L 9 R 2984/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1562/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2984/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1956 geborene Klägerin hat nach ihren Angaben im Rentenantrag (Bl. 88 Verwaltungsakte der Beklagten - VA) vom 01.09.1971 bis zum 12.06.1973 eine Ausbildung zur Dekorateurin/Verkäuferin absolviert und die Prüfung bestanden. Ein Prüfungszeugnis wurde nicht vorgelegt. Von der Beklagten beigezogen wurde ein an die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg gerichtetes Schreiben der Klägerin vom 24.10.2001 (Bl. 77/78 VA), wonach sie eine am 01.01.1973 begonnene Lehre am 12.06.1973 abgebrochen habe. Auch im Gutachten des Nervenarztes Dr. H. vom 10.02.2010 (Bl. 252 [253] VA) findet sich die Angabe, dass sie ihre Ausbildung zur Dekorateurin abgebrochen habe, ebenso in der biographischen Anamnese des Gutachtens von Dr. H. vom 18.01.2011 (Bl. 39 [45] SG-Akte). Die Klägerin war bis 1989 als Verkäuferin/Dekorateurin beschäftigt und wurde dann arbeitslos. Sie besuchte gemäß dem Abschlusszeugnis der kaufmännischen Privatschule S. vom 21.11.1990 im Zeitraum vom 08.01.1990 bis zum 20.11.1990 einen Bürofachlehrgang mit wöchentlich 30 Unterrichtseinheiten in den Fächern Deutsch, Maschinenschreiben, Kurzschrift, Betriebswirtschaftslehre, kaufmännischer Schriftverkehr, kaufmännisches Rechnen, Buchführung, Sozialkunde, Organisationslehre und EDV. Nach ihren Angaben im Rentenantrag handelte es sich um eine Umschulung zur Bürokauffrau. Die Maßnahme wurde durch die Gewährung von Unterhaltsgeld vom Arbeitsamt R. gefördert (vgl. Bescheid vom 20.11.1990, Bl. 53 VA). Sie übte dann Tätigkeiten als Sekretärin bei verschiedenen Arbeitgebern aus, wobei zur Dauer und Art der Beschäftigung in den aktenkundigen medizinischen Sachverständigengutachten jeweils unterschiedliche Angaben enthalten sind (vgl. etwa Gutachten Dr. K. vom 20.01.2009, Bl. 114 [117/118] VA, bzw. Gutachten des Nervenarztes Dr. H. vom 10.02.2010, Bl. 252 [253] VA). Am 01.02.2007 nahm die Klägerin eine Beschäftigung als kaufmännische Angestellte (Vertrieb Innendienst) bei der Firma m. auf, welche, nachdem die Klägerin ab dem 08.02.2007 arbeitsunfähig geworden war (vgl. Vorerkrankungsverzeichnis der neuen B. vom 19.09.2007, Bl. 100 VA), durch arbeitgeberseitige Kündigung beendet wurde (Arbeitgeberauskunft vom 30.04.2009, Bl. 160 VA). Es handelte sich bei der letzten Beschäftigung um eine Vollzeittätigkeit mit einer frei vereinbarten Grundvergütung von 2.300,00 EUR brutto monatlich. Zwischenzeitlich bezieht die Klägerin Leistungen der Grundsicherung.

Am 09.10.2007 (Eingang bei der Beklagten) beantragte die Klägerin die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation unter Berufung auf eine Leberzirrhose, eine Blutvergiftung und ein Papilloma-Virus, weshalb sie seit dem 08.02.2007 fortlaufend arbeitsunfähig sei. Der zunächst von der Beklagten erteilte Bewilligungsbescheid wurde aufgehoben, nachdem die Klägerin der Beklagten mitgeteilt hatte, dass die Maßnahme hinfällig sei, da bereits durch ein Medikament eine erhebliche Besserung der im Anfangsstadium nachgewiesenen Erkrankung (PBC) erzielt worden sei (Schreiben der Klägerin vom 27.11.2007, Bl. 111 VA und der Beklagten vom 22.01.2008, Bl. 113 VA).

