Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 464/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 31/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Aus dem Umstand, dass die durchschnittliche RLV-Fallzahl der Fachärzte für Physikalische und Rehabilitative Medizin in Hessen in den Quartalen I/09 bis I/12 konstant war, kann geschlossen werden, dass die Fallzahlen für das Regelleistungsvolumen in den Quartalen I und II/09 nicht auf der Grundlage vorwiegend von „Neupraxen“ berechnet wurden.
2. Die gemeinsame Praxistätigkeit mit arbeitsteiliger Behandlung der Patienten (hier: sechs Orthopäden und ein Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin) stellt keine Praxisbesonderheit dar, die eine Erhöhung der Fallzahlen für das Regelleistungsvolumen gebietet.
2. Die gemeinsame Praxistätigkeit mit arbeitsteiliger Behandlung der Patienten (hier: sechs Orthopäden und ein Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin) stellt keine Praxisbesonderheit dar, die eine Erhöhung der Fallzahlen für das Regelleistungsvolumen gebietet.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 31.959,12 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Regelleistungsvolumens für die beiden Quartale I und II/09 und hierbei um eine Festsetzung für Herrn AT1 ohne Fallwertabstaffelung.
Die Klägerin ist ein Medizinisches Versorgungszentrum mit Praxissitz in A-Stadt. Herr AT1 ist als Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin seit dem 01.07.2005 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Herr Dr. DN. ist als Facharzt für Orthopädie seit dem 15.08.1994 und Herr Dr. AT2 als Facharzt für Orthopädie seit dem 01.01.2002 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Fachärzte für Orthopädie Herr Dr. AT3 und Frau Dr. AT4 sind im MVZ seit 01.02.2007, Herr Dr. AT5 seit 01.10.2007, Frau Dr. AT6 seit 01.10.2008 und Frau Dr. AT7 seit 01.01.2009 angestellt.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 26.11.2008 das Regelleistungsvolumen der Klägerin für das Quartal I/09 fest, das sie mit Bescheid vom 26.03.2009 wie folgt abänderte:
RLV-relevante Fallzahl Fallwert in EUR Fallwertabstaffelung Altersstrukturquote Aufschlag fachgleiche BAG Regelleistungsvolumen in EUR
AT3 749 27,52 1,0000 0,9954 1 20.517,66
DN. 1.608 27,52 1,0000 0,9919 1 43.889,29
AT2 813 27,52 1,0000 1,0281 1 23.002,46
AT1 1.612 34,12 0,6663 1,0032 1 36.762,14
AT4 315 27,52 1,0000 0,9968 1 8.641,06
AT5 957 27,52 1,0000 0,9910 1 26.099,61
AT6 816 27,52 1,0000 1,0000 1 22.456,32
AT7 587 27,52 1,0000 1,0000 1 16.154,24
Gesamt 197.522,78
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 26.02.2009 das Regelleistungsvolumen der Klägerin für das Quartal II/09 wie folgt fest:
RLV-relevante Fallzahl Fallwert in EUR Fallwertabstaffelung Altersstrukturquote Aufschlag fachgleiche BAG Regelleistungsvolumen in EUR
AT2 767 21,27 1,0000 1,0357 1 16.896,50
AT3 677 21,27 1,0000 1,0010 1 14.414,19
AT5 1.343 21,27 1,0000 0,9816 1 28.040,00
DN. 1.540 21,27 1,0000 0.9943 1 32.569,09
AT4 607 21,27 1,0000 0,9639 1 12.444,81
AT7 607 21,27 1,0000 0,9639 1 12.444,81
AT6 857 21,27 1,0000 1,0000 1 18.228,39
AT1 1.751 22,27 0,6663 1,0018 1 25.521,14
Gesamt 160.558,93
Gegen die RLV-Bescheide legte die Klägerin am 29.12.2008 und 27.03.2009 Widerspruch ein.
Die Klägerin beantragte mit Datum vom 20.03.2009 die Anerkennung einer Praxisbesonderheit für Herrn AT1. Zur Begründung führte sie aus, die heutige Abstaffelungsregelung beruhe auf einer Fallzahl aus dem Jahre 2008 und einer Punkteanforderung aus 2007. Dabei sei unberücksichtigt geblieben, dass im Fach physikalische und rehabilitative Medizin derzeit nur 13 Praxen in Hessen zugelassen seien. In den Jahren 2007 und 2008 seien deutlich weniger Praxen zugelassen gewesen, wodurch die Berechnungsgrundlage verzerrt werde und was zu einer unbilligen Härte geführt habe. Es handele sich auch ausschließlich um Neupraxen. Dies führe zu einer Fallwertabstaffelung für Herrn AT1 von 0,65 im Quartal I/09. Durch den Zusammenschluss von 7 KV-Sitzen mit interdisziplinärer Zusammenarbeit entstünden hohe Fallzahlen, welche den Versorgungsbedarf demonstrierten. Dies stelle im Umkreis von weit über 50 Kilometern eine Alleinstellung dar. Die enge Einbindung der fachärztlichen Tätigkeit des Dr. AT1 in das Behandlungskonzept des Bewegungsapparates werde durch die vorhandenen Zusatzbezeichnungen Chirotherapie, Akupunktur, Röntgendiagnostik - Skelett und spezielle Schmerztherapie sowie die Genehmigung für die Erbringung von Sonografien deutlich.
Den Widerspruch gegen die Zuweisung des Regelleistungsvolumens für das Quartal I/09 begründete die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 18.03.2009. Darin führte sie nochmals aus, dass die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe mit 516 Fällen nicht geeignet sei, eine Fallwertabstaffelung wegen der geringen Zahl und der Neugründungen zu begründen. Herr AT1 sei in den Vorquartalen auch der Fachgruppe der Orthopäden zugeordnet worden. Der Widerspruch richte sich ferner gegen die dem Orthopäden AT5 zuerkannte RLV-relevante Fallzahl von 957 Fällen. Diese Fallzahl basierte auf der Abrechnung der Vorgängerpraxis Dr. AT8. Dieser sei seinerzeit aber schwer erkrankt gewesen, weshalb er im Quartal I/08 nicht in der Lage gewesen sei, seine Praxis in normalem Umfang zu führen. Es erscheine daher sachgerecht, die RLV-Fallzahl auf den Fachgruppendurchschnitt von 1.088 Fällen anzuheben.
