Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 00572/98
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 805/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 20. Januar 2000 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der am 1957 geborene und am 1996 verstorbene A. L. (L.) bei einem versicherten Arbeitsunfall ums Leben gekommen ist und die Kläger deshalb Ansprüche auf Sterbegeld sowie Witwen- und Waisenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung haben. Die Klägerin Ziffer 1 war mit L. verheiratet, die Kläger Ziffer 2 und 3 sind die am 1981 und am 1991 geborenen gemeinsamen Kinder.
L. war als Vorarbeiter bei der Firma K.-H., L., beschäftigt. Er fuhr am 17.09.1996 von seiner Wohnung in B. B. zu einer Baustelle in U. und kam dabei gegen 6.15 Uhr mit dem Firmenfahrzeug in einer leichten Rechtskurve nach links von der Straße ab und fuhr ungebremst gegen einen Baum, wobei er tödliche Verletzungen erlitt. Bei der gegen 8.30 Uhr durchgeführten polizeilichen Leichenschau wurde bei L. eine relativ frische Einstichstelle an der rechten Ellenbeuge und eine ältere Einstichstelle an der linken Ellenbeuge festgestellt. In der Hose von L. fand sich eine Verpackung von Methadon, das Methadon wurde im Fußraum des Fahrersitzes gefunden. Die darauf entnommene Blutprobe ergab keinen Alkohol (Schreiben Prof. Dr. med. Dipl.Phys. W., Direktor des Instituts für gerichtliche Medizin der Universität T. vom 19.09.1996), jedoch 0,78 mg/kg freies Dihydrocodein (DHC) sowie 2,8 mg/kg Gesamt-DHC im Vollblut. Hierzu führte Prof. Dr. W. aus, der Befund beweise den Konsum von DHC. Die DHC-Konzentration liege im Erwartungsbereich nach übertherapeutischer Dosierung (Schreiben an die Polizeidirektion R. vom 04.11.1996).
Nach Eingang der Unfallanzeige der Firma K.-H. am 17.09.1996 ließ die Beklagte durch den Technischen Aufsichtsbeamten A. den Untersuchungsbericht vom 23.09.1996 fertigen, zog die Akten der Staatsanwaltschaft R. (26 Js 625/96) bei, führte durch einen Angestellten weitere Ermittlungen bei der Klägerin und dem Hausarzt von L. Dr. K. durch (Bericht vom 25.04.1997) und hörte den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. K., B. S ... Dieser führte im Schreiben vom Mai 1997 aus, L. sei seit 1986 aufgrund aller anfallenden Erkrankungen ohne besonders schwer wiegende Erkrankungen in seiner hausärztlichen Behandlung gestanden, seit ca. 1994 wegen chronischer Schlafstörungen. Er habe L. am 13.09.1996 Chloraldurat sowie Dihydrocodeinhydrogentartratsaft 2,5 %ig 250 ml und am 16.09.1996 10 ml L-Polamidon Hoechst verordnet. Das bei L. gefundene Polamidon habe er wohl am Vortag verordnet mit dem Hinweis, probatorisch abends 5 ml zu sich zu nehmen und die Wirkung am nächsten Morgen abzuwarten. Diese Anweisung sei nach Durchsicht der Unterlagen in Übereinstimmung mit einem stationären Entziehungsversuch im PLK S. erfolgt, wobei mit der gleichen Dosis begonnen worden sei. Wie sich im Nachhinein herausgestellt habe, sei L. währen der Zeit seines Suchtproblems noch in der Behandlung anderer Ärzte gestanden, die wohl ebenfalls Codein und Schlafmittel verordnet hätten, ohne voneinander Kenntnis zu haben. Bezüglich der Polimidon vorhergegangenen Codeindosierung habe er eine Dosis von 50 ml pro Tag vereinbart. Er habe L. darauf hingewiesen, keinesfalls beide Medikamente einzunehmen. Eine übertherapeutische Dosierung sei wohl deshalb gefunden worden, weil sich L. nicht an die therapeutischen Empfehlungen gehalten habe.
Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft R. vom 20.05.1997 handelte es sich bei dem gefundenen Fläschchen Polamidon um ein solches mit einem Fassungsvermögen von 20 ml, in dem sich noch eine Restmenge von ca. 5 ml befunden habe.
Die Beklagte zog die Krankenunterlagen von L. bei der AOK Friedrichshafen bei, holte den Bericht von Dr. med. Dipl.-Psychologe D. G., Nervenarzt und Leiter des Fachbereichs Drogen am Zentrum für Psychiatrie W., vom 11. Juni 1997 über die stationäre Behandlung von L. vom 05.06. bis 25.06.1996 wegen Opiatabhängigkeit ein sowie den Bericht des Allgemeinarztes Dr. W., B. S., vom 12.06.1997. Letzterer gab an, er habe L. seit November 1992 u.a. wegen einer Drogenentzugssymptomatik, Schlafstörungen bei Drogenmissbrauch und einem Zustand nach Opiatentzug behandelt. Er habe ihm u.a. Cloraldurat 500, Codeinum phospohoricum und DHC 2,5 % jedoch keine L-Polamidon-Tropfen verordnet. Vor seiner Entgiftung im PLK W. habe L. ca. 60 ml DHC 2,5 % täglich benötigt. Er habe ihn zuletzt am 27.05.1996 in seiner Praxis gesehen.
Prof. Dr. W. erstattete am 03.07.1997 im Auftrag der Beklagten ein Gutachten. Er führte aus, Dihydrocodein sei ein Medikament gegen Husten, welches als Ersatzdroge von Drogenabhängigen eingenommen werde. An Nebenwirkungen seien u.a. Schläfrigkeit sowie Sehstörungen bekannt. Weiterhin beeinträchtigten einige der Dihydrocodein-Präparate das Reaktionsvermögen. Eine Konzentration von 2,8 mg/kg Gesamt-DHC sei aus rechtsmedizinischer Sicht zwanglos geeignet, die Fahrtüchtigkeit von L. insoweit einzuschränken, dass es zu dem Unfall habe kommen können. Nach Aktenlage könne eine andere Ursache für das Zustandekommen des Unfalls nicht nachvollzogen werden.
Mit drei Bescheiden vom 01.08.1997 lehnte die Beklagte die Gewährung von Witwenrente und Sterbegeld für die Klägerin zu 1. sowie Waisenrente für die Kläger zu 2. und 3. ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die drogenbedingte Fahruntüchtigkeit von L. sei die allein wesentliche Ursache für das Zustandekommen des Unfalls gewesen.
Mit ihrem Widerspruch brachten die Kläger vor, die Beklagte habe es versäumt, eine Obduktion durchführen zu lassen, weshalb die Beweislast nun bei der Beklagten liege. Im Übrigen sei das Gutachten von Prof. Dr. W. nicht haltbar. Sie legten die Stellungnahme von Dr. G., Leiter des Fachbereichs "Drogen" am Zentrum für Psychiatrie W., vom 11.12.1997 vor. Er war der Auffassung, eine Konzentration von 2,8 mg/kg Gesamt-DHC weise im Rahmen einer Substitutionsbehandlung keine übertherapeutische Dosierung nach, auch könne nicht ohne Weiteres auf eine Einschränkung der Fahrtüchtigkeit geschlossen werden.
Die Beklagte zog von Dr. K. den Arztbrief des Bereichsarztes Sucht Sa. und Stationsarztes Dr. Pe. vom Zentrum für Psychiatrie B. S. vom 04.03.1996 bei (notfallmäßige Behandlung wegen Polytoxikomanie vom 25. bis 27.08.1995, Urin-Drogenscreening positiv für Opiate mit über 1000 ng/dl). Die Kläger legten die Stellungnahme des Dr. G. vom 11.11.1997 vor, der sich der Auffassung von Prof. Dr. W. nicht anschließen konnte.