Am 23.10.2008 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung unter Berufung auf eine bei ihr diagnostizierte primäre biliäre Leberzirrhose, welche erstmals im August 2007 diagnostiziert worden und nicht heilbar sei. Beigefügt war ein ärztliches Attest des die Klägerin behandelnden Hausarztes Dr. S. vom 17.10.2008, in welchem er ausführte, dass die Klägerin maximal drei Stunden täglich arbeitstätig sein könne.

Die Beklagte veranlasste nach Beiziehung aktueller ärztlicher Befundunterlagen eine Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Innere Medizin Dr. K., welcher mit Gutachten vom 20.01.2009 als Hauptdiagnosen eine primär sklerosierende Autoimmuncholangitis (primär biliäre Zirrhose ohne nachgewiesene Zirrhose) und ein Müdigkeitssyndrom aufführte. Eine als Kind erlebte Hepatitis A hielt er mangels chronischem Verlauf für irrelevant. Er nahm für die letzte Tätigkeit als angestellte Kauffrau ein mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen an, ebenso für leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Hierauf lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 26.02.2009 (Bl. 140 VA) ab, da sie weder erwerbsgemindert noch berufsunfähig sei, nachdem sie in der Lage sei, in ihrem bisherigen Beruf als Bürokauffrau mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein und Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes im selben Umfang auszuüben.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 23.03.2009 unter Berufung auf die Unheilbarkeit der bei ihr diagnostizierten Erkrankung (PBC) Widerspruch. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. S. teilte mit Schreiben vom 22.11.2009 mit, die primär biliäre Zirrhose sei unter Therapie mit Ursofalk remittiert (Bl. 210 VA). In seinem Gutachten vom 10.02.2010 stellte der Nervenarzt Dr. H. die Diagnosen einer psychischen Anpassungsstörung und einer primär-sklerosierenden Autoimmuncholangitis und kam zu dem Ergebnis, der Klägerin seien leichte Tätigkeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen, in Tagesschicht, ohne besondere Ansprüche an die geistig-psychische Belastbarkeit und ohne zusätzliche Gefährdungs- und Belastungsfaktoren vollschichtig zumutbar. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als angestellte Bürokraft könne die Klägerin vorbehaltlich einer stationären Bestätigung der von ihr beklagten hochgradigen Einschränkung der persönlichen Freiheitsgrade ebenfalls vollschichtig verrichten.

Der Facharzt für Innere Medizin Dr. K. stellte in seinem Gutachten vom 08.03.2010 die Diagnosen einer Frühform einer nicht eitrigen destruierenden Cholangitis, einer Hyperthyreose unter Substitutionsbehandlung und eines Zustandes nach Uteruskarzinom. Er kam ebenfalls zu dem Ergebnis, die Klägerin könne ihre bisherige berufliche Tätigkeit als kaufmännische Angestellte/Bürokraft im zeitlichen Umfang von mehr als sechs Stunden täglich ausüben. Die von der Klägerin wahrgenommene Minderung der beruflichen Leistungsfähigkeit sei hauptsächlich in ihrer ängstlich-hypochondrischen Persönlichkeitsstruktur begründet. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hielt Dr. K. leichte bis mittelschwere Arbeiten mehr als sechs Stunden für zumutbar und formulierte weitere qualitative Einschränkungen für Tätigkeiten in Nässe und Zugluft, unter extrem schwankenden Temperaturen und Tätigkeiten mit häufige wechselnden Arbeitszeiten, zudem für permanent hohe Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen.

Hierauf wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2010 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 24.06.2010 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, sie befinde sich in psychotherapeutischer Behandlung, weil sie mit der chronisch fortschreitenden unheilbaren Lebererkrankung (PBC) nicht klar käme. Darüber hinaus leide sie an Herpes Zoster, welcher sich unter Stress am unteren Rücken in großen Herden, welche oft hohes Fieber verursachten, zeige. Ihre Gelenke schmerzten zusehends, darüber hinaus häuften sich auch Zahnwurzelentzündungen.

Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen gehört. Die Psychotherapeutin Dr. J. teilte telefonisch mit, die Klägerin lediglich eine halbe Stunde gesehen zu haben, ohne dass eine Therapie erfolgt sei (Vermerk vom 11.10.2010, Bl. 28 SG-Akte). Der Arzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. S. hat dem SG mit Schreiben vom 14.10.2010 mitgeteilt, er schätze das Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch mit unter sechs Stunden täglich ein, denn die Klägerin sei überzeugt, an der Krankheit "primär biliäre Zirrhose" bald sterben zu müssen und verarbeite diese Diagnose nicht adäquat. Von dem subjektiven Gefühl der Bedrohtheit gehe eine erhebliche Minderung von Kraft, Ausdauer und Stressbelastbarkeit aus.

Im Auftrag des SG hat am 18.10.2011 der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. ein Gutachten über die Klägerin erstattet. Die Gesundheitsstörungen der Klägerin hat er den Diagnosen einer primären biliären Leberzirrhose und einer Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion, gemischt, zugeordnet und die Klägerin als nicht tiefergehend depressiv herabgestimmt beschrieben. Auch habe deren Angstsymptomatik das Ausmaß einer generalisierten Angststörung nicht erreicht. Zwar habe die Klägerin auf "PBC" fixiert gewirkt, gleichwohl habe sich eine paranoide Symptomatik nicht feststellen lassen, wohl aber hätten sich Hinweise auf Verdeutlichungstendenzen ergeben. Er ist zu dem Ergebnis gelangt, der Klägerin seien leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes gerade im Bürobereich mehr als sechs Stunden täglich zumutbar. Als unzumutbar hat er körperliche Schwerarbeiten, auch ständig mittelschwere Arbeiten angesehen, darüber hinaus auch Arbeiten unter Zeitdruck, in Einzel- und Gruppenakkord, Fließbandarbeiten und taktgebundene Arbeiten, Arbeiten unter Wechselschicht- und Nachtarbeitsbedingungen, Arbeiten mit ständigem Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, Tätigkeiten im Freien unter Einwirkung von Kälte, Zugluft und Nässe und Tätigkeiten mit besonderer Anforderung an die psychische Belastbarkeit. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 26.04.2011 (Bl. 112 ff SG-Akte) zu den Einwendungen der Klägerin hat er dieses Leistungsbild bestätigt.

Hierauf hat das SG die Klage mit Urteil vom 08.06.2011 abgewiesen und sich in den Gründen der Entscheidung maßgeblich auf das Gutachten von Dr. H. gestützt, welches im Wesentlichen mit den Verwaltungsgutachten von Dr. K., Dr. H. und Dr. K. übereinstimme. Bei der Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion handele es sich um eine leichtere nervenärztliche Erkrankung, welche allein mit ambulanter Psychotherapie, nicht aber regelmäßig psychiatrisch oder psychopharmakologisch behandelt werde. Die PBC sei bereits in einem präklinischen Stadium festgestellt worden, die erhöhten Leberwerte hätten sich unter medikamentöser Behandlung normalisiert. Das SG hat die Klägerin hiernach als nicht erwerbsgemindert angesehen und weiter ausgeführt, dass sie auch nicht berufsunfähig sei, da sie ihre zuletzt verrichtete Tätigkeit als Bürokauffrau - unabhängig davon, ob sie als angelernte Tätigkeit im oberen Bereich oder gar als Facharbeitertätigkeit anzusehen sei - noch vollschichtig verrichten könne.

