L 8 AL 471/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 23 AL 4454/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 471/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2012 abgeändert. Die Klagen gegen die Bescheide vom 14. Mai 2010 und 01. Juli 2010 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23. Juni 2010 und 23. Juli 2010 werden abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung der Bewilligung von Gründungszuschuss für die Zeit vom 01.10.2009 bis 30.06.2010 und die Erstattung der ausgezahlten Leistung in Höhe von 7.167,30 EUR.

Die im Jahr 1964 geborene Klägerin ist gelernte Buchbinderin und Beamtin im mittleren Verwaltungsdienst und war dort zuletzt als Fernmeldesekretärin der Besoldungsgruppe A7 zugeordnet. Nach Ausscheiden aus dieser Tätigkeit war sie u. a. in einem Steuerbüro tätig. Sie bezog seit 01.09.2009 Arbeitslosengeld mit einem täglichen Leistungssatz von 24,13 EUR. Am 30.09.2009 betrug ihr Restanspruch 119 Tage.

Sie beantragte am 28.07.2009 mündlich und am 24.09.2009 schriftlich die Gewährung von Gründungszuschuss ab 01.10.2009 für ihre selbständige Tätigkeit "Kaffee-Konzept im Gerberviertel (Kaffeebetrieb und Handel)" in K. T ... Dazu legte sie eine Gewerbeanmeldung ab 01.10.2009 für den Handel mit Kaffeemaschinen und Zubehör und Kaffeebetrieb sowie die positive Stellungnahme vom 22.09.2009 der K. + K. Unternehmensberatung vor. Ausweislich des dem Antrag beigefügten Businessplans wollte sie im Herbst 2009 ein neues Kaffee-Konzept angrenzend zum bestehenden Fachhandelsgeschäft ihres Mannes eröffnen. In der Kapitalbedarfsermittlung führte die Klägerin Kosten für Umbau und Sanitär, Elektroinstallation, Sanitär und Boden, Einrichtungskosten für Theke, Möbel, Regale, Inventar, Sonderausstattung (Kaffeemaschine) u.a. auf. Die Umbaumaßnahmen sollten in der KW 32-35, die Bewilligung der Konzession in der KW 32 erfolgen, der reguläre Betrieb in der KW 36/37 (Samstag, 05.09.2009 bzw. Samstag 12.09.2009) beginnen. Am Ende des Businessplans versicherte sie alle vorgenannten Angaben wahrheitsgemäß und unter bestem Wissen erstellt zu haben. Der Businessplan trägt die Unterschrift der Klägerin im Gegensatz zum Antrag auf Gründungszuschuss nicht. In der beigefügten Ertrags- und Kostenplanung ging die Klägerin von Umsätzen von 6.000 EUR im vierten Quartal 2009 aus.

Mit Bescheid vom 01.10.2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01.10.2009 bis 30.06.2010 Gründungszuschuss in Höhe von 1.023,90 EUR monatlich. Sie übersandte der Klägerin ein zweites Exemplar des Bescheids zur Vorlage bei der Kfw-Bank. Die Beklagte zahlte den bewilligten Gründungszuschuss bis einschließlich April 2010 an die Klägerin aus.

Am 11.05.2010 beantragte die Klägerin die Weitergewährung des Gründungszuschusses. Dazu teilte sie mit, dass sie für ihre Selbständigkeit ein Darlehen benötigt habe, das ihr aber erst Anfang/Mitte April 2010 genehmigt worden sei. Leider sei es ihr aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht möglich gewesen, Geschäfte zu tätigen. Die Umbaumaßnahmen liefen jetzt in vollem Gange, sie rechne mit einer Eröffnung im Juni 2010. Dazu legte sie eine Aufstellung über den Stand der Umbaumaßnahmen im Mai 2010 vor. Sie habe inzwischen das Genehmigungsverfahren der Stadt K. erledigt und Weiterbildungen in Sachen Kaffee- und Kaffeemaschinen absolviert, Händleranfragen getätigt und Geschäftsbeziehungen zu Großhändlern hergestellt. Die Klägerin legte Werbung der Unternehmensberatung K. & K. vor, in der ihre Existenzgründung als Beispiel genannt wird. Danach hat sie am 02.10.2009 einen Antrag auf Kfw-Beratungsförderung gestellt, die erst am 03.11.2009 bewilligt worden sei. Vor Eingang der Bewilligung habe sie mit der Planung nicht beginnen können. Am 09.02.2010 habe sie ein Beratungsgespräch mit ihrer Bank gehabt und am gleichen Tag ein Darlehen bewilligt bekommen. Am 14.02.2010 habe ihr eine zweite Bank ein Darlehen angeboten, am 14.04.2010 sei das Geld ausgezahlt worden.