Mit drei Widerspruchsbescheiden vom 24.02.1998 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten die Widersprüche der Kläger mit der wesentlichen Begründung zurück, der Vorwurf einer nicht veranlassten Obduktion sei nicht nachvollziehbar. Sie habe vom Verdacht eines möglichen Drogeneinflusses bei L. erst durch Übersendung der Staatsanwaltschaftsakten Mitte November 1996 erfahren. Nach Rücksprache bei Prof. Dr. Re., Uniklinik U./Abteilung Rechtsmedizin, sei eine Exhumierung und Obduktion zu diesem Zeitpunkt weder für die Sachaufklärung dienlich noch erforderlich gewesen. Die Stellungnahme von Dr. G. könne die Ausführungen von Prof. Dr. W. im Gutachten vom 03.07.1997 nicht entkräften. Auch wenn es sich bei der im Blut von L. aufgefundenen DHC-Konzentration von 2,8 mg/kg bei einer Drogensubstitution tatsächlich nicht um eine übertherapeutische Dosierung gehandelt habe, stelle dieser Wert im Vergleich zum Normalgebrauch des Medikaments eine höhere als empfohlene Dosis dar. Nachdem Prof. Dr. W. zufolge bei Dihydrocodein-Präparaten als Nebenwirkungen Schläfrigkeit, Sehstörungen und Beeinträchtigungen des Reaktionsvermögens bekannt seien, sei ein Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit, vor allem bei einem übermäßigen Gebrauch des Medikaments, unstrittig. Es sei insbesondere auch deshalb von einer eingeschränkten Fahrtüchtigkeit und einem drogenbedingten Leistungsausfall von L. zum Unfallzeitpunkt auszugehen, weil L. in einer leichten Rechtskurve geradeaus auf dem linken unbefestigten Fahrbahnrand noch ca. 45 m weiter gefahren sei, ohne irgendeine Reaktion zu zeigen, zumal Spuren eines Brems- oder Schleudervorgangs am Unfallort nicht hätten festgestellt werden können. Der Wagen von L. sei völlig ungebremst auf einen Baum geprallt. Im Übrigen hätten Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden nicht vorgelegen.
Hiergegen erhoben die Kläger am 13.03.1998 Klage zum Sozialgericht Ulm und brachten vor, die Beklagte habe nicht beachtet, dass Dr. G. den Verstorbenen gekannt, eine ausführliche Anamnese zur Verfügung gehabt und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in das Verfahren eingeführt habe. Im Übrigen sei L. in ärztlicher Behandlung gestanden und habe nur Medikamente konsumiert, die ihm von ärztlicher Seite verordnet worden seien. Auch habe eine Arbeitsunfähigkeit nicht vorgelegen. Letztlich scheitere das Ablehnen ihrer Ansprüche auch an der mangelnden Unfallaufklärung.
Das Sozialgericht holte unter Vorlage der Stellungnahme von Dr. G. die gutachtliche Rückäußerung nach Aktenlage von Prof. Dr. W. vom 03.05.1998 ein. Er wies darauf hin, dass eine DHC-Konzentration von bis zu 0,15 mg/kg als maximale therapeutische Konzentration nach der Einnahme von 60 mg Dihydrocodein angesehen werde. Die bei L. gefundene DHC-Konzentration von 2,8 mg/kg liege somit weit oberhalb der in der Literatur angegebenen oberen therapeutischen Grenze. Untersuchungen zur Fahrtauglichkeit nach Einnahme von Dihydrocodein zwecks Substitution lägen bisher nicht vor. Zur Beurteilung der Fahrtauglichkeit seien daher die verkehrsmedizinisch relevanten Wirkungen und Nebenwirkungen von Opiaten zu betrachten. Die sedierende Wirkung der Opiate zeige sich in reduzierter geistiger Aktivität, in Konzentrationsschwäche, Apathie und Schläfrigkeit, in leichter Benommenheit, Gleichgültigkeit gegenüber Außenreizen und Verlängerung der Reaktionszeit. Außerdem werde in der roten Liste bei den Dihydrocodein-Präparaten der Hinweis vermerkt: Reaktionsvermögen!. Dies bedeute, dass diese Präparate auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch (als Hustenmedikation) das Reaktionsvermögen so weit verändern könnten, dass die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr beeinträchtigt werde. Er sei nach wie vor unter Berücksichtigung dessen, dass keine technischen Mängel am Fahrzeug vorgelegen hätten, trockene Witterung geherrscht habe sowie dass bei L. keine verkehrsmedizinisch relevanten Erkrankungen vorgelegen hätten und er ohne Schleuder- oder Bremsvorgang auf den Baum geprallt sei, der Auffassung, dass die Gesamt-DHC-Konzentration von 2,8 mg/kg zwanglos geeignet sei, die Fahrtüchtigkeit von L. insoweit einzuschränken, dass es zu dem Unfall habe kommen können.
Das Sozialgericht holte das Gutachten von Dr. Ul., S., vom 17.05.1999 ein. Er führte zusammenfassend aus, es sei sehr unwahrscheinlich, dass der tödliche Unfall von L. auf die Einnahme von Dihydrocodein zurückzuführen sei. Viel wahrscheinlicher seien andere medizinische Ursachen, die bisher nicht bedacht und auch nicht untersucht worden seien, z.B. ein cerebraler Anfall, ein apoplektischer Insult, eine Hirnblutung, ein Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen oder eine Hypoglykämie. Zwei Tatsachen sprächen dagegen, dass eine DHC-Intoxikation vorgelegen habe: 1. Dass ein Opiattoleranter aufgrund einer Opiat- oder Opioidintoxikation plötzlich völlig reaktionslos werde, sei extrem unwahrscheinlich. Man sehe bei einer geordneten Substitutionsbehandlung von Opiatabhängigen wohl selten die Auswirkungen von Substanzüberdosierungen. In solchen Fällen wirkten die Patienten müde, nickten ab, seien verlangsamt, aber so gut wie nie völlig reaktionslos. 2. Wenn solche Bilder zu beobachten seien, seien sie so gut wie immer mit der Einnahme von Benzodiazepinen verbunden. Am Unfalltag seien in der Blutprobe von L. aber keine Benzodiazepine gefunden worden. Im Übrigen würden in der Substitution opiattolerante Patienten behandelt, die viel höhere Dosierungen benötigten, die dann wegen der Toleranz, nicht mehr mit den Nebenwirkungen der Sedierung und Reaktionsverminderung einhergingen. L. sei mit einer für die Substitution üblichen, therapeutischen Dosis behandelt worden. Dr. K. habe eine tägliche Dosis von 50 ml 2,5 %igen Dihydrocodeintartratsaftes angegeben, was einer Tagesdosis von etwa 850 mg Dihydrocodein entspreche. In seiner eigenen Praxis habe die durchschnittliche Dosis bei substituierten Patienten 804 mg betragen, in der Praxis eines Frankfurter Kollegen 955 mg.
Die Kläger trugen abschließend vor, die implizite Parallele, die die Beklagte zum Verhalten eines alkoholisierten Fahrers ziehe, sei nicht ohne Weiteres akzeptabel. Ein Alkoholkonsument tue dies zu seinem eigenen, privaten Vergnügen. Die verkehrsrechtlichen Konsequenzen seien darüber hinaus hinreichend bekannt. Anders liege es im vorliegenden Fall. L. habe sich in einer Rehabilitationsphase nach Drogenentzug befunden. Die verschriebenen Ersatzdrogen habe er offensichtlich zur Sicherung seiner Arbeitsfähigkeit eingenommen. Dabei habe er sich an die therapeutischen Empfehlungen des behandelnden Arztes Dr. K. insoweit gehalten, als er Methadon und Codein nicht gleichzeitig eingenommen habe. Unklar sei allerdings, ob L. sich an die ärztlich verordnete Dosis von 50 ml pro Tag gehalten habe bzw. ob er diese Dosis schon am Morgen vor der Fahrt zu sich genommen habe. Selbst wenn insofern verbotswidriges Handeln vorgelegen habe, er also die Auswirkung einer evtl. höheren Dosierung nicht richtig eingeschätzt habe, könne dies nicht zum Leistungsausschluss führen, weil der Grund für die Medikamenteneinnahme die Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit gewesen sei. Das Restrisiko der Substitutionsbehandlung sei bei normaler Dosierung offensichtlich von allen, inklusive Arzt und Arbeitgeber, als hinnehmbar erachtet worden. Bezüglich anderer Unfallursachen als der DHC-Einnahme könne nur spekuliert werden. Der bestehende Beweisnotstand sei durch die Beklagte mitverschuldet, weil diese keine Obduktion angeregt habe. Am plausibelsten erscheine die Möglichkeit, dass L. angesichts eines vorausgegangenen zehnstündigen Arbeitstages eingeschlafen sei. Die arbeitsbedingte Übermüdung sei dem betrieblichen Bereich zuzurechnen.
