Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 3 SF 377/11 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AS 142/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ersetzung einer fehlerhaft angesetzten Terminsgebühr durch die Erledigungsgebühr
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 04.01.2013 geändert. Die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung des Antragstellers wird auf 659,26 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig und überwiegend begründet.
1. Über die Beschwerde entscheidet der Senat mit drei Berufsrichtern, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)). Die Rechtssache wirft schwierige Fragen auf (Austausch von Gebührenpositionen im Erinnerungsverfahren; Voraussetzungen einer Erledigungsgebühr im einstweiligen Rechtsschutzverfahren), mit den sich der Senat noch nicht befasst hat.
2. Antragsteller und Beschwerdeführer ist in Verfahren, die die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung bei gewährter Prozesskostenhilfe betreffen, der Rechtsanwalt selbst. Beschwerdegegner ist in diesen Verfahren die Landeskasse, vertreten durch den Bezirksrevisor. Die durch die Prozesskostenhilfe begünstigte Partei ist am Verfahren nicht beteiligt (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 10.02.2011 - L 9 AS 1290/10 B -, juris Rn. 6, m.w.N.).
3. Die Beschwerde ist zulässig.
a) Das Rechtsmittel der Beschwerde ist gegen Erinnerungsentscheidungen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG gegeben und nicht durch § 178 Sozialgerichtsgesetz (SGG) oder § 197 Abs. 2 SGG ausgeschlossen. Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. z.B. Beschl. v. 20.12.2007 - L 9 B 38/07 -), die von nahezu allen Senaten des LSG Nordrhein-Westfalen geteilt wird (vgl. statt vieler den Beschluss des 19. Senats vom 11.12.2009 - L 19 B 281/09 AS -, juris Rn. 25 m.w.N.), fest, wonach es sich bei §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG um jüngere und speziellere Regelungen handelt, die nach allgemeinen Grundsätzen der Normenkollision gegenüber §§ 178, 197 Abs. 2 SGG vorrangig sind. Die systematischen Bedenken der vereinzelt vertretenen Gegenauffassung (vgl. Beschluss des 10. Senats vom 02.05.2011 - L 10 P 112/10 B -, juris Rn. 6 ff.), teilt der Senat nicht.
b) Die Beschwerde ist gemäß § 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft, weil der Beschwerdewert von 200 Euro überschritten wird. Der Antragsteller wendet sich im Beschwerdeverfahren allein dagegen, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts (SG) und das SG in dem angefochtenen Erinnerungsbeschluss die vom Antragsteller im Kostenfestsetzungsantrag vom 26.10.2010 angesetzte fiktive Terminsgebühr gemäß Ziffer 3106 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG sowie die darauf entfallende Umsatzsteuer (Ziffer 7008 VV RVG) nicht anerkannt haben. Gegen die Anrechnung der Beratungshilfe auf die Prozesskostenhilfevergütung in Höhe von 66,64 Euro hat der Antragsteller weder vor dem SG noch in seiner Beschwerdebegründung Einwände geltend gemacht. Da der Antragsteller eine fiktive Terminsgebühr in Höhe von 200,- Euro angesetzt hat, beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes zuzüglich der insoweit auch zu berücksichtigenden Umsatzsteuer (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 28.09.2011 - L 20 SO 424/11 B -, juris Rn. 18 f. m.w.N. auch zur Gegenauffassung) insgesamt 238,- Euro.
c) Die Beschwerde ist am 17.01.2013 nach Maßgabe von §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG fristgemäß innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses des SG vom 04.01.2013 am 10.01.2013 eingelegt worden.
d) Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 17.01.2013, §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 RVG).
4. Die Beschwerde ist auch überwiegend begründet. Dem Antragsteller steht gegenüber der Staatskasse entgegen der Auffassung des SG ein um 226,10 Euro höherer Vergütungsanspruch zu, so dass die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 659,26 Euro festzusetzen ist.
Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung von der Staatskasse, soweit in Abschnitt 8 des RVG nichts anderes bestimmt ist. Dieser Vergütungsanspruch ist gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 RVG nach seinem Grund und seiner Höhe von dem Umfang der Beiordnung abhängig (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.12.2010 - L 19 AS 1138/10 B -, juris Rn. 25), wobei hier allerdings die Beiordnung des Antragstellers weder in zeitlicher noch in sachlicher Hinsicht beschränkt wurde (Beschluss vom 21.09.2010). Gemäß § 3 Abs. 1 RVG entstehen vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen, wie hier im Ausgangsverfahren, das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Für die Höhe der Vergütung ist das VV RVG maßgeblich. Der Prozessbevollmächtigte als beigeordneter Rechtsanwalt bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG die Höhe der Gebühren unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers, und seines besonderen Haftungsrisikos (§ 14 Abs. 1 Satz 3 RVG). Die von einem beigeordneten Rechtsanwalt im Verfahren nach § 55 RVG getroffene Bestimmung ist nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Deshalb ist der Urkundsbeamte bzw. das Gericht verpflichtet, die Billigkeit der Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt zu prüfen (vgl. den Beschluss des Senats vom 10.02.2011 - L 9 AS 1290/10 B -, juris Rn. 9).