Mit Bescheid vom 12.05.2010 lehnte die Beklagte die Weitergewährung des Gründungszuschusses ab 01.07.2010 ab, weil eine intensive Geschäftstätigkeit und hauptberufliche unternehmerische Aktivitäten nicht vorlägen. Dagegen erhob die Klägerin am 19.05.2010 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2010 zurückwies, weil der Gründungszuschuss für die ersten neun Monate zurückgenommen worden sei und deshalb auch eine Weitergewährung für die Folgezeit nicht in Betracht komme.

Dagegen erhob die Klägerin am 22.07.2010 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (S 2 AL 4454/10).

Mit Bescheid vom 14.05.2010 hob die Beklagte die Bewilligung des Gründungszuschusses ab 01.10.2009 ganz auf. Ein Handel mit Kaffeemaschinen und Zubehör habe nicht stattgefunden und der Kaffeebetrieb sei nicht aufgenommen worden. Die Klägerin habe gewusst, dass die Bewilligung fehlerhaft gewesen sei. Dagegen erhob die Klägerin am 19.05.2010 Widerspruch, zu dessen Begründung sie ausführte, dass seit Oktober 2009 die Planung und Vorbereitung auf Hochtouren gelaufen sei. Es habe sich lediglich der Öffnungstermin verschoben. Umfang und Tragfähigkeit sei nach wie vor gegeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin nicht wie angegeben auf dem allgemeinen Markt aufgetreten sei. Sie habe ihre Arbeitslosigkeit insofern nicht durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit beendet. Sie habe durch ihre Unterschrift auf dem Antrag bestätigt, dass sie alle Änderungen mitteilen werde. Das habe sie aber nicht getan. Sie habe auch insofern falsche Angaben gemacht, dass sie voraussichtlich im vierten Quartal 2009 Umsatz erzielen werde, das sei aber nicht der Fall gewesen.

Dagegen erhob die Klägerin am 22.07.2010 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (S 2 AL 4470/10).

Mit Schreiben vom 14.05.2010 hörte die Beklagte die Klägerin dahingehend an, dass ihr zu Unrecht Gründungszuschuss ab 01.10.2009 in Höhe von 7.167,30 EUR gezahlt worden sei. Es habe der Klägerin auch bekannt sein müssen, dass die Bewilligung fehlerhaft war. Mit Bescheid vom 01.07.2010 nahm die Beklagte die Bewilligung von Gründungszuschuss ab 01.10.2009 ganz zurück und verlangte die Erstattung von 7.167,30 EUR. Dagegen erhob die Klägerin am 21.07.2010 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2010 zurückwies.

Am 10.08.2010 erhob die Klägerin dagegen Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG, S 2 AL 4899/10).

Mit Beschluss vom 30.12.2010 verband das SG die drei Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem führenden Aktenzeichen S 2 AL 4454/10.

Zur Begründung ihrer Klagen führte die Klägerin aus, § 57 SGB III setze keinen Umsatz aus der selbständigen Tätigkeit voraus. Es sei auch nicht Voraussetzung, dass unmittelbar eine selbständige Tätigkeit in Form eines Geschäftsbetriebs aufgenommen werde. Dies sei auch mit Sinn und Zweck der Norm nicht vereinbar. Es könne insbesondere nicht verlangt werden, dass der Existenzgründer sich bei Beginn des Gründungszuschusses bereits in der Selbständigkeit befinde. Vielmehr werde auch die Vorbereitung der Selbständigkeit, eben die Gründung gefördert. Sofern die Beklagte intensive Geschäftstätigkeit fordere, ergebe sich dieses Erfordernis ebenfalls nicht aus § 57 SGB III. Sie habe nicht nur eine Gewerbeanmeldung vorgelegt, sondern auch am 05.01.2010 einen Bauantrag auf Nutzungsänderung gestellt, an einem Gründungscoaching teilgenommen, Schulungen für den Verkauf von Kaffeemaschinen besucht, einen Antrag für das notwendige Kfw-Darlehen gestellt und dieses auch ausbezahlt erhalten. Ganz sicher habe sie keine falschen Angaben gemacht. Auch das Bundessozialgericht (B 11 AL 14/09 R) habe die Vorbereitung bereits als Aufnahme der selbständigen Tätigkeit gelten lassen. Jedenfalls sei sie nicht grob fahrlässig in Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheids vom 01.10.2009 gewesen. Die Angaben in der Antragstellung sollten nur über die Fähigkeit hinsichtlich der Selbständigkeit Nachweis führen und keineswegs die tatsächlichen Geschäftserwartungen enthalten.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Spätestens wenn der Selbständige nach außen sichtbar, d.h. am Markt, tätig sei, habe er die Selbständigkeit aufgenommen. Die lediglich mittelbar der Aufnahme der Tätigkeit dienenden Handlungen seien nicht geeignet, einen Anspruch auf Gründungszuschuss zu begründen.