Gegen das ihr am 20.06.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15.07.2011 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, die bislang beauftragten Sachverständigen seien nicht ausreichend mit ihrer Erkrankung (primäre biliäre Leberzirrhose - PBC) vertraut, deren Symptome wie Juckreiz, Müdigkeit und Abgeschlagenheit zwar allgemein bekannt seien, nicht jedoch deren unterschiedliche Ausprägungen und konkreten verschiedensten Erscheinungsbilder der unterschiedlichen Krankheitsstadien. Die Gutachter würden durchweg nicht auf ihre konkrete Situation abstellen, sondern lediglich auf eine allgemeine Symptomatik, welche sich aus den festgestellten Befunden herleiten lasse. Die von ihr selbst beschriebene Müdigkeit, welche ihr eine Erwerbstätigkeit unmöglich mache, werde dabei als psychisch bedingt abgetan. Hierbei bleibe unberücksichtigt, dass die von ihr beschriebene Müdigkeit eine körperliche Symptomatik der Erkrankung sein könne. Hinzu komme, dass sie mittlerweile auch an Osteoporose leide, wobei ihr die Einnahme von Schmerzmitteln wegen der PBC nicht möglich sei. Hierdurch sei sie zusätzlich müde und geschwächt.

Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 08. Juni 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. Juni 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Auftrag der Klägerin nach § 109 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat am 15.02.2012 der Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie Dr. K. am 15.02.2012 ein weiteres Gutachten erstattet. Er hat die Diagnose einer primär-biliären Zirrhose im Krankheitsfrühstadium mitgeteilt. Bei der Klägerin bestehe nach seiner Auffassung durchaus eine klinische Beeinträchtigung, allerdings sei bisher kein schwerer Folgeschaden an der Leber eingetreten. Die Erkrankung sei zwar nicht ursächlich heilbar, bei einem Verlauf wie bei der Klägerin könne aber von einer normalen Lebenserwartung ausgegangen werden. Die geschilderten Hepatitiserkrankungen hätten sich demgegenüber derzeit laborchemisch nicht nachweisen lassen, weder in Bezug auf eine Hepatitis A noch auf eine Hepatitis B. Eine Knochendichtemessung habe den Befund einer Knochenarmut (Osteopenie), nicht aber einer manifesten und damit behandlungsbedürftigen Osteoporose ergeben. Daneben bestehe auf psychiatrischem Fachgebiet eine Anpassungsstörung bei deutlich angstgeprägter Persönlichkeit, nachdem die Klägerin der Überzeugung sei, an einer unheilbaren Erkrankung zu leiden, welche unweigerlich zum Tode führe. Die von der Klägerin benannten Müdigkeits- und Erschöpfungszustände seien Symptome der PBC. Durch diese Grunderkrankung sei die Klägerin eingeschränkt und nicht mehr in der Lage, schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten zu verrichten, ebenso wie Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten, Arbeiten mit dauerndem Gehen oder überwiegendem Stehen, häufiges Bücken, Treppensteigen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten mit und an laufenden Maschinen, Akkordarbeit, Fließbandarbeit, Schichtarbeit und Nachtarbeit sowie Arbeiten unter Kälte- und Wärmeeinfluss sowie unter Einwirkung von Staub, Gasen, Dämpfen, Nässe oder überwiegende Arbeiten im Freien. Ebenfalls zu vermeiden seien Arbeiten bei Publikumsverkehr. Demgegenüber könne eine besondere Beanspruchung des Gehörs oder des Sehvermögens ebenso zugemutet werden wie eine sitzende Tätigkeit. Zwar liege eine unmittelbare Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit, insbesondere der Vigilanz der Klägerin, nicht vor (Bl. 52 Senatsakte), gleichwohl könne es aufgrund der Erschöpfungszustände zu einer belastungsbedingten Einschränkung der Vigilanz (Aufmerksamkeit) kommen, weshalb bei Arbeiten mit besonderer geistiger Beanspruchung sowie bei erhöhter oder hoher Verantwortung auf die Möglichkeit von regelmäßigen Pausen (wenigstens alle zwei Stunden) geachtet werden müsse. Arbeiten unter nervlicher Belastung, welche über das Maß einer regulären Belastung am Arbeitsplatz in Bürotätigkeit hinaus gehen würden, sollten vermieden werden. Mit den genannten Einschränkungen hat Dr. K. eine Tätigkeit als Bürokauffrau für möglich erachtet und das zeitliche Leistungsvermögen der Klägerin für eine derartige Tätigkeit sowie Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit drei bis zu sechs Stunden täglich beziffert. Wegen der neu und progredient hinzugetretenen Gelenkbeteiligung ergebe sich eine Abweichung bei der Beurteilung des Leistungsvermögens zur Auffassung des Vorgutachters Dr. K., welcher der Klägerin noch ein Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden für eine Tätigkeit als angestellte Kauffrau zugemutet habe.