Die Beklagte behandelte die Widersprüche gegen die Zuweisungsbescheide als Anträge auf Gewährung einer Sonderregelung und fasste die Verfahren mit dem weiteren Antrag der Klägerin zusammen.
Die Beklagte wies mit Bescheid vom 23.10.2009 den Antrag auf Änderung des Regelleistungsvolumens ab. Zur Begründung führte sie aus, für eine Sonderregelung hinsichtlich des Fallwertes lägen die Voraussetzungen nicht vor. Die durchschnittliche Fallzahl im Quartal I/08 betrage bei der Arztgruppe der Ärzte für physikalisch-rehabilitative Medizin 516 Fälle. Die 150%-Grenze liege folglich bei 774, die 170% Grenze bei 877 Fällen und die 200%-Grenze bei 1.032 Fällen. Mit Hilfe der entsprechenden Vergütungsquote berechnete sie die Fallwertabstaffelung. Die hieraus errechnete Vergütung im Umfang 36.644,88 EUR setzte sie ins Verhältnis zu einer Vergütung aufgrund der 1.612 Fälle und des Fallwerts von 34,12 EUR im Ergebnis von 55.001,44 EUR. Dies ergab die Quotierung mit dem Faktor von 0,6663. Die Voraussetzungen für eine Sonderregelung lägen nicht vor. Herr Dr. AT5 sei bereits sei dem 01.10.2007 am MVZ tätig. Die zugrunde gelegte Fallzahl beruhe also nicht auf den Werten von Herrn Dr. AT8, sondern auf der Grundlage der eigens erbrachten Fälle von Herrn Dr. AT5 im Quartal I/08 am MVZ.
Hiergegen hat die Klägerin am 19.11.2009 Widerspruch eingelegt, den sie nicht weiter begründete.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2011 den Widerspruch mit weitgehend gleichlautender Begründung wie im Ausgangsbescheid als unbegründet zurück. Ergänzend führte sie aus, eine Überprüfung der Versorgungssituation habe ergeben, dass Vertragsarztsitze der Fachgruppe des Herrn AT1 nicht zur Besetzung ausgeschrieben gewesen seien. Damit liege eine (drohende) Unterversorgung nicht vor. Es gebe in Hessen nicht nur 13 Praxen, sondern insgesamt 41 niedergelassene Vertragsärzte, die die Facharztbezeichnung "physikalisch und rehabilitative Medizin" tragen würden. Auch die von der Klägerin angeführten Leistungen aus dem Bereich der Chirotherapie, Akupunktur, Röntgendiagnostik und spezielle Schmerztherapie würden von diversen anderen Fachärzten für physikalisch und rehabilitative Medizin sowie Kollegen anderer Fachgruppen, insbesondere von Fachärzten für Orthopädie, erbracht werden. Damit sei die Versorgung in diesem Bereich als gesichert anzusehen.
Hiergegen hat die Kläger am 17.06.2011 die Klage erhoben. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 15.02.2013 hat sie bestätigt, dass eine Erhöhung des Regelleistungsvolumens für Herrn Dr. AT5 nicht mehr begehrt wird. Sie ist weiterhin der Auffassung, von der Herrn AT1 zugestandenen Fallzahl könne kein Facharzt existieren. Die durchschnittliche Fallzahl für die Orthopäden sei nahezu doppelt so hoch. Die geringe Durchschnittsfallzahl beruhe auf der jüngsten Entwicklung der Fachgruppe.
Die Klägerin beantragt,
in Abänderung des Bescheids vom 23.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2011 die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin AT1 für das Quartal I/09 ein Regelleistungsvolumen von 55.177,44 EUR und für das Quartal II/09 ein Regelleistungsvolumen von 39.064,96 EUR zuzuweisen,
hilfsweise
die Beklagte zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und trägt ergänzend vor, wenn die Annahme der Klägerin zutreffe, dass die Praxen 2008 noch in der Aufbauphase gewesen seien, so hätte in der Zeit danach in der Fachgruppe ein Wachstum bei den Fallzahlen stattfinden müssen und sich dies auch durch eine Steigerung der durchschnittlichen RLV-Fallzahlen bemerkbar machen müssen. Dies sei jedoch nicht der Fall. Gegen eine niedrige Auslastung der Fachgruppe spreche der Umstand, dass die durchschnittliche RLV-Fallzahl der Fachgruppe seit 2009 im Wesentlichen konstant sei. Die durchschnittliche RLV-Fallzahl der Fachgruppe liege in jedem Quartal seit dem Quartal I/09 bis I/12 zwischen 433 und 543 Fällen. Die durchschnittliche RLV-Fallzahl sei demnach über Jahre auf einem konstanten Niveau, was der Vermutung der Klägerin entgegenstehe. Im Einzelnen seien die RLV-Fallzahlen der Fachgruppe der Ärzte für physikalische und rehabilitative Medizin wie folgt gewesen:
2009: 516, 543, 496 und 473 Fälle,
2010: 449, 442, 433 und 487 Fälle,
2011: 497, 480, 497 und 507 Fälle,
2012: 517 (aus den Anhängen der jeweiligen RLV-Bescheide zu entnehmen).
