen, da andere Gründe nicht vorgetragen werden und auch nicht ersichtlich sind, nicht zu beanstanden.
Zutreffend geht die Beklagte im angefochtenen Bescheid als Rechtsgrundlage allein von § 3 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe d) Notdienstordnung aus. Aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Notdienstordnung wird ersichtlich, dass die unter dem Buchstaben a) bis e) genannten Gründe nebeneinander bestehen, es sich aber beim Buchstaben e) um eine allgemeine Härteklausel handelt. Buchstabe e) kann daher nur dann angewandt werden, wenn die Gründe für die Buchstaben a) bis d) nicht vorliegen. Für belastende familiäre Pflichten bedeute dies, dass diese als Befreiungstatbestand nur nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe d) Notdienstordnung zu prüfen sind und nicht ergänzend auf die Härteklausel nach Buchstabe e) abzustellen ist. Dies folgt bereits aus einer systematischen Auslegung, da Buchstabe d) speziellere Voraussetzungen hat.
Ausgehend von diesen Rechtsgrundlagen und Rechtsgrundsätzen hat die Antragsgegnerin ihr Satzungsrecht in nicht zu beanstandender Weise angewandt. Die Beklagte geht nach dem Vortrag des Klägers von einer belastenden familiären Situation aus, verneint aber eine Unzumutbarkeit der Teilnahme, da es dem Kläger möglich sei, einen Vertreter auf eigene Kosten zu bestellen. Die Kammer sieht hierin eine zulässige Ermessensausübung. § 3 Abs. 1 Satz 1 Notdienstordnung ist mit seinen Befreiungsvorschriften als Ermessensvorschrift ("kann") ausgestaltet. Auch wenn nur § 3 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a) Notdienstordnung auf die wesentlichen Auswirkungen auf die sonstige tägliche vertragsärztliche Tätigkeit abstellt und § 6 Abs. 2 Satz 3 Buchst. c) Notdienstordnung dem Vorstand die Befugnis gibt, anstatt einer Befreiung die Verpflichtung auszusprechen, die Dienste auf eigene Kosten oder zumindest mit einer Kostenbeteiligung des Vertragsarztes von einem eigenen Vertreter wahrnehmen zu lassen, so ist dieser Gesichtspunkt nicht hierauf beschränkt. Gerade unter der Maßgabe, dass es sich bei der Sicherstellung eines ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienstes um eine gemeinsame Aufgabe aller Vertragsärzte handelt und persönliche Verhältnisse des einzelnen Arztes dabei grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, kann auch bei anderen Belastungen als gesundheitlichen Einschränkungen darauf abgestellt werden, ob diese Belastungen zu einer deutlichen Einschränkung der Praxistätigkeit des Arztes führen. Unter Beachtung des Gleichheitsgebots ist vielmehr auch zu verlangen, dass bei den anderen Befreiungstatbeständen, die im Vergleich mit den gesundheitlichen Einschränkungen nicht als schwerwiegender anzusehen sind, nicht wesentlich geringere Anforderungen gestellt werden.
Die Möglichkeit einer Vertreterbestellung ist angesichts der Häufigkeit der Heranziehung des Klägers zu den Diensten nicht ausgeschlossen oder unzumutbar. So wurde der Kläger in den sechs Quartalen II/12 bis III/13 lediglich dreimal zum Bereitschaftsdienst (jeweils einmal in den Quartalen IV/12, I und II/13) und achtmal zum Hintergrunddienst (in den Quartalen II und IV/12 jeweils einmal, in den Quartalen III/12, I und III/13 jeweils zweimal) eingeteilt, wobei der Hintergrunddienst im Regelfall als Bereitschaftsdienst ohne Abruf absolviert werden kann.
Auch führt der Kläger nach den von der Beklagten vorgelegten Umsatzzahlen eine im Wesentlichen durchschnittliche Praxis. Seine familiäre Belastung hat insoweit nicht erkennbar dazu geführt, dass er nur noch eine unterdurchschnittliche Praxis führen könnte.
Nach allem war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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