Die vom Antragsteller bestimmte Vergütung in Höhe von 737,80 Euro abzüglich der vom Antragsteller nicht angegriffenen Anrechnung der Beratungshilfe in Höhe von 66,64 Euro, d.h. in Höhe von 671,16 Euro, ist zwar unbillig und deshalb nicht verbindlich. Die vom Senat in eigener Zuständigkeit vorzunehmende Prüfung der anzusetzenden Gebühren führt jedoch zu einem um 226,10 Euro höheren Vergütungsanspruch in Höhe von insgesamt 659,26 Euro.
a) Das SG hat zutreffend entschieden, das der Ansatz einer fiktiven Terminsgebühr gemäß Ziffer 3106 VV RVG nicht gerechtfertigt ist, da diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht anfallen kann. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Die Ausführungen des SG entsprechen nicht nur der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 24.11.2010 - L 9 AS 878/10 B -) sowie der herrschenden Auffassung beim LSG Nordrhein-Westfalen (vgl. hierzu z.B. den Beschluss des 19. Senats vom 22.12.2010 - L 19 AS 1138/10 B -, juris Rn. 40). Vielmehr haben auch der 1. und der 7. Senat mittlerweile ihre gegenteilige Auffassung aufgegeben (vgl. den Beschluss des 7. Senats vom 16.03.2011 - L 7 B 406/08 AS -, juris Rn. 24 f., und den Beschluss des 1. Senats vom 08.09.2011 - L 1 KR 129/11 B -, juris Rn. 33). Einwände hiergegen hat der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht geltend gemacht.
b) Dem Antragsteller steht jedoch entgegen der Auffassung des SG dem Grunde nach eine Erledigungsgebühr gemäß Ziffer 1002, 1005, 1006 VV RVG zu.
aa) Dem Ansatz einer Erledigungsgebühr steht nicht entgegen, dass der Antragsteller diese in seinem Festsetzungsantrag vom 26.10.2010 nicht ausdrücklich geltend gemacht, sondern ausschließlich eine fiktive Terminsgebühr nach Ziffer 3106 VV RVG angesetzt hat. Insoweit kann dahinstehen, ob der Antragsteller sein Begehren dadurch, dass er in seiner Erinnerungsschrift ausgeführt hat, er berufe sich auf alle erdenklichen Gebührentatbestände, und nunmehr ausdrücklich auch den Tatbestand einer Erledigungsgebühr für gegeben erachtet hat, in zulässiger Weise erweitert hat (vgl. hierzu FG Hamburg, Beschl. v. 11.07.2012 - 3 KO 49/12 -, juris Rn. 34 ff.). Im vorliegenden Fall ist der Austausch der Gebührenpositionen durch den Senat auch unabhängig von den Voraussetzungen einer Antragserweiterung zulässig und geboten.
Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens ist der geltend gemachte Kostenanspruch, der einerseits durch den begehrten Betrag und andererseits durch den Sachverhalt konkretisiert wird, aufgrund dessen eine Kostenposition beansprucht wird. Insoweit gilt nichts anderes als für den Begriff des Streitgegenstands im Prozess, der ebenfalls durch den Antrag und den Lebenssachverhalt, auf den der Anspruch gegründet wird, bestimmt wird: An den Streitgegenstand, den prozessualen Anspruch, ist das Gericht gebunden (§ 123 SGG). Innerhalb des Streitgegenstandes hat das Gericht den Sachverhalt umfassend von Amts wegen zu ermitteln (§ 103 SGG) und unter allen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen (vgl. § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG). Für das Kostenfestsetzungsverfahren bedeutet dies, dass der Urkundsbeamte oder das Gericht nicht über den Betrag hinausgehen dürfen, dessen Erstattung begehrt wird. Ebenso unzulässig ist es, den Sachverhalt, aufgrund dessen die einzelnen Gebührentatbestände geltend gemacht werden, von Amts wegen zu verändern oder zu erweitern. Zulässig und geboten ist es demgegenüber, den geltend gemachten Kostenanspruch unter allen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten, d.h. unter allen in Betracht kommenden Gebührentatbeständen des VV, zu prüfen (vgl. auch von Eicken/Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl. 2006, § 55 Rn. 27).
Maßgeblich ist insoweit, für welches anwaltliches Handeln bzw. für welches Ereignis eine Kostenposition geltend gemacht wird. Erhebt der Prozessbevollmächtigte lediglich eine Verfahrensgebühr, nennt er als kostenverursachenden Tatbestand lediglich die anwaltliche Tätigkeit durch Einleitung und Führung des Verfahrens und begrenzt so den im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens zu prüfenden Sachverhalt. Weder der Urkundsbeamte noch das Gericht dürfen in einem solchen Fall etwa eine Erledigungsgebühr nach VV 1002, 1005, 1006 oder eine Terminsgebühr nach VV 3106 zuerkennen, da dadurch der Sachverhalt im Kostenfestsetzungsverfahren um ein kostenverursachendes Ereignis (Erledigung durch anwaltliche Mitwirkung; Stattfinden eines Termins zur mündlichen Verhandlung) erweitert würde, auf das der geltend gemachte Kostenanspruch nicht gegründet wurde. Anders liegt der Fall jedoch, wenn der Prozessbevollmächtigte in seinem Antrag den Erledigungsvorgang als ein weiteres, möglicherweise kostenverursachendes Ereignis nennt und hierfür entweder eine Erledigungsgebühr oder eine fiktive Terminsgebühr ansetzt. Dieses angeblich kostenverursachende Ereignis ist dann daraufhin zu prüfen, ob es einen Vergütungstatbestand nach dem VV zum RVG erfüllt. Liegen die rechtlichen Voraussetzungen des von dem Prozessbevollmächtigten genannten Gebührentatbestandes nicht vor, bedeutet dies nicht, dass dem Prozessbevollmächtigten ein weitergehender Gebührenanspruch nicht zusteht. Vielmehr sind weitere Anspruchsgrundlagen, d.h. weitere Tatbestände des VV zu prüfen, aufgrund derer sich eine Gebühr für das geltend gemachte, möglicherweise kostenverursachende Ereignis ergeben könnte. Der Austausch von Kostenpositionen ist also möglich, soweit es in der Sache lediglich um einen Austausch der Anspruchsgrundlagen geht (vgl. zum gesamten Vorstehenden SG Köln, Beschl. v. 02.11.2007 - S 6 AS 231/06 -, juris Rn. 6 f.; dessen Ausführungen ohne Zitat wörtlich übernehmend SG Lüneburg, Beschl. v. 12.05.2009 - S 12 SF 56/09 E -, juris Rn. 8 f.; in der Sache ebenso FG Hamburg, Beschl. v. 11.07.2012 - 3 KO 49/12 -, juris Rn. 36 f.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.08.2003 - 5 WF 134/03 -, juris Rn. 34).