Die Berechnungsweise sei durch den erweiterten Bewertungsausschuss verbindlich vorgegeben. Auch sei ein RLV von 17.605,92 EUR (I/09) für einen durchschnittlich abrechnenden Arzt für physikalische und rehabilitative Medizin nicht ungewöhnlich. Bei anderen Arztgruppen liege das RLV bei durchschnittlicher Abrechnung in einer ähnlichen Höhe oder sogar niedriger, so beispielsweise bei den Anästhesisten, Chirurgen und Gynäkologen. Je nach Arztgruppe und Praxisspektrum würden weitere Leistungen extrabudgetär abgerechnet und neben dem RLV vergütet werden. Dies treffe auch auf Herrn AT1 zu. Für ihn sei im Quartal I/09 ein Honorar von 93.467,61 EUR angefordert worden, davon aber nur 48.263,36 an RLV-Leistungen (II/09; 86.437,84 EUR und 46.414,41 EUR). Der Rest der Honoraranforderungen bestehe aus Kostenpauschalen, ambulantem Operieren, vor allem mit 39.516,75 EUR aus extrabudgetären Leistungen (II/09: 35.063,00 EUR). Ein Verstoß gegen die Honorarverteilungsgerechtigkeit oder gar eine Existenzgefährdung sei nicht zu erkennen. Gründe für eine Ausnahme von der Fallwertabstaffelung bestünden daher nicht. Eine Praxisbesonderheit ergebe sich auch nicht einfach aus der Kooperation mit den anderen sechs orthopädischen Fachärzten. Die gemeinsame Praxistätigkeit stelle keine Praxisbesonderheit dar. Ein Anspruch auf eine Erhöhung des Fallwertes bestehe nicht. Die Leistungen nach Ziffer 30790 und 30791 EBM würden extrabudgetär vergütet werden. Diese Leistungen machten neben den Grundpauschalen die größten Anteile am abgerechneten Honorar des Herrn AT1 aus. Die weiteren Leistungen der physikalisch- rehabilitativen Medizin würden von nahezu allen niedergelassenen Ärzten der Fachgruppe erbracht werden. Soweit die Klägerin vortrage, Herr AT1 übernehme für die Orthopäden die präoperative Therapieplanung und die postoperative Rehabilitation, mögen die Fallzahlen ggf. auch daraus resultieren, dass neben Herrn AT1 sechs Orthopäden bei der Klägerin tätig seien. Wenn Herr AT1 für deren Fälle die prä- und postoperative Behandlung übernehme und dies zu hohen Fallzahlen führe, dürfte dies aber eine Frage der Arbeitsteilung und Praxisausrichtung seien, jedoch keine Praxisbesonderheit und kein Problem der Sicherstellung. Auch für Herrn AT1 seien die RLV-Fallzahlen von 1.612 und 1.751 Fällen ungewöhnlich hoch gewesen. Die tatsächlich abgerechneten Fälle hätten mit 1.469 und 1.422 Fällen deutlich darunter gelegen. Zudem sei ein erheblicher Anteil der abgerechneten Arztfälle nicht RLV-relevant. In den Quartalen I und II/10 hätten die Fallzahlen 1.011 und 1.028 betragen, gebildet aufgrund der RLV-relevanten Fälle in den Quartalen I und II/09. Danach hätte der Kläger eine deutlich niedrigere RLV-Fallzahl gehabt. In den Quartalen III und IV/09 habe sie noch 1.142 und 1.034 Fälle betragen, ab 2010 bis heute habe die RLV-Fallzahl durchgängig um die tausend Fälle, teils knapp darüber, teils deutlich darunter betragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG) Die Kammer konnte dies ohne weitere mündliche Verhandlung tun, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden. Es kann hier dahinstehen, ob die Honorarbescheide für die beiden streitbefangenen Quartale bestandskräftig sind. Jedenfalls in den Fällen, in denen sich die Beklagte auch im angefochtenen Widerspruchsbescheid nicht auf ein fehlendes Rechtsschutzinteresse klägerseits beruft, sondern vielmehr materiellrechtlich über die Höhe des Regelleistungsvolumens neu beschieden hat, ist von einem weiterhin bestehenden Rechtsschutzbedürfnis auszugehen (vgl. Urteil der Kammer v. 10.04.2013 – S 12 KA 832/11).
Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 23.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2011 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuweisung eines Regelleistungsvolumens für den Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin AT1 für das Quartal I/09 in Höhe von 55.177,44 EUR und für das Quartal II/09 in Höhe von 39.064,96 EUR. Sie hat auch keinen Anspruch auf Verurteilung der Beklagten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die Klage war daher im Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen.
Der Bescheid vom 23.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2011 ist, soweit er angefochten ist, rechtmäßig
Nach Abschnitt 3.4 Teil F des Beschlusses des Erweiterten Bewerbungsausschusses gem. § 87 Abs. 4 SGB V zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung in seiner siebten Sitzung am 27. und 28. August 2008 (im Folgenden: EB7) gelten folgende Kriterien zur Ausnahme von der Abstaffelung:
Auf Antrag des Arztes und nach Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung können Leistungen über das arzt-/praxisbezogene Regelleistungsvolumen hinaus mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet werden. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge.
- Bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten aufgrund
- Urlaubs- und krankheitsbedingte Vertretung eines Arztes der eigenen Berufsausübungsgemeinschaft
- Urlaubs- und krankheitsbedingte Vertretung eines Arztes einer Arztpraxis in der näheren Umgebung der Arztpraxis
- Aufgabe einer Zulassung oder genehmigten Tätigkeit eines Arztes der eigenen Berufsausübungsgemeinschaft
- Aufgabe einer Zulassung oder genehmigten Tätigkeit eines Arztes in der näheren Umgebung der Arztpraxis
- eines außergewöhnlichen und/oder durch den Arzt unverschuldeten Grundes, der zu einer niedrigeren Fallzahl des Arztes im Aufsatzquartal geführt hat. Hierzu zählt z. B. Krankheit des Arztes.