Mit Stellungnahme vom 08.03.2012 hat der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. S., darauf hingewiesen, dass sich weder radiologisch noch funktionell signifikante Einschränkungen der Gelenkbeweglichkeit hätten feststellen lassen. Zur geklagten Müdigkeit habe bereits Dr. H. Stellung genommen. Neue psychiatrische Funktionsbefunde habe der internistische Gutachter nicht mitgeteilt. Der Forderung der Einhaltung regelmäßiger Pausen alle zwei Stunden könne im Rahmen der persönlichen Verteilzeiten Rechnung getragen werden.

Mit ergänzender Stellungnahme vom 30.05.2012 ist Dr. H. der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung des Dr. K. entgegen getreten und hat darauf verwiesen, dass eine Beeinträchtigung der Vigilanz auch dem Sachverständigen Dr. K. nicht aufgefallen sei. Die Annahme einer zeitlichen Leistungsminderung auf internistischem Fachgebiet ohne jegliche objektivierbare Parameter, ausschließlich gestützt auf die subjektiven Angaben der Klägerin bezüglich rascher Ermüdbarkeit, Erschöpfung und subjektiver Gelenkbeschwerden, auf drei bis unter sechs Stunden täglich sei unter sozialmedizischen Aspekten nicht nachvollziehbar, ebenso sei die Empfehlung zusätzlicher Pausen durch nichts begründet und lediglich basierend auf den subjektiven Angaben der Klägerin, die bei völlig unauffälligen Laborbefunden nicht nachvollziehbar seien. Dieser Einschätzung hat sich der Beratungsarzt Dr. S. mit Stellungnahme vom 04.10.2012 (Bl. 84 Senatsakte) angeschlossen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die SG-Akte und die Senatsakte Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das Landessozialgericht - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Der Senat hat die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit - §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht besteht, weil die auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbare Klägerin noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück. Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI scheidet ebenfalls aus, da die Klägerin ihre zuletzt ausgeübte Beschäftigung (Innendiensttätigkeit als kaufmännische Angestellte) noch mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag verrichten kann.