Nach Erörterung des Rechtsstreits mit den Beteiligten gab das SG der Klägerin auf, vorzutragen, welche Bemühungen sie zur Eröffnung des Geschäfts seit 30.09.2009 unternommen habe. Die Klägerin legte eine Genehmigung der kfw-Bank für eine Beratung vom 07.01.2010, Seite 1 eines Coaching-Vertrags mit der K. & K. Unternehmensberatung, einen Antrag auf anteilige Übernahme des Beraterhonorars durch den Europäischen Sozialfonds für das Gründercoaching vom 30.09.2009, die Abrechnung der K. & K. Unternehmensberatung über das Gründercoaching vom 16.07.2010 (Beginn der Planung: 11.11.2009), Seite 1 des Abschlussberichts über das Gründungscoaching vom 11.11.2009 bis 07.07.2010 der K. & K. Unternehmensberatung, Seite 1 eines Kreditvertrags mit der Volksbank K. -N. vom 07.04.2010 über einen Betriebsmittelkredit über 1.000 EUR, einen Baufreigabeschein für die Nutzungsänderung in Kaffee mit Verkauf von Kaffeemaschinen und Zubehör vom 05.01.2010 und die Baugenehmigung vom gleichen Tag sowie eine Schlussabnahme-Bescheinigung vom 07.07.2010 der großen Kreisstadt K. T., eine Nachfrage des Landratsamts E. vom 20.11.2009 über den Umfang des Speise- und Getränkeangebots im Café, eigene Notizen der Klägerin vom Oktober 2009 über die notwendigen sanitären Anlagen und Genehmigungen für ein Café sowie über Vorgespräche mit Banken im Juni 2009 sowie Unterlagen über die seit 01.01.2009 durchgeführten Fortbildungen vor. Im Mai und Juni 2008 nahm die Klägerin an einer Maßnahme "Existenzgründungsvorbereitung" der Deutschen Angestellten Akademie (DAA) teil (Bescheinigung vom 06.06.2008). Sie nahm weiterhin an einem Gründerseminar der Dehoga Akademie (Bescheinigung vom 05.05.2008), einer Unterrichtung der IHK Region Stuttgart nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 des Gaststättengesetzes (Bescheinigung vom 21.05.2008), einer Informationsveranstaltung der IHK zur Existenzgründung (Bescheinigung vom 06.02.2008) teil. Am 10.11.2009 informierte die Klägerin die Berufsgenossenschaft für Handel und Warendistribution (BGHW) telefonisch von der Aufnahme ihrer Tätigkeit (Schreiben der BGHW vom 22.04.2010). Am 21. und 23.11.2009 vergab das Finanzamt eine Steuernummer für Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbetrag, am 25.11.2009 die Beklagte eine Betriebsnummer. Am 24.08.2010 erhielt die Klägerin die Gaststättenerlaubnis der großen Kreisstadt K. T ... Die Klägerin legte weiterhin Angebote über Bauleistungen ab März 2009 und Rechnungen über erfolgte Leistungen aus dem Jahr 2010 vor.

Die Beklagte trug dazu vor, dass sich aus diesen Unterlagen ergebe, dass die Klägerin nicht zum 01.10.2009 ihre selbständige Tätigkeit aufgenommen habe, sondern erst ab 03.09.2010, denn erst zu diesem Datum sei ihr die Gaststättenerlaubnis erteilt worden. Sie habe auch unrichtige Angaben gemacht, denn sie habe noch am 24.09.2009 mitgeteilt, die Tätigkeit am 01.10.2009 aufnehmen zu wollen, obwohl sie gewusst habe, dass die Räumlichkeiten noch gar nicht fertiggestellt waren. Sie gehe davon aus, dass der Grund für die Beantragung des Gründungszuschusses ab 01.10.2009 die Tatsache gewesen sei, dass die Klägerin ab 01.09.2009 Arbeitslosengeld für 149 Tage erhalten habe und für eine Existenzgründung zu einem späteren Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 57 SGB III (Anspruch von mindestens 90 Tage) nicht mehr erfüllt gewesen seien.