Nach diesen Grundsätzen kann die fehlerhaft angesetzte fiktive Terminsgebühr nach Ziffer 3106 VV RVG durch die Erledigungsgebühr nach Ziffer 1002, 1005, 1006 VV RVG ersetzt werden, denn insoweit liegt lediglich ein Austausch von Anspruchsgrundlagen vor. Geltend gemacht hat der Antragsteller allgemein eine Kostenposition aufgrund der Erledigung des Verfahrens. Dieser Sachverhalt war rechtlich auch unter dem Gesichtspunkt einer Erledigungsgebühr zu prüfen.
bb) Die Voraussetzungen der Ziffer 1002 VV RVG liegen vor.
Nach dieser Vorschrift entsteht die Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.
Nach gefestigter Rechtsprechung des BSG liegt eine "anwaltliche Mitwirkung" in diesem Sinne nur vor, wenn der Anwalt eine über die Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat. Nach dem Wortlaut der Erläuterungen zu Ziffer 1002 (Satz 2) VV RVG kommt es hiernach für das Entstehen einer Erledigungsgebühr sowohl in einer Anfechtungssituation als auch bei einem Verpflichtungsrechtsbehelf auf die auf Erledigung gerichtete Mithilfe des Anwalts an. Auch die Regelungssystematik, der Sinn und Zweck der Regelung sowie ihre Entstehungsgeschichte erfordern eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung des Rechtsanwalts, die über das Maß desjenigen hinausgeht, das schon durch die Verfahrensgebühr nach Ziffer 3102 ff. VV RVG abgegolten wird. Eine solche qualifizierte, eine Erledigungsgebühr begründende Tätigkeit liegt z.B. vor, wenn der Rechtsanwalt zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen unaufgefordert neue, bisher noch nicht bekannte Beweismittel beibringt (z.B. neu erstattete Befundberichte). Anders verhält es sich bei der Vorlage schon präsenter Beweismittel im Rahmen der dem Widerspruchsführer oder Kläger ohnehin obliegenden Mitwirkung (§ 21 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB X), deren unaufgeforderte Vorlage bereits mit der Verfahrensgebühr bzw. der Auslagenpauschale abgegolten ist. Liegt eine qualifizierte anwaltliche Mitwirkungshandlung vor, die für die Erledigung des Verfahrens kausal ist, kommt es für das Entstehen einer Erledigungsgebühr nicht mehr darauf an, ob sich die Rechtssache erst nach Aufhebung bzw. Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts oder durch Verwaltungsakt erledigt (vgl. zum Ganzen BSG, Urt. v. 09.12.2010 - B 13 R 63/09 R -, juris Rn. 26 f., 33 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen ist die Erledigungsgebühr in dem anhängig gewesenen Eilverfahren S 3 AS 3179/10 ER angefallen.
Zwar liegt entgegen der Auffassung des Antragstellers eine für die Erledigung des Rechtsstreits kausale anwaltliche Mitwirkung nicht darin, dass er nach Ankündigung der Antragsgegnerin im Ausgangsverfahren, zukünftig und rückwirkend nur ein Einkommen von 159,60 Euro zu berücksichtigen, ein Gespräch mit seiner Mandantin geführt und anschließend den Rechtsstreit für erledigt erklärt hat. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut der Ziffer 1002 VV RVG kommt es darauf an, ob die anwaltliche Mitwirkung für den Bescheid, der zur vollständigen oder teilweisen Erledigung des Rechtsstreits führt, kausal ist. Die Überzeugung des Mandanten, den Rechtsstreit nicht weiter zu führen, weil, wie im vorliegenden Fall, der ursprünglich gestellte Antrag deutlich über die rechtlich möglichen Leistungen hinaus ging und weitergehende Leistungen nicht in Betracht kommen, genügt für die Entstehung der Erledigungsgebühr nicht (vgl. insoweit auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.03.2012 - L 19 AS 2092/11 B -, juris Rn. 39).