Mit Urteil vom 20.01.2000 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei unstreitig, dass L. im Zeitpunkt des Unfalls grundsätzlich unter Versicherungsschutz gestanden habe. Es sei jedoch anerkannt, dass sich ein Versicherter durch übermäßigen Alkoholgenuss vom Betrieb lösen, d.h. den inneren Zusammenhang mit der Tätigkeit beenden und dadurch sein Versicherungsschutz auch auf dem Weg von und zur Arbeit voll entfallen könne. Letzteres sei anzunehmen, wenn der Versicherte durch Alkoholgenuss verkehrsuntüchtig geworden und dies allein die rechtlich wesentliche Ursache für den eingetretenen Unfall sei. Dieselben Grundsätze seien anzuwenden, wenn der Versicherte nicht Alkohol, sondern andere berauschende Mittel zu sich genommen habe. Wenn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) selbst die Einnahme von berauschend wirkenden Medikamenten, die zur Abwehr oder Linderung von Krankheiten geboten oder wenigstens veranlasst seien, bei Fahruntüchtigkeit zum Verlust des Versicherungsschutzes führten, so müsse diese Rechtsfolge auch bei der Einnahme von Mitteln eintreten, die anders als Heroin, Kokain oder Haschisch nicht als Rauschgifte zu qualifizieren seien, sondern im Rahmen einer Substitutionsbehandlung planmäßig und ärztlich kontrolliert mit dem Ziel eingesetzt würden, den Drogenabhängigen langfristig von seiner Sucht zu befreien oder jedenfalls seine Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Es werde Dr. G. und Dr. Ul. zwar darin gefolgt, dass die bei L. vorgefundene Konzentration von 2,8 mg/l Gesamt-DHC im Rahmen einer Substitutionsbehandlung durchaus üblich sei, so dass nur im Rahmen des Einsatzes von Dihydrocodein als Hustenmittel, nicht aber im Rahmen einer Substitutionsbehandlung von einer übertherapeutischen Dosis die Rede sein könne. Die Konzentration von 2,8 mg pro Liter Gesamt-DHC sei mithin nicht ausreichend, ohne Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles auf eine Einschränkung der Fahrtüchtigkeit zu schließen. Gerade die Einbeziehung der Gesamtumstände des Unfalls führe jedoch zwingend zu dem Schluss, dass L. im Unfallzeitpunkt fahruntüchtig gewesen sei. So sei er in einer leichten Rechtskurve auf dem linken unbefestigten Fahrbahnrand noch ca. 45 m weiter geradeaus gefahren, ohne irgendeine Reaktion zu zeigen. Am Unfallort hätten auch keinerlei Spuren eines Brems- oder Schleudervorgangs festgestellt werden können und auch die Art der am Fahrzeug eingetretenen Beschädigungen beweise, dass der Wagen völlig ungebremst an einen Baum geprallt sei. Dieses Fahrverhalten sei so ungewöhnlich, dass nach der Erfahrung des täglichen Lebens anzunehmen sei, dass L. ohne die Einnahme von Dihydrocodein wahrscheinlich nicht verunglückt wäre. Dieser Anscheinsbeweis wäre nur zu entkräften durch den Vollbeweis einer Tatsache, aus der sich die ernsthafte Möglichkeit eines untypischen Geschehensablaufs ergäbe. Insoweit habe Dr. Ul. ausgeführt, bei L. könnte vor dem Unfall eine Bewusstlosigkeit, bedingt durch einen cerebralen Anfall, einen apoplektischen Insult, eine Hirnblutung, einen Herzinfarkt oder durch Herzrhythmusstörungen vorgelegen haben, jedoch selbst eingeräumt, dass diese Überlegung rein spekulativ sei. Hypothetische Ursachen schieden jedoch bei der Anwendung der Kausalitätsnorm von vornherein aus. Im Übrigen sei dem Bericht von Dr. K. zu entnehmen, dass bei L. in den letzten Jahren vor dem tödlichen Unfall keine schwerwiegenden Erkrankungen aufgetreten seien. Der Beklagten könne nicht vorgeworfen werden, dass sie keine Obduktion habe durchführen lassen. Bis zum Eingang der polizeilichen Unterlagen bei der Beklagten am 15.11.1996 sei nicht erkennbar gewesen, worauf der Unfall zurückzuführen sei. Im Übrigen hätten auch die Kläger von sich aus keine Obduktion angeregt.
Gegen das am 10.02.2000 zugestellte Urteil haben die Kläger am 02.03.2000 Berufung eingelegt. Sie bringen vor, die vom Sozialgericht vollzogene Gleichsetzung von Alkoholgenuss und von Dihydrocodein sei nicht zulässig. Bei einem Genuss von Alkohol stehe unbestritten fest, dass der Betroffene in seiner Leistungsfähigkeit alkoholbedingt eingeschränkt sei. Dies sei bei der Einnahme von Dihydrocodein dann nicht der Fall, wenn das Medikament im Rahmen einer ärztlich kontrollierten Suchtbehandlung angewandt werde. So habe auch Dr. Ul. dargelegt, dass die bei L. festgestellte DHC-Konzentration dessen Fahrfähigkeit nicht beeinträchtigt habe. Dr. Ul. verfüge über eine langjährige Erfahrung in der Substitutionsbehandlung und in diesem Bereich über sehr große medizinische Fachkenntnisse. Da kein Beweis des ersten Anscheins dafür bestehe, dass der Unfall vom 17.09.1996 auf die festgestellte DHC-Konzentration zurückzuführen sei, kämen die vom Sozialgericht als unwahrscheinlich bezeichneten anderen Gesundheitsstörungen als Unfallursache durchaus in Betracht.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 20. Januar 2000 sowie die Bescheide der Beklagten vom 01. August 1997 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 24. Februar 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen ab 17. September 1996 Witwenrente bzw. Waisenrente sowie Sterbegeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
Der Senat hat das Gutachten von Dr. Mi., Arzt für Klinische Pharmakologie/Dipl.-Physiker am Universitätsklinikum H., vom 08.04.2001 eingeholt. Der Sachverständige hat zusammenfassend ausgeführt, Dihydrocodein gehöre zur Gruppe der sog. schwachen Opioide. Bei jeglicher Opioidtherapie stelle sich in aller Regel eine Toleranzentwicklung ein. Wichtig sei die Toleranzentwicklung speziell auf bestimmte Nebenwirkungen der Opioide, wie die Sedierung, die bereits nach Tagen bis wenigen Wochen verschwinde (bei gleich bleibender Dosierung). Dies treffe auch für die kognitiven Einschränkungen zu, die bei Beginn einer Opioidtherapie eingeschränkt seien. Ein großes Defizit bestehe in der Datenlage zur verkehrsrelevanten Leistungsfähigkeit unter Opioiddauertherapie. Fest stehe aber in jedem Fall, dass absolute Fahruntüchtigkeit während der Einstellungsphase einer Opioidtherapie bestehe, bei größeren Dosisänderungen und z.B. bei Gebrauch von Alkohol. Dies dürfte wohl gleichermaßen für die Substitutionstherapie anwendbar sein. Allerdings sprächen folgende Punkte gegen eine Fahruntüchtigkeit von L.: Die Entgiftungsbehandlung drei Monate vor dem Unfall mit guter Prognose, eine offensichtlich stabile Einstellung mit DHC-Saft nach der Entgiftung mit Arbeitsfähigkeit von L., Toleranz gegenüber Sedierung sei möglich, kein Nachweis von Alkohol, kein Nachweis von Methadon, ausschließlicher Nachweis von Dihydrocodein mit Konzentration im "Normalbereich" bei Substitution, kein Nachweis von anderen Substanzen, sowie Zuwinken eines Arbeitskollegen von L. kurz vor dem Unfall. Ob für den Unfall andere medizinische Ursachen als die Einnahme des Dihydrocodein-Präparats in Betracht kämen, könne er nicht sagen, da keine Obduktion vorgenommen worden sei, die diesbezüglich hätte Klarheit erbringen können. Insbesondere hätte die damit umgekehrte Frage eines Schlaganfalls, der durch die Vorgeschichte möglich erscheine, verifiziert werden können.