Mit Urteil vom 12.12.2012 hob das SG die Rücknahme- und Erstattungsbescheide vom 14.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2010 und vom 01.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.07.2010 auf und wies die Klage im Übrigen ab. Zur Begründung führte es aus, die Bewilligung ab 01.10.2009 sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, weil die Voraussetzungen für die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses nach § 57 SGB III alte Fassung (a.F.) nicht vorgelegen hätten. Die Klägerin habe ihre selbständige hauptberufliche Tätigkeit jedenfalls nicht in einem engen zeitlichen Zusammenhang zum vorausgehenden Arbeitslosengeldanspruch aufgenommen, so dass ein Anspruch auf Existenzgründungszuschuss nicht zur Entstehung gekommen sei. Die eigentliche Geschäftseröffnung sei erst zum 03.09.2010 erfolgt. Auch Vorbereitungshandlungen könnten zwar insofern den Charakter der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit haben, wenn sie nach außen gerichtet seien. Zwischen der Existenzgründung und dem vorausgehenden Arbeitslosengeldanspruch müsse zwar keine Nahtlosigkeit aber ein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang bestehen, der gewahrt sei, wenn zwischen dem Bestehen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld und der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ein Zeitraum von nicht mehr als einem Monat liege. Bei einem Zeitablauf von über 10 Monaten zwischen dem Arbeitslosengeldbezug und der Eröffnung des Geschäfts am 03.09.2010 könne jedenfalls nicht mehr von einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Vorbereitungsmaßnahmen und Beginn der selbständigen Tätigkeit gesprochen werden. Die Aufhebung nach § 45 SGB X sei aber zu Unrecht erfolgt, weil die Klägerin sich auf schutzwürdiges Vertrauen berufen könne. Die Angaben der Klägerin zum Eröffnungstermin seien unrichtig gewesen, denn bei Einreichung der Antragsunterlagen seien die notwendigen Bauarbeiten noch nicht durchgeführt gewesen, die notwendige Finanzierung sei nicht gesichert gewesen und auch die notwendigen Genehmigungen erst später erteilt worden, die Gaststättenerlaubnis sogar erst zum September 2010. Das habe die Klägerin auch gewusst. Die Beklagte habe aus den Antragsunterlagen auch den Schluss ziehen dürfen, dass die Klägerin am 01.10.2009 eröffnen werde, so dass der Bewilligungsbescheid vom 01.10.2009 auf den unrichtigen Angaben beruhe. Dennoch sei die Kammer in ihrer Gesamtheit aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks zu der Überzeugung gelangt, dass der Klägerin keine grobe Fahrlässigkeit bezüglich diesen Angaben vorgeworfen werden könne und verneine auch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Rücknahme für die Zukunft. Die Beklagte habe aber zu Recht die Weitergewährung des Gründungszuschusses abgelehnt, weil die Voraussetzungen für einen Gründungszuschuss nicht vorlägen.

Gegen das ihr am 04.01.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 31.01.2013 eingelegte Berufung der Beklagten, zu deren Begründung sie vorträgt, die Klägerin könne sich auf schutzwürdiges Vertrauen nicht berufen, weil der Bewilligungsbescheid auf Angaben beruhe, die sie bei Antragstellung am 28.07.2009 grob fahrlässig unrichtig und unvollständig gemacht habe. Außerdem habe sie die Rechtswidrigkeit der Bewilligung von Gründungszuschuss leicht erkennen können. Die Voraussetzungen für den Gründungszuschuss seien nicht gegeben gewesen, weil die Vorbereitungshandlungen schon im Jahr 2008 mit dem Besuch der IHK-Veranstaltung begonnen hätten. Die Vorbereitung von mehr als zwei Jahren sprenge den Rahmen dessen, was nach der Rechtsprechung des BSG noch als ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftseröffnung abzielende Vorbereitung einer Selbständigkeit anerkannt werden könne. Die Restanspruchsdauer von nur noch 119 Tagen am 01.10.2009 dürfe nicht dazu führen, dass der Beginn der selbständigen Tätigkeit willkürlich nach vorne gelegt werde.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2012 abzuändern und auch die Klagen gegen die Bescheide vom 14. Mai und 01. Juli 2010 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23. Juni und 23. Juli 2010 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, dass auch Vorbereitungshandlungen wie die Verhandlungen mit Banken und Anmeldung eines Gewerbes schon der Beginn der selbständigen Tätigkeit sein könnten. Letztlich entscheidend sei aber, dass das erstinstanzliche Gericht in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen habe, dass ihr keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei.