Diese Vorgaben werden im Honorarverteilungsvertrag 2009 im Abschnitt II 3.4 übernommen und um folgende Regelungen ergänzt:
Darüber hinaus kann auf Beschluss des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in begründeten Ausnahmefällen (Urlaub, Krankheit etc.) anstelle des entsprechenden Vergleichsquartals des Vorjahres ein anderes Quartal als Referenzquartal zugrunde gelegt werden. Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen kann außerdem im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung von einer Abstaffelung in Ausnahmefällen und auf Antrag ganz oder teilweise absehen und in begründeten Fällen Sonderregelungen beschließen. Dies gilt insbesondere für Praxisbesonderheiten, die sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwerts der Arztgruppe von mind. 30 % vorliegt.
Nach der Rechtsprechung des LSG Hessen (Beschl. v. 21.12.2009 - L 4 KA 77/09 B ER www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris = www.lareda.hessenrecht.de) können nach den Kriterien zu Ausnahmen von der Abstaffelung über das arzt-/praxisbezogene RLV hinaus Leistungen mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet werden. Es handelt sich bei dem Begriff des "außergewöhnlichen Grundes" um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar ist. Der Auffassung, nach Sinn und Zweck der Regelung könne es nur ein dem aufgeführten Beispiel der Krankheit gleichwertiger Grund sein, aus dem heraus die ärztliche Tätigkeit über einen gewissen Zeitraum nicht ausgeübt wurde, der eine Mindestzeit von zwei Wochen erreichen müsse, weil ansonsten eine merkliche Fallzahlminderung im Aufsatzquartal nicht verursacht werden könne, kann nicht gefolgt werden; eine solche Auslegung erweist sich als zu restriktiv. Denkbar sind auch Fälle einer länger andauernden Erkrankung mit intensivem regelmäßigem Behandlungsbedarf (z.B. Dialyse-Behandlungen, Chemotherapie), die aufgrund ihrer Schwere dazu führen, dass über einen längeren Zeitraum eine Praxisführung nur unter eingeschränkten (zeitlichen) Bedingungen möglich ist, ohne dass es dabei zu einer Praxisschließung kommen muss. Andere Fallgestaltungen können daher zu berücksichtigen sein, wenn sie eine vergleichbare - außergewöhnliche - Qualität haben, wobei es ausdrücklich auf ein Verschulden nicht ankommt. Wie an dem Beispiel Krankheit ersichtlich, müssen solche Gründe jedoch nicht so außergewöhnlich sein, dass sie praktisch nie vorkommen oder völlig unvorhersehbar sind.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Klägerin trägt vielmehr vor, die Berechnungsgrundlage sei verzerrt, weil es sich in der Fachgruppe ausschließlich um Neupraxen in der Aufbauphase gehandelt habe. Dies trifft allerdings nicht zu. Die Beklagte hat dargelegt, dass die Auslastung der Fachgruppe, d. h. die durchschnittliche RLV-Fallzahl der Fachgruppe seit 2009 im Wesentlichen konstant geblieben ist. Die durchschnittliche RLV-Fallzahl der Fachgruppe lag in den Quartalen I/09 bis I/12 zwischen 433 und 543 Fällen. Von daher kann dahinstehen, ob aufgrund der Besonderheiten der Fachgruppe unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit eine Erhöhung der Fallzahlen geboten war. Es ist nicht ersichtlich, dass die Fallzahlen aus den von der Klägerin genannten Gründen zu gering bemessen wurden.
Soweit die Klägerin auf den Zusammenschluss von sieben KV-Sitzen mit interdisziplinärer Zusammenarbeit hinweist, wodurch hohe Fallzahlen entstünden, welche den Versorgungsbedarf demonstrierten, so weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Aufteilung des anfallenden Versorgungsbedarfs allein in die Sphäre der Klägerin fällt und die gemeinsame Praxistätigkeit keine Praxisbesonderheit darstellt. Es handelt sich damit um keine Fallgestaltungen außergewöhnlicher Qualität, die von Seiten der Klägerin nicht zu beeinflussen wäre.
Soweit die Klägerin vorträgt, von der Herrn AT1 zugestandenen Fallzahl könne kein Facharzt existieren, trifft dies nicht zu. Die Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, dass ein großer Anteil des Leistungsanteils gerade für die Tätigkeit des Herrn AT1 außerhalb des Regelleistungsvolumens anfällt. Von daher kann von der Höhe des Regelleistungsvolumens nicht auf die Höhe des Umsatzes oder des Einkommens geschlossen werden. Soweit die Klägerin damit letztlich geltend macht, ihr Honorar bzw. das Honorar für die Tätigkeit des Herrn AT1 sei unzureichend, kann dies keinen höheren Honoraranspruch begründen.
Nach § 72 Abs. 2 SGB V ist die vertragsärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien der Bundesausschüsse durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, dass (auch) die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. Aus dieser Bestimmung kann ein subjektives Recht des einzelnen Vertragsarztes auf höheres Honorar für ärztliche Tätigkeiten erst dann in Betracht kommen, wenn durch eine zu niedrige Vergütung ärztlicher Leistungen das vertragsärztliche Versorgungssystem als Ganzes oder zumindest in Teilbereichen, etwa in einer Arztgruppe, und als Folge davon auch die berufliche Existenz der an dem Versorgungssystem teilnehmenden Vertragsärzte gefährdet wird (vgl. BSG, Urt. v. 09.12.2004 - B 6 KA 44/03 R - SozR 4-2500 § 72 Nr. 2 = BSGE 94, 50 = GesR 2005, 307 = MedR 2005, 538 = Breith 2005, 817, juris Rdnr. 130 m. w. N.). Anzeichen hierfür sind nicht ersichtlich. Auch für das klägerische Fachgebiet ist im Bezirk der Beklagten die vertragsärztliche Versorgung gewährleistet. Insofern besteht auch kein Anspruch auf eine bestimmte oder eine Mindestvergütung für die einzelne ärztliche Leistung, da nur ein Anspruch auf Teilnahme an der Honorarverteilung, nicht aber auf eine bestimmte Vergütung der Einzelleistungen besteht. Von daher war der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden und die Klage im Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung in § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterlege Teil hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).