Die Beklagte hat das Gutachten von Prof. Dr. W. vom 23.06.2001 vorgelegt. Er weist darauf hin, dass Dr. Mi. grundsätzlich eine absolute Fahruntüchtigkeit nicht nur während der Einstellungsphase einer Opioidtherapie und bei größeren Dosisänderungen annehme, sondern auch gleichermaßen für die Substitutionstherapie. Es stelle sich deshalb die Frage, weshalb Dr. Mi. die festgestellte Dihydrocodein-Konzentration als Unfallursache mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließe. Weder der ausschließliche Nachweis von Dihydrocodein, was den Nichtnachweis von anderen Substanzen (auch Alkohol und Methadon) einschließe, noch die DHC-Konzentration im Normalbereich bei Substitution spreche gegen eine Fahruntüchtigkeit von L. Allerdings seien lediglich 3 Gramm Vollblut übersandt worden, so dass auf andere Substanzklassen nicht habe untersucht werden können, da das Material verbraucht gewesen sei. Somit sei nicht auszuschließen, dass sich weitere körperfremde Substanzen im Blut von L. befunden hätten. Auch die Entgiftungsbehandlung drei Monate vor dem Ereignis mit guter Prognose lasse keinerlei Schluss zu der Fahrtüchtigkeit von L. zum Unfallzeitpunkt zu. Die offensichtlich stabile Einstellung mit DHC-Saft nach der Entgiftung mit Arbeitsfähigkeit von L. sei eben nur offensichtlich und bei dem in dem Pkw aufgefunden Methadon fraglich. Im Übrigen sei die im Blut von L. festgestellte Gesamt-DHC-Konzentration mit 3,36 mg/L (entspricht 2,8 mg/kg) oberhalb der von Mi. et al. festgestellten mittleren Konzentration. Das gelte auch für eine Studie von Skopp et al. Der Mittelwert der dort gemessenen Gesamt-DHC-Serumkonzentration habe 2,4 mg/L, entsprechend einer Gesamt-DHC-Konzentration von 2,02 mg/L im Blut betragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und der Prozessakten beider Instanzen sowie der vom Senat beigezogen Akten der Staatsanwaltschaft Ravensburg verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet. Das Sozialgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der grundsätzlich auf dem Weg zur Arbeit bestehende Versicherungsschutz bei L. durch die Einnahme von Dihydrocodein im Rahmen der Drogensubstitution entfallen ist und die Kläger daher keinen Anspruch auf Sterbegeld, Witwen- und Waisenrente haben.
Das Sozialgericht hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt zutreffend festgestellt und in seinem Urteil zutreffend ausgeführt, nach welchen Vorschriften (§§ 550 Abs. 1, 589 Abs. 1 Nr. 1, 590 und 595 RVO) die geltend gemachten Ansprüche zu beurteilen sind und weshalb deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Der Senat macht sich die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nach Überprüfung zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG) und hat mit Blick die Ermittlungen im Berufungsverfahren folgendes anzumerken:
Auch der Senat ist nach den weiteren im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen zu der Überzeugung gelangt, dass die Einnahme von Dihydrocodein im Rahmen der Drogensubstitution durch L. die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls war. Die Ausführungen von Dr. Mi. in dem vom Senat eingeholten Gutachten vom 08.04.2001, der der Auffassung ist, die bei L. gefundene Dihydrocodein-Konzentration könne mit großer Wahrscheinlichkeit als Unfallursache ausgeschlossen werden, hat den Senat nicht überzeugt, denn auch Dr. Mi. hat darauf hingewiesen, dass ein großes Defizit in der Datenlage zur verkehrsrelevanten Leistungsfähigkeit unter Opioiddauertherapie (Dihydrocodein gehört zur Gruppe der sog. schwachen Opioide) besteht. Als feststehend hat er jedoch erachtet, dass eine absolute Fahruntüchtigkeit während der Einstellungsphase einer Opioidtherapie besteht sowie bei größeren Dosisänderungen, und dies gelte auch gleichermaßen für die Substitutionstherapie. Weiter kann die von Dr. Mi. zur Stützung seiner Auffassung herangezogene neuere Untersuchung an 28 Methadon-Patienten seinen Standpunkt gerade nicht stützen, denn nur sechs Patienten wurden bei dieser Untersuchung als unauffällig bezeichnet, 13 erhielten das Prädikat "leicht auffällig" und die restlichen müssen wohl - dies wird von Dr. Mi. nicht erwähnt - auffällig gewesen sein und damit fahruntauglich. Die außerdem von Dr. Mi. für seine Auffassung herangezogene Entgiftungsbehandlung von L. drei Monate vor dem Unfallereignis mit guter Prognose kann nach Auffassung des Senats das Ergebnis von Dr. Mi. nicht stützen, denn die angeblich stabile Einstellung ist angesichts des im Pkw aufgefundenen Methadons (Polamidon) sowie der bei der polizeilichen Leichenschau gefundenen relativ frischen Einstichstelle an der rechten Ellenbeuge mehr als fraglich. Im Übrigen werden die außerdem von ihm herangezogenen Punkte des nicht vorliegenden Nachweises von Alkohol und Methadon dadurch relativiert, dass Prof. Dr. W. darauf hingewiesen hat, dass ihm lediglich 3 g Vollblut von L. übersandt worden waren, so dass auf andere Substanzklassen nicht habe untersucht werden können, da das Material verbraucht gewesen sei und hiermit nicht auszuschließen sei, dass sich weitere körperfremde Substanzen im Blut von L. befunden haben. Auch weist Prof. Dr. W. in seinem für die Beklagte erstellten Gutachten vom 23.06.2001 für den Senat überzeugend darauf hin, dass die im Fall von L. festgestellte Konzentration des freien Dihydrocodeins (Base: 0,93 mg) deutlich oberhalb der von Dr. Mi. in eigenen Untersuchungen festgestellten Spiegel (0,28 mg/L freie Dihydrocodein-Base) liegt. Das außerdem von Dr. Mi. für die Fahrtüchtigkeit von L. herangezogene Zuwinken eines Arbeitskollegen auf dem Weg zur Arbeit kurz vor dem Unfall ist nach Auffassung des Senats kein geeignetes Kriterium für die Feststellung von Fahrtüchtigkeit. Im Übrigen ergibt sich aus einer Studie von Skopp et al. bei 17 chronischen Dihydrocodein-Benutzern, dass der Mittelwert der gemessenen Gesamt-DHC-Serumkonzentration 2,4 mg pro Liter betrug, entsprechend einer Gesamt-DHC-Konzentration von 2,02 mg/L im Blut. Die im Blut von L. festgestellte Gesamt-DHC-Konzentration lag mit 3,36 mg/L (entspricht 2,8 mg/kg) oberhalb der hier festgestellten mittleren Konzentration.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der am 1957 geborene und am 1996 verstorbene A. L. (L.) bei einem versicherten Arbeitsunfall ums Leben gekommen ist und die Kläger deshalb Ansprüche auf Sterbegeld sowie Witwen- und Waisenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung haben. Die Klägerin Ziffer 1 war mit L. verheiratet, die Kläger Ziffer 2 und 3 sind die am 1981 und am 1991 geborenen gemeinsamen Kinder.