Eine qualifizierte, für die materielle Erledigung des Eilverfahrens kausale anwaltliche Mitwirkungshandlung ist jedoch darin zu sehen, dass der Antragsteller auf eigene Initiative hin mit dem Arbeitgeber seiner Mandantin Kontakt aufgenommen und diesen zur Ausstellung einer korrigierten Bescheinigung bewogen hat, aus der nunmehr hervor ging, dass die Mandantin auch zukünftig ein Erwerbseinkommen von nicht mehr als 159,60 Euro monatlich erhalten würde. Erst aufgrund dieser Bescheinigung erklärte sich die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens zur Heraufsetzung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zugunsten der Mandantin bereit. Der Antragsteller hat sich damit ein neues Beweismittel besorgt und nicht lediglich ein präsentes Beweismittel vorgelegt. Das SG hat den Antragsteller auch nicht zur Beschaffung einer solchen Bescheinigung aufgefordert. Es hat vielmehr mit Verfügung vom 31.08.2010 lediglich um Vorlage präsenter Unterlagen (Arbeitsvertrag und Einkommensbescheinigungen) gebeten. Der Antragsteller hat seinerseits aus dem Hinweis des SG, dass der Arbeitgeber zunächst schwankes Einkommen angegeben habe, aus eigener Initiative den - richtigen - Schluss gezogen, dass eine aktualisierte Auskunft des Arbeitgebers zielführend ist. Dieses eigeninitiative anwaltliche Handeln ging auch über das mit der Verfahrensgebühr Abgegoltene hinaus. In der Sache hat der Antragsteller aus eigenem Antrieb den Sachverhalt ermittelt und zur Sachaufklärung beigetragen. Die Ermittlung des Sachverhalts und die Beschaffung von neuen Beweismitteln unterliegt dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 20 SGB X, § 103 SGG) und ist Aufgabe der Behörden und der Gerichte.
Aus den Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ergibt sich entgegen der Auffassung des SG nichts Anderes. Zwar hat der Antragsteller im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dies hat jedoch zunächst nur zur Folge, dass das Gericht vom Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vollständig überzeugt sein muss, sondern die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund genügt. Zudem ist die eidesstattliche Versicherung als Mittel zur Glaubhaftmachung zugelassen (§ 202 SGG i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO). Der Amtsermittlungsgrundsatz gilt jedoch auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rn. 16a, 41; insoweit auch BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, juris Rn. 25). Es wäre deshalb Aufgabe des Jobcenters oder des SG gewesen, selbst beim Arbeitgeber der Auftraggeberin des Antragstellers nachzufragen. Diese Aufgabe hat der Antragsteller übernommen und ist dadurch über das hinausgegangen, was zum pflichtgemäßen Betreiben des Verfahrens notwendig gewesen wäre.
c) Die vom Antragsteller geltend gemachte Gebühr von 200,- Euro ist allerdings als Erledigungsgebühr gemäß Ziffer 1002, 1005, 1006 VV RVG der Höhe nach im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unbillig und deshalb nicht verbindlich. Anzusetzen ist vielmehr eine Gebühr von 190,- Euro.
Bei der Bestimmung der Betragsrahmengebühr im konkreten Einzelfall ist von der Mittelgebühr auszugehen, die bei einem Normal-/Durchschnittsfall als billige Gebühr zu Grunde zu legen ist. Unter einem "Normalfall" ist ein Fall zu verstehen, in dem sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts unter Beachtung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt aller sozialrechtlichen Fälle abhebt. Ob ein Durchschnittsfall vorliegt, ergibt sich aus dem Vergleich mit den sonstigen bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängigen Streitsachen. Ein Abweichen von der Mittelgebühr ist bei einem Durchschnittsfall nicht zulässig. Nur bei Abweichungen von einem Durchschnittsfall kann der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG eine geringere oder höhere Gebühr bis zur Grenze des vorgegebenen Rahmens ansetzen. Hinsichtlich der Überprüfung der Billigkeit einer solchen angesetzten Gebühr billigt die Rechtsprechung dem Rechtsanwalt einen Toleranzrahmen von bis zu 20% zu. Dieser Toleranzrahmen gilt jedoch nicht, wenn die Mittelgebühr anzusetzen ist (zum Ganzen LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.12.2010 - L 19 AS 1138/10 B -, juris Rn. 29; BSG, Urt. v. 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R -, juris Rn. 19, 24; BVerwG, Urt. v. 17.08.2005 - 6 C 13.04 -, juris Rn. 24, jeweils m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen sind die vom Antragsteller angesetzten 200,- Euro als Erledigungsgebühr unbillig und durch angemessene 190,- Euro zu ersetzen.
Der Gebührenrahmen beträgt nach der insoweit einschlägigen Ziffer 1006 VV RVG 30,- bis 350,- Euro. Die Mittelgebühr liegt bei 190,- Euro. Es handelt sich vorliegend um einen Durchschnittsfall, bei dem eine Abweichung von der Mittelgebühr nicht angezeigt ist. Gerade der Umfang der anwaltlichen Mitwirkung bei der Erledigung des Rechtsstreits hält sich im Rahmen des durchschnittlichen Aufwands. Für einen überdurchschnittlichen Aufwand oder überdurchschnittliche Schwierigkeiten sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Weder der Antragsteller noch der Antragsgegner haben zudem gegen den Ansatz der Mittelgebühr Einwände geltend gemacht.
d) Den Ansatz und die Höhe der Verfahrensgebühr nach Ziffer 3102 i.V.m. Ziffer 1008 VV RVG sowie der Pauschale für Post und Telekommunikation gemäß Ziffer 7002 VV RVG hat der Senat nicht zu überprüfen, da es sich insoweit entsprechend den Ausführungen zu b) aa) um einen selbstständigen Streitgegenstand handelt, der nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist.
e) Unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer gemäß Ziffer 7008 VVV RVG steht dem Antragsteller mithin ein um 226,10 Euro höherer Vergütungsanspruch, d.h. zuzüglich der vom SG bereits festgesetzten 433,16 Euro in Höhe von insgesamt 659,26 Euro zu.
5. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig und überwiegend begründet.
1. Über die Beschwerde entscheidet der Senat mit drei Berufsrichtern, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)). Die Rechtssache wirft schwierige Fragen auf (Austausch von Gebührenpositionen im Erinnerungsverfahren; Voraussetzungen einer Erledigungsgebühr im einstweiligen Rechtsschutzverfahren), mit den sich der Senat noch nicht befasst hat.
2. Antragsteller und Beschwerdeführer ist in Verfahren, die die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung bei gewährter Prozesskostenhilfe betreffen, der Rechtsanwalt selbst. Beschwerdegegner ist in diesen Verfahren die Landeskasse, vertreten durch den Bezirksrevisor. Die durch die Prozesskostenhilfe begünstigte Partei ist am Verfahren nicht beteiligt (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 10.02.2011 - L 9 AS 1290/10 B -, juris Rn. 6, m.w.N.).
3. Die Beschwerde ist zulässig.
a) Das Rechtsmittel der Beschwerde ist gegen Erinnerungsentscheidungen nach § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG gegeben und nicht durch § 178 Sozialgerichtsgesetz (SGG) oder § 197 Abs. 2 SGG ausgeschlossen. Der Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. z.B. Beschl. v. 20.12.2007 - L 9 B 38/07 -), die von nahezu allen Senaten des LSG Nordrhein-Westfalen geteilt wird (vgl. statt vieler den Beschluss des 19. Senats vom 11.12.2009 - L 19 B 281/09 AS -, juris Rn. 25 m.w.N.), fest, wonach es sich bei §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG um jüngere und speziellere Regelungen handelt, die nach allgemeinen Grundsätzen der Normenkollision gegenüber §§ 178, 197 Abs. 2 SGG vorrangig sind. Die systematischen Bedenken der vereinzelt vertretenen Gegenauffassung (vgl. Beschluss des 10. Senats vom 02.05.2011 - L 10 P 112/10 B -, juris Rn. 6 ff.), teilt der Senat nicht.
b) Die Beschwerde ist gemäß § 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft, weil der Beschwerdewert von 200 Euro überschritten wird. Der Antragsteller wendet sich im Beschwerdeverfahren allein dagegen, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts (SG) und das SG in dem angefochtenen Erinnerungsbeschluss die vom Antragsteller im Kostenfestsetzungsantrag vom 26.10.2010 angesetzte fiktive Terminsgebühr gemäß Ziffer 3106 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG sowie die darauf entfallende Umsatzsteuer (Ziffer 7008 VV RVG) nicht anerkannt haben. Gegen die Anrechnung der Beratungshilfe auf die Prozesskostenhilfevergütung in Höhe von 66,64 Euro hat der Antragsteller weder vor dem SG noch in seiner Beschwerdebegründung Einwände geltend gemacht. Da der Antragsteller eine fiktive Terminsgebühr in Höhe von 200,- Euro angesetzt hat, beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes zuzüglich der insoweit auch zu berücksichtigenden Umsatzsteuer (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 28.09.2011 - L 20 SO 424/11 B -, juris Rn. 18 f. m.w.N. auch zur Gegenauffassung) insgesamt 238,- Euro.
c) Die Beschwerde ist am 17.01.2013 nach Maßgabe von §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG fristgemäß innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses des SG vom 04.01.2013 am 10.01.2013 eingelegt worden.
d) Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 17.01.2013, §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 RVG).
4. Die Beschwerde ist auch überwiegend begründet. Dem Antragsteller steht gegenüber der Staatskasse entgegen der Auffassung des SG ein um 226,10 Euro höherer Vergütungsanspruch zu, so dass die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 659,26 Euro festzusetzen ist.
Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung von der Staatskasse, soweit in Abschnitt 8 des RVG nichts anderes bestimmt ist. Dieser Vergütungsanspruch ist gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 RVG nach seinem Grund und seiner Höhe von dem Umfang der Beiordnung abhängig (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.12.2010 - L 19 AS 1138/10 B -, juris Rn. 25), wobei hier allerdings die Beiordnung des Antragstellers weder in zeitlicher noch in sachlicher Hinsicht beschränkt wurde (Beschluss vom 21.09.2010). Gemäß § 3 Abs. 1 RVG entstehen vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen, wie hier im Ausgangsverfahren, das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Für die Höhe der Vergütung ist das VV RVG maßgeblich. Der Prozessbevollmächtigte als beigeordneter Rechtsanwalt bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG die Höhe der Gebühren unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers, und seines besonderen Haftungsrisikos (§ 14 Abs. 1 Satz 3 RVG). Die von einem beigeordneten Rechtsanwalt im Verfahren nach § 55 RVG getroffene Bestimmung ist nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Deshalb ist der Urkundsbeamte bzw. das Gericht verpflichtet, die Billigkeit der Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt zu prüfen (vgl. den Beschluss des Senats vom 10.02.2011 - L 9 AS 1290/10 B -, juris Rn. 9).