Die Kammer folgte bei der Streitwertfestsetzung dem Vortrag der Klägerin. Der Streitwert entspricht danach der Gesamtdifferenz zwischen den begehrten und tatsächlich zuerkannten Regelleistungsvolumina.
2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 31.959,12 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Regelleistungsvolumens für die beiden Quartale I und II/09 und hierbei um eine Festsetzung für Herrn AT1 ohne Fallwertabstaffelung.
Die Klägerin ist ein Medizinisches Versorgungszentrum mit Praxissitz in A-Stadt. Herr AT1 ist als Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin seit dem 01.07.2005 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Herr Dr. DN. ist als Facharzt für Orthopädie seit dem 15.08.1994 und Herr Dr. AT2 als Facharzt für Orthopädie seit dem 01.01.2002 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Fachärzte für Orthopädie Herr Dr. AT3 und Frau Dr. AT4 sind im MVZ seit 01.02.2007, Herr Dr. AT5 seit 01.10.2007, Frau Dr. AT6 seit 01.10.2008 und Frau Dr. AT7 seit 01.01.2009 angestellt.
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 26.11.2008 das Regelleistungsvolumen der Klägerin für das Quartal I/09 fest, das sie mit Bescheid vom 26.03.2009 wie folgt abänderte:
RLV-relevante Fallzahl Fallwert in EUR Fallwertabstaffelung Altersstrukturquote Aufschlag fachgleiche BAG Regelleistungsvolumen in EUR
AT3 749 27,52 1,0000 0,9954 1 20.517,66
DN. 1.608 27,52 1,0000 0,9919 1 43.889,29
AT2 813 27,52 1,0000 1,0281 1 23.002,46
AT1 1.612 34,12 0,6663 1,0032 1 36.762,14
AT4 315 27,52 1,0000 0,9968 1 8.641,06
AT5 957 27,52 1,0000 0,9910 1 26.099,61
AT6 816 27,52 1,0000 1,0000 1 22.456,32
AT7 587 27,52 1,0000 1,0000 1 16.154,24
Gesamt 197.522,78
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 26.02.2009 das Regelleistungsvolumen der Klägerin für das Quartal II/09 wie folgt fest:
RLV-relevante Fallzahl Fallwert in EUR Fallwertabstaffelung Altersstrukturquote Aufschlag fachgleiche BAG Regelleistungsvolumen in EUR
AT2 767 21,27 1,0000 1,0357 1 16.896,50
AT3 677 21,27 1,0000 1,0010 1 14.414,19
AT5 1.343 21,27 1,0000 0,9816 1 28.040,00
DN. 1.540 21,27 1,0000 0.9943 1 32.569,09
AT4 607 21,27 1,0000 0,9639 1 12.444,81
AT7 607 21,27 1,0000 0,9639 1 12.444,81
AT6 857 21,27 1,0000 1,0000 1 18.228,39
AT1 1.751 22,27 0,6663 1,0018 1 25.521,14
Gesamt 160.558,93
Gegen die RLV-Bescheide legte die Klägerin am 29.12.2008 und 27.03.2009 Widerspruch ein.
Die Klägerin beantragte mit Datum vom 20.03.2009 die Anerkennung einer Praxisbesonderheit für Herrn AT1. Zur Begründung führte sie aus, die heutige Abstaffelungsregelung beruhe auf einer Fallzahl aus dem Jahre 2008 und einer Punkteanforderung aus 2007. Dabei sei unberücksichtigt geblieben, dass im Fach physikalische und rehabilitative Medizin derzeit nur 13 Praxen in Hessen zugelassen seien. In den Jahren 2007 und 2008 seien deutlich weniger Praxen zugelassen gewesen, wodurch die Berechnungsgrundlage verzerrt werde und was zu einer unbilligen Härte geführt habe. Es handele sich auch ausschließlich um Neupraxen. Dies führe zu einer Fallwertabstaffelung für Herrn AT1 von 0,65 im Quartal I/09. Durch den Zusammenschluss von 7 KV-Sitzen mit interdisziplinärer Zusammenarbeit entstünden hohe Fallzahlen, welche den Versorgungsbedarf demonstrierten. Dies stelle im Umkreis von weit über 50 Kilometern eine Alleinstellung dar. Die enge Einbindung der fachärztlichen Tätigkeit des Dr. AT1 in das Behandlungskonzept des Bewegungsapparates werde durch die vorhandenen Zusatzbezeichnungen Chirotherapie, Akupunktur, Röntgendiagnostik - Skelett und spezielle Schmerztherapie sowie die Genehmigung für die Erbringung von Sonografien deutlich.
Den Widerspruch gegen die Zuweisung des Regelleistungsvolumens für das Quartal I/09 begründete die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 18.03.2009. Darin führte sie nochmals aus, dass die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe mit 516 Fällen nicht geeignet sei, eine Fallwertabstaffelung wegen der geringen Zahl und der Neugründungen zu begründen. Herr AT1 sei in den Vorquartalen auch der Fachgruppe der Orthopäden zugeordnet worden. Der Widerspruch richte sich ferner gegen die dem Orthopäden AT5 zuerkannte RLV-relevante Fallzahl von 957 Fällen. Diese Fallzahl basierte auf der Abrechnung der Vorgängerpraxis Dr. AT8. Dieser sei seinerzeit aber schwer erkrankt gewesen, weshalb er im Quartal I/08 nicht in der Lage gewesen sei, seine Praxis in normalem Umfang zu führen. Es erscheine daher sachgerecht, die RLV-Fallzahl auf den Fachgruppendurchschnitt von 1.088 Fällen anzuheben.
Die Beklagte behandelte die Widersprüche gegen die Zuweisungsbescheide als Anträge auf Gewährung einer Sonderregelung und fasste die Verfahren mit dem weiteren Antrag der Klägerin zusammen.