Der Senat hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 17.05.2013 persönlich gehört.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf einen Band Verwaltungsakten der Beklagten, drei Bände Akten des Sozialgerichts Stuttgart sowie die beim Senat angefallene Akte.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und begründet. Das SG hat zu Unrecht die Bescheide vom 14.05.2010 und 01.07.2010 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23.07.2010 aufgehoben. Die Bescheide sind rechtmäßig.

Gegenstand des Rechtsstreits ist nur noch der Bescheid vom 01.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.07.2010, nicht aber der Bescheid vom 14.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2010. Der Bescheid vom 14.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2010 ist durch Erlass des Bescheids vom 01.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.07.2010 ersetzt worden und damit nicht mehr wirksam. Nach § 96 SGG wird ein Verwaltungsakt Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Nach § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Der Bescheid vom 01.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.07.2010 hat den Bescheid vom 14.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2010 aufgehoben und ersetzt diesen vollständig. Mit Bescheid vom 14.05.2010 wurde die Bewilligung des Gründungszuschusses ab 01.10.2009 aufgehoben. Mit Bescheid vom 01.07.2010 hob die Beklagte die Bewilligung des Gründungszuschusses für den gleichen Zeitraum nach Anhörung der Klägerin erneut auf und forderte gleichzeitig den bereits gewährten Gründungszuschuss zurück. Ohne diese Folge ausdrücklich zu nennen, gab die Beklagte damit zu verstehen, dass sie den - mangels Anhörung gemäß § 24 SGB X formell rechtswidrigen - Bescheid vom 14.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2010 nicht mehr aufrechterhalten wollte und ihn durch den - nach Anhörung der Klägerin formell rechtmäßigen - Bescheid vom 01.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.07.2010 ersetzen wollte. Damit ist der Bescheid vom 14.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.06.2010 im Sinne des § 39 Abs. 2 SGB X nicht mehr wirksam und deshalb nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits, § 96 SGG. Diese Rechtsfolge spricht der Senat im Tenor klarstellend aus.

Gegenstand des Berufungsverfahren ist auch nicht mehr der Anspruch der Klägerin auf Existenzgründungszuschuss ab 01.07.2010, denn die Klägerin hat das Urteil des SG nicht mit der Berufung angefochten, so dass es im Hinblick auf den klageabweisenden Tenor rechtskräftig geworden ist.

Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheids vom 01.10.2009 liegen vor. Das SG hat die Voraussetzungen für die Rücknahme von Bescheiden nach §§ 45 SGB X, 330 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und auch für die Gewährung von Existenzgründungszuschuss nach § 57 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 15.07.2009 (BGBl 2009 I, 1939 - a.F.) zutreffend dargestellt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Überprüfung an und macht sie sich zu eigen, § 153 Abs. 2 SGG.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin ist ergänzend Folgendes auszuführen: Zutreffend ist zwar, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 05.05.2010 - B 11 AL 28/09 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 5) eine selbständige Tätigkeit im Sinne des § 57 Abs.2 Satz 2 Nr. 1 SGB III a.F. schon vor der eigentlichen Geschäftseröffnung aufgenommen worden sein kann. Die im Gesetz angelegte Nachhaltigkeit der Förderung macht es jedoch erforderlich, vorbereitende Maßnahmen nur dann als Aufnahme der selbständigen Tätigkeit zu werten, wenn diese Maßnahmen Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfalten und sie ferner nach dem zugrunde liegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sind. Die nötigen Ausrichtung auf die spätere Geschäftstätigkeit kann etwa fehlen, wenn der Existenzgründer nach Bewilligung des Gründungszuschusses über mehrere Wochen hinweg untätig geblieben ist (BSG, Urteil vom 05.05.2010 - B 11 AL 28/09 R, SozR 4-4300 § 57 Nr. 5). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an, weil sie dem Wortlaut und Zweck des § 57 SGB III a.F. entspricht, die Gründung einer selbständigen Tätigkeit nur für eine Übergangszeit zu fördern, in der wegen noch geringer Einnahmen noch nicht hinreichend Einkünfte erzielt werden, um den Lebensunterhalt und vor allem die Beiträge zur Sozialversicherung zu finanzieren. Er dient - wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat - nicht der Verlängerung von Arbeitslosengeldansprüchen bis zur Geschäftseröffnung, sondern der finanziellen Unterstützung bis zur Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit.