L. war als Vorarbeiter bei der Firma K.-H., L., beschäftigt. Er fuhr am 17.09.1996 von seiner Wohnung in B. B. zu einer Baustelle in U. und kam dabei gegen 6.15 Uhr mit dem Firmenfahrzeug in einer leichten Rechtskurve nach links von der Straße ab und fuhr ungebremst gegen einen Baum, wobei er tödliche Verletzungen erlitt. Bei der gegen 8.30 Uhr durchgeführten polizeilichen Leichenschau wurde bei L. eine relativ frische Einstichstelle an der rechten Ellenbeuge und eine ältere Einstichstelle an der linken Ellenbeuge festgestellt. In der Hose von L. fand sich eine Verpackung von Methadon, das Methadon wurde im Fußraum des Fahrersitzes gefunden. Die darauf entnommene Blutprobe ergab keinen Alkohol (Schreiben Prof. Dr. med. Dipl.Phys. W., Direktor des Instituts für gerichtliche Medizin der Universität T. vom 19.09.1996), jedoch 0,78 mg/kg freies Dihydrocodein (DHC) sowie 2,8 mg/kg Gesamt-DHC im Vollblut. Hierzu führte Prof. Dr. W. aus, der Befund beweise den Konsum von DHC. Die DHC-Konzentration liege im Erwartungsbereich nach übertherapeutischer Dosierung (Schreiben an die Polizeidirektion R. vom 04.11.1996).
Nach Eingang der Unfallanzeige der Firma K.-H. am 17.09.1996 ließ die Beklagte durch den Technischen Aufsichtsbeamten A. den Untersuchungsbericht vom 23.09.1996 fertigen, zog die Akten der Staatsanwaltschaft R. (26 Js 625/96) bei, führte durch einen Angestellten weitere Ermittlungen bei der Klägerin und dem Hausarzt von L. Dr. K. durch (Bericht vom 25.04.1997) und hörte den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. K., B. S ... Dieser führte im Schreiben vom Mai 1997 aus, L. sei seit 1986 aufgrund aller anfallenden Erkrankungen ohne besonders schwer wiegende Erkrankungen in seiner hausärztlichen Behandlung gestanden, seit ca. 1994 wegen chronischer Schlafstörungen. Er habe L. am 13.09.1996 Chloraldurat sowie Dihydrocodeinhydrogentartratsaft 2,5 %ig 250 ml und am 16.09.1996 10 ml L-Polamidon Hoechst verordnet. Das bei L. gefundene Polamidon habe er wohl am Vortag verordnet mit dem Hinweis, probatorisch abends 5 ml zu sich zu nehmen und die Wirkung am nächsten Morgen abzuwarten. Diese Anweisung sei nach Durchsicht der Unterlagen in Übereinstimmung mit einem stationären Entziehungsversuch im PLK S. erfolgt, wobei mit der gleichen Dosis begonnen worden sei. Wie sich im Nachhinein herausgestellt habe, sei L. währen der Zeit seines Suchtproblems noch in der Behandlung anderer Ärzte gestanden, die wohl ebenfalls Codein und Schlafmittel verordnet hätten, ohne voneinander Kenntnis zu haben. Bezüglich der Polimidon vorhergegangenen Codeindosierung habe er eine Dosis von 50 ml pro Tag vereinbart. Er habe L. darauf hingewiesen, keinesfalls beide Medikamente einzunehmen. Eine übertherapeutische Dosierung sei wohl deshalb gefunden worden, weil sich L. nicht an die therapeutischen Empfehlungen gehalten habe.
Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft R. vom 20.05.1997 handelte es sich bei dem gefundenen Fläschchen Polamidon um ein solches mit einem Fassungsvermögen von 20 ml, in dem sich noch eine Restmenge von ca. 5 ml befunden habe.
Die Beklagte zog die Krankenunterlagen von L. bei der AOK Friedrichshafen bei, holte den Bericht von Dr. med. Dipl.-Psychologe D. G., Nervenarzt und Leiter des Fachbereichs Drogen am Zentrum für Psychiatrie W., vom 11. Juni 1997 über die stationäre Behandlung von L. vom 05.06. bis 25.06.1996 wegen Opiatabhängigkeit ein sowie den Bericht des Allgemeinarztes Dr. W., B. S., vom 12.06.1997. Letzterer gab an, er habe L. seit November 1992 u.a. wegen einer Drogenentzugssymptomatik, Schlafstörungen bei Drogenmissbrauch und einem Zustand nach Opiatentzug behandelt. Er habe ihm u.a. Cloraldurat 500, Codeinum phospohoricum und DHC 2,5 % jedoch keine L-Polamidon-Tropfen verordnet. Vor seiner Entgiftung im PLK W. habe L. ca. 60 ml DHC 2,5 % täglich benötigt. Er habe ihn zuletzt am 27.05.1996 in seiner Praxis gesehen.
Prof. Dr. W. erstattete am 03.07.1997 im Auftrag der Beklagten ein Gutachten. Er führte aus, Dihydrocodein sei ein Medikament gegen Husten, welches als Ersatzdroge von Drogenabhängigen eingenommen werde. An Nebenwirkungen seien u.a. Schläfrigkeit sowie Sehstörungen bekannt. Weiterhin beeinträchtigten einige der Dihydrocodein-Präparate das Reaktionsvermögen. Eine Konzentration von 2,8 mg/kg Gesamt-DHC sei aus rechtsmedizinischer Sicht zwanglos geeignet, die Fahrtüchtigkeit von L. insoweit einzuschränken, dass es zu dem Unfall habe kommen können. Nach Aktenlage könne eine andere Ursache für das Zustandekommen des Unfalls nicht nachvollzogen werden.
Mit drei Bescheiden vom 01.08.1997 lehnte die Beklagte die Gewährung von Witwenrente und Sterbegeld für die Klägerin zu 1. sowie Waisenrente für die Kläger zu 2. und 3. ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die drogenbedingte Fahruntüchtigkeit von L. sei die allein wesentliche Ursache für das Zustandekommen des Unfalls gewesen.
Mit ihrem Widerspruch brachten die Kläger vor, die Beklagte habe es versäumt, eine Obduktion durchführen zu lassen, weshalb die Beweislast nun bei der Beklagten liege. Im Übrigen sei das Gutachten von Prof. Dr. W. nicht haltbar. Sie legten die Stellungnahme von Dr. G., Leiter des Fachbereichs "Drogen" am Zentrum für Psychiatrie W., vom 11.12.1997 vor. Er war der Auffassung, eine Konzentration von 2,8 mg/kg Gesamt-DHC weise im Rahmen einer Substitutionsbehandlung keine übertherapeutische Dosierung nach, auch könne nicht ohne Weiteres auf eine Einschränkung der Fahrtüchtigkeit geschlossen werden.
Die Beklagte zog von Dr. K. den Arztbrief des Bereichsarztes Sucht Sa. und Stationsarztes Dr. Pe. vom Zentrum für Psychiatrie B. S. vom 04.03.1996 bei (notfallmäßige Behandlung wegen Polytoxikomanie vom 25. bis 27.08.1995, Urin-Drogenscreening positiv für Opiate mit über 1000 ng/dl). Die Kläger legten die Stellungnahme des Dr. G. vom 11.11.1997 vor, der sich der Auffassung von Prof. Dr. W. nicht anschließen konnte.