Die Beklagte wies mit Bescheid vom 23.10.2009 den Antrag auf Änderung des Regelleistungsvolumens ab. Zur Begründung führte sie aus, für eine Sonderregelung hinsichtlich des Fallwertes lägen die Voraussetzungen nicht vor. Die durchschnittliche Fallzahl im Quartal I/08 betrage bei der Arztgruppe der Ärzte für physikalisch-rehabilitative Medizin 516 Fälle. Die 150%-Grenze liege folglich bei 774, die 170% Grenze bei 877 Fällen und die 200%-Grenze bei 1.032 Fällen. Mit Hilfe der entsprechenden Vergütungsquote berechnete sie die Fallwertabstaffelung. Die hieraus errechnete Vergütung im Umfang 36.644,88 EUR setzte sie ins Verhältnis zu einer Vergütung aufgrund der 1.612 Fälle und des Fallwerts von 34,12 EUR im Ergebnis von 55.001,44 EUR. Dies ergab die Quotierung mit dem Faktor von 0,6663. Die Voraussetzungen für eine Sonderregelung lägen nicht vor. Herr Dr. AT5 sei bereits sei dem 01.10.2007 am MVZ tätig. Die zugrunde gelegte Fallzahl beruhe also nicht auf den Werten von Herrn Dr. AT8, sondern auf der Grundlage der eigens erbrachten Fälle von Herrn Dr. AT5 im Quartal I/08 am MVZ.
Hiergegen hat die Klägerin am 19.11.2009 Widerspruch eingelegt, den sie nicht weiter begründete.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2011 den Widerspruch mit weitgehend gleichlautender Begründung wie im Ausgangsbescheid als unbegründet zurück. Ergänzend führte sie aus, eine Überprüfung der Versorgungssituation habe ergeben, dass Vertragsarztsitze der Fachgruppe des Herrn AT1 nicht zur Besetzung ausgeschrieben gewesen seien. Damit liege eine (drohende) Unterversorgung nicht vor. Es gebe in Hessen nicht nur 13 Praxen, sondern insgesamt 41 niedergelassene Vertragsärzte, die die Facharztbezeichnung "physikalisch und rehabilitative Medizin" tragen würden. Auch die von der Klägerin angeführten Leistungen aus dem Bereich der Chirotherapie, Akupunktur, Röntgendiagnostik und spezielle Schmerztherapie würden von diversen anderen Fachärzten für physikalisch und rehabilitative Medizin sowie Kollegen anderer Fachgruppen, insbesondere von Fachärzten für Orthopädie, erbracht werden. Damit sei die Versorgung in diesem Bereich als gesichert anzusehen.
Hiergegen hat die Kläger am 17.06.2011 die Klage erhoben. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 15.02.2013 hat sie bestätigt, dass eine Erhöhung des Regelleistungsvolumens für Herrn Dr. AT5 nicht mehr begehrt wird. Sie ist weiterhin der Auffassung, von der Herrn AT1 zugestandenen Fallzahl könne kein Facharzt existieren. Die durchschnittliche Fallzahl für die Orthopäden sei nahezu doppelt so hoch. Die geringe Durchschnittsfallzahl beruhe auf der jüngsten Entwicklung der Fachgruppe.
Die Klägerin beantragt,
in Abänderung des Bescheids vom 23.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2011 die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin AT1 für das Quartal I/09 ein Regelleistungsvolumen von 55.177,44 EUR und für das Quartal II/09 ein Regelleistungsvolumen von 39.064,96 EUR zuzuweisen,
hilfsweise
die Beklagte zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und trägt ergänzend vor, wenn die Annahme der Klägerin zutreffe, dass die Praxen 2008 noch in der Aufbauphase gewesen seien, so hätte in der Zeit danach in der Fachgruppe ein Wachstum bei den Fallzahlen stattfinden müssen und sich dies auch durch eine Steigerung der durchschnittlichen RLV-Fallzahlen bemerkbar machen müssen. Dies sei jedoch nicht der Fall. Gegen eine niedrige Auslastung der Fachgruppe spreche der Umstand, dass die durchschnittliche RLV-Fallzahl der Fachgruppe seit 2009 im Wesentlichen konstant sei. Die durchschnittliche RLV-Fallzahl der Fachgruppe liege in jedem Quartal seit dem Quartal I/09 bis I/12 zwischen 433 und 543 Fällen. Die durchschnittliche RLV-Fallzahl sei demnach über Jahre auf einem konstanten Niveau, was der Vermutung der Klägerin entgegenstehe. Im Einzelnen seien die RLV-Fallzahlen der Fachgruppe der Ärzte für physikalische und rehabilitative Medizin wie folgt gewesen:
2009: 516, 543, 496 und 473 Fälle,
2010: 449, 442, 433 und 487 Fälle,
2011: 497, 480, 497 und 507 Fälle,
2012: 517 (aus den Anhängen der jeweiligen RLV-Bescheide zu entnehmen).