Die vom Antragsteller bestimmte Vergütung in Höhe von 737,80 Euro abzüglich der vom Antragsteller nicht angegriffenen Anrechnung der Beratungshilfe in Höhe von 66,64 Euro, d.h. in Höhe von 671,16 Euro, ist zwar unbillig und deshalb nicht verbindlich. Die vom Senat in eigener Zuständigkeit vorzunehmende Prüfung der anzusetzenden Gebühren führt jedoch zu einem um 226,10 Euro höheren Vergütungsanspruch in Höhe von insgesamt 659,26 Euro.
a) Das SG hat zutreffend entschieden, das der Ansatz einer fiktiven Terminsgebühr gemäß Ziffer 3106 VV RVG nicht gerechtfertigt ist, da diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht anfallen kann. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Die Ausführungen des SG entsprechen nicht nur der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 24.11.2010 - L 9 AS 878/10 B -) sowie der herrschenden Auffassung beim LSG Nordrhein-Westfalen (vgl. hierzu z.B. den Beschluss des 19. Senats vom 22.12.2010 - L 19 AS 1138/10 B -, juris Rn. 40). Vielmehr haben auch der 1. und der 7. Senat mittlerweile ihre gegenteilige Auffassung aufgegeben (vgl. den Beschluss des 7. Senats vom 16.03.2011 - L 7 B 406/08 AS -, juris Rn. 24 f., und den Beschluss des 1. Senats vom 08.09.2011 - L 1 KR 129/11 B -, juris Rn. 33). Einwände hiergegen hat der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht geltend gemacht.
b) Dem Antragsteller steht jedoch entgegen der Auffassung des SG dem Grunde nach eine Erledigungsgebühr gemäß Ziffer 1002, 1005, 1006 VV RVG zu.
aa) Dem Ansatz einer Erledigungsgebühr steht nicht entgegen, dass der Antragsteller diese in seinem Festsetzungsantrag vom 26.10.2010 nicht ausdrücklich geltend gemacht, sondern ausschließlich eine fiktive Terminsgebühr nach Ziffer 3106 VV RVG angesetzt hat. Insoweit kann dahinstehen, ob der Antragsteller sein Begehren dadurch, dass er in seiner Erinnerungsschrift ausgeführt hat, er berufe sich auf alle erdenklichen Gebührentatbestände, und nunmehr ausdrücklich auch den Tatbestand einer Erledigungsgebühr für gegeben erachtet hat, in zulässiger Weise erweitert hat (vgl. hierzu FG Hamburg, Beschl. v. 11.07.2012 - 3 KO 49/12 -, juris Rn. 34 ff.). Im vorliegenden Fall ist der Austausch der Gebührenpositionen durch den Senat auch unabhängig von den Voraussetzungen einer Antragserweiterung zulässig und geboten.
Gegenstand des Kostenfestsetzungsverfahrens ist der geltend gemachte Kostenanspruch, der einerseits durch den begehrten Betrag und andererseits durch den Sachverhalt konkretisiert wird, aufgrund dessen eine Kostenposition beansprucht wird. Insoweit gilt nichts anderes als für den Begriff des Streitgegenstands im Prozess, der ebenfalls durch den Antrag und den Lebenssachverhalt, auf den der Anspruch gegründet wird, bestimmt wird: An den Streitgegenstand, den prozessualen Anspruch, ist das Gericht gebunden (§ 123 SGG). Innerhalb des Streitgegenstandes hat das Gericht den Sachverhalt umfassend von Amts wegen zu ermitteln (§ 103 SGG) und unter allen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen (vgl. § 202 SGG i.V.m. § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG). Für das Kostenfestsetzungsverfahren bedeutet dies, dass der Urkundsbeamte oder das Gericht nicht über den Betrag hinausgehen dürfen, dessen Erstattung begehrt wird. Ebenso unzulässig ist es, den Sachverhalt, aufgrund dessen die einzelnen Gebührentatbestände geltend gemacht werden, von Amts wegen zu verändern oder zu erweitern. Zulässig und geboten ist es demgegenüber, den geltend gemachten Kostenanspruch unter allen denkbaren rechtlichen Gesichtspunkten, d.h. unter allen in Betracht kommenden Gebührentatbeständen des VV, zu prüfen (vgl. auch von Eicken/Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl. 2006, § 55 Rn. 27).
Maßgeblich ist insoweit, für welches anwaltliches Handeln bzw. für welches Ereignis eine Kostenposition geltend gemacht wird. Erhebt der Prozessbevollmächtigte lediglich eine Verfahrensgebühr, nennt er als kostenverursachenden Tatbestand lediglich die anwaltliche Tätigkeit durch Einleitung und Führung des Verfahrens und begrenzt so den im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens zu prüfenden Sachverhalt. Weder der Urkundsbeamte noch das Gericht dürfen in einem solchen Fall etwa eine Erledigungsgebühr nach VV 1002, 1005, 1006 oder eine Terminsgebühr nach VV 3106 zuerkennen, da dadurch der Sachverhalt im Kostenfestsetzungsverfahren um ein kostenverursachendes Ereignis (Erledigung durch anwaltliche Mitwirkung; Stattfinden eines Termins zur mündlichen Verhandlung) erweitert würde, auf das der geltend gemachte Kostenanspruch nicht gegründet wurde. Anders liegt der Fall jedoch, wenn der Prozessbevollmächtigte in seinem Antrag den Erledigungsvorgang als ein weiteres, möglicherweise kostenverursachendes Ereignis nennt und hierfür entweder eine Erledigungsgebühr oder eine fiktive Terminsgebühr ansetzt. Dieses angeblich kostenverursachende Ereignis ist dann daraufhin zu prüfen, ob es einen Vergütungstatbestand nach dem VV zum RVG erfüllt. Liegen die rechtlichen Voraussetzungen des von dem Prozessbevollmächtigten genannten Gebührentatbestandes nicht vor, bedeutet dies nicht, dass dem Prozessbevollmächtigten ein weitergehender Gebührenanspruch nicht zusteht. Vielmehr sind weitere Anspruchsgrundlagen, d.h. weitere Tatbestände des VV zu prüfen, aufgrund derer sich eine Gebühr für das geltend gemachte, möglicherweise kostenverursachende Ereignis ergeben könnte. Der Austausch von Kostenpositionen ist also möglich, soweit es in der Sache lediglich um einen Austausch der Anspruchsgrundlagen geht (vgl. zum gesamten Vorstehenden SG Köln, Beschl. v. 02.11.2007 - S 6 AS 231/06 -, juris Rn. 6 f.; dessen Ausführungen ohne Zitat wörtlich übernehmend SG Lüneburg, Beschl. v. 12.05.2009 - S 12 SF 56/09 E -, juris Rn. 8 f.; in der Sache ebenso FG Hamburg, Beschl. v. 11.07.2012 - 3 KO 49/12 -, juris Rn. 36 f.; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.08.2003 - 5 WF 134/03 -, juris Rn. 34).