Mit drei Widerspruchsbescheiden vom 24.02.1998 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten die Widersprüche der Kläger mit der wesentlichen Begründung zurück, der Vorwurf einer nicht veranlassten Obduktion sei nicht nachvollziehbar. Sie habe vom Verdacht eines möglichen Drogeneinflusses bei L. erst durch Übersendung der Staatsanwaltschaftsakten Mitte November 1996 erfahren. Nach Rücksprache bei Prof. Dr. Re., Uniklinik U./Abteilung Rechtsmedizin, sei eine Exhumierung und Obduktion zu diesem Zeitpunkt weder für die Sachaufklärung dienlich noch erforderlich gewesen. Die Stellungnahme von Dr. G. könne die Ausführungen von Prof. Dr. W. im Gutachten vom 03.07.1997 nicht entkräften. Auch wenn es sich bei der im Blut von L. aufgefundenen DHC-Konzentration von 2,8 mg/kg bei einer Drogensubstitution tatsächlich nicht um eine übertherapeutische Dosierung gehandelt habe, stelle dieser Wert im Vergleich zum Normalgebrauch des Medikaments eine höhere als empfohlene Dosis dar. Nachdem Prof. Dr. W. zufolge bei Dihydrocodein-Präparaten als Nebenwirkungen Schläfrigkeit, Sehstörungen und Beeinträchtigungen des Reaktionsvermögens bekannt seien, sei ein Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit, vor allem bei einem übermäßigen Gebrauch des Medikaments, unstrittig. Es sei insbesondere auch deshalb von einer eingeschränkten Fahrtüchtigkeit und einem drogenbedingten Leistungsausfall von L. zum Unfallzeitpunkt auszugehen, weil L. in einer leichten Rechtskurve geradeaus auf dem linken unbefestigten Fahrbahnrand noch ca. 45 m weiter gefahren sei, ohne irgendeine Reaktion zu zeigen, zumal Spuren eines Brems- oder Schleudervorgangs am Unfallort nicht hätten festgestellt werden können. Der Wagen von L. sei völlig ungebremst auf einen Baum geprallt. Im Übrigen hätten Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden nicht vorgelegen.
Hiergegen erhoben die Kläger am 13.03.1998 Klage zum Sozialgericht Ulm und brachten vor, die Beklagte habe nicht beachtet, dass Dr. G. den Verstorbenen gekannt, eine ausführliche Anamnese zur Verfügung gehabt und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse in das Verfahren eingeführt habe. Im Übrigen sei L. in ärztlicher Behandlung gestanden und habe nur Medikamente konsumiert, die ihm von ärztlicher Seite verordnet worden seien. Auch habe eine Arbeitsunfähigkeit nicht vorgelegen. Letztlich scheitere das Ablehnen ihrer Ansprüche auch an der mangelnden Unfallaufklärung.
Das Sozialgericht holte unter Vorlage der Stellungnahme von Dr. G. die gutachtliche Rückäußerung nach Aktenlage von Prof. Dr. W. vom 03.05.1998 ein. Er wies darauf hin, dass eine DHC-Konzentration von bis zu 0,15 mg/kg als maximale therapeutische Konzentration nach der Einnahme von 60 mg Dihydrocodein angesehen werde. Die bei L. gefundene DHC-Konzentration von 2,8 mg/kg liege somit weit oberhalb der in der Literatur angegebenen oberen therapeutischen Grenze. Untersuchungen zur Fahrtauglichkeit nach Einnahme von Dihydrocodein zwecks Substitution lägen bisher nicht vor. Zur Beurteilung der Fahrtauglichkeit seien daher die verkehrsmedizinisch relevanten Wirkungen und Nebenwirkungen von Opiaten zu betrachten. Die sedierende Wirkung der Opiate zeige sich in reduzierter geistiger Aktivität, in Konzentrationsschwäche, Apathie und Schläfrigkeit, in leichter Benommenheit, Gleichgültigkeit gegenüber Außenreizen und Verlängerung der Reaktionszeit. Außerdem werde in der roten Liste bei den Dihydrocodein-Präparaten der Hinweis vermerkt: Reaktionsvermögen!. Dies bedeute, dass diese Präparate auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch (als Hustenmedikation) das Reaktionsvermögen so weit verändern könnten, dass die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr beeinträchtigt werde. Er sei nach wie vor unter Berücksichtigung dessen, dass keine technischen Mängel am Fahrzeug vorgelegen hätten, trockene Witterung geherrscht habe sowie dass bei L. keine verkehrsmedizinisch relevanten Erkrankungen vorgelegen hätten und er ohne Schleuder- oder Bremsvorgang auf den Baum geprallt sei, der Auffassung, dass die Gesamt-DHC-Konzentration von 2,8 mg/kg zwanglos geeignet sei, die Fahrtüchtigkeit von L. insoweit einzuschränken, dass es zu dem Unfall habe kommen können.
Das Sozialgericht holte das Gutachten von Dr. Ul., S., vom 17.05.1999 ein. Er führte zusammenfassend aus, es sei sehr unwahrscheinlich, dass der tödliche Unfall von L. auf die Einnahme von Dihydrocodein zurückzuführen sei. Viel wahrscheinlicher seien andere medizinische Ursachen, die bisher nicht bedacht und auch nicht untersucht worden seien, z.B. ein cerebraler Anfall, ein apoplektischer Insult, eine Hirnblutung, ein Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen oder eine Hypoglykämie. Zwei Tatsachen sprächen dagegen, dass eine DHC-Intoxikation vorgelegen habe: 1. Dass ein Opiattoleranter aufgrund einer Opiat- oder Opioidintoxikation plötzlich völlig reaktionslos werde, sei extrem unwahrscheinlich. Man sehe bei einer geordneten Substitutionsbehandlung von Opiatabhängigen wohl selten die Auswirkungen von Substanzüberdosierungen. In solchen Fällen wirkten die Patienten müde, nickten ab, seien verlangsamt, aber so gut wie nie völlig reaktionslos. 2. Wenn solche Bilder zu beobachten seien, seien sie so gut wie immer mit der Einnahme von Benzodiazepinen verbunden. Am Unfalltag seien in der Blutprobe von L. aber keine Benzodiazepine gefunden worden. Im Übrigen würden in der Substitution opiattolerante Patienten behandelt, die viel höhere Dosierungen benötigten, die dann wegen der Toleranz, nicht mehr mit den Nebenwirkungen der Sedierung und Reaktionsverminderung einhergingen. L. sei mit einer für die Substitution üblichen, therapeutischen Dosis behandelt worden. Dr. K. habe eine tägliche Dosis von 50 ml 2,5 %igen Dihydrocodeintartratsaftes angegeben, was einer Tagesdosis von etwa 850 mg Dihydrocodein entspreche. In seiner eigenen Praxis habe die durchschnittliche Dosis bei substituierten Patienten 804 mg betragen, in der Praxis eines Frankfurter Kollegen 955 mg.
Die Kläger trugen abschließend vor, die implizite Parallele, die die Beklagte zum Verhalten eines alkoholisierten Fahrers ziehe, sei nicht ohne Weiteres akzeptabel. Ein Alkoholkonsument tue dies zu seinem eigenen, privaten Vergnügen. Die verkehrsrechtlichen Konsequenzen seien darüber hinaus hinreichend bekannt. Anders liege es im vorliegenden Fall. L. habe sich in einer Rehabilitationsphase nach Drogenentzug befunden. Die verschriebenen Ersatzdrogen habe er offensichtlich zur Sicherung seiner Arbeitsfähigkeit eingenommen. Dabei habe er sich an die therapeutischen Empfehlungen des behandelnden Arztes Dr. K. insoweit gehalten, als er Methadon und Codein nicht gleichzeitig eingenommen habe. Unklar sei allerdings, ob L. sich an die ärztlich verordnete Dosis von 50 ml pro Tag gehalten habe bzw. ob er diese Dosis schon am Morgen vor der Fahrt zu sich genommen habe. Selbst wenn insofern verbotswidriges Handeln vorgelegen habe, er also die Auswirkung einer evtl. höheren Dosierung nicht richtig eingeschätzt habe, könne dies nicht zum Leistungsausschluss führen, weil der Grund für die Medikamenteneinnahme die Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit gewesen sei. Das Restrisiko der Substitutionsbehandlung sei bei normaler Dosierung offensichtlich von allen, inklusive Arzt und Arbeitgeber, als hinnehmbar erachtet worden. Bezüglich anderer Unfallursachen als der DHC-Einnahme könne nur spekuliert werden. Der bestehende Beweisnotstand sei durch die Beklagte mitverschuldet, weil diese keine Obduktion angeregt habe. Am plausibelsten erscheine die Möglichkeit, dass L. angesichts eines vorausgegangenen zehnstündigen Arbeitstages eingeschlafen sei. Die arbeitsbedingte Übermüdung sei dem betrieblichen Bereich zuzurechnen.