Vorliegend hat die Klägerin bereits im Jahr 2008 Erkundigungen eingezogen, welche Voraussetzungen für einen Kaffeemaschinenverkauf und Cafébetrieb vorliegen müssen, und entsprechende Fortbildungen besucht. Der Besuch der Fortbildungen reicht indes nicht als Vorbereitungshandlung aus, denn er ist nicht auf den Geschäftsverkehr nach außen gerichtet, sondern diente der Information der Klägerin und mündete auch nicht unmittelbar in die Aufnahme des Geschäftsbetriebs. Das gleiche gilt für die Informationsveranstaltungen der Hersteller verschiedener Kaffeeautomaten.

Zum 01.10.2009 meldete sie ihr Gewerbe an. Die Erteilung der Betriebsnummern durch die BGHW und die Beklagte im November 2009 und der Steuernummern durch das Finanzamt erfolgten von Amts wegen als Folge der Gewerbeanmeldung der Klägerin.

Darüber hinaus übersandte die Klägerin am 30.09.2009 den Antrag auf Leistungen aus dem Europäischen Sozialfonds an die Unternehmensberatung. Mit der Planung der Existenzgründung in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung K. & K. begann die Klägerin erst am 11.11.2009, also deutlich mehr als einen Monat nach dem Beginn des Förderzeitraums des Gründungszuschusses. Darüber hinaus war die Planung gerade nicht auf Außenwirkung gerichtet, sondern blieb intern zwischen der Unternehmensberatung und der Klägerin.

Darüber hinaus beantragte die Klägerin - offenbar Ende Oktober 2009 - die Nutzungsänderung zur Eröffnung des Cafés neben dem Ladengeschäft ihres Mannes. Nach ihren Notizen erkundigte die Klägerin sich erstmals am 20.10.2009 beim Bauordnungsamt nach den Voraussetzungen für einen Cafébetrieb, hatte also bis dahin überhaupt noch keine Schritte mit Außenwirkung (mit Ausnahme der Anmeldung des Gewerbes) für eine Umsetzung ihrer Geschäftsidee unternommen. Im Januar 2010 wurde der Klägerin die Baugenehmigung erteilt.

Die Gaststättenerlaubnis beantragte die Klägerin erst im Jahr 2010.

Schon im März 2009, dann erst wieder im November 2009, also ebenfalls deutlich mehr als einen Monat nach Beginn des Förderzeitraums der Beklagten, holte die Klägerin darüber hinaus Angebote von Sanitär-, Elektro- und weiteren Baufirmen für den notwendigen Umbau des Ladengeschäfts ein. Die Aufträge zu denselben erteilte sie erst im April 2010, also mehr als drei Monate nach Erteilung der Baugenehmigung.

Erst im Februar 2010 holte die Klägerin Angebote für Darlehen bei ihrer Bank ein, das ihr auch sofort bewilligt wurde. Im April 2010 beauftragte die Klägerin darüber hinaus die Erstellung einer Website zu Werbezwecken.

Dieser Zeitablauf zeigt, dass die Vorbereitungshandlungen der Klägerin nicht ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet waren. Die Klägerin hat vielmehr lange Zeiträume - z.B. zwischen der Beantragung der Baugenehmigung und dem Bemühen um Kreditmittel oder zwischen der Beantragung der Baugenehmigung und der Einholung konkreter Angebote durch Baufirmen sowie zwischen der Bewilligung der Kredite und der Beauftragung der Baufirmen für den Umbau - verstreichen lassen, in denen sie keinerlei Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung entwickelte. Die seit 01.10.2009 vorgenommenen Vorbereitungshandlungen der Klägerin zur Geschäftseröffnung erfüllen deshalb nicht die vom Bundessozialgericht aufgestellten Kriterien für eine Gleichstellung von Vorbereitungshandlungen mit der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, weil sie nicht unmittelbar in die Geschäftseröffnung mündeten.

Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, hat die Klägerin gegenüber der Beklagten unrichtige Angaben gemacht, indem sie durch Vorlage des Businessplans und der Ertrags- und Kostenplanung mit dem schriftlichen Antrag auf Existenzgründungszuschuss den Eindruck erweckte, dass das Geschäft im September 2009 schon eröffnet worden war. Diese Angaben waren auch ursächlich für die Bewilligung von Existenzgründungzuschuss mit Bescheid vom 01.10.2009. Auch insofern macht der Senat sich die Ausführungen des SG im Urteil vom 12.12.2012 zum objektiven Tatbestand des §§ 45 Abs. 2 S. 3 SGB X zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG, S. 9 und 10 – 1. Absatz – des Urteils).

Die Klägerin hat nach der vom Senat erlangten richterlichen Überzeugung vorsätzlich, jedenfalls aber mindestens grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht, §§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, 330 Abs. 2 SGB III. Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X kann sich nicht auf Vertrauen berufen, wer vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht hat. Der Begriff des Vorsatzes enthält ein Element des Wissens und Wollens. Es reicht insofern entweder die Kenntnis von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der angegebenen Tatsache oder das billigende Inkaufnehmen einer erkannten möglichen Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der angegebenen Tatsachen aus (Padé, in: Mutschler/Palsherm, JurisPK SGB X, § 45 SGB X Rn. 86). Grobe Fahrlässigkeit ist die Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Betroffene Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit seiner Angaben hat, die so ausgestaltet sind, dass es für jeden erkennbar wäre, dass hier wenigstens eine Nachfrage notwendig wäre (st. Rspr., z.B. BSG, Urteil vom 08.02.2001 - B 11 AL 21/00 R, SozR 3-1300 § 45 Nr. 45). Dabei ist ein subjektiver Maßstab anzulegen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müssen einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden. Das ist der Fall, wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (BSG, Urteil vom 31.08.1976 - 7 Rar 112/74, BSGE 42, 184; v. 11.06.1987 - 7 Rar 105/85, BSGE 62,32). Dabei ist auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten der Betroffenen sowie die besonderen Umstände des Falles abzustellen (BSG, Urteil vom 13.12.1972 - 7 RKg 9/69, BSGE 35, 108). Der Begünstigte muss individuell in der Lage sein, die Fehlerhaftigkeit der gemachten Angaben zu erkennen. Es muss also ohne weitere Überlegungen klar sein, dass er den betreffenden Umstand mitteilen muss (BSG, Urteil vom 12.02.1980 - 7 Rar 13/79, SozR 4100 § 152 Nr. 10). Das Bundessozialgericht lässt es insofern ausreichen, wenn dem Arbeitslosen das Heft "Merkblatt für Arbeitslose" ausgehändigt worden ist, er den Empfang durch seine Unterschrift quittiert hat und in diesem Merkblatt ein entsprechender Hinweis zu finden ist, der so abgefasst ist, dass der Begünstigte seinen Inhalt unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Einzelfall ohne weiteres erkennen kann (BSG, Urteil vom 24.04.1997 - 11 Rar 89/96, v. 08.02.2001 - B 11 AL 21/0 R, SozR 3-1300 § 45 Nr. 45).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin kannte den Inhalt des von ihr bei der Beklagten vorgelegten Businessplans, in dem als Eröffnungsdatum der 12.09.2009 genannt war. Sie wusste auch bei Einreichung der Unterlagen am 24.09.2009, dass die Eröffnung an diesem Tag nicht stattgefunden hatte und auch nicht stattfinden konnte, weil überhaupt noch keine Baumaßnahmen erfolgt waren und sie wusste, dass in den Geschäftsräumen ihres Mannes die notwendigen Einrichtungen (z.B. Kaffeemaschine, Tresen, Kaffeegeschirr, Kücheneinrichtung, Gästetoiletten usw.) nicht vorhanden waren. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin bei Einreichung der Antragsunterlagen im September 2009 von der Notwendigkeit einer Baugenehmigung in Form einer Genehmigung der Nutzungsänderung wusste. Die Klägerin wusste aufgrund ihrer zuvor erfolgten Unterrichtung nach dem Gaststättengesetz, dass sie zur Eröffnung zumindest des Cafés mit kleinen Speisen auch einer Gaststättenerlaubnis bedurfte, die sie ebenfalls bei Einreichung der Antragsunterlagen bei der Beklagten weder beantragt noch erhalten hatte. Weiterhin musste der Klägerin aufgrund ihres eigenen Businessplans und ihrer Ertragsprognose klar sein, dass sie auf Fremdmittel angewiesen war, die sie im Zeitpunkt der Antragstellung bei der Beklagten weder beantragt hatte noch ihr bewilligt worden waren. Die Klägerin hatte daher wissentlich und willentlich falsche Angaben gemacht, denn sie hat bei der Beklagten den unrichtigen Eindruck erweckt, das Gewerbe schon aufgenommen zu haben. Handlungsmotiv war zur Überzeugung des Senats, sich den Zuschuss wegen des nur noch ab 01.10.2009 ausreichend bestehenden Restanspruchs auf Arbeitslosengeld zu sichern. Zur Überzeugung des Senats hat die Klägerin auch vorsätzlich unrichtige Angaben gemacht, die sie als für die Entscheidung der Beklagten als wesentlich erkannt hatte. Im Merkblatt 3 – Vermittlungsdienste und Leistungen –, Stand Januar 2009 ist gleich zu Beginn der Erläuterungen zum Gründungszuschuss ausgeführt, dass er zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung für Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, dient. Der Zusammenhang eines ausreichenden Arbeitslosengeld-Restanspruchs und Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit war für die Klägerin zwanglos erkennbar, was sie zur Überzeugung des Senats auch realisiert hat.