Nach diesen Grundsätzen kann die fehlerhaft angesetzte fiktive Terminsgebühr nach Ziffer 3106 VV RVG durch die Erledigungsgebühr nach Ziffer 1002, 1005, 1006 VV RVG ersetzt werden, denn insoweit liegt lediglich ein Austausch von Anspruchsgrundlagen vor. Geltend gemacht hat der Antragsteller allgemein eine Kostenposition aufgrund der Erledigung des Verfahrens. Dieser Sachverhalt war rechtlich auch unter dem Gesichtspunkt einer Erledigungsgebühr zu prüfen.
bb) Die Voraussetzungen der Ziffer 1002 VV RVG liegen vor.
Nach dieser Vorschrift entsteht die Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.
Nach gefestigter Rechtsprechung des BSG liegt eine "anwaltliche Mitwirkung" in diesem Sinne nur vor, wenn der Anwalt eine über die Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat. Nach dem Wortlaut der Erläuterungen zu Ziffer 1002 (Satz 2) VV RVG kommt es hiernach für das Entstehen einer Erledigungsgebühr sowohl in einer Anfechtungssituation als auch bei einem Verpflichtungsrechtsbehelf auf die auf Erledigung gerichtete Mithilfe des Anwalts an. Auch die Regelungssystematik, der Sinn und Zweck der Regelung sowie ihre Entstehungsgeschichte erfordern eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung des Rechtsanwalts, die über das Maß desjenigen hinausgeht, das schon durch die Verfahrensgebühr nach Ziffer 3102 ff. VV RVG abgegolten wird. Eine solche qualifizierte, eine Erledigungsgebühr begründende Tätigkeit liegt z.B. vor, wenn der Rechtsanwalt zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen unaufgefordert neue, bisher noch nicht bekannte Beweismittel beibringt (z.B. neu erstattete Befundberichte). Anders verhält es sich bei der Vorlage schon präsenter Beweismittel im Rahmen der dem Widerspruchsführer oder Kläger ohnehin obliegenden Mitwirkung (§ 21 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB X), deren unaufgeforderte Vorlage bereits mit der Verfahrensgebühr bzw. der Auslagenpauschale abgegolten ist. Liegt eine qualifizierte anwaltliche Mitwirkungshandlung vor, die für die Erledigung des Verfahrens kausal ist, kommt es für das Entstehen einer Erledigungsgebühr nicht mehr darauf an, ob sich die Rechtssache erst nach Aufhebung bzw. Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts oder durch Verwaltungsakt erledigt (vgl. zum Ganzen BSG, Urt. v. 09.12.2010 - B 13 R 63/09 R -, juris Rn. 26 f., 33 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen ist die Erledigungsgebühr in dem anhängig gewesenen Eilverfahren S 3 AS 3179/10 ER angefallen.
Zwar liegt entgegen der Auffassung des Antragstellers eine für die Erledigung des Rechtsstreits kausale anwaltliche Mitwirkung nicht darin, dass er nach Ankündigung der Antragsgegnerin im Ausgangsverfahren, zukünftig und rückwirkend nur ein Einkommen von 159,60 Euro zu berücksichtigen, ein Gespräch mit seiner Mandantin geführt und anschließend den Rechtsstreit für erledigt erklärt hat. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut der Ziffer 1002 VV RVG kommt es darauf an, ob die anwaltliche Mitwirkung für den Bescheid, der zur vollständigen oder teilweisen Erledigung des Rechtsstreits führt, kausal ist. Die Überzeugung des Mandanten, den Rechtsstreit nicht weiter zu führen, weil, wie im vorliegenden Fall, der ursprünglich gestellte Antrag deutlich über die rechtlich möglichen Leistungen hinaus ging und weitergehende Leistungen nicht in Betracht kommen, genügt für die Entstehung der Erledigungsgebühr nicht (vgl. insoweit auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.03.2012 - L 19 AS 2092/11 B -, juris Rn. 39).