Die Berechnungsweise sei durch den erweiterten Bewertungsausschuss verbindlich vorgegeben. Auch sei ein RLV von 17.605,92 EUR (I/09) für einen durchschnittlich abrechnenden Arzt für physikalische und rehabilitative Medizin nicht ungewöhnlich. Bei anderen Arztgruppen liege das RLV bei durchschnittlicher Abrechnung in einer ähnlichen Höhe oder sogar niedriger, so beispielsweise bei den Anästhesisten, Chirurgen und Gynäkologen. Je nach Arztgruppe und Praxisspektrum würden weitere Leistungen extrabudgetär abgerechnet und neben dem RLV vergütet werden. Dies treffe auch auf Herrn AT1 zu. Für ihn sei im Quartal I/09 ein Honorar von 93.467,61 EUR angefordert worden, davon aber nur 48.263,36 an RLV-Leistungen (II/09; 86.437,84 EUR und 46.414,41 EUR). Der Rest der Honoraranforderungen bestehe aus Kostenpauschalen, ambulantem Operieren, vor allem mit 39.516,75 EUR aus extrabudgetären Leistungen (II/09: 35.063,00 EUR). Ein Verstoß gegen die Honorarverteilungsgerechtigkeit oder gar eine Existenzgefährdung sei nicht zu erkennen. Gründe für eine Ausnahme von der Fallwertabstaffelung bestünden daher nicht. Eine Praxisbesonderheit ergebe sich auch nicht einfach aus der Kooperation mit den anderen sechs orthopädischen Fachärzten. Die gemeinsame Praxistätigkeit stelle keine Praxisbesonderheit dar. Ein Anspruch auf eine Erhöhung des Fallwertes bestehe nicht. Die Leistungen nach Ziffer 30790 und 30791 EBM würden extrabudgetär vergütet werden. Diese Leistungen machten neben den Grundpauschalen die größten Anteile am abgerechneten Honorar des Herrn AT1 aus. Die weiteren Leistungen der physikalisch- rehabilitativen Medizin würden von nahezu allen niedergelassenen Ärzten der Fachgruppe erbracht werden. Soweit die Klägerin vortrage, Herr AT1 übernehme für die Orthopäden die präoperative Therapieplanung und die postoperative Rehabilitation, mögen die Fallzahlen ggf. auch daraus resultieren, dass neben Herrn AT1 sechs Orthopäden bei der Klägerin tätig seien. Wenn Herr AT1 für deren Fälle die prä- und postoperative Behandlung übernehme und dies zu hohen Fallzahlen führe, dürfte dies aber eine Frage der Arbeitsteilung und Praxisausrichtung seien, jedoch keine Praxisbesonderheit und kein Problem der Sicherstellung. Auch für Herrn AT1 seien die RLV-Fallzahlen von 1.612 und 1.751 Fällen ungewöhnlich hoch gewesen. Die tatsächlich abgerechneten Fälle hätten mit 1.469 und 1.422 Fällen deutlich darunter gelegen. Zudem sei ein erheblicher Anteil der abgerechneten Arztfälle nicht RLV-relevant. In den Quartalen I und II/10 hätten die Fallzahlen 1.011 und 1.028 betragen, gebildet aufgrund der RLV-relevanten Fälle in den Quartalen I und II/09. Danach hätte der Kläger eine deutlich niedrigere RLV-Fallzahl gehabt. In den Quartalen III und IV/09 habe sie noch 1.142 und 1.034 Fälle betragen, ab 2010 bis heute habe die RLV-Fallzahl durchgängig um die tausend Fälle, teils knapp darüber, teils deutlich darunter betragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG) Die Kammer konnte dies ohne weitere mündliche Verhandlung tun, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden. Es kann hier dahinstehen, ob die Honorarbescheide für die beiden streitbefangenen Quartale bestandskräftig sind. Jedenfalls in den Fällen, in denen sich die Beklagte auch im angefochtenen Widerspruchsbescheid nicht auf ein fehlendes Rechtsschutzinteresse klägerseits beruft, sondern vielmehr materiellrechtlich über die Höhe des Regelleistungsvolumens neu beschieden hat, ist von einem weiterhin bestehenden Rechtsschutzbedürfnis auszugehen (vgl. Urteil der Kammer v. 10.04.2013 – S 12 KA 832/11).
Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 23.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2011 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuweisung eines Regelleistungsvolumens für den Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin AT1 für das Quartal I/09 in Höhe von 55.177,44 EUR und für das Quartal II/09 in Höhe von 39.064,96 EUR. Sie hat auch keinen Anspruch auf Verurteilung der Beklagten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die Klage war daher im Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen.
Der Bescheid vom 23.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2011 ist, soweit er angefochten ist, rechtmäßig
Nach Abschnitt 3.4 Teil F des Beschlusses des Erweiterten Bewerbungsausschusses gem. § 87 Abs. 4 SGB V zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung in seiner siebten Sitzung am 27. und 28. August 2008 (im Folgenden: EB7) gelten folgende Kriterien zur Ausnahme von der Abstaffelung:
Auf Antrag des Arztes und nach Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung können Leistungen über das arzt-/praxisbezogene Regelleistungsvolumen hinaus mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet werden. Über das Verfahren der Umsetzung einigen sich die Partner der Gesamtverträge.
- Bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten aufgrund
- Urlaubs- und krankheitsbedingte Vertretung eines Arztes der eigenen Berufsausübungsgemeinschaft
- Urlaubs- und krankheitsbedingte Vertretung eines Arztes einer Arztpraxis in der näheren Umgebung der Arztpraxis
- Aufgabe einer Zulassung oder genehmigten Tätigkeit eines Arztes der eigenen Berufsausübungsgemeinschaft
- Aufgabe einer Zulassung oder genehmigten Tätigkeit eines Arztes in der näheren Umgebung der Arztpraxis
- eines außergewöhnlichen und/oder durch den Arzt unverschuldeten Grundes, der zu einer niedrigeren Fallzahl des Arztes im Aufsatzquartal geführt hat. Hierzu zählt z. B. Krankheit des Arztes.
Diese Vorgaben werden im Honorarverteilungsvertrag 2009 im Abschnitt II 3.4 übernommen und um folgende Regelungen ergänzt:
Darüber hinaus kann auf Beschluss des Vorstandes der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen in begründeten Ausnahmefällen (Urlaub, Krankheit etc.) anstelle des entsprechenden Vergleichsquartals des Vorjahres ein anderes Quartal als Referenzquartal zugrunde gelegt werden. Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen kann außerdem im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung von einer Abstaffelung in Ausnahmefällen und auf Antrag ganz oder teilweise absehen und in begründeten Fällen Sonderregelungen beschließen. Dies gilt insbesondere für Praxisbesonderheiten, die sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwerts der Arztgruppe von mind. 30 % vorliegt.