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch der Senat nach der Gesamtwürdigung der vorliegenden Unterlagen - ebenso wie das SG - nicht festzustellen vermag, dass das Leistungsvermögen der Klägerin für körperlich leichte Tätigkeiten ohne körperlich schwere und ständig mittelschwere Arbeiten bei Ausschluss von Arbeiten unter Zeitdruck, Akkord- und Fließbandarbeit, taktgebundenen Arbeiten, Arbeiten unter Wechselschicht- und Nachtarbeitsbedingungen, Arbeiten mit ständigem Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel sowie unter Ausschluss von Tätigkeiten im Freien unter Einwirkung von Kälte, Zugluft und Nässe und von Tätigkeiten mit besonderer Anforderung an die psychische Belastbarkeit, insbesondere wegen der auf internistischem und psychiatrischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen, auf unter sechs Stunden täglich herabgesunken ist. Seine Überzeugung stützt der Senat maßgeblich auf das Gutachten und die ergänzenden Stellungnahmen von Dr. H., welcher die Klägerin - dabei im Wesentlichen übereinstimmend mit den im Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren befassten Vorgutachtern, dem Internisten Dr. K., dem Nervenarzt Dr. H. und dem Internisten Dr. K., deren Gutachten der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat - noch für in der Lage gehalten hat, leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen sowie ihre letzte Tätigkeit als kaufmännische Angestellte noch mehr als sechs Stunden zu verrichten. Nachdem er diese Leistungsbeurteilung für den Senat schlüssig und nachvollziehbar begründet hat, schließt sich der Senat dem nach eigener kritischer Prüfung an. Bei der Klägerin besteht auf psychiatrischem Fachgebiet eine Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion, gemischt, und somit eine - definitionsgemäß - leichte seelische Störung. Im Rahmen der klinischen Untersuchung durch Dr. H. hat dieser eine tiefergehende depressive Herabstimmung nicht feststellen können, auch die Angstsymptomatik hat er als nicht stark ausgeprägt beschrieben bei Fixierung auf das Krankheitsbild der primären biliären Leberzirrhose, ohne dass für ihn eine paranoide Symptomatik beobachtbar gewesen ist. Im klinischen Befund hat er die Klägerin als lebhaft in Gestik und Mimik ohne Beeinträchtigungen des Selbstwertgefühls und ohne Anhaltspunkte für Konzentrations-, Merkfähigkeits- und sonstige Gedächtnisstörungen beschrieben. Auch aus den Angaben zum Tagesablauf, wonach die Klägerin, die zur Untermiete wohnt, ihrem Vermieter den Haushalt führt, Kontakt zu einer Freundin hat und jeden Tag eine Stunde spazieren geht (Waldspaziergänge), lassen sich weder Anhaltspunkte für krankheitsbedingtes Rückzugsverhalten noch Einschränkungen des Interessensspektrums oder der Fähigkeit zur Alltagsbewältigung ableiten. Auch hieraus ergeben sich mithin keine Indizien für ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen der Klägerin für leichte Büroarbeiten.

Soweit der auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin gem. § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG beauftragte internistische Sachverständige Dr. K. aufgrund der bei der Klägerin auf internistischem Fachgebiet bestehenden primär-biliären Leberzirrhose (PBC) im Krankheitsfrühstadium zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Klägerin eine mehr als sechsstündige Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und als kaufmännische Angestellte nicht mehr zumutbar ist, und das Leistungsvermögen für derartige Tätigkeiten mit bis zu sechs Stunden beziffert, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es für die Begründung eines Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente des Nachweises eines unter sechsstündigen Leistungsvermögens bedarf und ein noch sechsstündiges Leistungsvermögen gerade nicht ausreichend ist, eine Erwerbsminderung zu begründen. Selbst wenn man jedoch die Äußerungen von Dr. K. zum Leistungsvermögen der Klägerin zu ihren Gunsten dahingehend auslegt, dass nicht ein bis zu sechsstündiges Leistungsvermögen beschrieben werden sollte, sondern ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen gemeint gewesen ist, resultiert hieraus kein Erwerbsminderungsrentenanspruch, denn es fehlt für die behauptete Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens auch für leichte Büroarbeiten an einer schlüssigen Begründung, ebenso wie für die von Dr. K. geforderten "regelmäßigen Pausen" (alle zwei Stunden). Hinsichtlich der PBC hat die Begutachtung durch Dr. K. ergeben, dass seit der nach Diagnosestellung 2007 und der nachfolgenden Therapie mit Usodesoxycholsäure die Lebenparameter laborchemisch normwertig sind und keine Hinweise auf einen Leberschaden oder einen Gallenstau bzw. Schäden der abführenden Gallenwege objektivierbar sind. Die von der Klägerin angeführten Müdigkeits- und Erschöpfungszustände haben sich weder im Rahmen der Begutachtung durch Dr. H. noch durch Dr. K. objektivieren lassen, vielmehr hat letzterer die geistige Leistungsfähigkeit und Vigilanz der Klägerin als unbeeinträchtigt beschrieben und darauf verwiesen, dass die Klägerin einen festen Tagesablauf einhält, auf regelmäßige körperliche Aktivität achtet und sich gesund ernährt. Die Klägerin selbst hat Dr. K. gegenüber hinsichtlich der von ihr geklagten Müdigkeit eine eher positive Entwicklung in den letzten Jahren eingeräumt. Aus der nebenbefundlich festgestellten Osteopenie (Knochenarmut) resultieren auch nach Auffassung von Dr. K. keine unmittelbaren Leistungseinschränkungen, vielmehr sieht er insoweit nur den Bedarf präventiver Maßnahmen. Soweit er seine Abweichung in der Leistungsbeurteilung von den Vorgutachten von Dr. K. und Dr. K. maßgeblich mit der von diesen noch nicht festgestellten Gelenkbeteiligung begründet hat, lässt dies außer Acht, dass er manifeste oder radiologische Nachweise für tatsächlich bestehende Gelenkbeschwerden gerade nicht hat feststellen können und die Schmerzangaben der Klägerin sich nur schwer damit in Übereinstimmung bringen lassen, dass diese täglich eine Stunde in schnellem Tempo spazieren geht, was Dr. K. zwar erwähnt, jedoch bei der Leistungsbeurteilung ebenso wenig gewürdigt hat wie das von der Klägerin auch ihm gegenüber deutlich zum Ausdruck gebrachte Rentenbegehren (vgl. Bl. 46 Senatsakte: "aus ihrer Sicht ungerechtfertigte[n] Verzögerung der Berentung "). Der Umstand, dass sowohl Müdigkeitserscheinungen und Abgeschlagenheit als auch rheumaähnliche Gelenksbeschwerden zu den möglichen Folgeerscheinungen einer PBC zählen, entbindet den Gutachter nicht von einer kritischen Konsistenzprüfung der diesbezüglichen Beschwerdeschilderungen, zumal bei einem deutlich zutage tretenden Rentenbegehren wie im Falle der Klägerin, die zudem sehr gut über ihre Erkrankung informiert ist. Den Nachweis von erheblichen, das quantitative Leistungsvermögen beeinträchtigenden, Müdigkeitserscheinungen und Gelenksbeschwerden sieht der Senat angesichts der aufgezeigten Widersprüche zwischen Beschwerdeschilderung und klinischem Befund samt Tagesaktivitäten der Klägerin als nicht er-bracht an.