Mit Urteil vom 20.01.2000 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei unstreitig, dass L. im Zeitpunkt des Unfalls grundsätzlich unter Versicherungsschutz gestanden habe. Es sei jedoch anerkannt, dass sich ein Versicherter durch übermäßigen Alkoholgenuss vom Betrieb lösen, d.h. den inneren Zusammenhang mit der Tätigkeit beenden und dadurch sein Versicherungsschutz auch auf dem Weg von und zur Arbeit voll entfallen könne. Letzteres sei anzunehmen, wenn der Versicherte durch Alkoholgenuss verkehrsuntüchtig geworden und dies allein die rechtlich wesentliche Ursache für den eingetretenen Unfall sei. Dieselben Grundsätze seien anzuwenden, wenn der Versicherte nicht Alkohol, sondern andere berauschende Mittel zu sich genommen habe. Wenn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) selbst die Einnahme von berauschend wirkenden Medikamenten, die zur Abwehr oder Linderung von Krankheiten geboten oder wenigstens veranlasst seien, bei Fahruntüchtigkeit zum Verlust des Versicherungsschutzes führten, so müsse diese Rechtsfolge auch bei der Einnahme von Mitteln eintreten, die anders als Heroin, Kokain oder Haschisch nicht als Rauschgifte zu qualifizieren seien, sondern im Rahmen einer Substitutionsbehandlung planmäßig und ärztlich kontrolliert mit dem Ziel eingesetzt würden, den Drogenabhängigen langfristig von seiner Sucht zu befreien oder jedenfalls seine Arbeitsfähigkeit zu erhalten. Es werde Dr. G. und Dr. Ul. zwar darin gefolgt, dass die bei L. vorgefundene Konzentration von 2,8 mg/l Gesamt-DHC im Rahmen einer Substitutionsbehandlung durchaus üblich sei, so dass nur im Rahmen des Einsatzes von Dihydrocodein als Hustenmittel, nicht aber im Rahmen einer Substitutionsbehandlung von einer übertherapeutischen Dosis die Rede sein könne. Die Konzentration von 2,8 mg pro Liter Gesamt-DHC sei mithin nicht ausreichend, ohne Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles auf eine Einschränkung der Fahrtüchtigkeit zu schließen. Gerade die Einbeziehung der Gesamtumstände des Unfalls führe jedoch zwingend zu dem Schluss, dass L. im Unfallzeitpunkt fahruntüchtig gewesen sei. So sei er in einer leichten Rechtskurve auf dem linken unbefestigten Fahrbahnrand noch ca. 45 m weiter geradeaus gefahren, ohne irgendeine Reaktion zu zeigen. Am Unfallort hätten auch keinerlei Spuren eines Brems- oder Schleudervorgangs festgestellt werden können und auch die Art der am Fahrzeug eingetretenen Beschädigungen beweise, dass der Wagen völlig ungebremst an einen Baum geprallt sei. Dieses Fahrverhalten sei so ungewöhnlich, dass nach der Erfahrung des täglichen Lebens anzunehmen sei, dass L. ohne die Einnahme von Dihydrocodein wahrscheinlich nicht verunglückt wäre. Dieser Anscheinsbeweis wäre nur zu entkräften durch den Vollbeweis einer Tatsache, aus der sich die ernsthafte Möglichkeit eines untypischen Geschehensablaufs ergäbe. Insoweit habe Dr. Ul. ausgeführt, bei L. könnte vor dem Unfall eine Bewusstlosigkeit, bedingt durch einen cerebralen Anfall, einen apoplektischen Insult, eine Hirnblutung, einen Herzinfarkt oder durch Herzrhythmusstörungen vorgelegen haben, jedoch selbst eingeräumt, dass diese Überlegung rein spekulativ sei. Hypothetische Ursachen schieden jedoch bei der Anwendung der Kausalitätsnorm von vornherein aus. Im Übrigen sei dem Bericht von Dr. K. zu entnehmen, dass bei L. in den letzten Jahren vor dem tödlichen Unfall keine schwerwiegenden Erkrankungen aufgetreten seien. Der Beklagten könne nicht vorgeworfen werden, dass sie keine Obduktion habe durchführen lassen. Bis zum Eingang der polizeilichen Unterlagen bei der Beklagten am 15.11.1996 sei nicht erkennbar gewesen, worauf der Unfall zurückzuführen sei. Im Übrigen hätten auch die Kläger von sich aus keine Obduktion angeregt.
Gegen das am 10.02.2000 zugestellte Urteil haben die Kläger am 02.03.2000 Berufung eingelegt. Sie bringen vor, die vom Sozialgericht vollzogene Gleichsetzung von Alkoholgenuss und von Dihydrocodein sei nicht zulässig. Bei einem Genuss von Alkohol stehe unbestritten fest, dass der Betroffene in seiner Leistungsfähigkeit alkoholbedingt eingeschränkt sei. Dies sei bei der Einnahme von Dihydrocodein dann nicht der Fall, wenn das Medikament im Rahmen einer ärztlich kontrollierten Suchtbehandlung angewandt werde. So habe auch Dr. Ul. dargelegt, dass die bei L. festgestellte DHC-Konzentration dessen Fahrfähigkeit nicht beeinträchtigt habe. Dr. Ul. verfüge über eine langjährige Erfahrung in der Substitutionsbehandlung und in diesem Bereich über sehr große medizinische Fachkenntnisse. Da kein Beweis des ersten Anscheins dafür bestehe, dass der Unfall vom 17.09.1996 auf die festgestellte DHC-Konzentration zurückzuführen sei, kämen die vom Sozialgericht als unwahrscheinlich bezeichneten anderen Gesundheitsstörungen als Unfallursache durchaus in Betracht.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 20. Januar 2000 sowie die Bescheide der Beklagten vom 01. August 1997 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 24. Februar 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen ab 17. September 1996 Witwenrente bzw. Waisenrente sowie Sterbegeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
Der Senat hat das Gutachten von Dr. Mi., Arzt für Klinische Pharmakologie/Dipl.-Physiker am Universitätsklinikum H., vom 08.04.2001 eingeholt. Der Sachverständige hat zusammenfassend ausgeführt, Dihydrocodein gehöre zur Gruppe der sog. schwachen Opioide. Bei jeglicher Opioidtherapie stelle sich in aller Regel eine Toleranzentwicklung ein. Wichtig sei die Toleranzentwicklung speziell auf bestimmte Nebenwirkungen der Opioide, wie die Sedierung, die bereits nach Tagen bis wenigen Wochen verschwinde (bei gleich bleibender Dosierung). Dies treffe auch für die kognitiven Einschränkungen zu, die bei Beginn einer Opioidtherapie eingeschränkt seien. Ein großes Defizit bestehe in der Datenlage zur verkehrsrelevanten Leistungsfähigkeit unter Opioiddauertherapie. Fest stehe aber in jedem Fall, dass absolute Fahruntüchtigkeit während der Einstellungsphase einer Opioidtherapie bestehe, bei größeren Dosisänderungen und z.B. bei Gebrauch von Alkohol. Dies dürfte wohl gleichermaßen für die Substitutionstherapie anwendbar sein. Allerdings sprächen folgende Punkte gegen eine Fahruntüchtigkeit von L.: Die Entgiftungsbehandlung drei Monate vor dem Unfall mit guter Prognose, eine offensichtlich stabile Einstellung mit DHC-Saft nach der Entgiftung mit Arbeitsfähigkeit von L., Toleranz gegenüber Sedierung sei möglich, kein Nachweis von Alkohol, kein Nachweis von Methadon, ausschließlicher Nachweis von Dihydrocodein mit Konzentration im "Normalbereich" bei Substitution, kein Nachweis von anderen Substanzen, sowie Zuwinken eines Arbeitskollegen von L. kurz vor dem Unfall. Ob für den Unfall andere medizinische Ursachen als die Einnahme des Dihydrocodein-Präparats in Betracht kämen, könne er nicht sagen, da keine Obduktion vorgenommen worden sei, die diesbezüglich hätte Klarheit erbringen können. Insbesondere hätte die damit umgekehrte Frage eines Schlaganfalls, der durch die Vorgeschichte möglich erscheine, verifiziert werden können.