Eine qualifizierte, für die materielle Erledigung des Eilverfahrens kausale anwaltliche Mitwirkungshandlung ist jedoch darin zu sehen, dass der Antragsteller auf eigene Initiative hin mit dem Arbeitgeber seiner Mandantin Kontakt aufgenommen und diesen zur Ausstellung einer korrigierten Bescheinigung bewogen hat, aus der nunmehr hervor ging, dass die Mandantin auch zukünftig ein Erwerbseinkommen von nicht mehr als 159,60 Euro monatlich erhalten würde. Erst aufgrund dieser Bescheinigung erklärte sich die Antragsgegnerin des Ausgangsverfahrens zur Heraufsetzung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zugunsten der Mandantin bereit. Der Antragsteller hat sich damit ein neues Beweismittel besorgt und nicht lediglich ein präsentes Beweismittel vorgelegt. Das SG hat den Antragsteller auch nicht zur Beschaffung einer solchen Bescheinigung aufgefordert. Es hat vielmehr mit Verfügung vom 31.08.2010 lediglich um Vorlage präsenter Unterlagen (Arbeitsvertrag und Einkommensbescheinigungen) gebeten. Der Antragsteller hat seinerseits aus dem Hinweis des SG, dass der Arbeitgeber zunächst schwankes Einkommen angegeben habe, aus eigener Initiative den - richtigen - Schluss gezogen, dass eine aktualisierte Auskunft des Arbeitgebers zielführend ist. Dieses eigeninitiative anwaltliche Handeln ging auch über das mit der Verfahrensgebühr Abgegoltene hinaus. In der Sache hat der Antragsteller aus eigenem Antrieb den Sachverhalt ermittelt und zur Sachaufklärung beigetragen. Die Ermittlung des Sachverhalts und die Beschaffung von neuen Beweismitteln unterliegt dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 20 SGB X, § 103 SGG) und ist Aufgabe der Behörden und der Gerichte.
Aus den Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ergibt sich entgegen der Auffassung des SG nichts Anderes. Zwar hat der Antragsteller im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dies hat jedoch zunächst nur zur Folge, dass das Gericht vom Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vollständig überzeugt sein muss, sondern die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund genügt. Zudem ist die eidesstattliche Versicherung als Mittel zur Glaubhaftmachung zugelassen (§ 202 SGG i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO). Der Amtsermittlungsgrundsatz gilt jedoch auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rn. 16a, 41; insoweit auch BVerfG, Beschl. der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, juris Rn. 25). Es wäre deshalb Aufgabe des Jobcenters oder des SG gewesen, selbst beim Arbeitgeber der Auftraggeberin des Antragstellers nachzufragen. Diese Aufgabe hat der Antragsteller übernommen und ist dadurch über das hinausgegangen, was zum pflichtgemäßen Betreiben des Verfahrens notwendig gewesen wäre.
c) Die vom Antragsteller geltend gemachte Gebühr von 200,- Euro ist allerdings als Erledigungsgebühr gemäß Ziffer 1002, 1005, 1006 VV RVG der Höhe nach im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unbillig und deshalb nicht verbindlich. Anzusetzen ist vielmehr eine Gebühr von 190,- Euro.
Bei der Bestimmung der Betragsrahmengebühr im konkreten Einzelfall ist von der Mittelgebühr auszugehen, die bei einem Normal-/Durchschnittsfall als billige Gebühr zu Grunde zu legen ist. Unter einem "Normalfall" ist ein Fall zu verstehen, in dem sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts unter Beachtung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt aller sozialrechtlichen Fälle abhebt. Ob ein Durchschnittsfall vorliegt, ergibt sich aus dem Vergleich mit den sonstigen bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängigen Streitsachen. Ein Abweichen von der Mittelgebühr ist bei einem Durchschnittsfall nicht zulässig. Nur bei Abweichungen von einem Durchschnittsfall kann der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG eine geringere oder höhere Gebühr bis zur Grenze des vorgegebenen Rahmens ansetzen. Hinsichtlich der Überprüfung der Billigkeit einer solchen angesetzten Gebühr billigt die Rechtsprechung dem Rechtsanwalt einen Toleranzrahmen von bis zu 20% zu. Dieser Toleranzrahmen gilt jedoch nicht, wenn die Mittelgebühr anzusetzen ist (zum Ganzen LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.12.2010 - L 19 AS 1138/10 B -, juris Rn. 29; BSG, Urt. v. 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R -, juris Rn. 19, 24; BVerwG, Urt. v. 17.08.2005 - 6 C 13.04 -, juris Rn. 24, jeweils m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen sind die vom Antragsteller angesetzten 200,- Euro als Erledigungsgebühr unbillig und durch angemessene 190,- Euro zu ersetzen.
Der Gebührenrahmen beträgt nach der insoweit einschlägigen Ziffer 1006 VV RVG 30,- bis 350,- Euro. Die Mittelgebühr liegt bei 190,- Euro. Es handelt sich vorliegend um einen Durchschnittsfall, bei dem eine Abweichung von der Mittelgebühr nicht angezeigt ist. Gerade der Umfang der anwaltlichen Mitwirkung bei der Erledigung des Rechtsstreits hält sich im Rahmen des durchschnittlichen Aufwands. Für einen überdurchschnittlichen Aufwand oder überdurchschnittliche Schwierigkeiten sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Weder der Antragsteller noch der Antragsgegner haben zudem gegen den Ansatz der Mittelgebühr Einwände geltend gemacht.
d) Den Ansatz und die Höhe der Verfahrensgebühr nach Ziffer 3102 i.V.m. Ziffer 1008 VV RVG sowie der Pauschale für Post und Telekommunikation gemäß Ziffer 7002 VV RVG hat der Senat nicht zu überprüfen, da es sich insoweit entsprechend den Ausführungen zu b) aa) um einen selbstständigen Streitgegenstand handelt, der nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist.
e) Unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer gemäß Ziffer 7008 VVV RVG steht dem Antragsteller mithin ein um 226,10 Euro höherer Vergütungsanspruch, d.h. zuzüglich der vom SG bereits festgesetzten 433,16 Euro in Höhe von insgesamt 659,26 Euro zu.
5. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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