Nach der Rechtsprechung des LSG Hessen (Beschl. v. 21.12.2009 - L 4 KA 77/09 B ER www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris = www.lareda.hessenrecht.de) können nach den Kriterien zu Ausnahmen von der Abstaffelung über das arzt-/praxisbezogene RLV hinaus Leistungen mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet werden. Es handelt sich bei dem Begriff des "außergewöhnlichen Grundes" um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar ist. Der Auffassung, nach Sinn und Zweck der Regelung könne es nur ein dem aufgeführten Beispiel der Krankheit gleichwertiger Grund sein, aus dem heraus die ärztliche Tätigkeit über einen gewissen Zeitraum nicht ausgeübt wurde, der eine Mindestzeit von zwei Wochen erreichen müsse, weil ansonsten eine merkliche Fallzahlminderung im Aufsatzquartal nicht verursacht werden könne, kann nicht gefolgt werden; eine solche Auslegung erweist sich als zu restriktiv. Denkbar sind auch Fälle einer länger andauernden Erkrankung mit intensivem regelmäßigem Behandlungsbedarf (z.B. Dialyse-Behandlungen, Chemotherapie), die aufgrund ihrer Schwere dazu führen, dass über einen längeren Zeitraum eine Praxisführung nur unter eingeschränkten (zeitlichen) Bedingungen möglich ist, ohne dass es dabei zu einer Praxisschließung kommen muss. Andere Fallgestaltungen können daher zu berücksichtigen sein, wenn sie eine vergleichbare - außergewöhnliche - Qualität haben, wobei es ausdrücklich auf ein Verschulden nicht ankommt. Wie an dem Beispiel Krankheit ersichtlich, müssen solche Gründe jedoch nicht so außergewöhnlich sein, dass sie praktisch nie vorkommen oder völlig unvorhersehbar sind.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Klägerin trägt vielmehr vor, die Berechnungsgrundlage sei verzerrt, weil es sich in der Fachgruppe ausschließlich um Neupraxen in der Aufbauphase gehandelt habe. Dies trifft allerdings nicht zu. Die Beklagte hat dargelegt, dass die Auslastung der Fachgruppe, d. h. die durchschnittliche RLV-Fallzahl der Fachgruppe seit 2009 im Wesentlichen konstant geblieben ist. Die durchschnittliche RLV-Fallzahl der Fachgruppe lag in den Quartalen I/09 bis I/12 zwischen 433 und 543 Fällen. Von daher kann dahinstehen, ob aufgrund der Besonderheiten der Fachgruppe unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit eine Erhöhung der Fallzahlen geboten war. Es ist nicht ersichtlich, dass die Fallzahlen aus den von der Klägerin genannten Gründen zu gering bemessen wurden.
Soweit die Klägerin auf den Zusammenschluss von sieben KV-Sitzen mit interdisziplinärer Zusammenarbeit hinweist, wodurch hohe Fallzahlen entstünden, welche den Versorgungsbedarf demonstrierten, so weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Aufteilung des anfallenden Versorgungsbedarfs allein in die Sphäre der Klägerin fällt und die gemeinsame Praxistätigkeit keine Praxisbesonderheit darstellt. Es handelt sich damit um keine Fallgestaltungen außergewöhnlicher Qualität, die von Seiten der Klägerin nicht zu beeinflussen wäre.
Soweit die Klägerin vorträgt, von der Herrn AT1 zugestandenen Fallzahl könne kein Facharzt existieren, trifft dies nicht zu. Die Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, dass ein großer Anteil des Leistungsanteils gerade für die Tätigkeit des Herrn AT1 außerhalb des Regelleistungsvolumens anfällt. Von daher kann von der Höhe des Regelleistungsvolumens nicht auf die Höhe des Umsatzes oder des Einkommens geschlossen werden. Soweit die Klägerin damit letztlich geltend macht, ihr Honorar bzw. das Honorar für die Tätigkeit des Herrn AT1 sei unzureichend, kann dies keinen höheren Honoraranspruch begründen.
Nach § 72 Abs. 2 SGB V ist die vertragsärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien der Bundesausschüsse durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, dass (auch) die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. Aus dieser Bestimmung kann ein subjektives Recht des einzelnen Vertragsarztes auf höheres Honorar für ärztliche Tätigkeiten erst dann in Betracht kommen, wenn durch eine zu niedrige Vergütung ärztlicher Leistungen das vertragsärztliche Versorgungssystem als Ganzes oder zumindest in Teilbereichen, etwa in einer Arztgruppe, und als Folge davon auch die berufliche Existenz der an dem Versorgungssystem teilnehmenden Vertragsärzte gefährdet wird (vgl. BSG, Urt. v. 09.12.2004 - B 6 KA 44/03 R - SozR 4-2500 § 72 Nr. 2 = BSGE 94, 50 = GesR 2005, 307 = MedR 2005, 538 = Breith 2005, 817, juris Rdnr. 130 m. w. N.). Anzeichen hierfür sind nicht ersichtlich. Auch für das klägerische Fachgebiet ist im Bezirk der Beklagten die vertragsärztliche Versorgung gewährleistet. Insofern besteht auch kein Anspruch auf eine bestimmte oder eine Mindestvergütung für die einzelne ärztliche Leistung, da nur ein Anspruch auf Teilnahme an der Honorarverteilung, nicht aber auf eine bestimmte Vergütung der Einzelleistungen besteht. Von daher war der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden und die Klage im Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung in § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterlege Teil hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung erfolgte durch Beschluss des Vorsitzenden.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).
Die Kammer folgte bei der Streitwertfestsetzung dem Vortrag der Klägerin. Der Streitwert entspricht danach der Gesamtdifferenz zwischen den begehrten und tatsächlich zuerkannten Regelleistungsvolumina.
Rechtskraft
Aus
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