Die Beklagte hat das Gutachten von Prof. Dr. W. vom 23.06.2001 vorgelegt. Er weist darauf hin, dass Dr. Mi. grundsätzlich eine absolute Fahruntüchtigkeit nicht nur während der Einstellungsphase einer Opioidtherapie und bei größeren Dosisänderungen annehme, sondern auch gleichermaßen für die Substitutionstherapie. Es stelle sich deshalb die Frage, weshalb Dr. Mi. die festgestellte Dihydrocodein-Konzentration als Unfallursache mit großer Wahrscheinlichkeit ausschließe. Weder der ausschließliche Nachweis von Dihydrocodein, was den Nichtnachweis von anderen Substanzen (auch Alkohol und Methadon) einschließe, noch die DHC-Konzentration im Normalbereich bei Substitution spreche gegen eine Fahruntüchtigkeit von L. Allerdings seien lediglich 3 Gramm Vollblut übersandt worden, so dass auf andere Substanzklassen nicht habe untersucht werden können, da das Material verbraucht gewesen sei. Somit sei nicht auszuschließen, dass sich weitere körperfremde Substanzen im Blut von L. befunden hätten. Auch die Entgiftungsbehandlung drei Monate vor dem Ereignis mit guter Prognose lasse keinerlei Schluss zu der Fahrtüchtigkeit von L. zum Unfallzeitpunkt zu. Die offensichtlich stabile Einstellung mit DHC-Saft nach der Entgiftung mit Arbeitsfähigkeit von L. sei eben nur offensichtlich und bei dem in dem Pkw aufgefunden Methadon fraglich. Im Übrigen sei die im Blut von L. festgestellte Gesamt-DHC-Konzentration mit 3,36 mg/L (entspricht 2,8 mg/kg) oberhalb der von Mi. et al. festgestellten mittleren Konzentration. Das gelte auch für eine Studie von Skopp et al. Der Mittelwert der dort gemessenen Gesamt-DHC-Serumkonzentration habe 2,4 mg/L, entsprechend einer Gesamt-DHC-Konzentration von 2,02 mg/L im Blut betragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und der Prozessakten beider Instanzen sowie der vom Senat beigezogen Akten der Staatsanwaltschaft Ravensburg verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung der Kläger ist nicht begründet. Das Sozialgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der grundsätzlich auf dem Weg zur Arbeit bestehende Versicherungsschutz bei L. durch die Einnahme von Dihydrocodein im Rahmen der Drogensubstitution entfallen ist und die Kläger daher keinen Anspruch auf Sterbegeld, Witwen- und Waisenrente haben.
Das Sozialgericht hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt zutreffend festgestellt und in seinem Urteil zutreffend ausgeführt, nach welchen Vorschriften (§§ 550 Abs. 1, 589 Abs. 1 Nr. 1, 590 und 595 RVO) die geltend gemachten Ansprüche zu beurteilen sind und weshalb deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Der Senat macht sich die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils nach Überprüfung zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG) und hat mit Blick die Ermittlungen im Berufungsverfahren folgendes anzumerken:
Auch der Senat ist nach den weiteren im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen zu der Überzeugung gelangt, dass die Einnahme von Dihydrocodein im Rahmen der Drogensubstitution durch L. die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls war. Die Ausführungen von Dr. Mi. in dem vom Senat eingeholten Gutachten vom 08.04.2001, der der Auffassung ist, die bei L. gefundene Dihydrocodein-Konzentration könne mit großer Wahrscheinlichkeit als Unfallursache ausgeschlossen werden, hat den Senat nicht überzeugt, denn auch Dr. Mi. hat darauf hingewiesen, dass ein großes Defizit in der Datenlage zur verkehrsrelevanten Leistungsfähigkeit unter Opioiddauertherapie (Dihydrocodein gehört zur Gruppe der sog. schwachen Opioide) besteht. Als feststehend hat er jedoch erachtet, dass eine absolute Fahruntüchtigkeit während der Einstellungsphase einer Opioidtherapie besteht sowie bei größeren Dosisänderungen, und dies gelte auch gleichermaßen für die Substitutionstherapie. Weiter kann die von Dr. Mi. zur Stützung seiner Auffassung herangezogene neuere Untersuchung an 28 Methadon-Patienten seinen Standpunkt gerade nicht stützen, denn nur sechs Patienten wurden bei dieser Untersuchung als unauffällig bezeichnet, 13 erhielten das Prädikat "leicht auffällig" und die restlichen müssen wohl - dies wird von Dr. Mi. nicht erwähnt - auffällig gewesen sein und damit fahruntauglich. Die außerdem von Dr. Mi. für seine Auffassung herangezogene Entgiftungsbehandlung von L. drei Monate vor dem Unfallereignis mit guter Prognose kann nach Auffassung des Senats das Ergebnis von Dr. Mi. nicht stützen, denn die angeblich stabile Einstellung ist angesichts des im Pkw aufgefundenen Methadons (Polamidon) sowie der bei der polizeilichen Leichenschau gefundenen relativ frischen Einstichstelle an der rechten Ellenbeuge mehr als fraglich. Im Übrigen werden die außerdem von ihm herangezogenen Punkte des nicht vorliegenden Nachweises von Alkohol und Methadon dadurch relativiert, dass Prof. Dr. W. darauf hingewiesen hat, dass ihm lediglich 3 g Vollblut von L. übersandt worden waren, so dass auf andere Substanzklassen nicht habe untersucht werden können, da das Material verbraucht gewesen sei und hiermit nicht auszuschließen sei, dass sich weitere körperfremde Substanzen im Blut von L. befunden haben. Auch weist Prof. Dr. W. in seinem für die Beklagte erstellten Gutachten vom 23.06.2001 für den Senat überzeugend darauf hin, dass die im Fall von L. festgestellte Konzentration des freien Dihydrocodeins (Base: 0,93 mg) deutlich oberhalb der von Dr. Mi. in eigenen Untersuchungen festgestellten Spiegel (0,28 mg/L freie Dihydrocodein-Base) liegt. Das außerdem von Dr. Mi. für die Fahrtüchtigkeit von L. herangezogene Zuwinken eines Arbeitskollegen auf dem Weg zur Arbeit kurz vor dem Unfall ist nach Auffassung des Senats kein geeignetes Kriterium für die Feststellung von Fahrtüchtigkeit. Im Übrigen ergibt sich aus einer Studie von Skopp et al. bei 17 chronischen Dihydrocodein-Benutzern, dass der Mittelwert der gemessenen Gesamt-DHC-Serumkonzentration 2,4 mg pro Liter betrug, entsprechend einer Gesamt-DHC-Konzentration von 2,02 mg/L im Blut. Die im Blut von L. festgestellte Gesamt-DHC-Konzentration lag mit 3,36 mg/L (entspricht 2,8 mg/kg) oberhalb der hier festgestellten mittleren Konzentration.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
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