Doch selbst wenn der Klägerin dies nicht klar gewesen sein sollte, hätte sich ihr unmittelbar aufdrängen müssen, dass die bewusst und willentlich unrichtig gemachten Angaben für die Bewilligung des Existenzgründungszuschusses wesentliche Bedeutung haben. Insofern wäre ihr Verhalten jedenfalls grob fahrlässig gewesen. Die Klägerin musste zumindest wissen, dass ihre Angaben im Businessplan, insbesondere die zeitliche Planung ihrer Geschäftstätigkeit, für die Beklagte bei ihrer Entscheidung eine wesentliche Bedeutung hatten. Sie wusste, dass die Beklagte einen Businessplan verlangte, um die Erfolgsaussichten der vorgesehenen Selbständigkeit und deren Förderfähigkeit beurteilen zu können. Aufgrund ihres ausdrücklich erklärten Einverständnisses in die Einsichtnahme der Unterlagen der fachkundigen Stelle (Unternehmensberatung K. & K. ) durch die Beklagte in ihrem schriftlichen Antrag vom 24.09.2009 musste der Klägerin auch klar sein, dass die Beklagte den Angaben in ihrem Businessplan und der daraufhin erfolgten Stellungnahme der Unternehmensberatung für die Entscheidung wesentliche Bedeutung beimaß, so dass es jedem einleuchten musste, dass zumindest eine Nachfrage bei dem zuständigen Sachbearbeiter, ob es auf den Zeitpunkt der Eröffnung ankomme, vorliegend angezeigt war. Die Erfolgsaussichten einer Selbständigkeit innerhalb des vorgesehenen Förderzeitraums hängen - auch für einen Laien - wesentlich von der zeitlichen Komponente, nämlich der Frage ab, wie schnell und effektiv das Konzept umgesetzt werden kann, damit der Selbständige auf eigenen Beinen stehen und nicht mehr von staatlichen Leistungen - gegebenenfalls von Leistungen nach dem SGB II - abhängig ist. Es musste insofern jedem einleuchten, dass die Beklagte kein Konzept fördern würde, das aufgrund der zeitlichen Dimension - tatsächliche Geschäftseröffnung und damit erster Umsatz erst nach Ende des Förderzeitraums - unweigerlich zum ergänzenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II zulaufen musste (sofern die Eheleute nicht anderes einsetzbares Einkommen und Vermögen hatten). Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin aufgrund ihrer persönlichen Erkenntnisfähigkeit nicht in der Lage war, Überlegungen anzustellen, die jedem einleuchten mussten. Gegen eine fehlende Erkenntnisfähigkeit spricht insofern, dass die Klägerin ausgebildete Buchbinderin und Verwaltungsbeamtin im mittleren Verwaltungsdienst ist und Erfahrungen aus ihrer Tätigkeit sowohl in der Gastronomie als auch in einem Steuerberaterbüro mitbringt.

Es kann deshalb dahinstehen, ob die Klägerin auch die Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung erkannte oder grob fahrlässig nicht erkannte.

Ermessen stand der Beklagten bei der Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 01.10.2009 nicht zu, § 330 Abs. 2 SGB III.

Die Rückforderung der bereits ausgezahlten Leistungen stützt die Beklagte zutreffend auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die Beklagte hat die zurückzufordernde Leistung zutreffend berechnet. Gegen die Höhe der Rückforderung hat die Klägerin auch keine Einwendungen erhoben.

Der Berufung war deshalb stattzugeben und die Klage abzuweisen.
Rechtskraft
Aus
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