Anhaltspunkte für eine rentenrechtlich relevante Minderung der Fähigkeit, einen Arbeitsplatz aufzusuchen, bestehen nicht. Die Klägerin ist nach den übereinstimmenden Feststellungen der medizinischen Sachverständigen in der Lage, viermal am Tag eine Wegstrecke von mehr als 500 m in maximal 20 Minuten zurückzulegen und zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Ebenso ist sie in der Lage, einen PKW zu lenken und besitzt einen Führerschein.

Ebenfalls liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht vor, nachdem die Klägerin leichte (Büro-)Tätigkeiten in temperierten Räumen in Tagschicht mehr als sechs Stunden täglich verrichten kann. Hieraus resultiert im Übrigen auch, dass die Klägerin, nachdem sie ihre letzte berufliche Tätigkeit weiterhin mehr als sechs Stunden täglich verrichten kann, dass ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI nicht besteht.

Soweit die Klägerin beantragt hat, bei Dr. K. eine ergänzende Stellungnahme einzuholen, sieht sich der Senat zu weiteren medizinischen Ermittlungen von Amts wegen nicht gedrängt, auch wenn nach Vorlage des Gutachtens von Dr. K. von Dr. H. eine weitere Stellungnahme eingeholt worden ist. Denn Dr. H. hat sich mit der zwischen den Gutachtern im Wesentlichen unstreitigen Befundlage sowie den Schilderungen der Klägerin nur nochmals argumentativ auseinander gesetzt, ohne dabei entscheidende neue Gesichtspunkte zu benennen, und seine abweichende Leistungsbeurteilung lediglich nochmals - schlüssig - begründet. Die Würdigung von (auch unterschiedlichen) Gutachtensergebnissen aber gehört zur Beweiswürdigung (BSG, Urteil vom 22.10.2008 - B 5 KN 1/06 B - in Juris), die dem Senat vorbehalten ist. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb dem bereits nach § 109 SGG gehörten Gutachter das "letzte Wort" verbleiben muss (ebenso wie hier Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 109 Rn. 10b m.w.N.).

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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